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Die elektronische Gesundheitskarte in Deutschland

3 Besonderheiten des deutschen und österreichischen Gesundheitswesens

3.3 Die europäische Krankenversicherungskarte und die elektronischen Kartensysteme

3.3.2 Die elektronische Gesundheitskarte in Deutschland

In Deutschland wurde die Idee der eGK maßgeblich im BMG entwickelt (siehe hierzu Kapitel 7.4.1.1). Die Einführung eines nationalen elektronischen Kartensystems wurde später durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14.11.2003 im Bundestag unter der rot-grünen Bundes-regierung (Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen) beschlossen. Das GMG bildet so-mit die rechtliche Grundlage für die eGK (einschließlich notwendiger Telematikinfrastruktur).

Die GMG-Endfassung schreibt die Einführung der eGK bzw. des elektronischen Kartensys-tems in Deutschland bis spätestens zum 1. Januar 2006 vor. Laut der Endfassung vom No-vember 2003 wird das Kartensystem "zur Verbesserung von Wirtschaftlichkeit, Qualität und Transparenz der Behandlung" eingeführt (GMG, § 291a SGB V).

Die eGK wird als Krankenversichertenkarte der 2. Generation eingesetzt. Sie löst die beste-hende Krankenversichertenkarte (KVK) ab, die am 1. Januar 1995 eingeführt wurde. Die KVK ist eine Speicherchipkarte. Die neue eGK ist eine mikroprozessorgestützte Karte.75 Der Pro-zessor-Chip gewährt eine höhere Speicherkapazität und es sind mehr Anwendungen möglich.

Die KVK wird im Gegensatz zur eGK nicht als elektronisches Kartensystem bezeichnet, weil sie keine mikroprozessorgestützte Karte ist. Die Daten auf der KVK sind im Gegensatz zu denen auf der eGK nicht verschlüsselt und verfügen nicht über einen speziellen Zugangs-schutz (Gematik, 2015; BMG, 2014).

Die eGK wird jedem Bürger, der gesetzlich versichert ist, von seiner jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse ausgegeben. Für die privaten Krankenkassen ist die Ausgabe der eGK freiwil-lig.

Funktionen/Anwendungen der eGK

Die eGK ist mit verschiedenen Funktionen bzw. Anwendungen ausgestattet. Der Pflichtteil76 beinhaltet zuerst nur rein administrative Daten (GMG; § 291a SGB V). Im Pflichtteil werden folgende Versichertendaten auf der eGK gespeichert:

 Bezeichnung der ausstellenden Krankenkasse

 Familienname und Vorname des Versicherten

75 Als elektronische Gesundheitskarten werden mikroprozessorgestützte Karten bezeichnet, die mit einem Prozes-sor-Chip mit Betriebssystem ausgestattet sind (Gematik, 2014; BMG, 2014 und siehe Kapitel 2.3).

76 Diese Daten müssen auf jeder eGK gespeichert sein. Das ist gesetzlich vorgeschrieben.

 Geburtsdatum

 Geschlecht

 Anschrift

 Krankenversichertennummer

 Versichertenstatus

 Zuzahlungsstatus

 Tag des Beginns des Versicherungsschutzes

 bei befristeter Gültigkeit der Karte das Datum des Fristablaufs

Außer der Angabe des Geschlechts und des Zahlungsstatus waren alle genannten Stammda-ten des KarStammda-teninhabers bzw. PatienStammda-ten bereits auf der KVK enthalStammda-ten. Als Neuerung beinhaltet der Pflichtteil der eGK ein Lichtbild des Versicherten (GMG, § 291a SGB V). Das Lichtbild soll einen Beitrag zur Verhinderung einer missbräuchlichen Nutzung der eGK leisten (BMG, 2014). Zudem beinhaltet die eGK auf ihrer Rückseite die EKVK (Gematik, 2015a).

