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3 Besonderheiten des deutschen und österreichischen Gesundheitswesens

3.3 Die europäische Krankenversicherungskarte und die elektronischen Kartensysteme

3.3.3 Die E-Card in Österreich

Das Gesetz zur Einführung der E-Card – einschließlich zugehöriger Telematikinfrastruktur – in Österreich wurde maßgeblich im HV entwickelt (siehe herzu Kapitel 7.4.2.1). Im Rahmen ei-nes SOLL-Konzeptes sollten die Mitarbeiter des Hauptverbandes eine Kosten-Nutzen-Rechnung als Entscheidungsgrundlage erstellen und Grundlagen des Zielsystems liefern, die zu einem späteren Zeitpunkt durch ein Gesetz geregelt werden können.83 Den „quasi-rechtlichen“ Rahmen für die Vorbereitungen zur Einführung des Kartensystems bildete eine Entschließung des Nationalrates vom 29. November 1996, auf der Basis des Ausschussbe-richtes 465 BlgNR XX GP, welcher die Schaffung der Grundlagen bis 1. Januar 1998 vorsah.

Eine „Entschließung des Nationalrates“ ist aber lediglich eine Absichtserklärung ohne rechtli-che Bindungswirkung, was damals jedoch als ausreirechtli-chende Grundlage für das weitere Han-deln des HV angesehen wurde. Das entsprechende Gesetz zur Einführung eines nationalen elektronischen Kartensystems wurde im Nationalrat unter der Regierung aus SPÖ und ÖVP im Rahmen des 172. Bundesgesetzes bzw. der 56. ASVG-Novelle (ASVG = Allgemeines So-zialversicherungsgesetz) am 16.07.1999 beschlossen. Die 56. ASVG-Novelle bildet somit die rechtliche Grundlage für die Card in Österreich. Die Novelle schreibt die Einführung der E-Card bis spätestens 30 Monate nach Inkrafttreten der 56. Novelle vor (56. Novelle zum ASVG,

81 Der HBA ist wie die eGK mit einem Mikroprozessorchip ausgestattet. Dieser hat die Funktionen Authentifikation (elektronische Identitätsprüfung gegenüber technischer Systeme), digitale Signatur (im Sinne des deutschen Signaturgesetzes - SigG) und Ver-/Entschlüsselung (BÄK, 2014a).

82 Alle Leistungserbringer wurden mit den – von den gesetzlichen Krankenkassen finanzierten –

Kartenlesegeräten ausgestattet (BMG, 2014a). Die Leistungserbringer können die Patientendaten nur einsehen oder verändern, wenn sie die eGK und den HBA in das Kartenlesegerät einstecken (BKK, 2014).

83 Diese Vorarbeiten für ein E-Card-System fanden ohne gesetzliche Deckung statt, da es Aufgabe des SOLL-Konzeptes u. a. war, a) eine Kosten-Nutzen-Rechnung als Entscheidungsgrundlage zu erstellen und b) Grund-lagen des Zielsystems zu liefern, die dann durch ein Gesetz geregelt werden können.

§ 31c.).84 Laut der Novelle dient die Karte der "Effizienzsteigerung der Verwaltungsabläufe zwischen allen an der Vollziehung der Sozialversicherung beteiligten Personen". Des Weite-ren sollen Arbeitsplätze geschaffen, Leistungsanbieter entlastet und die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen weltweit verbessert werden (56. Novelle zum ASVG, Vorblatt).

Die E-Card ersetzt "alle Arten des (bisher genutzten) Krankenscheins85 (Krankenkassen-schecks, Behandlungsscheine, Patientenscheine, Arzthilfescheine)" (56. Novelle zum ASVG,

§ 31c.). Die E-Card ist wie die eGK eine mikroprozessorgestützte Karte (SV, 2015). Somit wurde in Österreich – anders als in Deutschland – der Krankenschein direkt mit einer mikro-prozessorgestützten Karte abgelöst.86 Die Daten auf der E-Card sind verschlüsselt und verfü-gen über einen speziellen Zugangsschutz (SV, 2015a).

Die E-Card wird den Versicherten von dem zuständigen Krankenversicherungsträger ausge-geben. "Ist kein zuständiger Krankenversicherungsträger vorhanden, so sind die Chipkarten von der Gebietskrankenkasse jenes Landes auszustellen, in dem sie voraussichtlich haupt-sächlich verwendet werden" (56. Novelle zum ASVG, § 31b.).

