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7. Strategien und Lösungsmechanismen

7.12. Einkaufsverbünde

Diese Form des Zusammenschlusses ist eines der wichtigsten Strategieelemente, um erfolgreich auf dem Chisokone-Markt zu handeln. Wenn der erste Schritt, der Wareneinkauf im Ausland, erfolgt ist, kann in weiteren Schritten der Wareneinkauf im Ausland optimiert werden. Hierzu zählt ein Einkaufsverbund. Allerdings kann einem solchen Verbund nicht einfach beigetreten oder ein solcher ins Leben gerufen werden.

Einkaufsverbünde entstehen durch lange Partnerschaften, Vertrauen und Zusammenarbeit. So sind die Einkaufsverbünde häufig Zusammenschlüsse von vier bis fünf, in Einzelfällen auch mehr Händlern, die in Kooperation den Wareneinkauf im Ausland gemeinsam organisieren. Die Entstehung und die Aufnahme in einen solchen Zirkel erfolgt aufgrund positiver Erfahrungen und guter Zusammenarbeit. Sehr überraschend trat zu Tage, dass die Kooperation nicht, wie es beispielsweise Egbert269 darstellt, überwiegend aufgrund ethnischer Zugehörigkeit erfolgt. Die Netzwerke der Händler des Chisokone-Marktes entstehen eher aus rational gesteuerten Motiven, die

269 Vgl. Egbert 2001

letztendlich am sinnvollsten erscheinen, da sie am effektivsten sind. Durch die soziale Kontrolle auf dem Chisokone-Markt und die persönlich enge Bekanntschaft mit weiteren Netzwerkmitgliedern ist Betrug kaum gegeben. Kein befragter Händler konnte sich an ein Ausscheren eines Einkaufsnetzwerkmitgliedes in jüngster Vergangenheit erinnern. Ein weiterer Vorteil dieser Netzwerke ist die Zeitersparnis. Sie erlaubt es Händlern, deutlich seltener persönlich eine Dienstreise anzutreten. Dies wiederum verringert die bereits beschriebenen Probleme, die bei einer Abwesenheit auftreten können. Ebenfalls reduzieren sich die Transportkosten, da größere Mengen für mehrere Händler erworben werden und weniger Reisekosten anfallen.

Um in ein solches informelles Netzwerk aufgenommen zu werden, müssen einige Grundbedingungen erfüllt sein. Wichtig ist zunächst, genügend Kapital zu besitzen, um Waren im größeren Stil einkaufen zu können. Je nach Warenart und Quantität der einzukaufenden Produkte variiert dieser Betrag. Mindestens jedoch ist ein Betrag von fünf Millionen ZMK (ca. 700 Euro) notwendig, wie bei den getätigten Interviews geäußert wurde. Für die überwiegende Anzahl der Händler auf dem Chisokone-Markt ist es nicht möglich, diese Summe aufzubringen. Entsprechend können sie nicht an derlei Netzwerken partizipieren. Darüber hinaus muss selbst die Bereitschaft bestehen ins Ausland zu reisen und für andere Händler Aufträge wunschgemäß zu erledigen.

Hierfür wiederum ist es notwendig, genügend Erfahrung im Umgang mit dem Wareneinkauf im Ausland aufzuweisen, damit der Wareneinkauf reibungslos verläuft.

In einigen Fällen reisen Händler zu zweit. Ein erfahrender Händler leitet einen Kollegen an und macht ihn mit den typischen Herausforderungen einer Auslandsgeschäftsreise, wie beispielsweise der Ablauf am Hafen von Daressalam oder der Grenzabwicklung an der Demokratischen Republik Kongo, bekannt.