Der Gesetzgeber hat durch das GMG überdies beschlossen, dass auf der eGK auch medizi-nische Informationen gespeichert werden sollen. Diese Daten sind datenschutzrechtlich be-gründet freiwillig (GMG, § 291a SGB V). Die Karte soll das Erheben, Verarbeiten und Nutzen der medizinischen Daten unterstützen (GMG, § 291a SGB V). Bislang (Stand Januar 2015) befindet sich diese Anwendung allerdings erst in Vorbereitung (Gematik, 2015c). Zuständig für die Vorbereitung bzw. für die Erstellung der für die Anwendungen nötigen Konzepte und Spe-zifikationen sowie für die Tests der Anwendungen, ist die Gesellschaft für Telematikanwen-dungen der Gesundheitskarte GmbH (Gematik).77 Die Gematik wurde am 11.01.2005 als Be-triebsorganisation der gemeinsamen Selbstverwaltung78 in Berlin gegründet (Telemedizinfüh-rer Deutschland, 2014; Gematik, 2015b).79 Sie übernimmt vielfältige Aufgaben bei der Einfüh-rung der elektronischen Gesundheitskarte einschließlich der hierfür nötigen Telematikinfra-struktur. Die Gesellschafter der Gematik sind der GKV-Spitzenverband als Vertreter der Kos-tenträger, genauso wie die BÄK, die BZÄK, die ABDA, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), die KBV und die KZBV – als Vertreter der Leistungserbringer.

Derzeit (Stand Januar 2015) plant die Gematik für den freiwilligen Teil der Datenspeicherung, auf der eGK notfallrelevante Informationen zu speichern. Zu diesen zählen "bestehende Me-dikationen, Allergien, Arzneimittelunverträglichkeiten, aber auch Informationen zu Schwanger-schaft, Implantaten … (sowie der) Hinweis auf das Vorhandensein einer Patientenverfügung und/oder einer Organspendeerklärung". Dieser Notfalldatensatz soll auf dem Mikroprozessor der Karte gespeichert werden (Notfalldatenmanagement bzw. NFDM).

In Vorbereitung steht zudem die elektronische Kommunikation der Leistungserbringer (KOM-LE). Ziel der Anwendung ist, dem Leistungserbringer – z. B. Ärzte, Zahnärzte oder Therapeu-ten – eine sichere Möglichkeit zu gewährleisTherapeu-ten, elektronische Dokumente – wie den elektro-nischen Arztbrief – an andere Leistungserbringer zu versenden, sowie die Dokumente von den Kollegen zu empfangen (Gematik, 2015c).

Ferner soll die qualifizierte elektronische Signatur (QES) als Anwendung auf der eGK einge-führt werden. Durch diese Signatur können Dokumente rechtsgültig elektronisch versendet werden. Die QES soll z. B. gewährleisten, dass der elektronisch versendete Arztbrief die

77 Gründung, Existenz und Zweck der Gematik basieren auf den gesetzlichen Grundlagen nach § 291b SGB V.

78 Als gemeinsame Selbstverwaltung im Gesundheitswesen werden Leistungserbringer und Kostenträger bezeich-net, die staatliche Aufgaben vom Gesetzgeber übertragen bekommen und diese unter gesetzlicher Aufsicht aus-führen (mehr dazu in Kapitel 3.2.2.1).

79 Die Gematik löste den zuvor vom Gesetzgeber initiierten und für die eGK temporär zuständigen Zusammen-schluss Protego (Projekt für Telematik der Gesundheitsorganisationen) ab (Telemedizinführer, 2014).

che rechtliche Stellung wie das händisch unterschriebene und auf dem Postweg versendete Papierdokument erhält (BÄK, 2014, S. 7f).

Auch die elektronische Fallakte (eFallakte) ist in Vorbereitung. Auf der eGK soll eine gemein-sam geführte Falldokumentation für Ärzte entstehen. Jeder Arzt hält dort die Behandlung des Patienten/Kartenbesitzers fest. Andere – den Patienten behandelnde Ärzte – können die Akte einsehen und evtl. ergänzen. So können die Leistungserbringer räumlich und zeitlich getrennt voneinander gemeinsam einen Patienten behandeln.

Darüber hinaus bereitet die Gematik das Deutsche Elektronische Meldesystem für Infektions-schutz (DEMIS) vor. "Diese Anwendung stellt – zusätzlich zum bestehenden Papierprozess – ein elektronisches Meldesystem für meldepflichtige Infektionskrankheiten dar. Hierbei soll die Weitergabe von Fallmeldungen an die zuständigen Behörden (Gesundheitsämter, Robert-Koch-Institut) und die Kommunikation zwischen den beteiligten Stellen vereinfacht werden"

(BÄK, 2014, S. 8).

Zudem sollen der verordnende Arzt und der dispensierende Apotheker mit Hilfe der Arzneimit-teltherapiesicherheitsprüfung (AMTS) einen Überblick über die Medikation des Patienten er-halten. So können unerwünschte Wechselwirkungen vermieden werden.80

Als letzte Anwendung ist derzeit die elektronische Organspendeerklärung (OSE) geplant. Der Patient kann dadurch seine Erklärung in elektronischer Form auf der eGK festhalten (BÄK, 2014, S. 8).

