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Erprobung der Arbeitsentwürfe der Leitmerkmal- Leitmerkmal-methoden, Stand 2015

AP 5: Entwicklung von Methodenentwürfen und deren Evaluation

4 Konzeption der Methoden des Speziellen Screenings

4.3 Erprobung der Arbeitsentwürfe der Leitmerkmal- Leitmerkmal-methoden, Stand 2015

André Klußmann1), Felix Brandstädt2), Andreas Schäfer1), Patrick Serafin1), Hansjürgen Gebhardt1)

1) Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie e.V. (ASER), Corne-liusstraße 31, 42329 Wuppertal

2) Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstraße 40–42, 10317 Berlin

Vorbemerkungen 4.3.1

Die Entwürfe der Leitmerkmalmethoden 2015 wurden – aufbauend auf den bereits existierenden Leitmerkmalmethoden HHT, ZS und MA sowie ersten Entwürfen von drei „neuen“ Methoden, (Entwicklung beginnend im Jahr 2006, und dann verstärkt seit Beginn dieses Projektes im Jahr 2013) – iterativ weiterentwickelt. Im Rahmen des aktuellen (Weiter-)Entwicklungsprozesses haben sich die Entwickler der Metho-den mehrfach zu mehrtägigen Workshops getroffen, um die MethoMetho-den kritisch zu diskutieren und aufeinander abzustimmen. Hierbei wurden – zusammen mit den Me-thodenanalysen – auch die Grundlagen für die Inhaltsvalidität und Augenscheinvalidi-tät geschaffen.

Die Inhaltsvalidität (content validity) bezeichnet einen Teilaspekt der Konstruktvalidi-tät und liegt dann vor, wenn die Messungen eines Konstrukts dessen Inhalt vollstän-dig erfassen. Eine Methode ist inhaltsvalide, wenn zwischen dem gedanklich theore-tischen Konstrukt (hier: erste Entwicklungsüberlegungen zu relevanten Aspekten ei-ner Belastungsart und deren Zusammenwirken) und dessen Messung durch eine aus Indikatoren bestehende Skala (also der zu entwickelnden Leitmerkmalmethodenent-würfe) eine Übereinstimmung besteht. Hierzu wurden u. a. die bereits angesproche-nen intensiven Methodenanalysen durchgeführt und alle Merkmale der Methoden be-trachtet. Für die interne Validierung der Methodenvorentwürfe wurde außerdem die Augenscheinvalidität betrachtet, die auch als face validity bezeichnet wird. Die Frage ist hier, ob die Methoden „augenscheinlich“, d. h. unmittelbar auch für Laien plausibel wirken und somit Evidenz erkennen lassen.

Abb. 4.12 Tabellarische Darstellung der Verteilung des Wertebereichs des Entwurfs der Leitmerkmalmethode Manuelles Heben, Halten und Tragen von Lasten (LMM-HHT) aus dem Jahr 2015 über die möglichen Merkmalsausprägungen für Män-ner

Hierzu wurden zunächst die Verteilungen der Wertebereiche der Entwürfe der sechs Leitmerkmalmethode hinsichtlich ihrer möglichen Merkmalsausprägungen in unter-schiedlichen Kombinationen betrachtet (Abb. 4.12) und auf Plausibilität „augen-scheinlich“ überprüft. In einem weiteren Schritt wurden die Methoden-Vorentwürfe in der Praxis erprobt. Dies ist in den folgenden Kapiteln beschrieben.

Fragestellung und Methodik 4.3.2

In den folgenden Kapiteln wird der Aspekt der Augenscheinvalidität behandelt. Im Rahmen von Praxiserprobungen wurden die Methodenentwürfe in verschiedenen Betrieben im gesamten Bundesgebiet zusammen mit den betrieblichen Akteuren vor Ort angewendet und die Plausibilität der Ergebnisse sowie die Anwendbarkeit der Methoden kritisch hinterfragt. Auch wurden einige Workshops mit potenziellen An-wendern der Methoden durchgeführt, um möglichst viele Rückmeldungen von be-trieblichen Praktikern zu erreichen. Im gesamten Bundesgebiet wurden über öffentli-che Einrichtungen (Ämter für Arbeitsschutz, Unfallversiöffentli-cherungen), über Vorträge auf Kongressen, persönliche Kontakte der Projektbeteiligten und Zeitschriftenartikel Be-triebe aller Branchen angesprochen und um Mitwirkung gebeten. BeBe-triebe, die die-sem Aufruf folgten, wurden durch zwei Mitglieder des Projektteams besucht. Ge-meinsam wurden vor Ort Tätigkeiten betrachtet und anschließend mit den Metho-denentwürfen bewertet. Die beteiligten Akteure wurden mit einem halbstandardisier-ten Fragebogen zur Anwendbarkeit der Methode und zur Plausibilität der Methode und einzelner Merkmale befragt.

Anwenderkollektiv 4.3.3

Die Analysen im Feld fanden im Zeitraum April 2015 bis November 2015 statt. Mit-gewirkt haben insgesamt 205 potenzielle Anwender der Leitmerkmalmethoden, wie Unternehmer, Betriebsratsmitglieder, Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit aus 40 Unternehmen im gesamten Bundesgebiet. Diese Unternehmen lassen sich 17 verschiedener Branchen zuordnen (Abb. 4.13).

