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5 DISKUSSION

5.2 Einwirkung von Enrofloxacin auf die Resistenzentwicklung kommensaler E. coli im

In der Literatur sind zahlreiche Studien sowohl über die gegenwärtige Resistenzsituation (MOMTAZ et al. 2012; KÄSBOHRER et al. 2012) als auch über die Wirkung therapeutischer Dosierungen verschiedener Antibiotika inklusive Enro- floxacin auf die physiologische Darmflora in Geflügel am Modell von E. coli zu finden (MONIRI u. DASTEHGOLI 2005; SMITH et al. 2007; MIRANDA et al. 2008). Studien zur Auswirkung subtherapeutischer Konzentrationen in Folge von Verschleppungen, die über reines Monitoring hinausgehen, sind jedoch selten (VAN DER HORST et al.

2010).

Ziel dieser Dissertation war es, die Auswirkungen simulierter Verschleppungsszenarien von Enrofloxacin auf die Resistenzentwicklung von E. coli im Darm von Geflügel zu untersuchen. Dies sollte dazu beitragen, einen Eindruck über mögliche Ursachen der gegenwärtigen Resistenzsituation zu erlangen, um in Zukunft Ansätze zur Optimierung von Prozessen zu bieten.

Enrofloxacin ist für die Anwendung bei Tieren, deren Eier für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, nicht zugelassen. Die gegenwärtige Studie wurde dennoch am Modell der Junghenne durchgeführt, da der Endpunkt dieser Versuche in Abhängigkeit der zu detektierenden Ergebnisse flexibel gestaltet werden sollte und Broiler aufgrund ihrer raschen Gewichtszunahme nicht für eine über die übliche angewandte Mastperiode hinausgehende Dauer eingesetzt werden konnten.

Hinzu kommt, dass die Varianz zwischen den einzelnen Tieren bezüglich Wasser- und Futterverbrauch bei ausgewachsenen Tieren wie den Hennen geringer gehalten

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89 werden kann, als bei Tieren, die sich im Wachstum befinden. Die Varianz zwischen den Tieren innerhalb einer Gruppe ist geringer.

Um den Einfluss möglicher Verschleppungen in Form subtherapeutischer Konzentrationen Enrofloxacin auf die physiologische Darmflora am Modell von E. coli überprüfen zu können, wurden mehrere Verschleppungsszenarien durchgeführt.

Dabei handelte es sich um die Simulation einer Verschleppung von 3 % (0,3 mg Enrofloxacin/kg KG) der eigentlichen therapeutischen Dosierung über 21 Tage.

Dieser Zeitraum orientierte sich an der Dauer der üblichen zur Broilermast angewandten Kurzmast von 29 – 32 Tagen (DAMME 2013). Direkt im Anschluss wurden die Tiere über fünf Tage mit 10 mg Enrofloxacin/kg KG behandelt, wie es in einem Betrieb im Fall einer Bestandserkrankung durchgeführt werden würde. Somit wurde zuerst die Reaktion der physiologischen Darmflora auf eine dauerhafte Belastung durch subtherapeutische Konzentrationen beobachtet, um dann zu überprüfen, wie sie auf den Selektionsdruck einer therapeutischen Dosierung nach guter veterinärmedizinischer Praxis reagieren würde. Analog wurde ein Versuch mit einer 10 %igen Verschleppungsdosis durchgeführt. Das Ergebnis dieser beiden Verschleppungsszenarien wurde in Vergleich gesetzt mit einer therapeutischen Behandlung nicht vorbelasteter Hühner und mit einer Kontrollgruppe ohne Zuführung von Antibiotika.

Zur Einordnung der MHK-Werte der gewonnenen E. coli-Isolate in die Resistenzentwicklung wurden folgende Richtwerte zur Hilfe genommen: 1. der epidemiologische Cut-Off ≤ 0,125 µg/ml und 2. der klinische Breakpoint ≥ 2 µg/ml.