Ursprünglich war vom Gesetzgeber nach § 291a SGB V vorgesehen, das elektronische Re-zept (eReRe-zept) als Anwendung der eGK einzuführen. Diese Anwendung ist derzeit nicht mehr in Planung. Als Grund dafür nennt die BÄK (BÄK, 2014, S. 8) die "inakzeptablen Testergeb-nisse(n) der ersten Erprobungsphase". Auch die elektronische Patientenakte (ePatientenakte) sollte nach § 291a SGB V eingeführt werde. Doch auch die Akte ist derzeit nicht mehr in Pla-nung. Die Institute Fraunhofer FOKUS und Fraunhofer SIT arbeiten dennoch im Rahmen ei-nes vom BMG geförderten Forschungsprojektes an der Anwendung (BÄK, 2014, S. 8).

Die ursprünglich von der Regierung geforderten Anwendungen (GMG, § 291a SGB V) sind bislang (Stand Januar 2015) nicht vollständig durch die eGK umgesetzt worden. Vor allem die medizinischen Funktionen wurden nicht, wie von der Regierung im GMG festgelegt, bis Janu-ar 2006 oder bis zum jetzigen Zeitpunkt (JanuJanu-ar 2015) umgesetzt. Eine eGK besitzt mittlerwei-le zwar annähernd jeder gesetzlich Versicherte, die Ausgabe der Karten – die ursprünglich für 2006 geplant war – hat sich allerdings um einige Jahre verzögert. Im Jahr 2014 hatten noch immer nicht alle gesetzlich Versicherten eine eGK. Bis einschließlich 2014 war deshalb auch noch die alte KVK gültig. "Ab dem 1. Januar 2015 gilt ausschließlich die elektronische Ge-sundheitskarte als Berechtigungsnachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen beim Arzt und beim Zahnarzt" (IKK, 2014).

Zugriffsmechanismus und Datensicherheit der eGK

Datenschutz- und Sicherheitsaspekte spielen bei der Einführung der eGK – einschließlich zugehöriger Telematikinfrastruktur – eine zentrale Rolle (BMG, 2014). Die eGK unterscheidet das reine Lesen der Information und das Verändern bzw. Schreiben von Daten. Nicht jeder ist befugt, beides zu tun (BMG, 2014). Die reinen Versicherungsdaten können ohne PIN aus der eGK ausgelesen werden. Einige Stammdaten sind bereits auf der Karte bzw. Kartenrückseite

80 Auf der eGK sollen dabei neben den verschreibungspflichtigen Präparaten zudem Informationen über frei ver-käufliche Medikamente einzusehen sein (BÄK, 2014, S. 8).

sichtbar. Die weiter oben bereits beschriebenen medizinischen Informationen können nur durch das Zwei-Schlüssel-Prinzip, d. h. in Anwesenheit der eGK und des Heilberufsausweises mit Eingabe der PIN ausgelesen bzw. verändert werden. Jeder Leistungserbringer, der auf die medizinischen Daten einer eGK zugreifen will, benötigt einen gültigen Heilberufsausweis (HBA oder HPC)81 und ein entsprechendes Kartenlesegerät82 (Paland/Riepe 2005, S. 626;

BMG, 2014a). Nur mit diesem elektronischen Arztausweis können die Leistungserbinger die medizinischen Anwendungen der eGK nutzen. Der HBA "ist somit die Eintrittskarte in die Te-lematikinfrastruktur des Gesundheitswesens" (BÄK, 2014a).

Kosten der eGK

Die Kosten für die Einführung des eGK-Systems übernehmen die gesetzlichen Krankenkas-sen und somit die Beitragszahler. Die bislang tatsächlichen Aufwendungen, sind schwer zu ermitteln. Es sind unterschiedliche Zahlen veröffentlicht worden. Im Jahr 2013 und in der ers-ten Hälfte des Jahres 2014 hieß es, die Einführung des elektronischen Karers-tensystems würde ca. 728 Millionen Euro kosten (Spiegel online, 2014; Die Welt, 2013). Im November 2014 ant-wortete die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion zu den Kosten der eGK. Dar-aus geht hervor, dass die Einführung des eGK-Systems den Kassen bis 2015 rund eine Milli-arde Euro kostet. Anschließend sollen 2015 weitere 200 Millionen Euro auf der Kostenseite hinzukommen (Ärztezeitung, 2014).