Funktionen/Anwendungen der E-Card

Die E-Card ist mit verschiedenen Funktionen bzw. Anwendungen ausgestattet. Die 56. Novel-le zum ASVG (§ 31a und c) schreibt die Einführung folgender Anwendungen vor:

 Angaben zur Person, für die die Chipkarte ausgestellt wurde:

o Namen, Geburtsdatum, Geschlecht o Versicherungsnummer (§ 31 Abs. 4 Z 1)

 Bezeichnung des Chipkartenausstellers, Datum der Ausstellung und Chipkartennum-mer samt Gültigkeitskennzeichnung

 Angaben betreffend Ansprüche gegenüber dem zuständigen Versicherungsträger

 Bezeichnung der in Anspruch genommenen Vertragspartnergruppe

 Angaben über Rezeptgebührenbefreiungen auf Dauer

Im Gegensatz zum GMG in Deutschland, schreibt das Gesetz in Österreich zur "Gewährleis-tung von Datenschutz und Datensicherheit" (56. Novelle zum ASVG, Erläuterungen) vor, wel-che Anwendungen die österreichiswel-chen Chipkarten keinesfalls enthalten dürfen (56. Novelle zum ASVG, § 31a). Zu diesen zählen:

 Diagnosen und andere Gesundheitsdaten;

 Einkommens- und Vermögensdaten;

 Personenstandsdaten, die über die in Abs. 3, Z. 1 genannten Daten hinausgehen Die E-Card wurde im Jahr 2005 schrittweise an alle sozialversicherten Österreicher ausgege-ben. Seit 2006 hat jeder gesetzlich versicherte Österreicher eine elektronische Patientenkarte (Hofmarcher/Rack, 2006, S. 182). Seither enthält die Chipkarte E-Health-Anwendungen. Zu diesen gehören beispielsweise "die automatisierte Genehmigung von chefarztpflichtigen Re-zepten (Arzneimittel-Bewilligungs-Service, kurz ABS) und die elektronische Arbeitsunfähig-keitsmeldung". Die Österreichische Sozialversicherung bereitet zusätzlich die elektronische Überweisung sowie die elektronische Medikation (eMedikation) zur elektronischen

84 In den Erläuterungen zum Gesetz steht zudem, dass der "Ersatz des Krankenscheines durch die Sozialversiche-rungs-Chipkarten spätestens zweieinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes" geschehen soll (6. Novelle zum ASVG, Erläuterungen).

85 Versicherungsnachweis auf Papier

86 In Deutschland wurde der Krankenschein von der KVK – also einer Speicherchipkarte – abgelöst. Später wurde die KVK mit der eGK – einer mikroprozessorgestützten Karte – ersetzt.

fung von Wechselwirkungen bei Arzneimitteln vor. Beide Anwendungen werden derzeit (Stand Januar 2015) durch Pilotprojekte getestet (SV, 2015a).

Ferner ermöglicht die E-Card seit Anfang 2008 durch die Anwendung "Bürgerkartenfunktion"

den Zugang zu Leistungen des E-Government (SV, 2015a; A-SIT Zentrum für sichere Infor-mationstechnologie, 2015). Jeder Versicherte hat die Möglichkeit auf seiner E-Card die An-wendung "Bürgerkartenfunktion" aufbringen zu lassen. Der Versicherte kann seine Chipkarte selbst aktivieren und sie in Verbindung mit der Handy-Signatur als rechtsgültige elektronische Unterschrift im Internet nutzen. "Das Handy und die aktivierte E-Card werden somit zum virtu-ellen Ausweis, mit dem … Dokumente oder Rechnungen digital" unterzeichnet werden kön-nen (A-SIT Zentrum für sichere Informationstechnologie, 2015). Damit kann der Versicherte Amtswege über das Internet erledigen und somit zeitintensive Behördengänge vermeiden.

Beispielsweise kann die Wahlkarte für die Europawahl mit der E-Card mit Bürgerkartenfunkti-on beantragt werden (mehr dazu unter A-SIT Zentrum für sichere InformatiBürgerkartenfunkti-onstechnologie, 2015).

Auf der E-Card sind derzeit nur die administrativen Daten des Karteninhabers gespeichert.

Die Chipkarte dient dem Inhaber zudem als Zugang zu Dienstleistungen und Daten (SV, 2015b). Medizinische Daten werden auf der Karte nicht gespeichert. Allerdings verfügt die E-Card "über ausreichende Speicherreserven für künftige Anwendungen" (SV, 2015b). Es ist geplant, auf freiwilliger Basis weitere Anwendungen auf der E-Card zu installieren. Zu diesen zählt die Speicherung von Notfalldaten. Die tatsächliche Einführung der weiteren Anwendun-gen ist weAnwendun-gen technischer und datenschutzrechtlicher FraAnwendun-gen noch nicht Anwendun-genehmigt bzw. um-gesetzt worden (Souhrada, 2005, S. 194). Dementsprechend ist die Implementation des elekt-ronischen Kartensystems in Österreich – wie die in Deutschland – noch nicht vollständig ab-geschlossen.