Abb. 4.13 Verteilung der beteiligten Betriebe nach Region und Branche

Etwa 40 % der beteiligten Betriebe konnten der Kategorie „kleine und mittlere Unter-nehmen“ (KMU, <250 Beschäftigte) und weitere 40 % der Kategorie Großbetriebe (>1.000 Beschäftigte) zugeordnet werden. Rund 20 % hatten eine Beschäftigtenzahl zwischen 250 und 1.000 Personen (Abb. 4.14).

Abb. 4.14 Aufteilung der Betriebe nach Betriebsgrößen (Mitarbeiterzahlen) Eingesetzte Erhebungsmethoden (qualitativ/quantitativ) 4.3.4

Für die Erhebungen wurden die Vorentwürfe der Leitmerkmalmethoden in der Fas-sung aus dem Jahr 2015 eingesetzt (Abb. 4.15).

Abb. 4.15 Beispiel eines Leitmerkmalmethoden-Vorentwurfs aus dem Jahr 2015, hier LMM-ZS

Nach jeder Analyse wurden die beteiligten betrieblichen Akteure mit einem halbstan-dardisierten Fragebogen befragt (Anh. 1).

Ergebnisse 4.3.5

Es wurden Analysen für 114 verschiedene Tätigkeiten durchgeführt. Dabei kamen insgesamt 615 Beurteilungen zustande. Der überwiegende Anteil der betrachteten Tätigkeiten betraf die Belastungsart „manuelles Heben, Halten und Tragen von Las-ten“ (HHT) mit 180 Beurteilungen gefolgt von der Belastungsart „Körperzwangshal-tungen“ (KH) mit 177 Beurteilungen. Für die Belastungsarten „manuelles Ziehen und Schieben von Lasten“ (ZS), „manuelle Arbeitsprozesse“ (MA) und „Ganzkörperkräfte“

(GK) lagen 86, 70 bzw. 84 Beurteilungen vor. Die Belastungsart „Körperfortbewe-gung“ (KB) war nur 18 Mal beurteilt worden (Abb. 4.16).

Abb. 4.16 Verteilung angewendeter Leitmerkmalmethoden nach Belastungsarten Die Ergebnisse der Methodenvorentwürfe werden von 69 % der betrieblichen An-wender in sehr hohem Maße bzw. in hohem Maße für glaubwürdig betrachtet (Abb.

4.17). Die Eignung der Methodenvorentwürfe für die Gefährdungsbeurteilung physi-scher Belastung wird von 74 % der Anwender als sehr gut bzw. gut eingeschätzt (Abb. 4.18). 60 % der Anwender geben an, dass die Auswahl der Merkmale in sehr hohem Maße bzw. in hohem Maße den Bedingungen in der Praxis entspricht (Abb.

4.19). Nach Meinung von 44 % der Anwender entspricht die Skalierung der Merkma-le in sehr hohem Maße bzw. in hohem Maße den Bedingungen in der Praxis (Abb.

4.20).

Abb. 4.17 „Sind die Ergebnisse der Methodenvorentwürfe glaubwürdig und stim-men sie mit den betrieblichen Erfahrungen überein?“ (N = 204)

Abb. 4.18 „Wie schätzen Sie die Eignung der Methodenvorentwürfe für die Ge-fährdungsbeurteilung physischer Belastung insgesamt ein?“ (N = 205)

Abb. 4.19 „Entspricht die Auswahl der Merkmale den Bedingungen in der Praxis?“

(N = 204)

Abb. 4.20 „Entspricht die Skalierung der Merkmale den Bedingungen in der Pra-xis?“ (N = 201)

Einschätzung der Ergebnisse, Diskussion, Ausblick 4.3.6

Zusammenfassend liefern die Erhebungen folgende Erkenntnisse:

 Die betrieblichen Praktiker konnten die Methodenvorentwürfe grundsätzlich auf eine Vielzahl typischer Tätigkeiten mit verschiedenen Formen physischer Belas-tung anwenden.

 Insbesondere wurde die Entwicklung einer Methode für die Beurteilung von Be-lastungen durch Körperzwangshaltungen begrüßt.

 Im Rahmen der Praxiserprobung wurden detaillierte Anwenderhinweise für die Weiterentwicklung der Methodenvorentwürfe ermittelt.

 Eine Vielzahl der Anwenderrückmeldungen und Praxiserfahrungen können zur Weiterentwicklung der Methodenvorentwürfe und Handlungsanleitungen berück-sichtigt werden, wie z. B.

− manuelles Ziehen und Schieben von Lasten: Wegstrecken über 12 km pro 8 h-Schicht kommen vor (z. B. Kommissionierung von Obst/Gemüse mit Roll-behältern),

− manuelles Heben, Halten und Tragen von Lasten (≥3 kg): mehr als 3.500 Umsetzvorgänge pro 8 h-Schicht können vorkommen (z. B. Kommissionie-rung im Trockensortiment).

Revisionsbedarf 4.3.7

Die Erkenntnisse aus den im bisherigen Projektverlauf betrachteten unterschiedlichs-ten Quellen (Anwendererprobung, Berechnungen der Verteilungen der Werteberei-che, Methodenabgleiche usw.) führten zu einer iterativen Weiterentwicklung des Me-thodenpaketes. Im Rahmen von weiteren Entwicklerworkshops wurden diese

Er-kenntnisse diskutiert und die Methodenentwürfe aus dem Jahr 2015 überarbeitet. Die Ergebnisse dieser Überarbeitungen sind im folgenden Kapitel 4.4 dargestellt.

4.4 Arbeitsentwürfe der Leitmerkmalmethoden,