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1   Einleitung

1.1  Einleitung und Motivation der Arbeit

Die große Herausforderung der heutigen Zeit ist es, eine umweltfreundliche und sichere Energieversorgung zu schaffen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Photovoltaik, die es ermöglicht, die täglich verfügbare Sonnenenergie in elektrische Energie umzuwandeln. Die höchsten Wirkungsgrade von über 44 % [1] werden derzeit mit Mehrfachsolarzellen aus III‐V‐Verbindungshalbleitern erzielt. Diese hocheffizienten Solarzellen bestehen aus mehreren übereinander gestapelten Teilzellen, die jeweils einen anderen Spektralbereich des Sonnenlichts absorbieren und durch Tunneldioden miteinander in Serie geschaltet sind.

Mehrfachsolarzellen können deshalb im Vergleich zu konventionellen Silicium‐Solarzellen einen größeren Teil des Sonnenspektrums in elektrischen Strom umwandeln. Aufgrund hoher Materialkosten werden die Mehrfachsolarzellen heutzutage nur in Konzentrator‐

modulen eingesetzt, in denen das Sonnenlicht mit bis zu 1000‐facher Konzentration auf einen kleinen Solarzellenchip fokussiert wird [2]. In der Industrie haben sich Ga0.50In0.50P/Ga0.99In0.01As/Ge–Mehrfachsolarzellen etabliert, die üblicherweise gitterangepasst mittels Metallorganischer Gasphasenepitaxie (englisch: metal organic vapour phase epitaxy, MOVPE) [3] auf Germaniumsubstraten abgeschieden werden. Der Rekordwirkungsgrad für diese Dreifachsolarzellen liegt bei 41.6 % unter 364‐facher Sonnenkonzentration [1, 4]. Eine Übersicht zu den aktuellen Entwicklungen im Bereich der Mehrfachsolarzellen ist in Referenz [2] gegeben.

Ziel dieser Dissertation war es, eine GaAs‐basierte Mehrfachsolarzelle zu entwickeln, bei der die Germanium‐Unterzelle (und Substrat) durch eine Silicium‐Solarzelle (und Substrat) ersetzt wird. Die wesentlichen Vorteile von Silicium sind die geringeren Materialkosten und bessere Verfügbarkeit. Nach Abschätzungen von D’Souza et al. [5] könnte der Wechsel zu den günstigeren Siliciumsubstraten mit Durchmessern von 20 cm die Kosten für Mehrfachsolarzellen um bis zu 70 % senken. Germanium hingegen, das meist aus Flugstäuben der Zinkgewinnung produziert wird [6] und an 43. Stelle der Elementhäufigkeit

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der Erde steht, wurde im Jahre 2010 von der Europäischen Kommission „Unternehmen und Industrie“ auf die Liste der kritischen Rohstoffe gesetzt [7]. Gründe hierfür sind die zu erwartende steigende Nachfrage und die Abhängigkeit der EU von Importen aus China als Hauptproduzenten [7]. Im Vergleich ist Silicium, das aus Siliciumdioxid gewonnen wird und das zweithäufigste Element in der Erdkruste ist [6], sehr gut verfügbar.

Für die Anwendung in der Dreifachsolarzelle ist Silicium auch durch seine physikalischen Eigenschaften äußerst attraktiv. In der herkömmlichen Ga0.50In0.50P/Ga0.99In0.01As/Ge–

Dreifachsolarzelle generiert die Unterzelle aus Germanium mit einer Bandlückenenergie von 0.66 eV [8] mehr Photostrom als die oberen Teilzellen [9]. Dieser Überschussstrom kann aufgrund der Serienverschaltung der Teilzellen nicht genutzt werden. Die Verwendung einer Silicium‐Unterzelle mit höherer Bandlückenenergie von 1.12 eV [8] kann die Stromanpassung der Teilzellen verbessern und die produzierte Spannung der Mehrfachsolarzelle erhöhen.

Abbildung 1‐1 zeigt den theoretischen Wirkungsgrad einer Dreifachsolarzelle mit Si‐

Unterzelle in Abhängigkeit der Bandlückenenergien von Mittel‐ und Oberzelle unter 500‐

facher Sonnenkonzentration (Spektrum AM1.5d, ASTM G173‐03 [10]). Die Werte wurden von Dr. Simon Philipps mit Hilfe des Programms „EtaOpt” [11] berechnet, welches auf dem Modell des detaillierten Gleichgewichts basiert [12, 13]. Der maximale Wirkungsgrad von 55.6 % kann von einer Dreifachsolarzelle mit der Bandlückenkombination von 1.96 eV, 1.48 eV und 1.12 eV erzielt werden. In dieser Arbeit wird eine Dreifachsolarzelle aus Ga0.51In0.49P, GaAs und Si mit Bandlückenenergien von 1.88 eV, 1.42 eV und 1.12 eV angestrebt. Wie in Abbildung 1‐1 gezeigt, erzielt diese Bandlückenkombination einen theoretischen Wirkungsgrad von 53.7 %.

Abbildung 1‐1: Simulation des theoretischen Wirkungsgrades von Dreifachsolarzellen mit Si‐Unterzelle bei 500‐facher Sonnenkonzentration (AM1.5d, ASTM G173‐03 [10], 1000 W/m²). Der maximale Wirkungsgrad von 55.6 % wird für Bandlückenenergien von 1.96 eV, 1.48 eV und 1.12 eV erreicht.

Gekennzeichnet ist die in dieser Arbeit realisierte Ga0.51In0.49P/GaAs/Si‐Mehrfachsolarzelle mit Bandlückenenergien von 1.88 eV, 1.42 eV und 1.12 eV und ɳ=53.7 %. (Simulation durchgeführt von Dr. Simon Philipps, Fraunhofer ISE, mittels EtaOpt [11]).

