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Elektronische Kartensysteme und elektronische Netzsysteme

2 Begriffsdefinitionen

2.3 Elektronische Kartensysteme und elektronische Netzsysteme

In Kapitel 2.2 wurde bereits angedeutet, dass es verschiedene Ausgestaltungen von Informa-tions- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen und somit auch von E-Health gibt. Es werden seit den 90er Jahren einzelne Systeme genutzt, die dazu dienen, innerhalb kleiner Gruppen von Akteuren im Gesundheitswesen unabhängig von Raum und Zeit zu kommunizieren oder/und medizinische Daten zu speichern. Diese Systeme werden von ein-zelnen Praxen, Krankenhäusern oder/und Kostenträgern oder auf verbandlicher Ebene ge-nutzt, um Leistungserbringer untereinander oder mit Kostenträgern zu vernetzen (Stritz-ke/Eissing, 2005). Sie wurden z. B. in der Verwaltung von Krankenhäusern und beim

19 In manchen Beiträgen wird Gesundheitstelematik bzw. E-Health weiter unterteilt. Die WHO unterscheidet z. B.

zwischen „Telehealth“ im Sinne einer „Tele-Prävention“ und „Telemedicine“ im Sinne kurativer Telemedizin.

(WHO, 2009, S. 9; WHO, 1998). In einer 2007 veröffentlichten Studie wurden allein unter dem Begriff Telemedi-zin 104 Definitionen ausfindig gemacht (Sood, et al., 2007, S. 257 - 268). Diese Begrifflichkeiten und weitere Un-terteilungs-Versuche von E-Health spielen für die vorliegende Arbeit keine Rolle. Die Studie veranschaulicht aber, wie unterschiedlich E-Health interpretiert und von ähnlichen Begrifflichkeiten abgegrenzt wird. So sind z. B.

die Grenzen zwischen Informatik und Telematik, Telematik und Telemedizin fließend (Schächinger et al. 1999, S. 468). Es ist demnach nahezu unmöglich, eine allgemeingültige Definition der verschiedenen Begrifflichkeiten zu finden.

E-Health-Modelle Leistungs-erbringer 1

Leistungs-erbringer 2

Versicherungs-träger Patient

nungsträgerdatenaustausch20 genutzt. Diese Systeme schafften es aber nicht, sich im Ge-sundheitswesen durchzusetzen, da sie sehr aufwändig in ihrer praktischen Realisierung und für eine breite bzw. flächendeckende Nutzung nicht geeignet waren (Dietzel, 2000; Stritz-ke/Eissing, 2005). Diese nicht politisch initiierten Projekte, welche nur eine geringe Anzahl von Personen vernetzen und auch untereinander zumeist nicht kompatibel sind, sind nicht Gegen-stand der vorliegenden Arbeit und werden deshalb an dieser Stelle nicht weiter erläutert.

Im Mittelpunkt der Analyse dieser Arbeit stehen E-Health-Systeme, die auf Regierungsebene zur Vernetzung des Gesundheitswesens eines ganzen Staates gesetzlich eingeführt wurden bzw. z. T. noch implementiert werden, um die Kommunikation zwischen Leistungserbringern und Patienten, zwischen Leistungserbringern und Leistungserbringern sowie zwischen Versi-cherungsträgern und Leistungserbringern zu verbessern (Abbildung 3; Leistungserbringer 1 und 2 stehen in der Abbildung für die Kommunikation zwischen den vielen verschiedenen Leistungserbringern im Gesundheitswesen).

Abbildung 3: Kommunikation und Vernetzung durch E-Health im Gesundheitswesen

Quelle: Eigene Darstellung

Bei den zahlreichen E-Health Modellen auf Makroebene kann grob eine Differenzierung vor-genommen werden (Nejad Asl, 2006, S. 1):

Einige Staaten arbeiten mit Netzsystemen – wie Dänemark oder Großbritannien – in den an-deren werden oder wurden Kartensysteme eingeführt – wie in Frankreich, Deutschland, Slo-wenien, Österreich und der Region Lombardei in Italien.21 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich ausschließlich mit zwei ausgesuchten Kartenmodellen (Deutschland und Österreich).22 Hauptbestandteil der Kartensysteme im Allgemeinen ist die elektronische Patientenkarte. Die organisatorischen Merkmale bzw. Eigenheiten und Anwendungsmöglichkeiten der elektroni-schen Patientenkarte in Deutschland und der in Österreich werden in Kapitel 3.3 genauer dar-gestellt. An dieser Stelle soll lediglich auf allgemeine Merkmale von Netz- und Kartenmodellen eingegangen werden, sowie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Systeme aufgezeigt werden (Abbildung 4).

20 Der Abrechnungsträgerdatenaustausch ist dabei das Abrechnungsverfahren der Leistungserbringer mit den gesetzlichen Krankenkassen bzw. der dabei notwendige Datenaustausch.

21 An dieser Stelle werden lediglich die europäischen Staaten genannt. Aber auch außerhalb Europas existieren E-Health-Systeme auf Makroebene (z. B. Netzmodell in Japan).

22 Die Begründung der Länderauswahl findet sich in Kapitel 6.3.

Bei Netzsystemen werden die administrativen und medizinischen Patientendaten ausschließ-lich in Anwendungssystemen, welche sich auf Rechnern innerhalb des Einflussgebiets der Leistungserbringer befinden, vorgehalten. Der Zugang zu den Patientendaten erfolgt mittels eines persönlichen Identifizierungsmerkmals des Berechtigten (z. B. der behandelnde Arzt).

