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11 Interaktionsmuster zwischen Personalrat und Dienststellenleitung

11.5 Aufeinander bezogenes Verhalten der Betriebsparteien

Für einen ersten Eindruck, in welchem Maße die Betriebsparteien ihre Einstellungen vonei-nander abhängig entwickeln, werden die bereits bekannten drei Einstellungsfragen an den

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Personalrat mit der Likert-Skala zur „Mitbestimmungsfreundlichkeit der Dienststellenleitun-gen“ in Beziehung gesetzt. Diese gemeinsame Betrachtung soll Hinweise darauf geben, ob sich bei Dienststellenleitungen und Personalräten gleichermaßen kooperative bzw. nicht ko-operative Einstellungen finden lassen. Als Zusammenhangsmaß wird der Rangkorrelationsko-effizient von Kendall herangezogen. Bei der Bewertung ist zu berücksichtigen, dass hier Fremdeinschätzungen der Personalräte zum Verhalten der Dienststellenleitungen mit ihrer Selbsteinschätzung des eigenen Verhaltens verglichen werden.

Statement (a) „Eine kooperative Zusammenarbeit mit der Dienststellenleitung ist Vorausset-zung für eine erfolgreiche Personalratsarbeit.“ korreliert schwach mit der Skala „Mitbestim-mungsfreundlichkeit der Dienststellenleitung“ (Kendalls τ𝑏𝑏 = 0,23). Es besteht somit ein statistischer Zusammenhang; ausgeprägt ist er jedoch nicht. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Personalräte sich ganz überwiegend bei den drei kooperativen Nennungen (1-3) ein-ordnen. Lediglich 75 Personalräte wählten eine der drei negativen Kategorien. Betrachtet man ausschließlich die drei zustimmenden Kategorien, zeigt sich zwar eine leichte Verschiebung zu einer unfreundlichen Dienststellenleitung, umso ablehnender das Statement beantwortet wird. Doch auch dieser Zusammenhang ist schwach. Für dieses Statement lässt sich somit zusammenfassen, dass die Dienststellenleitung und die Selbsteinschätzung der Personalräte eher auseinanderfallen, als dass gemeinsame Einstellungen auftreten.

Statement (b) („Um als Personalrat etwas zu erreichen, muss man die Dienststellenleitung unter Druck setzen.“) korreliert etwas stärker mit der Skala „Mitbestimmungsfreundlichkeit der Dienststellenleitung“ (Kendalls τ𝑏𝑏= −0,3). Dieses Statement erzeugte von den drei be-trachteten die höchste Varianz beim Antwortverhalten der Personalräte. Teilt man die Ant-wortskala in zwei Bereiche, 1 bis 3 und 4 bis 6, stimmten dem Statement etwa so viele Perso-nalräte zu, wie es ablehnten. Der angezeigte Zusammenhang zeigt mit dem negativen Vorzei-gen in die erwartete Richtung, geht man von eher symmetrischen EinstellunVorzei-gen der Betriebs-parteien aus. Personalräte, die ihre Dienststellenleitung als mitbestimmungsfreundlich ein-schätzen, gehen weniger davon aus, sie unter Druck setzen zu müssen. Personalräte, die ihre Dienststellenleitung als weniger freundlich empfinden, geben häufiger an, dass sie ihre Dienststellenleitung unter Druck setzen müssen, wollen sie etwas erreichen. Allerdings ist auch hier die Korrelation nicht sonderlich ausgeprägt. Unter dem Strich lassen sich mehr Per-sonalräte verzeichnen, die nicht in das erwartete Schema symmetrischer Einstellungen passen, als solche, die in das Schema passen (vgl. Tab. 11-6).

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Tab. 11-6: Likert-Skala Mitbestimmungsfreundlichkeit der Dienststellenleitungen (gerundet, 1 bezeichnet mitbestimmungsfreundlich, 6 bezeichnet mitbe-stimmungsfeindlich) und Statement (b) „Um als Personalrat etwas zu er-reichen, muss man die Dienststellenleitung unter Druck setzen.“ Angaben in Prozent und gewichtet. WSI-Personalrätebefragung 2007, n=1.736.

