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Auswertung der aus den Interviews erhobenen Daten

6 Forschungsstrategie

6.5 Untersuchungsmethoden

6.5.2 Auswertung der aus den Interviews erhobenen Daten

Für die empirische Analyse in Kapitel 7 werden die Interview-Transkripte ausgewertet, da die abgefragten Informationen das Zustandekommen des politischen Wandels "Einführung eines elektronischen Kartensystems im Gesundheitswesen" erklären. Die Analyse der vorliegenden Arbeit erfolgt qualitativ.

6.5.2.1 Strukturieren und Zusammenfassen

Mit Hilfe eines inhaltsanalytischen Verfahrens werden die Inhalte der erhobenen Interviews als auswertendes Datenmaterial aufgefasst. In der qualitativen Inhaltsanalyse haben sich drei verschiedene Grundformen von Analysetechniken herausgebildet. Zu diesen gehören nach Mayring (2008, S. 58) die Zusammenfassung158, die Explikation159 und die Strukturierung160. Für die vorliegende Untersuchung wird die inhaltliche Strukturierung gewählt und an den Un-tersuchungskontext angepasst (Mayring, 2008, S. 85). Die potenziellen Kriterien bzw. Variab-len, welche die Einführung des jeweiligen Kartensystems erklären, lassen sich aus den Theo-riefamilien der vergleichenden Staatstätigkeitsforschung und der Policy-Forschung (siehe Ka-pitel 5) herleiten. Aus den Theorieansätzen bzw. den daraus entwickelten Hypothesen wird im

157 Sprachmemos-App des Iphone5

158 Das gesammelte Datenmaterial soll so reduziert werden, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben. Die reduzierte Gesamtheit soll trotzdem noch das Grundmaterial abbilden (Mayring, 2008, S. 59ff).

159 Zu bestimmten Texten soll zusätzliches Material herausgearbeitet werden, um das Verständnis zu vertiefen (Mayring, 2008, S. 77ff).

160 Aspekte sollen aus dem Datenmaterial herausgearbeitet werden. Unter vorher festgelegten Kriterien soll an-schließend ein Querschnitt durch das Material gelegt werden (Mayring, 2008, S. 82ff).

Vorfeld eine Code-Liste als Kategoriensystem entwickelt (Mayring, 2008, S. 82f; Kuckartz et al., 2008 S. 36ff). Durch die Herleitung des Kategoriensystems aus den theoretischen Vor-überlegungen trägt die Code-Liste zur Beantwortung der Forschungsfragen bei. Gleichzeitig ist das Kategoriensystem ebenso offen gestaltet, dass existierende Kategorien verändert oder neue Kategorien, die sich im Verlauf der Untersuchung ergeben, aufgenommen werden kön-nen (Gläser/Laudel, 2004, S. 195). Das im Laufe der Untersuchung angepasste Kategorien-system ist Anhang 6 zu entnehmen.

Mit der Methode der Strukturierung bzw. mit Hilfe des Kriteriensystems werden die zu analy-sierenden Interviewtexte aufgegliedert, kommentiert und systematisch geordnet. Somit wird die "Analyse im etymologischen Wortsinn als `Auflösen eines Gegenstands in seine Einzelbe-standteile`" (Dresing/Pehl, 2013, S. 41) durchgeführt. Es werden nur diejenigen Textstellen anschließend bewertet, welche durch die Codierung herausgelöst wurden. Die restlichen nicht-kodierten Daten bleiben für die Auswertung unberücksichtigt.

Die Strukturierung der selbst erhobenen Daten wird computergestützt mit Mithilfe des Soft-wareprogramms F4analyse durchgeführt. Das technische Programm wurde zur qualitativen Analyse von Daten in Form von Text entwickelt und ist besonders für die Auswertung von In-terviews geeignet. Mit F4analyse können Codes und Subcodes definiert und der zuvor transkribierte Text anschließend codiert werden. Des Weiteren können die extrahierten Daten entlang von Such- und Ordnungskriterien aufbereitet und dadurch verglichen und zusammen-gefasst werden.

