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4. Der Chisokone-Markt in Kitwe

4.2. Die Historie des Marktes - neuere Entwicklungen

Das chaotische Marktgeschehen in Chisokone blieb nicht ohne Folgen. Aufgrund der Kompetenzüberschreitungen von ZANAMA und der Unfähigkeit des KCC gründete sich ZATMA, eine weitere Handelsorganisation im Jahr 2004, um die Rechte aller Händler gleichermaßen zu vertreten. Die aus einer Abspaltungsbewegung von ZANAMA entstandene Handelsorganisation etablierte sich auf dem Chisokone-Markt als dritter institutioneller Akteur. Es kam allerdings zu keiner allgemeinen Verbesserung der Lage für die örtlichen Händler. Vielmehr entstand nun eine trianguläre Konstellation um Macht und Einfluss auf dem Chisokone-Markt, wobei Kooperation und Konfrontation zwischen diesen Akteuren je nach Opportunität wechselten. Dennoch kann klar konstatiert werden, dass bis zu den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2011 eine relativ eindeutige Struktur herrschte: das KCC und ZATMA kooperierten so weit wie möglich, da ein gemeinsamer Konkurrent bestand. Beide Institutionen waren allerdings nicht im Stande, genügend Druck auf ZANAMA auszuüben, um Veränderungen herbei zu führen. Zunächst änderte sich nur wenig, wobei sich vermehrt Händler ZATMA zuwandten, um den Repressalien von ZANAMA zu entgehen. Dementsprechend entstanden auf dem Chisokone-Markt Einflusssphären, die entweder von ZATMA oder ZANAMA dominiert wurden. Ein Beispiel ist der Bereich Chisokone A, auf dem ungefähr 2000 Händler beheimatet sind. Hier schaffte es ZATMA, sich eine Basis samt Hauptquartier aufzubauen und die Dominanz von ZANAMA zu brechen. Die permanenten Konflikte zwischen den beiden Händlerorganisationen haben bis heute negative Auswirkungen auf das Geschäft der Händler, da diese nie sicher sein können, wer denn nun ihren Marktabschnitt verwaltet und welche Gebühren letztendlich erhoben werden. So hatten Händler bis zum Jahr 2011 auf einigen Abschnitten gleich mehrere Abgaben zu entrichten. Im Abschnitt C konnte das KCC noch Marktgebühren verlangen. Dennoch mussten Händler auf diesem Abschnitt ebenfalls zwangsweise an ZANAMA Gebühren zahlen. Im Bereich D konnte ZANAMA alleine entscheiden, welche Gebühren erhoben werden, was zu den erwähnten illegalen Besteuerungen von Handelsware führte, die in diesem Marktabschnitt angeliefert werden.

Die Wahl im September 2011 und die Abwahl der Partei MMD hatten für alle Beteiligten auf dem Chisokone-Markt einschneidende Auswirkungen. Dabei können zwei Ebenen unterschieden werden: die institutionelle Seite und die Seite der Händler.

Da der Markt schon immer unter politischem Einfluss stand, waren die politischen Änderungen mit dem Sieg der PF auch auf dem Chisokone-Markt bemerkbar. So

verschob sich das gesamte den Markt tangierende institutionelle Gefüge. Durch die neue politische Direktive, dass ausschließlich die örtlichen Councils die Marktverwaltungen in ganz Sambia übernehmen sollten, wurde den Händlervereinigungen die Handlungs- und Geschäftsgrundlage zum Teil entzogen. Allerdings trafen diese politischen Umwälzungen ZANAMA und ZATMA nicht in gleichem Maße:

 ZANAMA: Landesweites Verbot und nahezu vollständige Einstellung der Aktivitäten bis zum November 2011. Hauptgrund für diese drastische Maßnahme war die jahrelange Unterstützung von ZANAMA für die Partei MMD und umgekehrt. Die nicht immer sachlichen rhetorischen Angriffe des ZANAMA Vorsitzenden Elvis N. gegenüber dem Spitzenkandidaten der PF, Michael Sata, im Vorfeld der Wahlen 2011 dürften ebenfalls zum vorläufigen Verbot beigetragen haben. Damit fiel quasi über Nacht der, wenn auch viel kritisierte, Hauptadministrator des Chisokone-Marktes weg.

 ZATMA: Trotz Beteuerungen, politisch neutral zu agieren, unterstützte ZATMA im Vorfeld der Wahlen ganz offen die PF und erhoffte sich nach deren Sieg eine verbesserte strategische wie finanzielle Position auf dem Chisokone-Markt.

