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2 LITERATURÜBERSICHT

2.4 Rekombinante Antikörpertechnologie

2.4.2 Antikörperexpression

Rekombinante Antikörper sind die am schnellsten wachsende Klasse unter den therapeutisch genutzten Proteinen, so dass die große Nachfrage zu einer Entwicklung und Optimierung verschiedener Produktionssysteme geführt hat

1 Persönliche Mitteilungen von D. Jahn und S. Kiprijanov, Novoplant GmbH, Gatersleben (Planungstreffen am 25.10.07); Patent zum AB28-di-ckappa in Anmeldung

(SCHIRRMANN et al. 2008). Nach der Erstellung von Antikörper-Bibliotheken und der Selektion geeigneter Antikörperfragmente mittels Phagendisplay stehen verschiedene Systeme zur Expression des ausgewählten Antikörpers zur Verfügung.

Bei der Herstellung rekombinanter Antikörper und Antikörperfragmente lassen sich traditionelle Expressionssysteme und die Expression in Pflanzen unterscheiden (FISCHER et al. 2003). Dabei gelten für jedes Expressionssystem grundsätzlich folgende Anforderungen (DANIELL et al. 2001; STOGER et al. 2002; HAGEMANN 2006): Zunächst sollte das Expressionssystem eine hohe Sicherheit bieten, d.h. dass eine hervorragende Produktqualität im Sinne von Funktionalität und Homogenität der Antikörper gewährleistet ist und eine negative Beeinflussung durch Kontamination mit Pathogenen ausgeschlossen wird. Während der Produktion soll auch eine Kontamination der Umwelt verhindert und die Prinzipien der GMP (Good Manufacturing Practice) sowie die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden.

Darüber hinaus müssen die technischen Voraussetzungen zur Massenproduktion bzw. zu einer schnellen Steigerung der Produktionsmengen gegeben sein. Nur gute Expressionsraten führen zu einer hohen Ausbeute an Antikörpern pro Einheit Biomasse. Dies ist wiederum die Voraussetzung für geringe Produktionskosten und eine ökonomische Konkurrenzfähigkeit des Produktionssystems. Letztlich ist wirtschaftlich auch die Zeitspanne von der ersten genetischen Transformation bis zum anwendbaren Produkt von Bedeutung. Die erzeugten rekombinanten Antikörper selbst sollen eine hohe Affinität und Spezifität aufweisen und den Anforderungen an Löslichkeit und Stabilität genügen.

Traditionelle Expressionssysteme

Die Gewinnung polyklonaler Antikörper erfolgt traditionell aus tierischen Produkten wie z.B. Serum, Kolostrum, Milch und Eiern, aus denen sie nach einer vorausgegangenen Immunisierung der Spendertiere isoliert werden können (HAGEMANN 2006). Für die Erzeugung rekombinanter monoklonaler Antikörper hingegen stellen genetisch modifizierte Säugerzelllinien und Mikroorganismen, größtenteils Bakterien, traditionelle Expressionssysteme dar.

Vollständige rekombinante Antikörper, die als Pharmazeutika Anwendung finden sollen, werden aufgrund ihrer komplexen Struktur bislang hauptsächlich in Säugerzellen produziert (ARBABI-GHAHROUDI et al. 2005). Der Hauptvorteil dieser Zelllinien ist die Möglichkeit zur posttranslationalen Modifikation der rekombinanten Antikörper. Diese werden glykosyliert und sind damit Antikörpern natürlichen Ursprungs sehr ähnlich. Da das Glykosylierungsmuster je nach Wahl der geeigneten Zelllinie jedoch nicht vollkommen mit dem Glykosylierungsmuster der Empfängerspezies übereinstimmt, besteht die Gefahr einer Immunreaktion auf das verabreichte Antikörperpräparat (FISCHER et al. 2003; VOEDISCH 2005). Auch die Gefahr der Kontamination der Zelllinien oder des Kulturmediums mit Pathogenen oder onkogener DNA ist in diesem Expressionssystem nicht auszuschließen. Weitere Nachteile sind der hohe Kostenaufwand aufgrund teurer technischer Ausstattung und des Einsatzes von speziell geschultem Personal sowie limitierte Produktionsmengen (DANIELL et al. 2001; FISCHER et al. 2003; MA et al. 2005).