Isolate mit Werten ≤ 0,125 µg/ml werden als Wildtypen betrachtet. Diese werden definiert als Mikroorganismen ohne erworbene oder chromosomal bedingte Resistenzen. Isolate werden als Wildtypen kategorisiert, wenn sie unter der Anwendung definierter phänotypischer Testsysteme den entsprechenden epidemiologischen Cut-Off unterschreiten oder ihm entsprechen (EUCAST 2013a).

Ist der MHK-Wert eines Isolats gleich oder größer als der klinische Breakpoint spricht man von klinischer Resistenz und der Keim ist durch das jeweilige Antibiotikum nicht mehr behandelbar (EUCAST 2013a).

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Der Median der MHK-Werte der Kontrollgruppe lag während der gesamten Laufzeit des Versuchs unter dem epidemiologischen Cut-Off (0,125 µg/ml), das heißt, bei den untersuchten E. coli-Stämmen handelt es sich um Wildtypen ohne erworbene oder chromosomal verursachte Formen der Resistenz.

Die therapeutisch mit 10 mg Enrofloxacin/kg KG behandelte Gruppe zeigte bis zum Ende der Behandlung und innerhalb der folgenden 10 Wochen keine klinischen Resistenzen. Dies gilt ebenfalls für die Gruppe, die die 3%ige Verschleppungsdosis erhielt. Die 10%ige Verschleppungsdosis führte bei der betroffenen Tiergruppe zum Ende der Simulation zu klinischen Resistenzen, die über die therapeutische Behandlung hinweg bis 20 Wochen nach Ende der Medikation beibehalten wurde.

Lediglich die Verhältnisse der Anteile zwischen klinisch und nicht klinisch resistenten E. coli veränderten sich.

Trotz unterschiedlicher Dosierungsprotokolle haben sich alle drei Gruppen in den ersten 3 Wochen ähnlich entwickelt. Sie haben sich von Wildtyppopulationen zu Bakterien mit reduzierter Sensibilität für Enrofloxacin entwickelt, oder nach EUCAST-Definition zu resistenten Bakterien aufgrund ihrer Überschreitung des epidemiologischen Cut-Offs von 0,125 µg/ml. Es gilt zwischen Resistenz (MHK >

epidemiologischer Cut-Off) und klinischer Resistenz (MHK ≥ klinischer Breakpoint) zu unterscheiden.

Bei den Tieren des 10%igen Verschleppungsszenarios wurden erstmals, nach Abschluss des Verschleppungsszenarios, einzelne Kolonien mit klinischen Resistenzen (MHK ≥ 32 µg/ml) detektiert. Interessant ist nun der Verlauf im Bereich zwischen epidemiologischem Cut-Off (0,125 µg/ml) und dem klinischen Breakpoint (2 µg/ml).

Die in diesem Bereich detektierten Kolonien sind nicht klinisch resistent, aber weniger sensibel als vor Beginn der Versuche. BAGEL et al. (1999) teilten die bei Fluorchinolonen auftretenden Resistenzen in zwei Arten ein, die Low-Level-Resistenz mit MHK-Werten < 2 µg/ml und die High-Level-Low-Level-Resistenz mit MHK-Werten

> 4 µg/ml. Dieser Definition nach, haben sich in der therapeutisch behandelten Tiergruppe und bei den Tieren des Verschleppungsszenarios 1 (3 % der therapeutischen Dosis) ausschließlich Low-Level-Resistenzen“ gebildet (über

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91 Anreicherung noch einmal bestätigt). Die Tiere, die 10 % der Verschleppungsdosis erhielten, wiesen überwiegend Low-Level-Resistenzen auf, es wurden aber an Tag 22 und damit mit Abschluss des Verschleppungsszenarios, vereinzelt Kolonien mit MHKs ≥ 32 µg/ml detektiert, die demnach unter High-Level-Resistenzen fielen.

