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Im Mittelpunkt der Resilienzforschung steht die Frage, welche Variablen die Bewälti-gung von schwierigen Lebensumständen positiv beeinflussen, bzw. welche Prädiktoren die Widerstandsfähigkeit erhöhen, wenn Risiken unter schwerer anhaltender Belastung oder hinsichtlich Erholung nach belastenden Lebensereignissen kumulieren?

Widerstandsfähigkeit, Strapazierfähigkeit oder Resistenz drücken ungenau aus, was die Englischen Begriffe resilience/resiliency nach dem Oxford Dictionary meinen: "the qua-lity or property of quickly recovering the original shape or condition after being pulled, pressed, crushed, etc". Dabei ist mit dem Begriff der Resilienz eine überdauernde Be-wältigung, also keine Coping-Strategie gemeint. Der Begriff der Resilienz dient dazu, die bio-psychosoziale Gesundheit einer Person trotz hohen Störungsrisikos zu beschrei-ben. Definitionsprobleme ergeben sich aus dem Problem, Widerstandsfähigkeit allein durch das Ausbleiben störender Verhaltensmuster zu erkennen und internale Prozesse eventuell zu unterschätzen.

Als Ergebnis dieses Forschungsfeldes wurden personale und soziale Ressourcen, die

eine protektive Funktion in der Entwicklung haben, extrahiert (Antonovsky 1987).

Wichtig ist eine stabile emotionale Beziehung zu mindestens einem Elternteil oder einer anderen Versorgungsperson. Darüber hinaus wirken soziale Unterstützung innerhalb und außerhalb der Familie, z.B. durch Verwandte, Nachbarn, Lehrer und Gleichaltrige, protektiv. Förderlich ist ein emotional warmes, offenes, strukturierendes und normori-entiertes Erziehungsklima mit sozialen Modellen, die zu konstruktivem Bewältigungs-verhalten ermutigen z.B. Eltern, Geschwister, Lehrer, Pfarrer. Auch dosierte soziale Verantwortlichkeit und Leistungsanforderung, z.B. Sorge für andere Verwandte oder Pflichten in der Schule haben protektive Funktion. Kognitive Kompetenzen, z.B. min-destens ein durchschnittliches Intelligenzniveau. kommunikative Fertigkeiten, realisti-sche Zukunftsplanung und Temperamentseigenschaften begünstigen eine effektive Be-wältigung. Auch die Erfahrung von Sinn, Struktur und Bedeutung in der Entwicklung z.B. der religiöser Glaube oder eine Ideologie sind Ressourcen, die Personen wider-standfähiger machen können

Die Erfahrung von Selbstwirksamkeit begünstigt internale Kontrollüberzeugung, Selbstvertrauen und das aktive Bemühen um eine angemessene Problembewältigung.

Starke Selbstwirksamkeitsüberzeugungen beeinflussen soziokognitive Funktionen in unterschiedlichen Aufgabenfeldern (Bandura 1989). So werden Menschen, die sich ih-rer Fähigkeiten bewusst sind, schwierige Aufgaben eher als Herausforderung einschät-zen. Sie setzen sich herausfordernde Ziele und weisen ein starkes Durchhaltevermögen auf. Die kognitiven Prozesse sind durch aktive Informationsverarbeitung gekennzeich-net und Selbstwirksamkeit erhöht die Auftretenswahrscheinlichkeit von hocheffizienten analytischen Denkstrategien in komplexen Entscheidungssituationen (Bandura 1989).

In Längsschnittstudien mit 505 Personen einer Inselpopulation auf Kauai untersuchten E. E. Werner und R.S. Smith die Entwicklung von Kindern ab ihrer Geburt im Jahre 1955 mit perinatalen Risiken bis zum mittleren Erwachsenenalter vor dem Hintergrund biologischer und psychosozialer Risiken (E. E. Werner, J.M. Biermann und F.E. French 1971, E. E. Werner, R. S. Smith 1977, E. E. Werner, R. S. Smith 1982, E. E. Werner, R.