Antikörperfragmente, wie z.B. Fabs und scFvs, verfügen über eine einfachere Molekülstruktur als vollständige Antikörper und erfordern keine Glykosylierung, so dass die Expression in bakteriellen (prokaryotischen) Systemen bisher als die Methode der Wahl gilt (ARBABI-GHAHROUDI et al. 2005; HARMSEN u. DE-HAARD 2007). Ein Vorteil der Expression von Antikörpern durch Bakterien ist eine kosteneffektivere Produktion von größeren Antikörpermengen durch kurze Generationszeiten und preiswerte Kulturmedien. Auch hier sind die Ausbeuten der Expression jedoch begrenzt, insbesondere durch Fehlfaltungen und die Bildung von

„inclusion bodies“ im Zytoplasma. Ein Nachteil besteht im Risiko von Verunreinigungen der Antikörperpräparate mit Endotoxinen (FISCHER et al. 2003;

VOEDISCH 2005).

Expression in Pflanzen: „Plantibodies“

Während die Verwendung von Pflanzen zu medizinischen Zwecken bereits seit Jahrtausenden praktiziert wird, ist die gezielte gentechnische Manipulation von Pflanzen zur Proteinexpression eine relativ junge Entwicklung. Durch die gentechnische Veränderung von Pflanzen können unterschiedlichste Proteine

produziert werden, zu denen insbesondere rekombinante Antikörper zur medizinischen und industriellen Verwendung, die so genannten „Plantibodies“, gehören. Sowohl vollständige rekombinante Antikörper als auch sekretorische Antikörper (WIELAND et al. 2006) und Antikörperfragmente, wie z.B. scFv- und Fab-Fragmente, können als Plantibodies in Pflanzen exprimiert werden (DANIELL et al.

2001; STOGER et al. 2002). Das Spektrum ihrer (potentiellen) Einsatzmöglichkeiten reicht von Virusinfektionen (z.B. Herpes simplex Virus 2, Canines Parvovirus, Rabiesvirus) über bakterielle (z.B. Dental Karies, E. coli-Diarrhoe) und parasitäre Erkrankungen (Eimerieninfektionen) bis hin zur Krebstherapie (Non-Hodgkin’s Lymphom, Kolonkarzinom) (DANIELL et al. 2001; MA et al. 2005; WIELAND et al.

2006).

Die etablierten Methoden zur Erzeugung von Plantibodies sind inzwischen vielfältig:

Grundsätzlich ist die Erzeugung stabiler transgener Pflanzenlinien von der transienten Expression einzelner Antikörper in Pflanzen zu unterscheiden. Die Mehrheit der in Pflanzen exprimierten Antikörper stammt derzeit aus transgenen Pflanzenlinien, die stabil transformiert wurden. Dabei wird z.B. mit Hilfe von Agrobacterium tumefaciens das antikörpercodierende Transgen in das Pflanzengenom integriert und bleibt dort über Generationen stabil erhalten. Daraus ergibt sich der entscheidende Vorteil, dass permanent Plantibodies erzeugt und geerntet werden können. Nachteilig ist allerdings die lange Zeitspanne von bis zu zwei Jahren, die von der ersten Transformation der Pflanze bis zur Antikörperproduktion in größeren Mengen vergeht. Um kleinere Mengen rekombinanter Antikörper, z.B. für erste Laborversuche und Tierstudien zu erzeugen, werden daher meist Methoden der transienten Expression von Plantibodies genutzt.

Dazu gehören die transiente Expression durch Infiltration der Pflanzenblätter mit Agrobacterium tumefaciens, die Nutzung von Pflanzenviren als Vektoren, die Expression in den Chloroplasten transplastomischer Pflanzen sowie die Transformation von Pflanzenzellkulturen (FISCHER et al. 2003; FISCHER et al.

2004; FLOSS et al. 2007).

Die Wahl der geeigneten Pflanzenspezies hängt nicht nur von der vorgesehenen Expressionsmethode, sondern auch von der Antikörpermenge, die erzeugt werden

soll, und der vorgesehenen Applikationsform des Produkts ab. Pflanzen mit viel grünem Pflanzengewebe wie Tabak, Alfalfa und Soja bieten bei guten Expressions-raten eine hohe Produktivität. Da Tabak weder als Nahrungsmittel noch als Futtermittel dient, sind hier ungewollte Einträge in die Nahrungskette leicht zu verhindern. Allerdings ist die Stabilität der exprimierten Antikörper im geernteten Pflanzenmaterial so gering, dass eine umgehende Weiterverarbeitung erfolgen muss. Bei der Expression in Getreide (Reis, Weizen, Roggen, Mais) und Hülsenfrüchten (Erbse, Sojabohne) können die geernteten antikörperhaltigen Samen zum Teil direkt als therapeutischer Futterzusatz genutzt werden und sind bei einer hohen Antikörperstabilität lange lagerfähig (DANIELL et al. 2001; FISCHER et al.