Statement: „Um als PR etwas zu errei-chen, muss man die Dienststellenlei-tung unter Druck setzen“

Skala „Mitbestimmungsfreundlichkeit“

1 2 3 4 5 6 Total

1 kooperativ 34,3 16,4 9,2 5,9 3,9 2,2 11,7

2 29,2 23,4 17,3 11,7 8,7 7,7 17,5

3 8,8 23,1 22,8 14,8 11,6 14 18,6

4 17,7 26,5 33,9 36 36,4 30,7 31,1

5 9,5 8,4 13,9 23,1 23,5 21,7 15,1

6 defektiv 0,6 2,3 2,9 8,6 15,9 23,7 5,9

Total 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

Statement (c) „Das Gespräch mit der Dienststellenleitung bringt mehr als jeder Konflikt.“

korreliert ebenfalls mäßig mit der Skala „Mitbestimmungsfreundlichkeit der Dienststellenlei-tung“ (Kendalls τ𝑏𝑏 =−0,35). Bei diesem Statement war im Antwortverhalten der Personalrä-te wenig Varianz zu verzeichnen. Lediglich 8 % sortierPersonalrä-ten sich in einer der drei ablehnenden Kategorien ein. Es zeigt sich ein ähnliches Bild wie beim ersten Statement. In den drei positi-ven Kategorien, in denen sich die meisten Fälle finden, gibt es einen mäßig ausgeprägten Zu-sammenhang. Personalräte, die das Gespräch mit der Dienststellenleitung vorziehen, empfin-den diese auch als beteiligungsaufgeschlossener. Personalräte, die ihre Dienststellenleitung als wenig mitbestimmungsfreundlich empfinden, stimmten dem Statement weniger deutlich zu.

In der Gesamtschau lässt sich somit feststellen, dass es eine Tendenz dazu gibt, dass koopera-tive Personalräte eher kooperakoopera-tive Dienststellenleitungen haben und umgekehrt. Allerdings ist der Zusammenhang nicht ausgeprägt. Vielmehr finden sich mehr Dienststellen, in denen ein nicht kooperativer Akteur einen kooperativen trifft, als solche Dienststellen, wo zwei nicht kooperative bzw. zwei kooperative Akteure aufeinandertreffen.

Bei der Interpretation mag es hilfreich sein, sich die Intentionen der Statements nochmals vor Augen zu führen. Die Einschätzungen spiegeln vor allem das eigene Durchsetzungsvermögen der Personalräte gegen den Willen der Dienststellenleitung wieder. Das deutliche Votum der Personalräte lautet also, dass ein kooperatives Verhalten mehr Aussicht auf Erfolg hat als ein nicht kooperatives Verhalten. Diesbezüglich scheinen sich die Personalräte relativ wenige Wahlmöglichkeiten einzuräumen. Dieser Mangel an Wahlmöglichkeiten findet sich bei der

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Einschätzung der Dienststellenleitung hingegen nicht. Allerdings ist das vor dem Hintergrund zu sehen, dass Einschätzungen sich nicht auf einen einzelnen Konflikt oder eine Meinungs-verschiedenheit beziehen, sondern auf die Personalratstätigkeit in einer längerfristigen Per-spektive. Daher könnte immer auch die Kalkulation in die Einschätzungen eingehen, dass ein einzelner Konflikt die weitere Zusammenarbeit beschädigen und beeinträchtigen kann. Diese Einschätzung existiert unabhängig davon, ob der einzelne Konflikt zugunsten oder zuunguns-ten der Personalräte ausgeht.

Geht also die Formel auf, dass kooperationsbereite Personalräte auf kooperationsbereite Dienststellenleitungen treffen und so kooperative betriebliche Arbeitsbeziehungen entstehen?

Nach dem bisherigen Sachstand eher nicht. Ob dies jedoch an den gewählten Einstellungsfra-gen liegt oder tatsächlich die Lage der Betriebsparteien beschreibt, ist vorerst unbestimmt.

Daher wird der Frage nach den betrieblichen Interaktionsmustern im Folgenden mit „härte-ren“ – i. S. v. besser beobachtbaren – Indikatoren nachgegangen.