S. Smith 1992).

Während die Mehrzahl der Kinder nach einer durchschnittlichen Schwangerschaft gebo-ren und in einer unterstützenden Atmosphäre aufwachsen, gelten für eines von drei Kin-dern Bedingungen, die gegen eine erfolgreiche Entwicklung sprechen. Hierunter fallen Kinder mit vorgeburtlichen Komplikationen und besonderem Stress, in chronischer Armut, mit wenig gebildeter und wenig organisierter Familienstruktur und einer Atmo-sphäre, die besonders geprägt ist durch Streit, Trennung, Scheidung, Alkohol und psy-chische Erkrankung von Bezugspersonen.

Zwei von drei Kindern einer vulnerablen Gruppe (Kinder bei denen mindestens vier Risikofaktoren vor dem zweiten Lebensjahr kumulierten) entwickelten bis zum zehnten Lebensjahr ernsthafte Lern- und Verhaltensprobleme. Allerdings hat sich auch eines von drei Kindern trotz der Risiken als selbstbewusster, vertrauensvoller und sich sor-gender Erwachsener entwickelt. Diese Gruppe verfügte über die Fähigkeit, positive Rückmeldungen der Umwelt zu provozieren und zeigte sich stressresistent gegenüber den negativen Erwiderungen der Umwelt. In dem Maße, in dem negative Lebensereig-nisse und Benachteiligungen anstiegen, wurden protektive Faktoren benötigt, um aus-zugleichen und eine positive Entwicklung zu begünstigen.

Die Resilienzforschung kann in mehrere Phasen unterschieden werden. Lag in der ers-ten Phase der Forschung die Betonung auf nur einem Risikofaktor und dessen Auswir-kungen (z.B. Geburtsgewicht), traten in einer zweiten Phase interaktionale Effekte (z.B.

Einfluss von Armut und Alkohol) in den Vordergrund. In der dritten Phase stand die Bewältigung im Sinne einer erfolgreichen Anpassung im Forschungsinteresse (Anthony 1979).

In der Fortentwicklung wurde das Konstrukt der Vulnerabilität zugunsten eines Modells fallen gelassen, das versucht, Resilienz auf zwei Faktoren basierend zu verstehen: die Konstitution und die Umgebungsfaktoren (Rutter 1985). Widerstandskraft wird relativ und variierend über die Zeit und die Lebensumstände, also in verschiedenen Wechsel-wirkungen, verstanden. Die Gruppe von Forschern, die heute ein Konzept der Stressre-sistenz unterstützen und nicht das Konstrukt von „Unverwundbarkeit“, ist zahlreicher.

Nach Werner (1992) ist Resilienz eine Charakteristik, die von Person zu Person variiert und protektive Faktoren sind spezifischer und genauer zu erforschen. Selbstwirksamkeit als ein protektiver Faktor modifiziert, begünstigt und puffert eine Reaktion einer Person auf eine Situation, die normalerweise ungünstige Auswirkungen hat, ab. Das Gewicht protektiver Faktoren nimmt in Anwesenheit von Risikofaktoren zu, während sich der Einfluss in einer Population mit geringen Risikofaktoren verringert.

Insbesondere wurde deutlich, dass der Einfluss der Mutter als Entscheidungsträgerin und emotionale Ressource in Stresszeiten an Bedeutung zunimmt. So zeigen Studien über den Einfluss von Wirtschaftskrisen auf die Entwicklung krimineller Karrieren, dass eine Gruppe spezifiziert werden konnte, die trotz Ausgangspositionen, die als kriminell begünstigend bezeichnet werden können, sich positiv entwickelte. Diese Gruppe unter-schied sich hinsichtlich mütterlicher Erziehung und Sorge, IQ des Kindes, Ich-Stärke und der Fähigkeit zu rationalisieren (Snarey und Vaillant 1985). Besonders "krimino-gen" waren väterliche Aggressivität verbunden mit mütterlicher Permissivität. Beson-ders immunisierend wirkten sich Zuneigung des Kindesvaters zur Kindesmutter, das Selbstvertrauen der Mütter und ihre Erziehung und mütterliche Zuneigung auf Kinder aus.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass hohe elterliche Kompetenz in der Er-ziehung ein Faktor ist, der die Widerstandskraft der Kinder erhöht und Stressresistenzen fördert.