Bevor die extrahierten und codierten Textstellen ausgewertet werden, müssen die Daten auf Grund ihrer Menge aufbereitet werden (Mayring, 2008, S. 83). Dies beinhaltet die Sortierung der Textstellen nach zeitlichen und sachlichen Aspekten, die Beseitigung grundlegender Feh-ler, sowie die Zusammenfassung bedeutungsgleicher Inhalte (Mayring/Gläser-Zikuda, 2008, S. 267ff). Nach dem Erheben, Kodieren, Extrahieren und Aufbereiten des Datenmaterials müssen in einem nächsten Schritt die Daten ausgewertet, Einzelteile miteinander in Bezie-hung gesetzt und verglichen werden (Dresing/Pehl, 2013, S. 40). Die Vorgehensweisen bei der Auswertung der Daten werden nachstehend beschrieben.

6.5.2.2 Reflexion, Theorieüberprüfung und -entwicklung

Die vorliegende qualitative, vergleichende Fallstudie wird theoriegeleitet – nach den in Kapitel 5 vorgestellten Theorieansätzen – erhoben. Sie ist deduktiv und induktiv ausgerichtet. Es werden Theorien getestet und auch gegebenenfalls weiterentwickelt. Um einen Kausalbezug herzustellen, werden Ursache-Wirkungs-Beziehungen vergleichend analysiert. Wie in der qua-litativen Forschung üblich, liegt der vorliegenden Arbeit ein Kausalitätsverständnis zugrunde,

„das von der kombinatorischen, nichtlinearen und heterogenen Wirkung von Einflussfaktoren ausgeht“ (Schnapp et al., 2006, S. 25).

Angesichts dieses Kausalitätsverständnisses wird im empirischen Teil dieser Arbeit als Me-thode die Prozessanalyse ("process tracing") angewendet. Der Nachweis kausaler Wir-kungsmechanismen geschieht nach Blatter et al. (2007, S. 135) am besten durch eine Pro-zessanalyse. Prozessanalyse bezeichnet die systematische Untersuchung von Prozessen und die Zerlegung dieser in einzelne Teile. Mit Hilfe der Prozessanalyse können Interaktionen zwischen Variablen beleuchtet werden (Blatter et al., 2007, S. 162). Es können systematisch und dynamisch Hinweise aufgedeckt und nachverfolgt werden, die Ursachen des Zustande-kommens der abhängigen Variablen erkennen lassen (Checkel, 2008; George/Bennett, 2005;

Hall, 2006, 2007; Mahoney, 2010; Reilly, 2010; Schimmelfennig, 2006). So kann ein

Ver-ständnis für den Prozess erlangt werden (Blatter et al., 2007, S. 162). Außerdem liegt ein wei-terer Vorteil der Methode darin, dass nicht nur die Erklärungskraft eines möglichen Faktors in den Vordergrund gestellt wird, sondern es werden verschiedene Faktoren miteinander inte-griert und dadurch ein Gesamtverständnis aller Zusammenhänge geschaffen (Blatter et al., 2007, S. 162).

In der vorliegenden Arbeit wird eine spezielle Ausprägung der Prozessanalyse angewendet, die "Systematic process analysis" (s. u.). Diese Methode wurde maßgeblich von Hall (2003, 2007) entwickelt und verbindet die Prozessanalyse mit der Kongruenzmethode („pattern mat-ching“, siehe nächster Absatz).161 Die "Systematic process analysis" wird benutzt, weil sich die Kombination der Methoden Prozessanalyse und Kongruenzmethode bei bisherigen qualitati-ven Fallstudien bewährt hat und sich Überschneidungen in der praktischen Anwendung zwi-schen beiden Techniken ergeben (Blatter et al., 2007a, S. 156; George/Bennett, 2005).

Mit der Kongruenzmethode werden Daten theoriegeleitet rekonstruiert und zur Analyse der Entscheidungsprozesse verwendet. Die Untersuchung beginnt mit der Identifikation etablierter Theorien und der Bildung von Hypothesen. Anschließend wird empirisch analysiert, ob die Theorien bzw. die abgeleiteten Hypothesen die Realität erklären können. Wenn die Theorien in der Realität vorzufinden sind, leisten sie einen Beitrag zum Zustandekommen der abhängi-gen Variablen (George/Bennett, 2005, Kap. 9). Durch die Kongruenzmethode wird also unter-sucht, ob Theorieelemente mit den entsprechenden empirischen Beobachtungen überein-stimmen. Die Ausprägungen der einzelnen Theorieelemente werden ausgewertet. Schneider (2003, S. 311), Yin (2003, S. 26) und Hak und Dul (2010) empfehlen die Anwendung der Me-thode in den sozialwissenschaftlichen Disziplinen und bei empirischen Fallstudien im Speziel-len.

