• Keine Ergebnisse gefunden

2 Öffentlicher Dienst

2.4 Entwicklungen und Probleme im öffentlichen Dienst

Die Lage der öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern ist bedrückend.31 Die Situation der Städte und Gemeinden stellt sich oft noch schlechter dar, in einigen Regionen Deutsch-land ist sie gar „alarmierend“32. Allerdings ist dies keine aktuelle Entwicklung, sondern die Fortsetzung eines Trends, der bereits in den 1980er Jahren begann. Die Ursachen müssen hier nicht erläutert werden; für das Verständnis der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst von Interesse sind jedoch die Reaktionen der öffentlichen Arbeitgeber und die daraus resultieren-den Folgen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Es lassen sich dabei drei große

29 Vgl. Kippels 1990: 78.

30 Vgl. ebenda 1990: 78-79.

31 Vgl. Michaelis 2005.

32 Zumindest wenn man den Schlagzeilen der Printmedien folgt, wie dieser Überschrift aus dem Han-delsblatt vom 04. April 2011.

20

Trends unterschieden: staatlicher Aufgabenabbau, Binnenreformen der Verwaltungen und Privatisierungen. Alle drei Trends sind vor allem mit Personalabbau verbunden.33

Bei der Neubestimmung staatlicher Aufgaben bzw. der Leistungstiefenanalyse stellen sich öffentliche Arbeitgeber der Frage, ob Leistungen selber zu produzieren sind oder ob die Pro-duktion derselben lediglich sicherzustellen ist. Das zugrunde liegende Konzept des Gewähr-leistungsstaates34 koppelt die Produktion einer Leistung von deren Sicherstellung ab. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass sich unter privaten Wettbewerbsbedingungen kos-tengünstiger produzieren lässt, als unter staatlich monopolisierten.35 In der tatsächlichen Poli-tikformulierung ist Leistungstiefenpolitik de facto „häufig simple Deregulierungs- und Priva-tisierungspolitik“ (Naschold/Bogumil 2000: 69), worunter sowohl die weitestgehend „ideolo-gisch geprägte Politik als auch die Buchhalterpolitik der ausschließlichen Kostenfixierung“

falle (Naschold/Bogumil 2000: 66). Damit finden sich deutsche Arbeitgeber recht nah am Grundtenor der internationalen wissenschaftlichen New-Public-Management-Debatte.36 Diese rät zum Abbau der Staatstätigkeit durch Aufgabenkritik, zur Aufgabenverlagerung auf den Dritten Sektor und zu Privatisierungen.37 So empfiehlt Lane 2000, staatliche Aufgaben aus-schließlich über ein Ausschreibungsverfahren, verknüpft mit anschließenden Kontrakten, zu vergeben. Ob eine staatliche oder eine private Organisation die Leistungserstellung über-nimmt, bliebe somit dem (Quasi-)Markt der Ausschreibung überlassen. Staatliche und private Organisationen befänden sich so zumindest während der Ausschreibungsphase in einem Kon-kurrenzverhältnis.38 Zusammenfassen lassen sich diese Konzepte für Deutschland unter dem Schlagwort des „Schlanken Staates“. Konkretisiert wurde sie bislang in erster Linie über den Abbau von Vorschriften und Standards sowie über die Beschneidung staatlicher Leistungen einerseits und die Privatisierung staatseigener Produktionsstätten andererseits.39

33 Ein davon unabhängiges Phänomen bilden die Reformprozesse nach der deutschen Wiedervereini-gung in Ostdeutschland, die ebenfalls mit erheblichem Personalabbau bei den öffentlichen Arbeit-gebern einhergingen.

34 Vgl. Naschold/Bogumil 2000: 64.

35 Vgl. Lane 2000: 72-75.

36 Vgl. Bogumil, Grohs et al. 2007: 23; Reichard/Banner 1993.

37 Vgl. Budäus 1995: 13.

38 Vgl. Lane 2000.

39 Vgl. Reichard/Röber 2011: 168; Killian, Richter et al. 2006; Brandt/Schulten 2008. Zu Tendenzen der Rekommunalisierung vgl. Röber 2009.

21

Neben dem staatlichen Leistungsabbau40 und den damit verbundenen Privatisierungen betrie-ben die öffentlichen Arbeitgeber in den letzten 20 Jahren eine umfangreiche Binnenmoderni-sierung der Verwaltungen, die um die Jahrtausendwende ihren Zenit überschritt und in den vergangen Jahren vielerorts als abgeschlossen gilt.41 Damit sollte die zu Beginn der Moderni-sierungen prognostizierte Ineffizienz öffentlicher Verwaltungen reduziert werden. Im Kern ging es dabei um Bürokratieabbau und die Einführung neuerer Managementinstrumente.

Zentrale, über Hierarchien geleitete Steuerung nach dem Bürokratiemodell von Max Weber42 sollte durch dezentrale Verwaltung mit kleinen, selbstverantwortlichen Einheiten mit flachen Hierarchien ersetzt werden, die, statt über Regeln, durch Anreize, Ergebnissteuerung und Kontraktmanagement gelenkt wird.

