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7 Ergebnisse der Analyse der Aufwachsbedingungen und der Freizeitgestal- Freizeitgestal-tung von Kindern und Jugendlichen

7.2 Überblick über empirische Ergebnisse zentraler Lebenslagendimensionen von Kindern und Jugendlichen

7.2.1 Einkommen/materielle Lage Haushaltseinkommen

Für die Sozialstrukturanalyse ist die ökonomische Lage eines Haushalts eines der zentralen Merkmale, welches die Lebenslage der Haushaltsmitglieder mitbedingt (vgl.: Bourdieu 2006: 358). Ökonomisch be-nachteiligte Lebenslagen, wie beispielsweise Armutslagen, haben vielfältige negative Auswirkungen auf die Gesundheit, können zu sozialer Isolation führen und gehen oft einher mit einem belasteten Wohnum-feld (vgl. Dubach et al. 2010). Als zentrale strukturelle Armutsrisiken lassen sich auch für die Stadt Basel Einelternfamilien und Migrationshintergrund nachweisen. Alleinerziehende haben ein deutlich höheres Armutsrisiko: In der Stadt Basel lebt ein Fünftel aller Alleinerziehender in Armut; diese Prozentzahl ist etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Basler Bevölkerung (vgl. ebd.: 60). Bei Paaren mit Kindern steigt das Armutsrisiko bei drei oder mehr Kindern deutlich an und liegt bei einem Zehntel. 24% aller Armutsbetroffenen in der Stadt Basel sind unter 18 Jahre alt (vgl. ebd.: 62). Die Armutsquote liegt bei ausländischen als auch bei binationalen Haushalten deutlich höher als bei Schweizer Haushalten (vgl.

ebd.: 63).

In der Sekundäranalyse der Familienbefragung 2009 der Stadt Basel wurde das Haushalts-Netto-Einkommen über eine Skala mit sieben Ausprägungen erhoben (vgl. Tabelle 7). Tiefe Haushalts-Netto- Einkommensseg-mente (unter 3000 Fr.) machen ca. 8%, Einkommen von über 15'000 Fr. 5,5% der Stichprobe aus.8

7 Die Stichprobe umfasst 2642 Fälle. Die Stichprobe ist über die Quartiere nicht gleich verteilt. Insbesondere die Zellbesetzungen der Quartiere Altstadt Gross- und Kleinbasel sind für statistische Auswertungen als gering zu bezeichnen und die entsprechenden Ergebnisse deshalb mit Vorsicht zu beurteilen. Die Stichprobe verteilte sich nach Quartier folgendermassen: Altstadt Grossbasel: Häufigkeit (fk) 18, .7%; Vorstädte: H: 34, 1.3%; Am Ring: fk: 152, 5.8%; Breite: fk: 145. 5.5%; St. Alban: fk: 173, 6.5%; Gundeldingen: fk: 262, 9.9%; Bruderholz: fk: 198, 7.5%; Bachletten: fk: 301, 11.4%; Gotthelf: fk: 119, 4.5%; Iselin: fk: 239, 9.0%; St. Johann: fk: 268, 10.1%; Altstadt Kleinbasel: fk: 22, .8%; Clara: fk: 31, 1.2%; Wettstein: fk: 95, 3.6%;

Hirzbrunnen: fk: 171, 6.5%; Rosental: fk: 65, 2.5%; Matthäus: fk: 202, 7.6%; Klybeck: fk: 108, 4.1%; Kleinhüningen: fk: 39, 1.5%; Total fk: 2642, 100.0%

Tabelle 7: Verteilung des Haushalts-Nettoeinkommens der Familienhaushalte. Daten aus Familienbefragung (2009) Haushalts-Nettoeinkommens Anzahl Prozent

bis 2999 Fr. 185 8

zwischen 3000 und 4999 Fr. 569 24.7

zwischen 5000 und 7499 Fr. 659 28.6

zwischen 7500 und 9999 Fr. 460 19.9

zwischen 10000 und 14999 Fr. 306 13.3

mehr als 15000 Fr. 128 5.5

Total 2307 100.0

Eine quartiersbezogene Auswertung des Haushaltseinkommens von in der Stadt Basel lebenden Familien ist aufgrund der Familienbefragung 2009 möglich: Die linke Karte in Abbildung 35 zeigt die räumliche Verteilung der klassifizierten Netto-Haushalts-Einkommen (inkl. Alimente) der Familienhaushalte in Ba-sel. Auffallend sind die durchschnittlich deutlich tieferen Netto-Haushalts-Einkommen in Quartieren Kleinbasels wie Rosental, Matthäus, Klybeck und Kleinhünigen. In Grossbasel fällt nur das Iselin Quartier in diese Kategorie.9 Die rechte Kartendarstellung in Abbildung 35 basiert auf der Berechnung des Netto-Äquivalenz-Einkommens nach der OECD-Äquivalenzskala. Hierbei wird die Haushaltsgrösse für die Abbil-dung des verfügbaren Haushalts-Netto-Einkommens berücksichtigt.10 Das Netto-Äquivalenz-Einkommen bildet daher Ungleichheiten des verfügbaren Haushalts-Einkommens insbesondere auch für Familien-haushalte besser ab, als die Haushaltsgrössen unabhängige Berücksichtigung des Netto-Einkommens.

