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Anforderung 8: Handhabung begrenzter Kapazitäten

5.3 Der Mikrozyklus

5.3.2 Arbeitsschritte

Die im Folgenden beschriebenen Arbeitsschritte des Mikrozyklus werden in der Regel nicht sequenziell sondern iterativ durchlaufen. Auf Grundlage gewonnener Erkenntnisse während des Durchlaufs des Mikrozyklus kann zwischen den einzelnen Arbeitsschritten beliebig gewechselt werden.

Klären der Aufgabe

Ausgangspunkt des Mikrozyklus ist das Eintreten eines Ereignisses, welches das Lösen einer Aufgabe erfordert. Das Ereignis kann durch ein identifiziertes Ziel für eine Verbesserung oder durch einen konkreten, zu verbessernden Istzustand ausgelöst werden. Das Klären der Aufgabe erfolgt je nach Ausprägung des initialen Ereignisses durch die in Tabelle 5-10 dargestellte Handlungsvorschrift.

Tabelle 5-10: Handlungsvorschrift zur Klärung der Aufgabe

Start: Ziel für eine Verbesserung Start: Zu verbessernder Istzustand 1) Analysieren und Spezifizieren des Ziels -

2) Analysieren und Beschreiben des Istzustandes

3) - Setzen von Zielen zur Verbesserung des

Istzustandes 4) Festlegen des Sollzustandes

5) Strukturieren und Differenzieren der Aufgabe und zugehöriger Teilaufgaben zum Umset-zen der Ziele

6) Prüfen des Ist-, Sollzustandes sowie der Aufgaben auf Plausibilität und ggf. Rückkehr zum Start

Das Ziel formuliert einen Sachverhalt, dessen Verwirklichung angestrebt wird und gibt die Richtung der Verbesserung vor. Es basiert auf einem Istzustand, der den gegenwärtig vorliegenden Sachverhalt definiert, und führt zu einem Sollzustand, der den angestrebten Sachverhalt festlegt. Der Istzustand kann beispielsweise durch eine allgemeine, komplexe Situation oder durch konkrete Elemente des Produktes und Geschäftsmodells vorgegeben werden. Analog kann der Beschreibungsgrad des Sollzustandes von diffus bis sehr konkret ausgedrückt werden. Die Aufgabe ergibt dich aus der identifizierten Abweichung zwischen dem Ist- und Sollzustand. Entlang der von dem Ziel vorgegeben Richtung der Verbesserung werden spezifische Arbeitsschritte mit Arbeitsinhalten, z. B. die Anwendung von unterschiedlichen Methoden, bestimmt. Als Mittel zur Verwirklichung des angestrebten Ziels stellt die durchzuführende Aufgabe selbst ein Ziel dar [VDI 3780, S. 4 ff.].

Die angestrebte Verbesserung vom Ist- zum Sollzustand, spezifiziert durch die Aufgaben, geben den Rahmen der allgemeinen Herausforderung zur Lösungssuche vor. Die Herausforderung kann vielfältige Ausprägungen annehmen. Während der Kognition werden Herausforderungen definiert, die dazu beitragen, auf Grundlage der Nachhaltigkeitsziele, Lösungsideen für das Wertangebot zu entwickeln. Innerhalb der Klärung der Aufgabe gilt es dabei insbesondere, diffuse und weit gefasste Ziele und Istzustände zu konkretisieren und einzugrenzen, sodass diese potenziell durch ein Wertangebot gelöst werden können. Während der Inventionen stehen die Herausforderungen im direkten Bezug zu der Systementwicklung, die zur Konkretisierung und Verbesserung des Produktes und Geschäftsmodells beiträgt. Diese Herausforderungen sind hierbei meist weniger diffus und basieren auf spezifischen Zielen und Istzuständen.

Tabelle 5-11 stellt ausgehend von einem Istzustand unterschiedliche

Ausprägungen der Elemente zur Klärung der Aufgabe für die frühere und spätere Phase der Innovationsentwicklung beispielhaft dar.

