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5. Die Institutionen des Marktes

5.5. Beziehungsstrukturen der Institutionen

5.5.1. Beziehung zwischen dem KCC und ZATMA

Durch die jahrelange Dominanz von ZANAMA auf dem Chisokone-Markt hat sich eine zeitweise Solidarisierung zwischen ZATMA und dem KCC ergeben. Die Präsidentschaftswahlen in Sambia am 20.09.2011 haben das Verhältnis zwischen beiden Parteien allerdings grundlegend geändert. Von der ZATMA-Gründung bis zu den Wahlen 2011 bestand eine Beziehung zwischen den beiden Akteuren, die von Respekt und gegenseitiger Akzeptanz geprägt war. Grund hierfür war zum einen, dass dem KCC das Auftreten eines Gegenspielers für die ZANAMA auf dem Chisokone-Markt willkommen war, um deren Machtposition zu schwächen und so selbst wieder in eine günstigere Lage zu gelangen. Zum guten Verhältnis zwischen ZATMA und dem City Council hat andererseits auch die beharrliche Betonung von ZATMA beigetragen, eben nicht als zweite Marktverwaltung fungieren zu wollen und politisch neutral zu handeln.

Zudem akzeptierte ZATMA in öffentlichen Erklärungen immer wieder die Rolle des City Council als eigentlich legitime und gesetzlich vorgesehene Marktverwaltung. Im Gegensatz zu ZANAMA hatten bei ZATMA immer die Interessen der Kleinhändler Priorität. Außerdem wurde seitens ZATMA hervorgehoben, den „Markets and Bus Stadion Act“ trotz einiger Kritikpunkte anzuerkennen, was mit Wohlgefallen seitens des KCC registriert wurde. Dieses wiederum sah in ZATMA keinen ernsthaften Konkurrenten um Einfluss und Macht. So betonte das KCC immer, dass die Aktivitäten von ZATMA sich – im Gegensatz zu ZANAMA – zumindest auf dem Chisokone-Markt im gesetzlichen Rahmen bewegen würden. Gelobt wurde beiderseits die gute Kooperation, besonders bei der Entsorgung des Unrates. ZATMA sorgt laut eigener Aussage bis heute für die Sauberkeit und Ablage des Abfalls des Chisokone-Marktes, und das City Council erledigt den Abtransport zur örtlichen Mülldeponie. Da beide Parteien gut an der beschriebenen Lage durch die Erhebung von Gebühren auf dem Chisokone-Markt verdienten und wenige sich überschneidende Ambitionen hegten, kam es zu einem weitestgehend einvernehmlichen Nebeneinander beider Marktakteure.224 Mit der erwähnten Präsidentschaftswahl und dem Sieg der vormaligen Oppositionspartei PF unter der Führung des Spitzenkandidaten Michael Sata ergab sich

224 Siehe EX-GD-ZATMA

eine neue Konstellation: Überraschend entwickelte sich rapide eine neue Konkurrenzsituation zwischen ZATMA und dem KCC, die im Vorfeld der Wahlen so nicht abzusehen war. Trotz der Beteuerung, politisch neutral zu sein, unterstützte ZATMA ganz offen die PF, was durch die zahlreichen PF/Michael Sata-Plakate am und um die ZATMA Büros erkenntlich wurde. Zugleich trugen etliche, auch hochrangige, ZATMA-Mitglieder PF-Anstecker. Nachdem die PF die Wahlen gewonnen hatte, wurden alle ZANAMA-Büros geschlossen und die ZANAMA-Mitarbeiter waren nicht mehr aufzufinden. Da nun der einflussreichste Hauptakteur und Konkurrent über Nacht wegfiel, galt es sowohl für das KCC als auch für ZATMA, diese Lücke zu füllen und die sich bietende Gelegenheit zur Erschließung neuer Einnahmequellen zu nutzen.

Die ersten Tage nach der Wahl zeigte das KCC eine Strategie der verstärkten Öffentlichkeitsarbeit. Mit bescheidenen Mittel ausgerüstet fuhren Mitarbeiter des KCC mit Megaphonen die Hauptstraßen neben und im Chisokone-Markt auf und ab.

Unablässig wurde postuliert, dass ab jetzt nur noch das KCC berechtig sei, Marktgebühren zu erheben. Das KCC unternahm den Versuch, die politische Direktive, alleiniger Marktverwalter zu sein, umzusetzen. Die jahrelang festgefahren Strukturen auf dem Chisokone-Markt und das Misstrauen vieler Händler gegenüber dem KCC trugen zunächst zum Misslingen der KCC-Strategie bei. ZATMA wiederum setzte sich einfach über die Ankündigungen des KCC hinweg und sammelte trotz des Verbots Gebühren ein. In diesen chaotischen Tagen kühlte das Verhältnis von ZATMA und dem KCC merklich ab.

