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Der allgemein übliche Weg der interpersonellen Direkt-Kommunikation ist das Gespräch. Dies setzt beim Sender funktionierende Sprachformulierung und

7.2 Ersatz der eigenen Stimme

Sofern eine sprechbehinderte Person über ein intaktes Sprachvermögen verfügt (also die Fähigkeit hat, Gedanken in Sätzen zu formulieren und diese Sätze als eine Aneinanderreihung von Buchstaben darzustellen), kann die interpersonelle Kommunikation durch die Eingabe von Text erfolgen. Ist dieses Sprachvermögen nicht gegeben, kann versucht werden, ob als Eingabemedium Bilder oder Symbole eingesetzt werden können.

Für die Ausgabe bieten sich in der Praxis zwei Wege an: Die der direkten interpersonellen Kommunikation nichtbehinderter Menschen am nächsten kommende Form ist die Umwandlung des Textes in synthetische Sprache. Alternativ dazu ist es aber auch möglich, den Text oder die eingegebenen Bilder/Symbole direkt (also ohne weitere Transformation) dem Empfänger zukommen zu lassen.

7.2.1 Eingabe von Text – Ausgabe über synthetische Sprache

In diese Kategorie fallen zahlreiche kommerziell gefertigte Kommunikationshilfen, die sich für den mobilen Einsatz eignen. Ein Beispiel dafür zeigt Abb. 7.10.

Abb. 7.10: Kommunikationshilfe mit Sprachausgabe (Lightwriter von Toby Churchill)

Besondere Eigenschaften derartiger Kommunikationshilfen können sein:

 Je ein Display für den Sender und den Empfänger der Nachricht. Der Sender hat damit die Kontrolle über den eingegebenen Text, der Empfänger hat zusätzlich zur Kommunikation über den Sprachsynthesizer auch den Text vorliegen (siehe die Anordnung beim Lightwriter in Abb. 7.10).

 Tastaturen mit unterschiedlicher Anordnung der Tasten ("QWERTY" oder "ABC"), spezielle Entprellung der Tasten zur Unterdrückung von Mehrfachanschlägen bei Personen mit Tremor, Lochmasken für die Tastatur sowie Anschlußmöglichkeit für externe Tastaturen.

 Ersatz der herkömmlichen Tastatur durch Scanning und Bedienung über einen einzelnen Schalter.

 Eingebautes Textvorhersageprogramm zur Beschleunigung der Kommunikation.

 Kopplungsmöglichkeiten für die Verwendung am Telephon.

Neben den speziell für den mobilen Einsatz gefertigten Kommunikationsgeräten gibt es auch zahlreiche Möglichkeiten, herkömmliche Notebook-PCs mit einem Sprachsynthesizer und entsprechender Kommunikationssoftware als sprechende Kommunikationshilfe zu konfigurieren. Dieser Weg wird vor allem dann gewählt, wenn der Notebook-PC ohnehin zur Erfüllung anderer Aufgaben (Umgebungssteuerung, Textverarbeitung etc.) verwendet wird.

7.2.2 Eingabe von Text – Ausgabe ebenfalls über Text

Im einfachsten Fall genügt dazu eine Buchstabentafel, Papier und Bleistift oder eine Schreibmaschine. Etwas komfortabler läßt sich die schriftliche Kommunikation mittels eines elektronischen Kommunikationsgerätes gestalten. Dieses zeigt den eingegebenen Text entweder auf dem einem Display an (beispielsweise Lightwriter ohne eingebauten Sprachsynthesizer, siehe Abb. 7.10) oder druckt ihn, so wie bei dem in Abb. 7.11 dargestellten Communicator von Canon, auf einem Papierstreifen aus.

Abb. 7.11: Druckendes Kommunikationsgerät (Communicator von Canon)

7.KOMMUNIKATIONSHILFEN FÜR DIREKT-KOMMUNIKATION

Elektronische Kommunikationsgeräte haben zusätzlich den Vorteil, daß sie oft das Abrufen von vorher eingegebenen Phrasen ermöglichen, sodaß die Verständigung in vielen Fällen dadurch beschleunigt werden kann.

Die Möglichkeit, Texte anstelle über die eingebaute Tastatur auch mittels Schaltereingabe und Scanning eingeben zu können, macht diese elektronischen Kommunikationshilfen auch für Personen mit zusätzlicher motorischer Behinderung brauchbar.