Die niedrige und hohe Resistenz unterscheiden sich auf chromosomaler Ebene voneinander. Low-Level-Resistenzen werden bei E. coli meistens durch die Substitution der Aminosäure Serin an Position 83 der Untereinheit A der Gyrase hervorgerufen. High-Level-Resistenzen entstehen durch mindestens zwei Mutationen in Untereinheit A und einer zusätzlichen Mutation in Untereinheit C der Topoisomerase IV, oder einer Einzelmutation in Untereinheit A und mindestens einer Weiteren in Untereinheit C (CULLEN et al. 1989; EVERETT et al. 1996; HEISIG 1996; LEHN et al. 1996; BAGEL et al. 1999).

Andere Formen der Resistenz sind auch möglich, wie in Kapitel 2.2 erläutert. Durch einen erhöhten Efflux oder durch die Reduktion der Porine, erfolgt eine reduzierte Aufnahme der Antibiotika in die Zelle. Dies gilt nur für Low-Level-Resistenzen, in E.

coli-Isolaten mit erhöhtem Fluorchinolonefflux konnten in Verbindung mit einer Mutation in gyrA lediglich erhöhte MHK-Werte festgestellt werden, die den klinischen Breakpoint nicht überschritten (z. B. MHK von Ciprofloxacin ≤ 1). Erst mithilfe von zusätzlichen Mutationen in gyrA und/oder parC entstanden klinische Resistenzen im Bereich von ≥ 4 µg/ml (HEISIG u. TSCHORNY 1994; DEGUCHI et al. 1997). Dies gilt ebenfalls für plasmidvermittelte Resistenzen. Ohne zusätzliche chromosomale Mutationen verursachen sie MHK-Werte, die ebenfalls im Low-Level-Bereich, definiert nach BAGEL et al. (1999), zu finden sind (JACOBY 2005; ROBICSEK et al.

2006a). Somit liegen im Zeitraum der ersten drei Wochen bei allen drei Tiergruppen aller Wahrscheinlichkeit nach Einzelmutationen in der Gyrase-A-Untereinheit vor.

Bei der Gruppe, die 10% der therapeutischen Dosis zur Simulation einer Verschleppung erhielt, ist davon auszugehen, dass zuerst Einzelmutationen in GyrA vorlagen, da hohe klinische Resistenzen oder High-Level-Resistenzen, die an Tag 22 mit Abschluss des Verschleppungsszenarios zum ersten Mal detektiert werden konnten, aufgrund mehrfacher Mutationen in GyrA und/oder in ParC entstehen.

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DEGUCHI et al. (1997) geben an, dass je resistenter ein klinisches Isolat ist, desto mehr Mutationen auf chromosomaler Ebene sind enthalten.

Dementsprechend ist davon auszugehen, dass in der ersten Zeit unter subtherapeutischen Enrofloxacinkonzentrationen in den jeweiligen Keimen Einzelmutationen in GyrA erschienen, auf die in den Bakterien, in denen an Tag 22 eine High-Level-Resistenz detektiert wurde, entweder weitere Mutationen in GyrA und ParC oder nur in ParC folgten.

Untersuchungen von LI et al. (2007) bestätigten die hier geäußerten Überlegungen.

Sie untersuchten die MHK-Werte für Enrofloxacin von 15 E. coli-Isolaten von Hühnern aus unterschiedlichen Betrieben und führten in Folge dessen eine DNA-Sequenzierung von gyrA (kodiert für Gyrase-A-Untereinheit) und parC (kodiert für Topoisomerase IV-C-Untereinheit) durch. E. coli-Isolate mit MHKs zwischen 0,125 und 1,0 µg/ml verfügten über jeweils eine Mutation in GyrA, ein Isolat mit MHK = 2 µg/ml und mehrere mit Werten > 4 µg/ml verfügten über ein oder zwei Mutationen in GyrA und/oder einer Mutation in ParC. Es stellt sich nun die Frage, wie diese Formen der Resistenz entstanden. Unterhalb ihrer jeweiligen MHK können sich Wildtypen neben mutierten Bakterien entwickeln. Bei diesen sogenannten subinhibitorischen Konzentrationen steigt laut ZHAO u. DRLICA (2001) die Anzahl der spontanen Mutationen. Erhöhen sich die Antibiotikakonzentrationen soweit, dass sie über der MHK jedoch unter der MPC (Mutant Prevention Concentration) liegen, haben mutierte Bakterien mit First-Step-Mutationen einen Vorteil und können sich vermehren. Schaut man sich die Verteilungen der MHK-Werte unter Anwendung des Prinzips des Mutant Selection Windows und der MPC der beiden Verschleppungsgruppen an (siehe Tabellen 1-3 und 1-4), kann man diese Aussagen in ihrem Verlauf wiedererkennen. An Tag sechs liegen bei beiden Gruppen Wildtypen neben E. colis mit Low-Level-Resistenzen oder First-Step-Mutationen vor (Tabelle 5-3, Tabelle 5-4).

