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3.2 Vorgehensweisen zur Entwicklung von Innovationen

3.2.2 Entwicklung von Produkten

hervorzubringen. Dazu wird ein iterativer Prozess mit den Phasen der Inspiration, Ideenfindung und Implementierung durchlaufen, in welchem den Kunden so früh wie möglich ein Prototyp präsentiert wird [IDEO-11].

An Entwicklungsphasen orientierte Vorgehensweisen

Die an Entwicklungsphasen orientierten Vorgehensweisen umfassen eine Abfolge von spezifischen Arbeitsabschnitten (bzw. Entwicklungsphasen) mit definierten Arbeitsergebnissen für jeden Abschnitt. Ab Anfang der 1970er Jahre entwickelten Pahl und Beitz ein Prozessmodell mit spezifischen Entwicklungs-phasen [PaB-77], das seitdem von Feldhusen und Grote kontinuierlich erweitert und im Sinne neuer Erkenntnisse angepasst wird, um die veränderten Anforderungen an den Entwicklungs- und Konstruktionsprozess zu berücksichtigen [FeG-13].

Zu dem von Feldhusen und Grote angepassten Prozessmodell nach Pahl und Beitz gehören die folgenden Entwicklungsphasen [FeG-13, S. 22 f.]:

 Planung,

 Entwicklung mit den Hauptschritten: Lösungserarbeitung, Lösungs-bewertung, Lösungsauswahl,

 Konzeptentwicklung mit den Hauptschritten: Festlegung der vorläufigen Produktarchitektur, Festlegung der Hauptkenngrößen der Hauptgruppen, wie Funktionsumfang, Kosten und Schnittstellen der Produktebenen Mechanik, Elektrik, Elektronik, Software,

 Konzeptkonstruktion mit den Hauptschritten: Festlegung der Produkt-struktur (mechanische Sicht auf das Produkt), Festlegung der Haupt-kenngrößen der Hauptbaugruppen wie Bauraum, Gewicht, Gestalten der Hauptbaugruppen, Erstellen des Servicekonzepts (Wartung, Reparatur, Ersatzteile, ...), Erstellen des Fertigungskonzepts,

 Gestaltung mit den Hauptschritten: Gliederung der Hauptbaugruppen in Bauteile, Gestalten der Bauteile, Gestalten der Baugruppenschnittstelle,

 Dokumentation mit den Teilbereichen: Herstellungsunterlagen, Nutzungs-unterlagen, WartungsNutzungs-unterlagen, ReparaturNutzungs-unterlagen, RecyclingNutzungs-unterlagen, weitere Unterlagen für z. B. für Sicherheitsnachweise.

Die unterschiedlichen Prozessmodelle wurden anschließend in der VDI Richtlinie 2221 eingebunden. Die Richtlinie definiert geeignete Arbeitsabschnitte und Arbeitsergebnisse als spezifische Entwicklungsphasen, die als Leitlinie für ein Vorgehen in der Praxis angewendet werden können. Die Richtlinie liefert zusätzlich eine Zusammenstellung der nützlichen Methoden für die Ausführung der einzelnen Arbeitsabschnitte [VDI 2221].

Auf Grundlage der VDI 2221 entwickelten Ponn und Lindemann das Münchener Produktkonkretisierungsmodell (MKM). Das Modell umfasst als Hauptkompo-nenten den Anforderungs- und Lösungsraum. Der Anforderungsraum beinhaltet

die technischen Entwicklungsziele und Eigenschaften in Form von Anforderungen. Der Lösungsraum repräsentiert die Menge aller Lösungs-möglichkeiten zur Umsetzung der Anforderungen in den drei Konkretisie-rungsebenen: Funktions-, Wirk- und Bauebene. Der Entwicklungsprozess im MKM ist durch Iterationen und Änderungen sowie durch eine flexible Anwendung ohne vorgegebene Arbeitsrichtung charakterisiert. Er enthält als Hauptzielsetzungen definierte Gestaltungsrichtlinien, sogenannte Gerechtheiten, sowie spezifische Methoden und Werkzeuge zur Umsetzung dieser Gerechtheiten [PoL-11, S. 24 ff.].

Das von Albers und Braun entwickelte integrierte Produktentstehungsmodell wird der sogenannten „Karlsruher Schule“ zugeordnet. Es umfasst ein generisches Meta-Modell als generalisiertes Rahmenwerk zur Erfassung und Unterstützung von Produktentstehungsprozessen, das aus dem Systems Engineering abgeleitet wurde. Das Modell umfasst die Überführung eines Zielsystems in ein Objektsystem anhand unterschiedlicher Handlungen. Zusammen mit dem System Ressourcen bilden die Handlungen ein Handlungssystem und sind in Handlungen der Produktentstehung und Handlungen der Problemlösung unterteilt. Als konkrete Entwicklungsphasen sind die Handlungen der Produktentstehung am Produktlebenszyklus orientiert und umfassen die Projektierung, Profilfindung, Ideenfindung, Modellierung von Prinzip und Gestalt, Validierung, Produktionssystementwicklung, Produktion, Einführung, Nutzung bzw. Nutzungsanalyse und Abbau bzw. Abbauanalyse [Bra-13, S. 90 ff.].

