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Der allgemein übliche Weg der interpersonellen Direkt-Kommunikation ist das Gespräch. Dies setzt beim Sender funktionierende Sprachformulierung und

7.1 Verbesserung der eigenen Stimme

7.1.2 Elektronischer Kehlkopf

Die Verwendung der in Kap.7.1.1 beschriebenen Stimmverstärker setzt voraus, daß die betreffende Person zur Phonation (Stimmbildung) sei es mittels der Stimmbänder oder der Ersatzstimme (Ösophagusstimme) fähig ist. Nicht alle von einer Laryngektomie (Kehlkopfentfernung) betroffenen Personen sind in der Lage, eine Ersatzstimme zu entwickeln.

Für die Bildung stimmhafter Laute muß daher eine andere Möglichkeit gefunden werden, die aus den Lungen in Rachen, Mund- und Nasenhöhle eintretende Luft in Schwingungen zu versetzen.

a) Extrinsische Methoden

Bei den extrinsischen wird versucht, Schwingungen für die Phonation außerhalb des Körpers zu erzeugen und auf geeignete Weise so in den Mund- und Rachenraum einzukoppeln, daß diese Schwingungen mit den oberen Artikulationsorganen stimmlich geformt werden können.

Die ersten extrinsischen künstlichen Kehlköpfe (artificial larynx) sind so alt wie die Laryngektomie selbst (1873). Dabei wurde entweder die eigene Atemluft oder Luft aus einem

7.KOMMUNIKATIONSHILFEN FÜR DIREKT-KOMMUNIKATION

Blasebalg43 über eine Art Lippenpfeife geleitet und die so schwingende Luft in die Mundhöhle geleitet [HEN 99]. Die Methode, aus dem Tracheostoma Atemluft abzuzweigen und auf rein mechanischem Weg in Schwingungen zu versetzen und über einen dünnen Schlauch in den Mund zu leiten, ist auch heute noch als Zweitlösung in Verwendung.

Die derzeit gebräuchlichste Methode ist die Anwendung von elektronischen Schallgebern (Resonatoren), die eine obertonreiche Schwingung erzeugen44 (engl.: electro larynx). Je nach Art der Einkopplung in die Mundhöhle unterscheidet man transcervikale (durch den Hals wirkende) und intraorale (im Mund wirkende) Resonatoren.

Transcervikale Resonatoren

Ein von einem elektronischen Tongenerator angesteuerter Schallwandler (Vibrator) wird so am Hals oder am Kinn angelegt, daß sich die Vibrationen in den Hals-, Rachen- und Mundraum fortpflanzen und dort die Luft in Schwingungen versetzen. Diese schwingende Luft wird durch die Artikulationsorgane in gewohnter Weise sprachlich geformt (Abb. 7.5).

Abb. 7.5: Verwendung eines transcervikalen Resonators

Die Verbesserung der sonst auf stimmloses Flüstern beschränkten Stimme ist dermaßen groß, daß Benutzer / Benutzerinnen von elektronischen Kehlköpfen sogar in der Lage sind, zu telephonieren. Die Stimme hat jedoch einen etwas monotonen Klang und erinnert fast an einen Sprachsynthesizer. Das rührt daher, daß der Benutzer / die Benutzerin zwar die Intensität und die Einsatzzeitpunkte der Schwingung bestimmen kann, bei den meisten Geräten jedoch keinen Einfluß auf die Tonhöhe hat. Erst in jüngster Zeit sind auch Modelle auf den Markt gekommen, bei denen sich die Tonhöhe der Schwingung durch verschieden starken Druck auf die Aktivierungstaste beeinflussen läßt.

Abb. 7.6 zeigt ein Beispiel für einen elektronischen Kehlkopf. Man erkennt den Regler für die Intensität und die Taste zur Steuerung des Schwingungseinsatzes.

Abb. 7.6: Elektronischer Kehlkopf (Sprechhilfe Rehaton Nova von Pulch & Lorenz, BRD)

43 Julius Hochenegg, 1892

44 Der erste elektrisch betriebene künstliche Kehlkopf wurde 1942 entwickelt (Wright) und ging 1945 in Serie.

Intraorale und interorale Resonatoren

Anstelle des außen am Hals angesetzten Vibrators kann die Luft in der Mundhöhle auch dadurch in Schwingungen versetzt werden, daß schwingende Luft auf pneumatischem Wege über einen Schlauch direkt in die Mundhöhle eingebracht wird45. Ein seit vielen Jahren fast unverändert eingesetztes intraorales Gerät (Cooper-Rand) zeigt Abb. 7.7.