Beim Einsatz eines Kommunikationshilfsmittels, das als Ersatz für die eigene Stimme verwendet wird und das anstelle einer Ausgabe über einen Sprachsynthesizer oder ein Display einen Drucker verwendet, muß bedacht werden, daß es zu einer zusätzlichen Veränderung der Kommunikations-Modalität kommt. Displays und synthetische Sprache sind genauso wie das selbst gesprochene Wort flüchtig, ein gedruckter Text ist jedoch permanent. Diese Art der Konservierung der Kommunikation kann durchaus Vorteile haben, verändert aber den Charakter der Kommunikation grundlegend. Über etwas, das unter vier Augen besprochen wurde, gibt es zunächst keinerlei Dokumentation und das Gespräch kann vertraulich bleiben.

Ein Ausdruck des Kommunikationsgerätes kann jedoch dazu verleiten, daß der Empfänger die Nachricht nicht mit gleicher Diskretion behandelt und daß sich dieser Ausdruck ohne entsprechende Absicht des Senders in einer Ablage oder gar am schwarzen Brett wiederfindet.

Unter nicht behinderten Personen muß ein direkt zur anderen Person gesprochenes Wort mehr oder weniger zwangsläufig wahrgenommen werden. Daher bestünde ein zweiter möglicher Mißbrauch eines Kommunikationsgerätes mit Drucker darin, daß der Empfänger den Ausdruck zwar entgegennimmt, aber erst "bei passender Gelegenheit" bereit ist, sich damit auseinanderzusetzen. Auch darin kann in vielen Situationen eine Diskriminierung der sprechbehinderten Person liegen.

7.2.3 Eingabe von Gesten – Ausgabe über synthetische Sprache

Die Idee, Handbewegungen direkt in stimmliche Artikulation umzuwandeln, ist nicht neu. Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts hat man versucht, eine Art von Orgel zu bauen, die den menschlichen Artikulationstrakt nachbildet und wie ein Musikinstrument gespielt werden kann, um sprachliche Äußerungen von sich zu geben. 1846 wurde von Joseph Faber die

"Sprachorgel" entwickelt, mit der nicht nur "herkömmliche Sprache und Flüstern" erzeugt werden konnten, sondern auch "Lieder und Hymnen" (Abb. 7.12).

Abb. 7.12: Die "Sprachorgel" von Joseph Faber, 1846

Auf der Weltausstellung 1939 wurde der "Voder" vorgestellt, ein aus Tongeneratoren, Filtern und Resonatoren bestehendes Gerät, mit dessen Hilfe speziell ausgebildete Personen über eine Kombination aus Tastatur und Pedalerie gesprochene Sprache produzieren konnten (Abb.

7.13) [FEL 95].

Abb. 7.13: Der "VODER", wie er auf der EXPO 1939 gezeigt wurde

Alle diese Entwicklungen haben zwar keinerlei technische Bedeutung erlangt aber den prinzipiellen Beweis erbracht, daß es mit ausreichendem Training möglich ist, einen künstlichen Artikulationstrakt so anzusteuern, daß damit gesprochene Sprache erzeugt werden kann. Der Engpaß war bisher immer die Bedienoberfläche, die aus Schaltern und Hebeln bestand und das Erlernen der Bedienung zur einem schwierigen Prozeß machte.

Durch die Verwendung neuer Mensch-Maschine-Schnittstellen (Datenhandschuh, Data Glove) und neuronaler Netzwerke, ist es in den letzten Jahren gelungen, den Prototypen eines Gerätes zu entwickeln, das in der Lage ist, Handbewegungen (ähnlich wie beim Fingeralphabet) in Phoneme umzuwandeln. Glove-Talk ist aber wohlgemerkt nicht die Ansteuerung eines Sprachsynthesizers über diskrete Buchstaben des Fingeralphabetes sondern die unmittelbare Formung von Sprachparametern (Formanten) über die Handstellung, sodaß jede beliebige Artikulation damit möglich ist.

Nach einer Übungszeit von nur 100 Stunden und mehrmaliger Anpassung der Benutzerschnittstelle durch Training des neuronalen Netzwerkes konnte eine Versuchsperson freie Sätze formulieren, die auch von uneingeweihten Hörern verstanden werden konnten [FEL 95, KAD 95].

Bei weiterer Entwicklung könnte damit für sprechbehinderte Personen eine "Sprechprothese"

zustandekommen, die dem Benutzer / der Benutzerin keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Kommunikationsgeschwindigkeit und der Ausdrucksmöglichkeiten auferlegt, sodaß auch Emotionen vermittelt werden können.