Am Systems Engineering orientierte Vorgehensweisen

Die am Systems Engineering ausgerichteten Vorgehensweisen beschreiben im Wesentlichen einen top-down Ansatz zur Entwicklung des Gesamtsystems und dessen zugehörigen Teilsystemen. Der Entwicklungsprozess wird dabei durch Modellierungs- und Simulationsmethoden abgesichert. Der International Council on Systems Engineering trägt mit seinen Handlungen und Veröffentlichungen zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der theoretischen Grundlagen des Systems Engineering bei [WRF-15].

Die VDI 2206 enthält einen praxisorientierten Leitfaden für die systematische und ganzheitliche Entwicklung mechatronischer Produkte, der aus dem Systems Engineering abgeleitet wurde. Das in der Richtlinie eingeführte V-Modell stellt das generische Vorgehen zur Entwicklung mechatronischer Systeme dar [VDI 2206, S. 29 ff.]. Für die im Modell wiederkehrenden Arbeitsschritte

entwurf, Modellbildung und -analyse, domänenspezifischer Entwurf, System-integration und Eigenschaftsabsicherung werden vordefinierte Prozessbausteine beschrieben. Die Bausteine geben definierte Handlungsabläufe für den jeweiligen Arbeitsschritt vor.

Auf Grundlage des V-Modells entwickelten Anderl et al. vom Fachgebiet Datenverarbeitung in der Konstruktion der TU Darmstadt das W-Modell zur Entwicklung aktiver adaptronischer Systeme. Im Gegensatz zum V-Modell werden im W-Modell die domänenspezifischen Komponenten nicht unabhängig voreinander entwickelt. Zusätzlich wird ein spezielles Datenmanagement genutzt, das disziplinspezifische Datensätze analysieren und disziplinübergreifend synchronisieren kann [ANR-12].

Im Rahmen des Sonderforschungsbereiches/Transregio 29 wurde im Teilprojekt A2 von Stark, Müller und Nguyen ein auf dem Systems Engineering beruhendes Vorgehensmodell zur Entwicklung hybrider Leistungsbündel erarbeitet. Das auf dem V-Modell aufbauende Vorgehensmodell wird durch Methoden zur Generierung von Ideen und Anforderungen für hybride Leistungsbündel abgesichert. Dazu wurden als unterstützende Methoden die Layer-Methode sowie die Anforderungscheckliste entwickelt [RUB-13; StM-12].

Eigner et al. entwickelten basierend auf dem V-Modell einen Ansatz zur modellbasierten virtuellen Produktentwicklung (MVPE-Vorgehensmodell), das schematisch in Abbildung 3-4 dargestellt wird. Das MVPE-Vorgehensmodell ist in vier Bestandteile aufgegliedert. Der linke Flügel beschreibt die interdisziplinäre Systementwicklung: Requirements Engineering, Modellbildung für die Produkte und Produktion, Erstellung der Simulationsmodelle. Der untere Teil adressiert die disziplinspezifische Ausdetaillierung: Mechanikkonstruktion, Elektrik und Elektronik, Software Engineering. Der rechte Flügel umfasst die Systemintegration und Eigenschaftsabsicherung: Simulation der Produkt- und Produktionsmodelle (virtuelle, hybride, physische Tests). Der Systemlebenszyklus und das PLM-Backbone schließen die technische Organisation, das Product-Lifecycle-Management, die Produktionsplanung und -steuerung, Schnittstellen und den Datenaustausch sowie Humanfaktoren ein [ERZ-14, S. 86 ff.].

Abbildung 3-4: Schematische Darstellung des MVPE-Vorgehensmodells (in Anlehnung an [ERZ-14, S. 87])

Mechanik Elektrik und Elektronik Software Domänenspezifischer Entwurf Modellbildung und -analyse

Dienstleistung

A F L P

Physische Tests Hybride Tests

Modellbildung und Spezifikation Modellbildung und erste Simulation Disziplinspezifische Modellbildung und Simulation

Virtuelle Tests

Eigenschaftenabsicherung

A: AnforderungenF: FunktionenL: Element der logischen ArchitekturP: Physikalisches Element

PLM Backbone

An der Integration unterschiedlicher Bereiche orientierte Vorgehensweisen Die in diesem Unterunterabschnitt diskutierten Vorgehensweisen sind dadurch charakterisiert, dass sie die an der Produktentwicklung beteiligten, unterschied-lichen Bereiche in einem ganzheitunterschied-lichen Ansatz zusammenführen [Vaj-14, S. 3].