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Einleitung und Motivation der Arbeit 3 Im Vergleich dazu besitzt die etablierte Ga0.50In0.50P/Ga0.99In0.01As/Ge–Dreifachsolarzelle einen kleineren theoretischen Wirkungsgrad von 53.0 %1.

Die großen Herausforderungen in der Herstellung von GaAs basierten Solarzellen auf Silicium liegen in den unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten (Si=2.6 × 10‐6 K‐1, GaAs=5.7 × 10‐6 K‐1 [8]) und Gitterkonstanten (aSi=0.543 nm, aGaAs=0.565 nm [8]) von Silicium und GaAs. Das direkte Wachstum einer GaInP/GaAs‐

Solarzelle auf Silicium mittels MOVPE bei Temperaturen von 550 °C bis 700 °C führt zur Bildung von Versetzungen und Antiphasengrenzen im GaAs [14, 15], die die Lebensdauer von Minoritätsladungsträgern reduzieren [14] und dadurch die Effizienz der Solarzelle senken. Um die Bildung von unerwünschten Kristalldefekten zu verhindern bzw. ihre Anzahl zu reduzieren, werden beim Wachstum von GaAs auf Silicium häufig metamorphe Pufferstrukturen (z. Bsp. aus SiGe [16‐18] oder Ga1‐xInxP [19]) verwendet, bei denen die Gitterkonstante schrittweise von aSi=0.543 nm auf aGaAs=0.565 nm vergrößert wird [20].

Dennoch enthalten die so abgeschiedenen III‐V‐Halbleiterschichten noch zu viele Defekte um hocheffiziente Mehrfachsolarzellen auf Si zu realisieren. Ga0.51In0.49P/GaAs‐

Zweifachsolarzellen, die auf Si‐Substraten abgeschieden wurden, erzielten bisher nur Wirkungsgrade von 16.8 % [17] bzw. 16.4 % [21] unter einfacher Sonnenkonzentration (terrestrisches Sonnenspektrum AM1.5g). Mit GaInP/GaAs‐Tandemsolarzellen, die gitterangepasst auf GaAs‐Substraten abgeschieden wurden, konnten deutlich höhere Wirkungsgrade von bis zu 30.3 % (AM1.5g, einfache Sonnenkonzentration) realisiert werden [22, 23]. Die beste monolithische III‐V/Si‐Mehrfachsolarzelle, die Teilzellen aus Si und Al0.1Ga0.9As besitzt, erreichte unter dem extraterrestrischen Sonnenspektrum AM0 einen Wirkungsgrad von 21.3 % und wurde vor 15 Jahren von Umeno et al. hergestellt [24].

Um die Schwierigkeiten, die beim epitaktischen Wachstum von GaAs auf Silicium entstehen, zu umgehen, wurde in dieser Dissertation ein neuer Herstellungsprozess untersucht, der in Abbildung 1‐2 skizziert ist. Zunächst werden GaInP/GaAs‐Zweifachsolarzellen invertiert, mittels MOVPE auf GaAs‐Substraten abgeschieden. Durch das gitterangepasste Wachstum entstehen nur sehr wenige Defekte in den III‐V Halbleitern. Danach werden die GaInP/GaAs‐

Zweifachsolarzellen mittels direktem Wafer‐Bonding mit einer separat hergestellten Silicium‐Unterzelle verbunden. Unter Wafer‐Bonding versteht man im Allgemeinen einen Prozess, bei dem zwei Oberflächen ohne Verwendung von Klebstoff dauerhaft eine Bindung eingehen [25] (siehe Abschnitt 2.1). Da der Prozess bei Raumtemperatur stattfinden kann, werden thermische Spannungen, die durch die unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Si und GaAs entstehen, vermieden. Nach dem erfolgreichen Wafer‐Bonding wird das GaAs Wachstumssubstrat durch einen geeigneten Lift‐off Prozess entfernt und kann für die Epitaxie der nächsten III‐V‐Solarzellen weiter verwendet werden.

Schließlich wird der GaInP/GaAs/Si‐Halbleiterstapel wie eine konventionelle Mehrfachsolarzelle prozessiert und mit Metallkontakten auf der Vorderseite sowie einer Antireflexbeschichtung versehen. Die Herausforderung dieses Herstellungsprozesses liegt in der Realisierung einer mechanisch stabilen Verbindung zwischen Si und GaAs, die optisch

1 Berechnet von Dr. Simon Philipps (Fraunhofer ISE) unter 500‐facher Sonnenkonzentration (AM1.5d, ASTM G173‐03, 1000 W/m²) mittels EtaOpt [11].

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transparent und gleichzeitig elektrisch leitfähig ist. Deshalb stellt die Entwicklung des Wafer‐

Bonds einen Schwerpunkt dieser Dissertation dar.

Abbildung 1‐2: Schema des in dieser Dissertation verwendeten Herstellungsprozesses der GaInP/GaAs/Si‐

Dreifachsolarzelle. Zunächst wird eine GaInP/GaAs‐Zweifachsolarzelle invertiert, mittels MOVPE auf einem GaAs‐Substrat abgeschieden. Danach wird die GaInP/GaAs‐Zweifachsolarzelle mit einer Si‐Solarzelle durch direktes Wafer‐Bonding verbunden. Nach dem Ablösen (Lift‐off) des GaAs‐Substrats wird die GaInP/GaAs/Si‐Dreifachsolarzelle wie gewöhnliche Mehrfachsolarzellen prozessiert.

1.2 Herstellung von Mehrfachsolarzellen mittels