Derzeit ist außerdem geplant, dass die E-Card Schlüsselkarte für den Zugriff auf ELGA-Daten sein wird. Ab 2015 wird in Österreich die elektronische Gesundheitsakte (ELGA) eingeführt.87 Bis Mitte 2016 ist die Implementation der Akte in öffentlichen Spitälern geplant und erst an-schließend sollen auch die niedergelassenen Ärzte und Apotheken die ELGA-Funktionen nut-zen können (ELGA/BMG, 2014). ELGA ist ein Informationssystem, das allen Leistungsanbie-tern und Patienten den orts- und zeitunabhängigen Zugang zu Gesundheitsdaten ermöglicht.

ELGA ist kein zentraler Datenspeicher. Die Akte vernetzt lediglich die für ELGA bereitgestell-ten Dokumente. Die Dokumente werden weiterhin – wie bis dato – in den jeweiligen Gesund-heitseinrichtungen gespeichert (mehr dazu unter ELGA, 2014). Zur Realisierung der elektroni-schen Gesundheitsakte ELGA wurde die ELGA GmbH mit Beschluss vom 20. November 2009 gegründet. Die Eigentümer der ELGA GmbH sind der Bund, die Länder und die Sozial-versicherung. "Diese Gesellschafter repräsentieren (wie bereits in Kapitel 3.2 erläutert) die maßgeblichen Entscheidungs- und Kostenträger im österreichischen Gesundheitswesen"

(ELGA, 2014a). Ferner ist die SV-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft (SVC) 2001 als Tochter des HV gegründet worden, um die Einführung, den Betrieb und die Weiter-entwicklung des elektronischen Verwaltungssystems für den gesamten Vollzugsbereich der Sozialversicherung gemäß den Bestimmungen der §§ 31a ff. ASVG zu gewährleisten (SVC, 2014).

87 Seit Anfang 2014 existiert die ELGA-Widerspruchsstelle. Sie bietet den Patienten nach dem "Opt-out-Prinzip" die Möglichkeit, die Teilnahme an ELGA zu verweigern (ELGA, 2014).

Zugriffsmechanismus und Datensicherheit der E-Card

Auch in Österreich spielt das Thema Datenschutz bzw. Sicherheitsaspekte eine zentrale Rolle (SV, 2015b). Einige Stammdaten sind bereits auf der Karte bzw. Kartenrückseite sichtbar.

Diese und alle anderen administrativen Daten sind durch eine spezielle Verschlüsselungs-technik ("Zwei-Schlüssel-Prinzip") geschützt. Jeder Leistungserbinger, der die Daten des Pa-tienten einsehen möchte, benötigt einen zweiten "Schlüssel" in Form einer Berechtigungskar-te. Diese Karte nennt sich in Österreich Ordinationskarte88 (SV, 2015a). Weiterhin muss ein Kartenlesegerät installiert sein, in das beide Karten zum Auslesen der Information eingeführt werden (SV, 2015d).

Kosten der E-Card

Die Kosten für die Einführung des E-Card-Systems übernehmen die Sozialversicherung und der Bund. Darüber hinaus übernahm die Industrie ca. 22 Millionen Euro als einmalige Auf-wendung (Otter, 2001, S. 10). Die veröffentlichten Zahlen über die Gesamtkosten der Einfüh-rung der E-Card weichen teilweise deutlich voneinander ab. Laut den österreichischen Ver-waltungseinrichtungen, Bundesministerium für Gesundheit und Frauen und Bundesministeri-um für soziale Sicherheit und Generationen, betragen die Kosten für die Einführung der E-Card (ohne ELGA) 130 Millionen Euro (BMGF/BMSG, 2006). Die Einführung von ELGA – als Teil des E-Card-Systems – wird laut BMG bis 2017 weitere 130 bis 135 Millionen Euro kosten (Initiative ELGA, 2014; Kurier AT, 2014).

Des Weiteren muss jeder Chipkartenbesitzer einmal im Jahr ein Service-Entgelt von ca. 10 Euro89 gemäß § 31c Abs. 3 Z. 1 ASVG leisten. Dieses muss der Dienstgeber jährlich zum 15.11. für die zu diesem Stichtag bei ihm in einem Dienstverhältnis stehenden Personen über die Lohnabrechnung einbeziehen.90 Anschließend muss er es an den Krankenversicherungs-träger abführen. Selbständige müssen das Service-Entgelt mit den üblichen Sozialversiche-rungsbeiträgen abführen. "Für das Jahr 2016 ist am 15.11.2015 ein Service-Entgelt in Höhe von EUR 10,85 fällig" (SV, 2015c).