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7 Die Beteiligung des Personalrats: Personalvertretungsrecht und Mitbe- Mitbe-stimmungspraxis

7.12 Die Nutzung von Freistellungen in der Praxis

In der Befragung wurden Freistellungen auf zwei Arten erhoben: Zum einen wurde konkret erfasst, wie viele Personalratsmitglieder auf welche Art freigestellt sind.218 Diese Information kann in Relation zur Dienststellengröße und zum Personalvertretungsgesetz gesetzt werden, um so Abweichungen von den jeweils gültigen Freistellungsstaffeln zu ermitteln. Dieses Vor-gehen stößt jedoch dann an seine Grenzen, wenn Freistellungen ungerade aufgeteilt oder rol-lierend vergeben werden, was durchaus der Praxis entspricht. Daher wurde ergänzend erfragt, ob die Freistellungen mit der Staffel des jeweiligen Personalvertretungsrechts übereinstim-men.219

Betrachtet man ausschließlich örtliche Personalräte220, so weicht die Mehrzahl (66 %) nicht von der jeweils gültigen Freistellungsstaffelung ab. Wenn abgewichen wird, werden in der Regel weniger Freistellungen genutzt, als gesetzlich vorgesehen ist (28,5 %). Lediglich bei 4,9 % der Personalräte gibt es mehr Freistellungen, als in der Gesetzesstaffel festgelegt ist.

218 Vgl. Fragenprogramm im Anhang, Fragen C13 und N3.

219 Vgl. Fragenprogramm im Anhang, Frage C15.

220 „Die Freistellungsstaffel ist lediglich bei örtlichen Personalräten einschlägig. Für Gesamtpersonal-räte, Stufenvertretungen, Jugend- und Auszubildendenvertretungen sowie die Vertretungen der nicht ständig Beschäftigten verweisen die Gesetze ausschließlich auf den Anspruch auf Freistellung nach dem individuellen Bedarf. Diese sind nach Aufgaben und Geschäftsanfall derart unterschied-lich, dass sich eine pauschale Festlegung verbietet“ (Knorz 2009: 285).

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Eine differenziertere Betrachtung zeigt einen Zusammenhang der Freistellungsnutzung mit der Dienststellengröße. Insbesondere in mittleren Dienststellengrößensegmenten wird sowohl nach oben als auch nach unten von der Staffel abgewichen. Umso größer die Dienststellen werden, umso seltener sind Abweichungen anzutreffen (vgl. Tab. 7-5). Bei der Interpretation des kleinsten Dienststellensegments spielen die Unterschiede zwischen den Freistellungsstaf-feln der Bundesländer eine Rolle. Je nachdem, ab welcher Dienststellengröße die erste Frei-stellung gewährt wird, kann hier lediglich nach oben abgewichen werden, was natürlich die Gesamtzahl der Abweichler reduziert.

Tab. 7-5: Freistellungen bei örtlichen Personalräten, Angaben in Prozent. WSI-Personalrätebefragung 2007, n=1.463.

Gesamt Dienststellengröße Föderaler Staatsaufbau221 20 bis

Eine wichtige Rolle bei der Nutzung von Freistellungen hat die Ebene der Dienststelle im föderalen Staatsaufbau. Während in 72 % der Bundesdienststellen die Freistellungen der

Ge-221 Ohne Anstalten, Stiftungen und Körperschaften des öffentlichen Rechts, n=1.132.

222 Nicht alle Dienststellen dieses Größensegments haben die Möglichkeit, von der Staffel nach unten abzuweichen. Da z. B. die Freistellungsstaffel des BPersVG erst ab 300 Beschäftigten beginnt, kommt es in Bundesdienststellen in dieser Zelle zu keinen Nennungen. Im Personalvertretungsge-setz Baden-Württemberg hingegen beginnt die Staffel bereits bei 100 Beschäftigten. Hier kann so-wohl nach oben als auch nach unten von der Staffel abgewichen werden. Der hier angegebene Pro-zentwert ist auf diesen Umstand nicht bereinigt, sondern spiegelt den tatsächlichen Wert der Ab-weichler sowohl nach oben wie nach unten wider. Selbiges gilt für die Nachbarspalte (300-600 Be-schäftigte), wenn auch in geringerem Umfang.

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setzesstaffel entsprechen, sind es bei kommunalen Dienststellen lediglich 62 %. Weniger Freistellungen als im Gesetz vorgesehen ist, gibt es nur in 19 % der Bundesdienststellen, aber immerhin in 33 % der Dienststellen der Gemeinden. Landesdienststellen liegen jeweils im Mittelfeld. Es gibt also einen deutlichen Trend zur Nichtnutzung von Freistellungen im kom-munalen Bereich, der sich – zumindest auf den ersten Blick – nicht allein über die Dienststel-lengröße erklärt.