Die Kooperation beziehungsweise ein Netzwerk ist häufig innerhalb einer Händlergruppe zu finden, die mit ähnlichen Artikeln handelt. So ist gewährleistet, dass Fehlkäufe die Ausnahme bleiben, da sich der entsandte Händler mit den Waren auskennt, die er einzukaufen beabsichtigt. Gleichwohl entscheiden sich einige Händler ganz bewusst, keinem Netzwerk beizutreten. Beispiele sind die genannte „Baby Boy Company“ oder auch die „Sports Investment Company“. Der Inhaber letzterer Firma, Augustine N., ist auf Sportartikel spezialisiert. Zwar können auf dem Chisokone-Markt quasi alle gängigen Trikots bekannter Fußballmannschaften, vor allem aus Spanien und England, erworben werden, nicht aber Trikots eher unbekannter Mannschaften. Diese

hat N. in seinem Portfolio und grenzt sich damit vom Sortiment anderer Händler ab. Er hat sich bewusst gegen ein Einkaufsnetzwerk entschieden, um flexibel auf Trends im Fußballsport reagieren zu können. Es werden nämlich genau die Trikots nachgefragt, deren Mannschaften erfolgreich sind. Gradmesser ist hierbei oftmals die Champions League und die Entwicklungen der englischen Premier League, sowie die Ausgänge größerer Fußballturniere. Entsprechend schnell muss N. reagieren und die aktuell nachgefragten Trikots herbei schaffen.270 Diesen Vorteil und besonders die geforderte Flexibilität kann nur schwer mit Hilfe eines Einkaufsnetzwerkes erreicht werden. Ferner würde so der Spezialisierungsvorteil wegfallen.

Die Einkaufsnetzwerke weisen ein Paradox auf: sie stellen eine Kooperation von Konkurrenten dar. Auf dem Chisokone-Markt erfolgt zwischen den Händlern, die in Verbünden organisiert sind, nur wenig Kooperation. Vielmehr versucht jeder, bestmöglich seine Ware zu veräußern und sich von anderen Händlern abzusetzen. Trotz allem bietet der gemeinsame Wareneinkauf Kostenvorteile, gegenüber denjenigen Händlern, die im Inland Ware beschaffen oder alleine reisen. Reckwitz bietet für diesen scheinbaren Widerspruch eine schlüssige Erklärung an. Wie im Theorieteil angeklungen ist, dient das Modell des Homo Oeconomicus nur bedingt als Erklärungsversuch der handelnden Akteure. Die Kooperation der Händler in einigen Bereichen zeigt, dass an dieser Stelle das bereits angesprochene Modell des Homo Sociologicus anwendbar ist.

Reckwitz271 veranschaulicht anhand des Mittel-Zweck-Modell von Parson, in wie weit Handelnde von Wünschen und Interessen angetrieben werden. Im Fall der beschriebenen Händler ist dies die Gewinnmaximierung. Um diese zu erreichen, müssen sie den „Filter der normativen, kollektiven Selektionsregeln, die aussortieren, welche Ziele geboten und welche nicht gestattet sind“ anwenden. Dabei müssen subjektive Neigungen dem kollektiven Selbstzwang unterworfen werden.272 Im vorliegenden Fall der Händler mit Netzwerkanschluss bedeutet dies, dass trotz einer kompetitiven Lage am Verkaufsort die Kooperation mit anderen Marktteilnehmern letztendlich vorteilhaft ist. Hierbei ist allerdings genau auszuloten, mit wem und wann Einkaufskooperationen eingegangen werden können und ob schlussendlich aus einer solchen Verbindung ein eigener Vorteil generiert werden kann. Aufgrund dessen entstehen nur wenige

270 Händler Augustine N. wurde im Frühjahr 2012 interviewt

271 Vgl. Reckwitz 2012, S. 127 – S. 128

272 Vgl. ebd. S. 127

Einkaufsnetzwerke, da deren Entstehung meistens langwierig ist und der Nutzen nicht in allen Fällen gegeben ist. Sind die kollektiven Selbstregeln zu hoch – als Beispiel könnte die Limitierung der Variationsmöglichkeiten der zu erwerbenden Artikel dienen – macht der Eintritt in einen Einkaufsverbund keinen Sinn. Zudem kommt es auch auf den Händlertyp an, inwieweit er die Voraussetzungen mitbringt, um ein unternehmerischen Netzwerk aufbauen zu können. Spezielle individuelle Wünsche im Bereich der Sortimentsbeschaffung können nur zum Teil berücksichtigt werden. Somit kann in einigen Fällen diese Geschäftsstrategie auf dem Chisokone-Markt keine Umsetzung finden.