Im weiteren Verlauf wird auf die Bakterien mit Low-Level-Resistenzen selektiert, die Konzentration von Enrofloxacin muss demnach mitten im Mutant Selection Window liegen, also angestiegen sein, und kann die MPC nicht erreicht haben. Wäre dies der Fall gewesen, hätten keine E. coli mehr detektierbar sein dürfen.

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93 Die Gruppe, die analog die 10%ige Verschleppungsdosis erhielt, verhielt sich ähnlich. An Tag sechs liegen Wildtyp und Bakterien mit reduzierter Sensibilität nebeneinander vor, das Verhältnis der Anteile zueinander entspricht nahezu dem der zuvor beschriebenen Tiere (3 % Verschleppungsdosis) (Tabelle 5-4). Auch hier scheinen die Antibiotikakonzentrationen knapp unter dem MHK oder epidemiologischen Cut-Off gelegen zu haben. Zwischen Tag 6 und 22 erfolgte ein Selektionsschritt, die Wildtypen konnten nicht mehr nachgewiesen werden, das Verhältnis hat sich zugunsten der Low-Level-Resistenzen verschoben. Dies deutet darauf hin, dass sich die Antibiotikakonzentrationen in den Bereich des Mutant Selection Windows verschoben haben. Zudem konnten erstmalig E. coli mit High-Level-Resistenzen detektiert werden.

Da es sich bei E. coli um einen gram-negativen Keim handelt, stellt das primäre Ziel der Fluorchinolone die Gyrase dar (HOOPER 2001). Dementsprechend wird, wie zuvor beschrieben, als erstes auf Mutationen im Bereich der A-Untereinheit dieses Enzyms selektiert. Erst bei höheren Konzentrationen wird die Topoisomerase IV angegriffen, sodass erst dann auf Mutationen in diesem Enzym selektiert wird (ZHAO u. DRLICA 2001). Das heißt für die vorliegenden Ergebnisse, dass die E. coli ansteigenden Antibiotikamengen ausgesetzt waren. Dies wäre möglich, da den Versuchsprotokollen zu entnehmen ist, dass aufgrund erhöhter Umgebungstemperaturen zwischen den Probenentnahmetagen 6 und 22 über einen Zeitraum von sieben Tagen eine erhöhte Tränkwasseraufnahme statt fand und damit eine erhöhte Aufnahme von Enrofloxacin verbunden war.

Nun stellt sich die Frage, in welchem Maß die E. coli der Darmflora den Antibiotika ausgesetzt wurden. Enrofloxacin wird aus dem Duodenum und Jejunum absorbiert.

SEIDAVI et al. (2010) konnten bei der Untersuchung der Darmabschnitte von Broilern unterschiedlicher Altersstufen auf die Anwesenheit von E. coli zeigen, dass das Duodenum in jedem Alter frei von E. coli-Stämmen ist. Im Jejunum konnten sie detektiert werden, allerdings in geringerer Anzahl als in übrigen Abschnitten.