Dabei können allerdings ähnlich räumlich verteilte monetäre Ungleichheiten zwischen Familien in der Stadt Basel wie bei Berücksichtigung des Haushalts-Netto-Einkommens festgestellt werden. Insbesondere die Quartiere Rosental, Klybeck und Kleinhünigen kennzeichnen sich durch die tiefsten Äquivalenz-Einkommen in der Stadt Basel aus. Ausgehend vom verfügbaren Äquivalenz-Äquivalenz-Einkommen ist es möglich, Haushalte zu identifizieren, die sich mit weniger als 60% des Medianeinkommens in einer Armutslage befinden. Die Berechnung des Armutskoeffizienten unterliegt in vorliegender Untersuchung allerdings der Problematik, dass das Haushalts-Netto-Einkommen in der Familienbefragung 2009 nur ordinal (7-er Ska-la) erfragt worden ist und damit das Medianeinkommen nicht differenziert beschrieben werden kann. Aus diesem Grund wird auf die Identifikation einer Armutspopulation in den Quartieren Basels an dieser Stelle verzichtet. Es ist allerdings unzweifelhaft, dass insbesondere in jenen Quartieren mit dem tiefsten Netto-Äquivalenz-Einkommen auch der grösste Anteil der Armutshaushalte anzutreffen ist.

8 Die in der Familienbefragung unterschiedene Einkommensklasse derjenigen Haushalte, die unter 1000 Fr. Netto-Einkommen angeben, wurden für vorliegende Analysen mit der Einkommensklasse 1000-2999 Fr. zusammengelegt. Es erscheint fraglich, dass eine Familie über weniger als 1000 Fr. Haushalts-Gesamtnettoeinkommen verfügt, weshalb zu vermuten ist, dass die Befragten dieser Gruppe (n=30) die Frage falsch ver-standen haben.

9 Die Klassifikation der Daten zur farblichen Darstellung auf quartiersbezogenen Karten erfolgt mit der Jenks-Methode. Dieser Algorithmus beruht auf einer Clusteranalyse der Werteverteilung und hebt entsprechend Unterschiede innerhalb der Werteverteilung stärker hervor, als bspw. eine paritätische Perzentilteilung. Im Sinne der explorativen Anlage insbesondere der Interpretation von Kartendarstellungen wurde diese Methode einer paritätischen Teilung vorgezogen (vgl. Cromley/Mrozinski 1997).

10 Eine erwachsene Person wird mit dem Faktor 1, jede weitere Person über 14 Jahren mit dem Faktor 0,5 und jede Person unter 14 Jahren mit dem Faktor 0,3 berücksichtigt. Das Netto-Äquivalenzeinkommen eines Haushalts berechnet sich als Bruch des Nettoeinkommens mit dem Fak-tor, der durch die Haushaltsgrösse ermittelt wurde (vgl. http://www.bfs.admin .ch/bfs/portal/de/index/themen/20/03/blank/key/02/06.html).

Abbildung 35: Durchschnittliches Netto-Haushaltseinkommen und Haushalts-Netto-Äquivalenzeinkommen nach Quartieren.

Eigene Darstellung, Daten aus Familienbefragung (2009) Taschengeld

Im Folgenden werden Daten zur Verteilung von Taschengeld aufgrund der Familienbefragung 2009 in Basel-Stadt dargestellt. Dieses ist für Freizeitaktivitäten und damit indirekt für die OKJA von Bedeutung, da das Verfügen über Geldmittel die Konsumoptionen bzw. den Aufenthalt in kommerziellen als auch nicht-kommerzialisierten Bereichen des öffentlichen Raums mitstrukturiert. Taschengeld als Sammelbe-griff für die Ausstattung von Heranwachsenden mit Geldmitteln ohne direkte Gegenleistung schliessen unterschiedliche Formen der alltäglichen Kostendeckung ein. So kann z.B. das Taschengeld die Abdeckung von kulturellen Bedürfnissen wie Kinobesuchen etc., aber auch von Grundbedürfnissen wie Verpflegung und Bekleidung sowie Verpflichtungen wie bspw. Anschaffung von Schulbüchern einschliessen.11 Da die Familienbefragung keine Aufschlüsselung der Zusammensetzung des Taschengelds hinsichtlich der Abde-ckung unterschiedlicher Bedürfnisse bzw. Verpflichtungen erlaubt, wurde für die Frage untersucht, ob ein Kind Taschengeld erhält oder nicht.