2004).

Als Vorteile pflanzlicher Expressionssysteme werden die niedrigen Produktions-kosten und die technischen Möglichkeiten zur Massenproduktion gesehen, da die bestehende landwirtschaftliche Infrastruktur eingebunden werden kann und kaum spezialisierte Fachkräfte benötigt werden. Der Hauptteil der Produktionskosten entfällt dabei auf die Aufreinigung der Plantibodies nach der Ernte. Allerdings werden diese Kosten nochmals erheblich vermindert, sofern antikörperhaltige Pflanzenteile direkt als therapeutisch wirksamer Futterzusatz eingesetzt werden können.

Besonders sicher ist die Expression in Pflanzen, weil eine Kontamination mit tierischen oder humanen Pathogenen, Endotoxinen und Prionen leichter als in Bakterien- und Zellkulturen ausgeschlossen werden kann (DANIELL et al. 2001;

HOOD et al. 2002; FISCHER et al. 2003; FISCHER et al. 2004; VOEDISCH 2005).

Ein kritischer Punkt bei der Nutzung pflanzlicher Expressionssysteme ist die häufig geringe und schwankende Konzentration der produzierten Plantibodies im Pflanzengewebe. Dem gegenüber steht eine vergleichsweise hohe Antikörperkonzentration, die bei der direkten Verfütterung des Pflanzenmaterials an Tiere zum Erreichen eines ausreichenden Wirkspiegels benötigt wird. Auch die Aufreinigung von Plantibodies kann nur rentabel sein, wenn hohe Ausgangskonzentrationen im Pflanzenmaterial vorhanden sind. Daher ist das Erreichen solch hoher Expressionsraten aus medizinischer und wirtschaftlicher Sicht die wichtigste Herausforderung, die durch eine Weiterentwicklung pflanzlicher

Expressionssysteme bewältigt werden muss. Derzeit verfolgte Lösungsansätze zur Steigerung der Antikörperexpression sind z.B. der Einsatz induzierbarer Promotoren und weiterer geeigneter regulatorischer Elemente der Genexpression, die Kreuzung transformierter Pflanzenlinien und das so genannte „subcellular targeting“, bei dem der Sekretionsweg der Antikörper durch Signale vorherbestimmt und eine Anreicherung in ausgewählten Zellkompartimenten erreicht wird. Auch eine Steigerung der Antikörperstabilität führt letztlich zu einer höheren Ausbeute und zu einer höheren Bioverfügbarkeit im Tier (DANIELL et al. 2001; FISCHER et al. 2004;

FLOSS et al. 2007).

Ein Nachteil pflanzlicher Expressionssysteme sind die Unterschiede im Glykosylierungsmuster pflanzlicher und tierischer bzw. humaner Proteine, so dass sowohl die Wirksamkeit der Plantibodies bei Tier und Mensch als auch ihre Immunogenität noch genauer zu untersuchen sind (DANIELL et al. 2001; HOOD et al. 2002). Nachteilig für die Nutzung pflanzlicher Expressionssysteme sind weiterhin die Bedenken der Öffentlichkeit gegenüber dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Umso wichtiger ist es, dass mögliche Gefahren, wie z.B. ein ungewollter Eintrag genetisch veränderter Pflanzen in die Nahrungskette, eine Vermischung von Saatgut veränderter Pflanzen mit dem verwandter Futterpflanzen, sowie ein Auskreuzen durch Pollenflug wirksam verhindert werden (DANIELL et al. 2001;

STOGER et al. 2002). Dazu sollten die Prinzipien der GMP auch auf die Produktion von Plantibodies in Pflanzen angewendet und entsprechende Regulations-mechanismen von Seiten der zuständigen Behörden implementiert werden. Von der Industrie ist bei der Nutzung dieser noch neuen Technologie wiederum ein hohes Maß an Transparenz gefordert (MA et al. 2005). Neben der Erzeugung von Plantibodies zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken dienen pflanzliche Expressionssysteme derzeit vor allem der Produktion von Antigenen zur aktiven Immunisierung. Eine ausführliche Zusammenstellung der zur Impfstoffherstellung in Pflanzen exprimierten Antigene findet sich bei FLOSS et al. (2007).