Tabelle 5-11: Beispielhafte Ausprägung der Elemente zur Klärung der Aufgabe für die frühere und spätere Phase der Innovationsentwicklung

Frühere Phase (Kognition) Spätere Phase (Invention) Istzustand Eine Vielzahl der industriellen

Unternehmen in Nigeria besitzt keinen Zugang zu einer verlässli-chen Energieversorgung.

Das Wertangebot besteht aus einer Kom-bination aus Solaranlagen mit Dieselgene-ratoren.

Sollzustand Alle industriellen Unternehmen in Nigeria besitzen eine sichere Energieversorgung mit erneuer-baren Energien.

Die Stromversorgung soll ausschließlich aus erneuerbaren Energien generiert werden.

Ziel Die Versorgung von industriellen Unternehmen in Nigeria mit überwiegend erneuerbaren Energieträgern wird angestrebt (Richtung der Verbesserung).

Die Einspeisung von Energie aus Dieselge-neratoren soll verringert (Richtung der Verbesserung) werden.

Aufgabe(n) Es soll ein Wertangebot entwi-ckelt werden, dass es ermög-licht, erneuerbare Energien für industrielle Unternehmen in Nigeria verlässlich anzubieten.

Es sollen technische Lösungen erarbeitet werden, die es erlauben, den Anteil der Solarenergie zu erhöhen. Es soll geprüft werden, ob andere Typen von Solaranlagen einen höheren Wirkungsgrad besitzen. Es soll mittels Simulationsmodellen geprüft werden, ob die Speichersysteme für die Solarenergie verbessert werden können.

Lösen der Aufgabe

In einem zweiten Schritt erfolgt das Lösen der Aufgabe und zugehöriger Teilaufgaben durch eine iterative Handlungsabfolge aus Synthese- und Analyse, die bewusst oder unbewusst durchgeführt wird. Erkenntnisse der Analyse und Synthese können bei Bedarf eine Anpassung der Aufgabe bzw. einen Sprung zurück in die Klärung der Aufgabe erfordern. Tabelle 5-12 zeigt die iterative Handlungsabfolge zum Lösen der Aufgabe.

Tabelle 5-12: Iterative Handlungsvorschrift zum Lösen der Aufgabe

1) Synthese (1/2): Generieren oder Verbessern alternativer Lösungen für die Aufgabe 2) Synthese (2/2): Ihrem Grad der Konkretisierung entsprechendes Abbilden der Lösungen 3) Analyse (1/2): Prüfen der Lösung

4) Analyse (2/2): Verwerfen oder Übernehmen der Lösung

Während der Synthese werden Lösungen für das Produkt und Geschäftsmodell generiert. Das Wechselspiel aus Analyse und Synthese erfolgt häufig in nicht voneinander abgrenzbaren Iterationen, auf Grundlage eines definierten Anforderungsraums und entlang spezifischer Konkretisierungsebenen (Abbildung 5-3). Die Handlungsabfolge aus Synthese und Analyse dient insbesondere dazu, durch die Generierung von Lösungen von einer Konkretisierungsebene in eine andere überzugehen (durch Abstrahieren oder Konkretisieren) oder Lösungen entlang einer Ebene weiterzuentwickeln (durch Einschränken, Zerlegen, Zusammenfügen oder Variieren). Die Abbildung des Konkretisierungsgrades der gefundenen Lösungen erfolgt durch Modellierung mittels brain-aided-(BAD), pencil-aided-(PAD) oder model-aided-design (MAD).

Brain-aided-design (BAD) beschreibt Lösungsideen, die in einer abstrakten Art und Weise festgehalten werden. Pencil-aided-design (PAD) entspricht der Visualisierung von Lösungsideen durch einfache Skizzen. Model-aided-design (MAD) steht für die Ausarbeitung von virtuellen und physischen Modellen für die Lösungsideen [Vaj-14, S. 38]. Die Modellierung der Lösungen erfolgt iterativ und rückgekoppelt in der Synthese und Analyse.

In der Analyse werden die in der Synthese generierten Lösungen subjektiv gegenüber dem Anforderungsraum geprüft. Anschließend wird die Lösung übernommen oder verworfen. Wird die Lösung übernommen, kann sie entweder im nächsten Arbeitsschritt verifiziert und validiert oder in einer nächsten Iteration der Synthese verbessert werden.