Dieser Zugangsmechanismus ist länderweise unterschiedlich ausgeprägt. Die Anwendungs-systeme der Leistungserbringer und Kostenträger können untereinander vernetzt sein, so dass auch entfernte Ärzte im Bedarfsfall auf die beim erstbehandelnden Arzt (z. B. Hausarzt) gespeicherten Patientendaten zugreifen können (Amelung et al., 2009). Bei der Verwendung eines Netzsystems ist der Einsatz einer Identifizierungskarte und von Kartenlesegeräten nicht notwendig. Damit sind die Einführungskosten eines Netzsystems wegen der wesentlich gerin-geren Komplexität niedriger als bei einem kartengestützten System (Stadlin, 2008; Campbell, 2011). Es sei aber auch festgehalten, dass bei einem Netzsystem der Patient keinerlei Zugriff auf seine Patientendaten und damit auch nicht die Datenhoheit hat (Caumanns, 2006).

Kartensysteme sind darauf ausgerichtet, administrative und/oder medizinische Patientenda-ten auf eigens dafür vorgesehene KarPatientenda-ten (ChipkarPatientenda-ten)23 bzw. deren eingebauten Speicher-Chip (inkl. Mikroprozessor/Betriebssystem) zu speichern (Gematik, 2015; Stadlin, 2008). Je-der Patient bekommt seine eigene Chipkarte mit seinen eigenen persönlichen Daten von sei-ner Krankenversicherung (in Deutschland) bzw. dem HV (in Österreich). Der Patient trägt die Karte im Idealfall immer bei sich, besonders aber wenn er einen Arztbesuch tätigt. Die Karte dient u. a. zur Identifikation der Person. Auf dem Mikroprozessor der Karte können Informatio-nen bzw. Daten abgelegt werden (Caumanns, 2006; Stadlin, 2008). Das Speichervolumen des Mikroprozessors ist von Kartensystem zu Kartensystem unterschiedlich. Auch die durch geltendes Recht auf dem Prozessor verpflichtenden oder freiwillig zu speichernden Daten unterscheiden sich je nach Land und Kartensystem (Heizmann, 2005). Patienten- und Be-handlungsdaten befinden sich direkt auf dem Chip in der Karte. Zusätzlich kann die Karte auch als Identifikationsmedium gegenüber Anwendungssystemen der Leistungserbringer die-nen (Berger Kurzen, 2004, S. 13ff; Jähn/Nagel, 2004, S. 20). Wenn der Arzt sie in Verbindung mit seinem eigenen elektronischen Ausweis – eine Art elektronische Arztkarte, die Leistungs-erbringer als Pendant zur elektronischen Patientenkarte erhalten – in ein Kartenlesegerät steckt, kann er auf Daten zugreifen, welche sich z. B. bei anderen Leistungserbringern befin-den (siehe vorherigen Abschnitt). Der Einsatz der Patientenkarte dient hierbei als Authentifi-zierungsmedium (Steyer, 2004; Stadlin, 2008). Des Weiteren enthalten manche Karten – wie die in Österreich – zusätzliche Funktionen, wie Überweisungs- bzw. Zahlungsfunktionen (sie-he Kapitel 3.3.3). Die Funktionen der Karten unterliegen den in geltendes Recht umgesetzten Vorschriften der jeweiligen nationalstaatlichen Regierungen. Auch die Kartennamen unter-scheiden sich in den Staaten. In Deutschland nennt sich die eingeführte Patientenkarte "elekt-ronische Gesundheitskarte" bzw. "eGK". In Österreich trägt die Karte den Namen "E-Card". In Kapitel 3.3 werden die Kartensysteme in Deutschland und Österreich, die Funktionen der Kar-ten und deren Einbettung in ein nationales Telematik-Konzept genauer erklärt.

23 Chipkarten werden auch Smartcards oder Integrated Circuit Cards (ICC) genannt. Es sind Plastikkarten mit inte-griertem Schaltkreis (Chip). Dieser Schaltkreis beinhaltet eine Hardware-Logik, einen Speicher oder Mikropro-zessor. Chipkarten werden durch spezielle Kartenlesegeräte angesteuert (mehr dazu auf DEPATISnet, der Da-tenbank des Deutschen Patent- und Markenamtes).

Patient

Leistungs-erbringer

Anwendungs-system

Netzsystem Kartensystem

Praxis 1 Praxis 2 Praxis 1 Praxis 2

Datenfluss Authentifizierung

Patientenkarte Arztkarte

Abbildung 4: Gegenüberstellung Netzsystem und Kartensystem

Quelle: Eigene Darstellung

Im Folgenden werden nun die Besonderheiten des deutschen und österreichischen Gesund-heitswesens und somit die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Organisation der gesetzli-chen Krankenversicherung in beiden Staaten sowie die politisgesetzli-chen Entscheidungsstrukturen, Steuerungsformen und Akteurskonstellationen im deutschen und anschließend im österreichi-schen Gesundheitswesen beschrieben und gegenübergestellt. Danach werden die beiden elektronischen Kartensysteme im deutschen und österreichischen Gesundheitswesen kurz vorgestellt und miteinander verglichen. Dieser Teil der Arbeit dient, wie der vorherige, dem Verständnis der nachgestellten empirischen Analyse in Kapitel 7.

3 Besonderheiten des deutschen und österreichischen Gesundheitswesens