Über die Exkretion von Enrofloxacin bei Geflügel sind in der Literatur keine Daten zu finden. Ohne Untersuchungen der einzelnen Darmabschnitte unter einer Medikation, können demnach keine Aussagen über die genauen Konzentrationen von

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Enrofloxacin und seinem Metaboliten Ciprofloxacin sowie der darauf basierenden Exposition der E.coli-Bakterien getätigt werden.

Im Anschluss an beide Verschleppungsszenarien erfolgte eine fünftägige therapeutische Behandlung der Tiere mit 10 mg Enrofloxacin/kg KG.

Bei der Gruppe, die zuvor 3% der therapeutischen Dosis erhielt, konnten insgesamt nur 40 Kolonien detektiert werden, davon lagen 39 im Bereich der Low-Level-Resistenzen. Eine Kolonie wies eine MHK von 3 µg/ml auf, befand sich also im Bereich zwischen Low-Level- und High-Level-Resistenz. Da über die Anreicherung des Kloakentupfers aber keinerlei E. coli im Bereich ≥ 2 µg/ml (klinischer Breakpoint) bestätigt werden konnten, wird diese Kolonie nicht zu den resistenten E. coli gerechnet.

Die benötigte Mutant Prevention Concentration der vorliegenden Kolonien scheint höher zu liegen als die Konzentration von Enrofloxacin in der Umgebung der E. coli, die durch die Tränkwasserbehandlung erreicht werden konnte. Somit konnte keine Inhibition dieser First-Step-Mutanten erreicht werden. Diesen wurde im Gegensatz ein Selektionsvorteil verschafft.

Die jeweilige MHK ist in Bezug auf die MPC wenig aussagekräftig; DRLICA et al.

(2006) stellten nur eine geringe Korrelation zwischen MHK und MPC fest, was durch die Studie von LI et al. (2007) noch einmal bestätigt werden konnte. Dies bedeutet, dass zu einem niedrigen MHK-Wert eines Isolats ein hoher MPC-Wert gehören kann und anders herum.

Nach Abschluss der therapeutischen Behandlung der Tiere, die zuvor die 10%ige Verschleppungsdosis erhalten haben, konnten 60 Kolonien isoliert und untersucht werden, die alle High-Level-Resistenzen trugen. Sie wurden durch die therapeutische Behandlung heraus selektiert, da ihre MHK-Werte (≥ 32 µg/ml) weit über dem erreichbaren Cmax lagen.

Die Selektion auf schon vorliegende Resistenzen wird in einer Studie über die therapeutische Behandlung von Geflügel mittels Enrofloxacin von MIRANDA et al.

(2008) bestätigt.

Aufgrund der noch ausreichend vorherrschenden Enrofloxacinkonzentrationen im Körper der Tiere, konnten bei der nach therapeutischem Standard behandelten

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95 Gruppe direkt nach Abschluss der Behandlung (Tag sechs) keinerlei Bakterien isoliert werden. Die am Tag darauf von vier Tieren isolierten sieben Kolonien zeigten Low-Level-Resistenzen. Ob die Bakterien in geringer Zahl noch im Körper vorhanden waren und zuvor nicht detektiert werden konnten oder ob sie aus der Umgebung wieder aufgenommen wurden und dann den sinkenden Antibiotikakonzentrationen ausgesetzt wurden, kann nicht nachvollzogen werden.

Zwei Wochen später hatte sich die Darmflora wieder erholt, hier lagen überwiegend

„Low-Level-Resistenzen“ vor, aber auch Wildtypen konnten detektiert werden. Über das Zustandekommen der Darmflora können nur Mutmaßungen getroffen werden.