Hall (2003, S. 391ff; 2007, S. 6ff) beschreibt innerhalb der „Systematic process analysis", fünf Phasen (siehe Tabelle 9): In einer ersten Phase („theory formation“) werden die der Arbeit zugrundeliegenden Theorien und Konzepte dargestellt (siehe Kapitel 5.1 in dieser Arbeit).

Dabei liegt der Schwerpunkt der Beschreibung auf den für die Arbeit bedeutenden Aspekten.

Nach Hall ist es von Bedeutung mehrere theoretische Konzepte in einer empirischen Arbeit anzuwenden. In einer zweiten Phase („deriving predictions“) sollen aus dem vorgestellten the-oretischen Bezugsrahmen Hypothesen abgeleitet werden (siehe Kapitel 5.2 in dieser Arbeit).

Anschließend folgt in den Phasen drei und vier die eigentliche empirische Analyse. In einer dritten Phase wird innerhalb der Fallstudienanalyse die Prozessanalyse vorgenommen. In dieser Phase werden die Fälle detailliert beschrieben und alle wichtigen Beobachtungen vor-genommen („making observations“). Anschließend wird in einer vierten Phase ("comparision of observations and predictions") die Kongruenz-Methode angewendet. Dabei wird die Reali-tät mit den zuvor gebildeten Hypothesen verglichen. Die Bearbeitung der Phasen drei und vier geschieht in Kapitel 7 dieser Arbeit fließend und wird für jeden Theorieansatz einzeln vorge-nommen. Zum Schluss werden in der fünften Phase („drawing conclusions“) Schlussfolgerun-gen der Arbeit diskutiert (siehe Kapitel 8 in dieser Arbeit). Dabei wird dargestellt, welchen Bei-trag die einzelnen zu Beginn vorgestellten Theorien zur Erklärung der unabhängigen Variab-len leisten können.

161 Hall betont die Übereinstimmungen seines Ansatzes mit den Untersuchungsmethoden „process tracing“ und

„pattern matching“. Er übernimmt die Ansätze von George, Bennett und Campbell und führt sie zu einer theo-riegeleiteten Form der Prozessanalyse zusammen.

Tabelle 9: Die Fünf Phasen der "Systematic process analysis" in der vorliegenden Arbeit

Phasen Inhalt

Zugehöriges Kapitel in dieser Arbeit

1.Phase:„theory formation"

Vorstellung der der Arbeit zugrundeliegen-den Theorieansätze; dabei Hervorhebung

der für die Arbeit wichtigen Aspekte

Kapitel 5.1

2.Phase: „deriving predictions“ Ableitung von Hypothesen aus den zuvor

beschriebenen Theorieansätzen Kapitel 5.2 3.Phase: „making observations“

und

4.Phase: "comparision of obser-vations and predictions"

Detaillierte Beschreibung der wichtigen Beobachtungen und Vergleich der Realität

mit den zuvor gebildeten Hypothesen

Kapitel 7

5.Phase: „drawing conclusions"

Diskussion der Schlussfolgerungen der Untersuchung; dabei Darstellung des Bei-trags der zu Beginn vorgestellten Theorie-ansätze zur Erklärung der Reform "Einfüh-rung eines elektronischen Kartensystems in

Deutschland und Österreich"

Kapitel 8

Im folgenden empirischen Teil der Arbeit werden nun die wichtigen Beobachtungen detailliert beschrieben und die Realität "Einführung eines elektronischen Kartensystems" im deutschen und österreichischen Gesundheitswesen mit den zuvor auf Grundlage der ausgewählten The-orieansätze gebildeten Hypothesen verglichen.

7 Empirische Analyse: Erklärungsfaktoren für die Reform „Einführung eines