Ehrlenspiel entwickelte ab 1995 die sogenannte integrierte Produkt-erstellungsmethodik (IPE-Methodik). Die IPE-Methodik umfasst die Vereini-gung von Denkmethoden zur Problemlösung, von Organisationsmethoden zur Verbesserung zwischenmenschlicher Abläufe sowie von sogenannten sach-gebundenen Methoden zur unmittelbaren Verbesserung von Produkten. Sie umfasst drei wesentliche Schwerpunkte [EhM-13, S. 329 ff.]:

 Es wird eine integrierte Denkweise durch die Förderung der Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen im Unternehmen umgesetzt. Die integrierte Produkterstellungsmethodik (IPE-Methodik) kann ausgehend von der Konstruktionsmethodik auch in den Bereichen Produktion, Vertrieb, Materialwirtschaft und Controlling eingesetzt werden.

 Die Methoden werden anforderungsgerecht und flexibel angewendet. Es stehen dabei der Vorgehenszyklus sowie die Lösungssuche im Mittelpunkt.

 Der Mensch wird mit seiner Rolle als Einzelperson sowie im Team und im Unternehmen einbezogen.

Auf Grundlage der IPE entwickelten Wissenschaftler der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg unter der Koordination von Vajna das Integrated Design Engineering (IDE). Das IDE wird von den Autoren als Weiterentwicklung der integrierten Produktentwicklung (IPE) zu einem humanzentrierten und ganzheitlichen Modell verstanden. Die Axiome Humanzentrierung, Integration und Interdisziplinarität stehen im Mittelpunkt des Modells und orientieren sich am Produktlebenszyklus. Die Anwendung der IDE erfolgt im Handlungsfeld der Organisation und ihrer Prozesse, Methoden und Technologien. In dem Handlungsfeld werden das zu entwickelnde Produkt mit seinem Verhalten durch Attribute beschrieben [Vaj-14, S. 375 ff.]. Das Vorgehensmodell enthält Einflüsse der autogenetischen Konstruktionstheorie. Diese beschreibt die Produkt-entwicklung als evolutionären Prozess, in dem die finale Produktgestalt das Ergebnis einer kontinuierlichen evolutionären Verbesserung darstellt. Das iterative Erstellen und Bewertung einer Lösung bildet als sogenanntes selbstähnliches Handlungsmuster die Grundlage für das Vorgehensmodell [VCJ-05; VKB-11]. Die zu fünf Kreisen angeordneten Handlungsgruppen (Recher-chieren, Entwickeln/Auslegen, Bewerten/ Vergleichen/Auswählen, Gestalten/

Modellieren und Komplettieren) können für alle Objekte der IDE, wie z. B.

Ideen, Konzepte, oder Produktlösungen, in allen möglichen Realisierungs-zuständen und Entwicklungsstufen verwendet werden. Alle Handlungen des Vorgehensmodells nutzen das vorhandene implizite und explizite Wissen der Mitarbeiter sowie des Unternehmens. Für die Berührungspunkte benachbarter Handlungsgruppen im Vorgehensmodell werden geeignet Unterstützungs- und Verbindungsmaßnahmen vorgegeben: BAD (Brain-aided Design), PAD (Pencil-aided Design), MAD (Model-(Pencil-aided Design), EAD (Evaluation-(Pencil-aided Design) und CAx (Computer-aided everything) [Vaj-14, S. 375 ff.].

Dombrowski und Ebentreich entwickelten auf Grundlage des Aufbaus ganzheitlicher Produktionssysteme einen Ansatz für ein Lean Development System (LDS).

Dieser Ansatz wendet die Ziele und Prinzipien ganzheitlicher Produktionssysteme auf die Produktentwicklung an. Dabei werden die Bereiche Führung und Kultur, Aufbauorganisation, Reifegrad, Kennzahlen und Erfolgsfaktoren, Konstruktion und Lieferanten in die Vorgehensweise integriert.

Das LDS adressiert als Zielgrößen die Qualität, Kosten und Zeit sowie den Innovationsgrad der Produkte. Hierbei ist der Produktentwicklungsprozess Geltungsbereich für die Umsetzung der Zielgrößen. Zur Verbesserung der Zielgrößen dienen sieben Gestaltungsprinzipien, die wiederum spezifische Methoden und Werkzeuge umfassen. Die Gestaltungsprinzipien orientieren sich dabei an den Gestaltungsprinzipien ganzheitlicher Produktionssysteme, wobei das übergeordnete Paradigma für die Gestaltungsprinzipien die Vermeidung von Verschwendung nach Ohno darstellt. Zusätzlich beschreiben Dombrowski und Ebentreich die Vorgehensweise zur Implementierung eines LDS in Unternehmen.

Diese verwendet die VDI 2870 zur Einführung von ganzheitlichen Produktionssystemen als Orientierungshilfe und umfasst daher die vier Phasen:

Konzeption, Implementierung, Übergang und Betrieb [DoE-15, S. 51 ff.].