Auch glaubte man, unter ZATMA Mitgliedern noch kurz nach der Wahl im September/Oktober 2011 von der Entmachtung der ZANAMA profitieren zu können. Diese Hoffnungen wurden weitestgehend enttäuscht, da die Partei PF ihre Ankündigung wahr machte und nun alleine das KCC den Chisokone-Markt verwalten ließ. Hingegen wurde ZATMA zunächst nicht vollständig von den Märkten verbannt. Der Organisation wurde untersagt, Aufgaben zu übernehmen, die in den Bereich der Marktverwaltung fielen und die zuvor größtenteils von ZANAMA und ZATMA erledigt wurden.

 KCC: Diese staatliche Institution ist faktisch seit September 2011 für die Verwaltung des Chisokone-Marktes zuständig. Sie genießt seit diesem Zeitpunkt uneingeschränkte politische Rückendeckung durch die PF. Es mag aufgrund der vorangegangenen Entwicklungen überraschen, aber das KCC hat die Nachfolge von ZANAMA übernommen. Freilich hat das KCC mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen, da es jahrelang kaum Zugriff auf den Chisokone-Markt hatte.

Dementsprechend fehlt es in Kitwe an genügend (qualifiziertem) Personal, Erfahrung und Ressourcen, um die insgesamt neun Märkte in Kitwe und im Besonderen den Chisokone-Markt zu verwalten.

Für die Händler auf dem Chisokone-Markt hat sich aufgrund des institutionellen Wandels ebenfalls eine neue Lage ergeben. Die Grundschwierigkeiten wie mangelhafte sanitäre Bedingungen oder unzureichende bauliche Gegebenheiten sind dieselben, dennoch hat sich für nahezu alle Händler der Ansprechpartner geändert. War bis zum September 2011 über viele Jahre ZANAMA der Hauptansprechpartner, wurde dies ab den Wahlen 2011 das KCC, jedoch verhielt sich dieses grundlegend anders als ZANAMA. Zwangskonfiszierungen oder gar körperliche Gewaltanwendung bei unliebsamen Händlern werden vom KCC nicht angewandt. Das KCC erhebt Marktgebühren jetzt auf dem gesamten Chisokone-Markt, hat aber noch kein schlüssiges und faires Konzept, die Gebühren der jeweiligen Handelskategorie und deren Größe anzupassen. Eine Folge der fehlenden Regulierung, ist die weiterhin ungebremste Zunahme der Händlerzahl. Dennoch hat das KCC begonnen, sich einen Überblick über das Marktgeschehen im Hinblick auf die permanenten Handelsvorrichtungen (fest installierte Geschäfte) zu verschaffen.

Das KCC unterscheidet im Rahmen der Erfassung der Händler zwischen „Stand“,

„Stall“, „Shop“ und „Table“. Alle Händler, die unter diese Kategorien fallen, müssen ein Formular ausfüllen, welches Auskunft über ihre Art des Geschäftes, Besitzverhältnisse, Nationalität und Kontaktdaten gibt.171 Neben den offiziell vom KCC registrieren Händlern existieren noch eine Vielzahl weiterer Händler, die auf dem Markt oder in dessen unmittelbarem Umfeld agieren. Zu ihnen zählen so genannte „fliegende Händler“, die ihre Waren zumeist am Körper tragen. Andere wiederum verkaufen Produkte oder sogar Hühner aus dem Kofferraum ihrer Autos heraus, die an den Zugangsstraßen des Chisokone-Marktes platziert sind. Diese Arten der Händler sind nicht vom KCC erfasst und entrichten folglich auch keine Marktgebühren.

Die Besitzverhältnisse der Geschäfte basieren auf Gewohnheitsrecht. Da der überwiegende Teil des Marktgeländes nie als Markt ausgewiesen wurde, entstanden sukzessive die fest installierten oder ab- und aufbaubaren Handelsstände in Eigenregie der Händler. Der Wert eines fest installierten Geschäfts mit typischen Ausmaßen kann zurzeit auf 20.000.000 Millionen ZMK (ca. 3.000 Euro) taxiert werden. Durch die

171 Siehe Anhang 4

Erhebung von Marktgebühren und die mittlerweile eingeleitete Registrierung der Handelsstätten erkennt das KCC faktisch die nicht genehmigten Geschäfte an.