Abb. 7.7: Verwendung eines intraoralen elektronischen Kehlkopfs (Cooper-Rand) rechts: Montage an einem Kopfbügel und Steuerung über einen Schalter am Oberarm

Anstelle der in Abb. 7.7 (rechts) gezeigten Handhabung kann der Resonator auch an einem Kopfbügel oder Stirnband montiert werden, damit beim Sprechen (Telephonieren) die Hände frei bleiben. Personen mit eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten können den Resonator mit einem Spezialschalter (Stirnschalter, Muskeltonusschalter etc.) steuern (Abb. 7.7 rechts).

Als Alternative zu den außen am Hals verwendeten oder mittels Schlauch im Mund verwendeten Geräten werden inzwischen auch Lösungen angeboten, die vollständig in der Mundhöhle (interoral) untergebracht werden können. Elektronik und Schallerzeugung sind in einer Gaumenplatte integriert.

Abb. 7.8: Interoraler künstlicher Kehlkopf (UltraVoice)

Da herkömmliche elektronische Kehlköpfe nur mit einer einzigen Frequenz arbeiten, wird die so erzeugte Stimme immer nur auf demselben Ton artikuliert und klingt daher monoton und unnatürlich. Moderne Geräte mit manueller Frequenzanpassung setzen für deren Bedienung viel Geschicklichkeit voraus.

Wissenschaftler studierten die Stimmerzeugung eines auf Sri Lanka lebenden Vogels46 der in Gefangenschaft in der Lage ist, die menschliche Stimme hervorragend zu imitieren. Dabei konnte eine Methode entwickelt werden, die Tonhöhe über den Druck der Atemluft zu regeln.

Ein Sensor mißt dabei den Druck der ausgeatmeten Luft am Tracheostoma und berechnet daraus die erforderliche Frequenz für den am Hals angesetzten Vibrator [IFU 98].

45 Das volkstümliche Musikinstrument "Maultrommel" oder "Brummeisen" arbeitet nach dem gleichen Prinzip.

46 Gracula religiosa (engl.: Mynak), ein zur Gattung der Stare gehörender etwa 30 cm großer schwarzer Singvogel

7.KOMMUNIKATIONSHILFEN FÜR DIREKT-KOMMUNIKATION

b) Intrinsische Methoden

Wie bereits erwähnt, wurde bei frühen Laryngektomien die Passage zwischen Rachen (Pharynx) und Luftröhre (Trachea) nicht vollständig verschlossen. Das gestattete die Implantation einer künstlichen "Stimmlippe", an der Phonation (allerdings nur einer fest vorgegebenen Frequenz) stattfinden konnte. Heute wird zwar bei Laryngektomien ein vollständiger Verschluß zwischen Trachea und Pharynx vorgenommen, jedoch kann durch den Einbau eines kleinen Ventils in eine Punktation der gleiche Effekt erzielt werden, ohne das Risiko einer Infektion durch ein-dringenden Speisebrei einzugehen47.

In Abb. 7.9 sind die Verhältnisse bei der sogenannten Tracheo-Esophageal-Puncture (=TEP) dargestellt. Um Luft durch die Punktation hindurch in die Speiseröhre zu drücken, muß das Tracheostoma entweder mit einem Finger oder durch ein regelbares Ventil verschlossen werden.

Abb. 7.9: TEP Methode – Tracheo-Esophageal-Puncture

7.1.3 Clarifier

Bei dysarthrischer Stimme (Zerebralparese, ALS, MS, Parkinson, Schädelhirntrauma) kommt es neben der oft geringen Lautstärke auch zu einer nur gering artikulierten, hauchigen oder heiseren Stimme. Clarifier eignen sich vor allem für solche Personen, die zwar von Familienangehörigen oder den mit ihrer besonderen Sprechweise vertrauten Menschen verstanden werden, aber mit anderen Personen signifikante Kommunikationsprobleme haben.

Die in diesem Fall einsetzbaren Clarifier dienen nicht nur der Verstärkung der Stimme sondern sind durch Filter oder andere Methoden der digitalen Sprachsignalverarbeitung in der Lage, die spektrale Verteilung der Stimme zu verändern. Die Einstellung des Signalprozessors ist so vorzunehmen, daß die Summe aus der direkten (aus dem Mund kommenden) Stimme und dem vom Lautsprecher kommenden veränderten Signal zu einer besser verständlichen Sprache führt.