Das in Deutschland am häufigsten umgesetzte Steuerungskonzept bildet dabei das von der

„Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung“ (KGSt) vorgestellte

„Neue Steuerungsmodell“ (NSM).43 Das Modell soll den „Aufbau einer unternehmensähnli-chen, dezentralen Führungs- und Organisationsstruktur“ (KGSt 1993: 3) ermöglichen. Hierar-chien werden abgeflacht, Verantwortung nach unten gegeben. Somit gewinnen operative Be-reiche an Gewicht, QuerschnittsbeBe-reiche hingegen wandeln sich von bürokratischen Entschei-dungsschnittstellen zu internen Dienstleistern. Ziel ist eine stärkere Eigenverantwortung und Selbstorganisation der Mitarbeiter bei Stärkung von Teamarbeit. Hierzu wird den Mitarbeitern eine erhöhte Partizipation an Entscheidungsprozessen eingeräumt.44 Auch diese Maßnahmen lassen sich Wirtschaftlichkeitszielen zuordnen.

Somit rückt der Mitarbeiter in das Zentrum der Reform.45 Denn durch den dezentralen Cha-rakter dieser Maßnahmen steht oder fällt ihre Umsetzung mit dem Willen oder Unwillen der Mitarbeiter, sie zu tragen. Als Vertreter der Interessen der betroffenen Arbeitnehmer kam somit auch den Personalräten eine tragende Rolle beim Implementierungsprozess des Neuen Steuerungsmodells zu. So rechnet die KGSt den Personalräten eine Rolle als Co-Manager zu.46 Dass viele Personalräte versuchten, dieser Rolle gerecht zu werden, lag sicherlich auch maßgeblich an der – nach anfänglichen Diskussionen – erfolgten Unterstützung des

Moderni-40 Vgl. Naschold, Budäus et al. 1996.

41 Vgl. Bogumil, Grohs et al. 2007.

42 Vgl. Weber 1976.

43 Vgl. KGSt 1993; Banner 1991: 3.

44 Vgl. Böllhoff 2011.

45 Vgl. Bogumil/Kuhlmann 2004: 51.

46 Vgl. KGSt 1993.

22

sierungskonzeptes durch die Gewerkschaften.47 Dabei übernahmen die Personalräte mitunter neue Verantwortung, womit jedoch auch gewisse Risiken für die Interessenvertretungen ver-bunden waren.48 Wie es die Rolle des Co-Mangers mit sich bringt, sitzt er zwischen den Stüh-len der Beschäftigten und der DienststelStüh-lenleitung.49 Dabei beiden Interessen gerecht zu wer-den, kann nur solange friktionslos funktionieren, solange diese Interessen nicht quer zueinan-der verlaufen. Doch genau dies war bei den Reformbemühungen häufig zueinan-der Fall. Da mit den Modernisierungen seitens der öffentlichen Arbeitgeber nicht nur ein Abbau von Bürokratie und Steigerungen dezentraler Eigenverantwortung verbunden waren, sondern gerade eine Entlastung ihrer Haushalte erreicht werden sollte, waren die Maßnahmen vielerorts mit Per-sonaleinsparungen verbunden. Der Interessenkonflikt für die Beschäftigtenvertreter war dann vorprogrammiert, wenn dies nicht in einer Form geschah – oder geschehen konnte –, bei der sowohl das wegfallende Personal durch „sanfte“ Abbaumaßnahmen, wie dem Ausnützen der natürlichen Fluktuation, geschont werden konnte, als auch die verbliebenen Beschäftigten nicht unter Arbeitsüberlastung zu leiden begannen. Hinzu kam, dass die vielerorts gesteiger-ten Verantwortungen der Personalräte nicht mit rechtlichen Anpassungen im Personalvertre-tungsrecht verbunden wurden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass besonders örtliche Personalräte und Gesamtper-sonalräte in den letzten Dekaden durch die generellen Verlagerungen von Entscheidungsbe-fugnissen auf hierarchisch nachgeordnete Instanzen und die Verflachung der Hierarchien an Bedeutung gewonnen haben. Die von ihnen zu kontrollierenden und zu reglementierenden Regelungsinhalte haben zugenommen. Damit ging jedoch keine Erweiterung ihrer aus dem Personalvertretungsrecht stammenden Kompetenzen einher. Zudem wurden nicht nur durch die Binnenmodernisierungen, sondern auch über tarifliche Regelungen, welche die Reform-prozesse begleiteten (vgl. Kap. 8.2), materielle Regelungsbereiche zu ihnen verlagert, wodurch neben Problemlösungsverhandlungen verstärkt auch Verteilungsverhandlungen in den Vordergrund rückten. Zudem sahen sie sich den Problemen der Privatisierungen und des

47 Vgl. Unkelbach 1997: 31-38. 1987 begann in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr (ÖTV) der Dialog über eine Modernisierung des öffentlichen Dienstes. Die Debatte lief zäh an, jedoch bildeten sich in der Folgezeit einige Initiativen, welche unterschiedliche lokale Ge-staltungsprojekte angeregt haben. Die Vorstellungen der ÖTV gingen in die Vorstellungen von ver.di ein. Seit 1991 beschäftigt sich auch der DBB mit der Umsetzung und den Inhalten des NSM (vgl. ebenda 1998: 35-38).

48 Vgl. Bogumil, Grohs et al. 2007: 109-116.

49 Vgl. Kißler, Graf et al. 2000: 68 ff.

23

Personalabbaus sowie einer zunehmenden Arbeitsverdichtung bei den Belegschaften ausge-setzt.