Die Auswertungen zeigen, dass mit steigendem Haushalts-Netto-Einkommen häufiger ein Taschengeld an über 6-jährige Kinder entrichtet wird (Spearman, r=-.101, p=.000). Die normalisierte12 Auswertung des Taschengeldbetrags ergibt, dass dieses stark von der Anzahl Kinder im Haushalt abhängt. Je mehr Kinder der Haushalt aufweist, desto geringer ist die Höhe des einem Kind ausbezahlten Taschengelds (Spearman, r=-.115, p=.012)13. Eine Betrachtung der Taschengeldhöhe nach Netto-Haushalts-Einkommen unter

Kon-11 Eine im Jahr 2008 in Basel-Stadt durchgeführte Studie zur finanziellen Situation von Heranwachsenden zeigt denn auch, dass die Höhe des Taschengeldes stark von den darin enthaltenen Kostenpositionen abhängt (vgl. Streuli et al. 2007: 64). Faktoren, die die Höhe des Taschengel-des beeinflussen, sind u.a.: Erwerbsstatus Taschengel-des KinTaschengel-des (Ferien- und Nebenjobs, Lehre, Anlehre), Einstellungen zu Gelderziehung bzw. Gelder-ziehungsverhalten der Eltern, Bildungshintergrund des Kindes und sozio-ökonomischer Status des Elternhauses (vgl. ebd.: 79f.).

12 Die Höhe des Taschengeldes variiert sozialräumlich (i.e. in einzelnen Quartieren) aufgrund unterschiedlicher demografischer Verteilungen des Alters von Heranwachsenden und wurde deshalb gegenüber dem Mittelwert der durchschnittlichen Taschengeldhöhe in den einzelnen Alters-klassen normalisiert.

13 In einem Haushalt mit einem Kind erhält dieses im Durchschnitt ca. 30% mehr Taschengeld, als ein Kind in einem mit zwei oder drei Kindern.

In einem Haushalt mit vier Kindern erhält ein Kind ca. 17% weniger Taschengeld als ein Kind in einem Haushalt mit zwei oder drei Kindern.

Durchschnittliches Netto-Äquivalenzeinkommen (nach OECD Skala) Durchschnittliches

Netto-Haushaltseinkommen, klassifiziert

1: -2999 Fr.

2: 3000- 4999 Fr.

3: 5000-7499 Fr.

4: 7500-9999 Fr.

5: 10000-14999 Fr.

6: >15000 Fr.

Haushalts-Netto-Äquivalenzeinkommen

trolle des Faktors Kinderanzahl ergibt vergleichbare, die Befunde zur Häufigkeit der Entrichtung des Ta-schengelds sogar akzentuierende Ergebnisse. Demgemäss ist anzunehmen, dass bei Vorliegen von prekä-ren ökonomischen Lagen Heranwachsende nicht nur öfter kein Taschengeld ausgerichtet wird, sondern auch die Taschengeldhöhe im Vergleich zu ökonomisch bessergestellten Haushalten tiefer ist.

Armut und ihre Folgen

Die Schweiz nimmt in der UNICEF-Studie "Child well-being in rich countries" (Adamson 2013) beim mate-riellen Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen (Armut, materielle Deprivation) Rang 9 von 29 ein.

Auch in der OECD-Studie „Doing better for children“ (OECD 2009) wird das materielle Wohlbefinden der Kinder in der Schweiz als gut eingeschätzt. Die Schweiz gibt kaufkraftbereinigt etwa 10% mehr für Kinder und Jugendliche aus als die OECD – Länder im Schnitt. Die Familieneinkommen sind die dritthöchsten in der OECD. Zudem gibt es in der Schweiz weit weniger Jugendliche als im OECD-Schnitt, denen die grund-legende Ausstattung zum Schulbesuch fehlt (ebd.). Trotzdem sind 9,4% der Kinder – also rund jedes zehn-te – in der Schweiz von relativer Armut14 betroffen. Eine Familie, die in der Schweiz unter der Armuts-grenze lebt, muss im Durchschnitt mit über 20% weniger Mitteln auskommen, als eine Familie, die knapp über der Armutsgrenze lebt (vgl. ebd.; Adamson 2013; OECD 2009). Armut ist ein zentrales Entwicklungs-risiko. So hat laut der AWO-ISS-Studie aus Deutschland (vgl. Laubstein 2012; Laubstein et al. 2010) Armut im Vorschulalter bei einem großen Teil der Kinder negative Folgen für die kindliche Lebenssituation, ins-besondere sinken die Zuwendung durch die Eltern und das Ausmaß gemeinsamer Aktivitäten. Insgesamt sind die negativen Auswirkungen auf Entwicklungsverlauf und Zukunftschancen umso grösser, je früher und je länger Kinder unter Armutsbedingungen aufwachsen. Mit steigendem Alter gehen die Lebenswel-ten von armen und nicht armen Kindern immer weiter auseinander. Beide Gruppen haben im Alltag kaum mehr etwas miteinander zu tun. Frühe Armut hat ausserdem eine erstaunliche Prognosekraft auf den späteren Schulerfolg. Armutsbetroffene Jugendliche erreichen am häufigsten nur ein niedriges Bildungs-niveau, haben im Verlauf ihrer Schulzeit häufiger und mehrfach Brüche, Umwege und Wiederholungen erlebt (vgl. Laubstein 2012; Laubstein et al. 2010).