Wie in der Wirtschaftsgeflügelmast lebten die Hühner in ihrem eigenen Ökosystem in Bodenhaltung. Das heißt, der über die Zeit ausgeschiedene Kot sammelte sich an und sie konnten jederzeit ausgeschiedene Bakterien oder Medikationsreste wieder aufnehmen. Demnach verwundert es nicht, dass sich nach der bakteriziden Wirkung von Enrofloxacin, nach bzw. unter dessen Behandlung keine E. coli detektierbar waren, wieder eine Darmflora angesiedelt hat, die sich unter anderem aus Wildtypen und Low-Level-Resistenzen-tragenden E.coli zusammensetzte. Die veränderten Bakterien können von den zuerst detektierten veränderten E. coli abstammen oder wieder neu aufgenommen worden sein. Wieder im Darm angekommen, stellt sich die Frage, in welchen Ausmaßen das von der therapeutischen Behandlung wieder ausgeschiedene Enro- und Ciprofloxacin wieder aufgenommen wird und welchen Einfluss diese Stoffe auf die Resistenzentwicklung der physiologischen Darmflora haben. Schaut man sich die Gruppe mit der 3%igen Verschleppungsdosis an, sieht man, dass deren Darmflora durch die subtherapeutischen Konzentrationen zwar nicht auf klinische Resistenzen, dafür aber auf Low-Level-Resistenzen selektiert wurde. Im Rahmen der zuvor durchgeführten Untersuchungen auf Antibiotikarückstände im Staub nach einer fünftägigen therapeutischen Tränkwassermedikation konnten Enro- und Ciprofloxacin detektiert werden. Elliot et al. (1994), KIETZMANN et al. (1995) und ZESSEL (2012) wiesen in Studien an unbehandelten Schweinen Antibiotikarückstände in Plasma und Urin der Tiere nach, nachdem diese in einem Stall untergebracht wurden, indem zuvor eine therapeutische Behandlung mit Sulfonamiden stattgefunden hat und der nur trocken

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gereinigt wurde. Es ist davon auszugehen, dass die Hühner in diesem Versuch ebenfalls die Antibiotikarückstände wieder aufnehmen konnten, sodass die Darmbakterien über eine längere Zeitdauer hätten exponiert sein können.

Im Hinblick auf das „Nachwachsen“ sensibler Wildtypen gibt es noch eine weitere Möglichkeit zu bedenken, die in der Literatur vor allem im Rahmen chronischer Infektionen diskutiert wird: Die Generierung persistierender Bakterienzellen durch die subinhibitorischen Verschleppungskonzentrationen oder die therapeutische Behandlung mit Enrofloxacin.

Fluorchinolone wirken bakterizid, trotzdem sind sie nicht fähig, eine Bakterienkultur komplett abzutöten. Es konnte mehrfach nachgewiesen werden, dass ein geringer Anteil der Bakterien überlebt, ohne Mutationen entwickelt zu haben (KEREN et al.

2004; DÖRR et al. 2009). Diese Bakterienzellen werden Persisters, also persistierende Zellen, genannt, sie treten vor allem zwischen Ende der exponentiellen Wachstumsphase und der stationären Phase der Bakterienkultur auf (KEREN et al. 2004). Dies hängt damit zusammen, dass Fluorchinolone die Gyrase und Topoisomerase IV inhibieren und damit die Replikation, Transkription, Rekombination und Zellteilung stören bzw. abbrechen. Diese Enzyme sind in der exponentiellen Wachstumsphase mit erhöhter Anzahl von Zellteilungen besonders aktiv (SCHNEIDER et al. 1999), sodass ihre aktive Anzahl in der Zelle stark erhöht ist und bei ihrer Exposition durch Fluorchinolone viele Doppelstrangbrüche auftreten, die in einer hohen Anzahl letal wirken können. Zu Beginn der stationären Phase befinden sich nicht alle Zellen am gleichen Punkt ihrer Entwicklung, die Bakterien sind heterogen (DÖRR et al. 2009). Laut DÖRR et al. (2009) handelt es sich bei Persisters um Zellen, die aufgrund ihres Zustands nur wenige Doppelstrangbrüche erlitten, wodurch das SOS-Regulon geringfügig induziert wurde. Dies wiederum konnte die Zellen aufgrund weiterer mit der SOS-Antwort induzierten Reaktionen in einen „toleranten“ Zustand versetzen.