Verifizieren und Validieren der Lösung

Im dritten Arbeitsschritt werden die übernommenen Lösungen oder Lösungsalternativen verifiziert und validiert. Dazu werden Experimente geplant und ausgeführt. Die Planung der Experimente erfolgt für die erstellten Modelle einer Lösung. Durch die Experimente werden die spezifischen Eigenschaften der Lösung ermittelt und hinsichtlich ihres Beitrages zur Zielerreichung bewertet.

Hierzu werden während der Ausführung der Experimente relevante Daten erfasst und zu Informationen aggregiert. Die gewonnenen Informationen werden anschließend mit aus dem Anforderungsraum abgeleiteten Kriterien bewertet.

Tabelle 5-13 gibt die Handlungsvorschrift für diesen Arbeitsschritt vor.

Tabelle 5-13: Handlungsvorschrift zum Validieren der Lösung 1) Planen von Experimenten für die erstellten Modelle

2) Ausführen der Experimente mit der Erfassung relevanter Daten 3) Aggregation der gewonnenen Daten zu Informationen

4) Bewertung der Informationen hinsichtlich der aus dem Anforderungsraum abgeleiteten Kriterien

Erfahrungsbasiertes Entscheiden

Als vierter und letzter Schritt wird eine erfahrungsbasierte Entscheidung getroffen. Die Interpretation der Erkenntnisse der vorangegangen Arbeitsschritte führt zu einem Zuwachs an Wissen. Mit diesem Wissen und dem individuellen Erleben während der vorausgegangen Arbeitsschritte werden Erfahrungen kreiert. Das Wissen und die Erfahrungen dienen als Grundlage zur Prüfung, ob der angestrebte Sollzustand hinreichend erzielt wurde. Ist dies der Fall, werden eine oder mehrere alternative Lösungen ausgewählt und der Mikrozyklus beendet. Erfüllt keine der Lösungen die formulierten Ziele hinreichend, erfolgt auf Grundlage der Erfahrungen eine Anpassung der Aufgabe. Die Anpassung kann iterativ durch eine geringfügige Änderung oder durch einen grundsätzlichen Richtungswechsel erfolgen. Die erfahrungsbasierte Entscheidung entspricht somit einem sogenannten Pull-Ereignis, das die Sequenz der Arbeitsschritte für die nachfolgende Entwicklung festlegt. Tabelle 5-14 stellt die Handlungs-vorschrift für den Arbeitsschritt dar.

Tabelle 5-14: Handlungsvorschrift zur erfahrungsbasierten Entscheidung 1) Kontinuierliche Interpretation neuer Erkenntnisse

2) Prüfen ob der Sollzustand erreicht wurde;

wenn ja dann weiter mit 3a oder bei nein mit 3b 3a) Auswahl einer Lösung und Abbruch des Mikrozyklus

3b) Geringfügige Anpassung der Aufgabe (Iteration) oder grundsätzlicher Richtungswechsel in der Aufgabenstellung

Verknüpfung von Mikrozyklus und Diamant-Modell

Die Arbeitsschritte im Mikrozyklus verknüpfen die erforderlichen Handlungen der Prozessphasen im Diamant-Modell und unterstützen damit die systematische Entwicklung der Innovation. Die vier Arbeitsschritte des Mikrozyklus in ihrer Gesamtheit dienen zur Ausführung der Innovationsentwicklung in der Kognition und Invention. Das Klären der Aufgabe umfasst Handlungen der begleitenden Analyse. Die Modellierung erfolgt während des Lösens der Aufgabe. Das Testen und Absichern der Eigenschaften wird durch den Arbeitsschritt Verifizieren und Validieren durch den Mikrozyklus aufgegriffen.

Durch die Integration der Elemente einer nachhaltigen Wertschöpfung in den Mikrozyklus wird somit die Entwicklung von nachhaltigen Innovationen über den gesamten Entwicklungsprozess gewährleistet.