Warum werden Freistellungen nicht genutzt? Interessanterweise beantragten 76,4 % der Gre-mien mit nicht genutzten Freistellungen diese gar nicht erst. In 10 % der Fälle wurden Frei-stellungsanträge von der Dienststelle zurückgewiesen, in den restlichen Fällen gab es Abspra-chen mit der Dienststellenleitung bzw. sonstige Gründe.223 Als Begründung für die Nichtbe-antragung von Freistellungen führten 51 % der betreffenden Personalräte an, ihre dienstlichen Tätigkeiten nicht für Personalratsarbeit einschränken oder aufgeben zu wollen. 46 % gaben an, dass die in der Dienststelle anfallenden Personalratstätigkeiten keine weiteren Freistellun-gen rechtfertiFreistellun-gen würden. Weitere 17 % der Personalräte verteilten sich auf sonstige Angaben wie Arbeitsüberlastung, flexible Regelungen nach Bedarf, Angst oder mangelnde Initiative zum Beantragen der Freistellungen. Schließlich gaben 5 % der Personalräte an, Angst vor Qualifikations- oder Arbeitsplatzverlust durch die Freistellung zu haben.

Bezüglich der Dienstbefreiung wurden die Personalräte gefragt, ob „teilweise oder nach Be-darf freigestellte Personalratsmitglieder von ihren dienstlichen Tätigkeiten entlastet werden“.

Hier äußern sie sich eher verhalten – die Freistellungen nach Bedarf scheinen nicht in dem von ihnen angestrebten Umfang oder mit der erwünschten Flexibilität zur Verfügung zu ste-hen. Die Antwort auf die Frage konnte, in sechs Ränge abgestuft, von „Ja, völlige Entlastung“

bis „Nein, gar keine Entlastung“ erfolgen. Dabei gaben 24 % der betreffenden Personalräte an, dass es zu einer völligen Entlastung komme, 18 % stuften ihre Situation im zweitbesten Rang ein, 23 % im dritten, 19 % im vierten und fünften und 15 % gaben an, dass es zu gar keiner Entlastung komme.

Weiterhin wurden die Personalräte gefragt, ob sie die Freistellungen für die Personalratsauf-gaben für ausreichend befinden. Ein großer Teil der Interviewten zeigt sich zufrieden oder weitestgehend zufrieden (ca. die Hälfte). Unzufrieden sind dabei vor allem kleinere Gremien, die keinen Anspruch auf Freistellungen haben. Gar nicht zufrieden sind lediglich 7 %,

weit-223 Die Angaben beziehen sich auf örtliche Personalräte, welche von den gesetzlichen Freistellungs-staffeln nach unten abweichen (n=373). Vgl. Fragenprogramm im Anhang, Frage C16 und C17.

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gehend unzufrieden weitere 13 % der Befragten. Der Rest ordnet sich im Mittelfeld der zur Verfügung stehenden 6er-Skala ein.

Freistellungen Fazit: Freistellungen sind sowohl wichtige Ressource für wie auch Ergebnis von Personalratshandeln. Ein hoher Teil an Freistellungen wird nicht genutzt. Wie ist dieser Umstand einzuschätzen? Die Mehrzahl der nicht genutzten Freistellungen wurde nicht bean-tragt, obwohl gesetzlich ein entsprechender Anspruch bestand. Rekapituliert man die Begrün-dungen seitens der Personalräte, so zeigt sich Folgendes: Wenn Freistellungen nicht beantragt werden, liegt es in ca. der Hälfte der Fälle daran, dass Personalratsmitglieder ihre dienstlichen Tätigkeiten nicht für die Personalratsarbeit einschränken oder aufgeben wollen. Der aus einer Freistellung zu gewinnende Nutzen für die Interessenvertretungsarbeit wird also nicht höher eingeschätzt als die persönlichen Kosten, welche durch die Freistellungen anfallen. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass die Personalräte vorsichtig mit Freistellungen umgehen. Frei-stellungen werden nicht fahrlässig beantragt. Es bedeutet aber auch, dass es mit persönlichen Kosten verbunden sein kann, eine Freistellung anzutreten. Diese Kosten könnten auch durch Qualifikationsverluste oder Ähnliches entstehen. Zudem könnten Freistellungen bei den Be-schäftigten nicht gerne gesehen sein, wenn das Verständnis für die Interessenvertretungstätig-keit fehlt. Die Arbeitsbelastung (der freizustellenden Person beziehungsweise in der Dienst-stelle generell) kann eine Rolle für Freistellungen spielen. Und dies in doppelter Weise: Eine hohe Arbeitsbelastung kann eine Freistellung verhindern, besonders bei teilweisen Freistel-lungen. Bei sehr geringer Arbeitsbelastung kann eine Freistellung obsolet werden, da die Per-sonalratstätigkeit nebenher erledigt werden kann.