Die Darmflora der Gruppe, deren Bakterien durch die Simulation der 10%igen Verschleppungen vorbelastet wurde, erholte sich ebenfalls wieder. Nach 20 Wochen wurden über das quantitative Nachweisverfahren bis auf eine klinisch resistente Kolonie nur noch Wildtypen detektiert. Nach Anreicherung der Kloakentupfer konnten

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97 allerdings bei jedem Huhn der Gruppe klinisch resistente Isolate nachgewiesen werden. Es scheint, als hätten sie keinen Selektionsvorteil mehr und würden von den sensiblen Darmbakterien überwuchert werden. Trotzdem bleiben sie nachweisbar.

SCHRAG et al. (1997) zeigten, dass sich reverse Mutanten, also resistente Bakterien die sich durch verschiedene genetische Vorgänge wieder dem sensiblen Wildtyp annähern wenn keine Exposition durch Antibiotika erfolgt, dem resistenten Keim gegenüber im Nachteil befinden. Somit verbleiben resistente Bakterien in der Darmflora.

Man darf nicht außer Acht lassen, dass schon vor Beginn der therapeutischen Behandlung der Hennen nach dem 10%igen Verschleppungsszenario ebenfalls nur sehr wenige klinisch resistente Kolonien detektiert werden konnten und sie sich durch die Medikation und Selektion explosionsartig vermehrt haben. Das bedeutet, dass die Darmflora im Hinblick auf E. coli zu einem ähnlichen Zustand zurück gefunden hat.

Diese Konstitution der E. coli kann man auf den derzeitigen Status quo vieler Wirtschaftsgeflügelbestände übertragen, deren klinisch gesunde und häufig unbehandelte Tiere Antibiotikaresistenzen im klinischen Bereich unter anderem gegen Fluorchinolone aufweisen (SMITH et al. 2007). Im Fall einer Bestandserkrankung und einer therapeutischen Anwendung von Fluorchinolonen werden diese wieder heraus selektiert.

Da es sich jedoch um nicht pathogene Keime handelt, stellt sich die Frage welche Auswirkung dies hat. Dazu wäre die Evaluierung der Ursache der jeweiligen Resistenz von Nöten. Bei Fluorchinolonen wurde mehrfach nachgewiesen, dass chromosomale Mutationen häufig vorkommen, diese werden aber nicht horizontal sondern vertikal weitergegeben. Es handelt sich also nicht um eine rapide Weitergabe von Plasmiden an andere Bakterienstämme, sondern um eine Weitergabe an Tochterzellen.

Handelt es sich bei den Resistenzen aber um Veränderungen plasmidvermittelten Ursprungs, können diese auch an andere Bakterien weitergegeben werden und ihre Träger-E. coli als Reservoir dienen (LOOFT et al. 2012). Dann wiederum gilt zu bedenken, dass Plasmide allein, ohne Kombination mit chromosomal vermittelten

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Resistenzen lediglich Veränderungen auf Low-Level-Ebene hervorrufen (MARTINEZ-MARTINEZ et al. 1998). Das heißt, es hängt zusätzlich vom jeweiligen Empfängerkeim ab, der nicht notwendigerweise im Mastbetrieb generiert, sondern auch von außen eingetragen worden sein kann.

Erkranken Tiere eines Bestandes, steht man gegenwärtig vor mehreren Problemen.

Viele Tiere aus der Geflügelmast beherbergen schon bei Einstallung Resistenzen gegen mehrere Antibiotika gleichzeitig.

Eine Mono-Therapie mit einem bakteriziden Antibiotikum innerhalb des Mutant Selection Windows kann zu Resistenzen führen (ZHAO u. DRLICA 2001). Eine mehrfache Anwendung innerhalb des Fensters führt zu einer graduellen Anreicherung von Mutationen in der Population (ZHAO u. DRLICA 2001).

Gleichzeitig ist eine Dosierung zum Erreichen der Mutant Prevention Concentration

Gleichzeitig ist eine Dosierung zum Erreichen der Mutant Prevention Concentration