Ein Beispiel für die aufkommende Konfrontation zwischen beiden Marktakteuren, war die temporäre Schließung der von ZATMA betriebenen Sanitäranlagen durch das KCC.

Das KCC argumentierte, dass es keiner anderen Institution oder gar Organisation gestattet sei, derartige Einrichtungen zu betreiben. Gesetzlich ist dies korrekt (Markets and Bus Station Act, Part II §6. (1)); in der Praxis fand dieses Gesetz jedoch keine Anwendung. ZANAMA betrieb beispielsweise jahrelang im Chisokone-Markt B kostenpflichtige Sanitäranlagen, genau wie die erwähnte Sanitäreinrichtung von ZATMA im Bereich A. Da es im ganzen Chisokone-Markt keine öffentlichen Toiletten gibt, sind solche kostenpflichtigen Sanitäreinrichtungen willkommene Einnahmequellen und gleichzeitig unbedingt notwendig. Nach tagelangen Verhandlungen konnte scheinbar eine Einigung erzielt und das Management der genannten Sanitäreinrichtung im Chisokone-Markt A weiter von ZATMA wahrgenommen werden. Wie genau das

Arrangement zwischen dem KCC und ZATMA ausgestaltet ist, bleibt unklar. Beide Parteien wollten sich zu Details der Abmachung nicht äußern.

Hohe Funktionäre von ZATMA betonten in mehreren Interviews immer wieder, kein zweites ZANAMA mit den bekannten negativen Eigenschaften der grassierenden Korruption und Alleinvertretungsansprüchen werden zu wollen.225 Eine derartige Entwicklung wäre für die Position des KCC ungünstig, da hierdurch die Pläne zur kompletten Verwaltungsübernahme des Chisokone-Markts in Gefahr gerieten.

Allerdings hat sich ZATMA rasch nach den Wahlen strategisch neu positioniert. Das betrifft zum einen die neuere, eher konfrontative und aggressive Haltung gegenüber dem KCC, die im Wesentlichen zum Ziel hat, keinen Machtverlust zu erleiden.

Andererseits geschah nun eine Neuausrichtung beim Umgang mit ZANAMA. Waren ZANAMA-Funktionäre und teilweise auch deren Mitglieder vor der Wahl noch Konkurrenten, so waren diese nach der Wahl nun willkommen, ZATMA beizutreten.

„Yes, they are welcome to join us“, äußerte sich der ZATMA-Vorsitzende dazu.226 Dahinter stehen zwei Interessensschwerpunkte: erstens erhält ZATMA mehr Mitglieder, was die eigene Position auf dem Markt durch eine größere Basis stärkt und auch finanzielle Vorteile mit sich bringt. Zweitens kann so prophylaktisch einem erneuten Erstarken von ZANAMA vorgebeugt werden, da deren vormalige Mitglieder und Entscheidungsträger nun in die Aktivitäten von ZATMA miteingebunden sind.

Eine solche Entwicklung kann offenkundig dem KCC nur missfallen, da es unbedingt verhindern möchte, dass ZATMA eine ähnlich starke Position wie vormals ZANAMA einnimmt. Neuere Entwicklungen seit dem Jahr 2012 verdeutlichen, dass es dem KCC gelingt, als zunehmend dominanter Akteur aufzutreten. Dabei spielt die Akzeptanz durch die Händler eine wichtige Rolle. Im Rahmen der Feldforschung 2012 bejahten die überwiegende Mehrheit (90%) der befragten Händler, dass das KCC im Grundsatz die richtige Institution für die Marktverwaltung sei. Dennoch ist die Position des KCC keineswegs gefestigt. Vielfach kommen Anlaufschwierigkeiten zur Sprache, die besonders die verschlechterte Sicherheitslage und die schwer nachvollziehbare Gebühreneinzugspraxis beinhalten. Obwohl die meisten Händler die erstarkte Position des KCC begrüßen und sich dadurch Verlässlichkeit erhoffen, wünschen sich trotzdem

225 Siehe EX-GD-ZATMA

226 Siehe EX3/6ZATMA

viele eine handlungsfähige Händlerorganisation, die gute Lobbyarbeit im Sinne der Händler verrichtet.

Generell ist das Verhältnis zwischen ZATMA und dem KCC geprägt vom jeweiligen Interesse, die eigene Machtposition auf dem Chisokone-Markt (und auch anderen Märkten in Kitwe) zu stärken. Dabei sind bei beiden Akteuren auch finanzielle Opportunitäten im Spiel, die der Chisokone-Markt als zweitgrößter Markt seiner Art in Sambia bietet. Im Zuge der letzten Präsidentschaftswahl wurde schnell klar, dass die vormals relativ guten Beziehungen aus einem Zweckbündnis heraus entsprangen. Bei der Neu- und Umverteilung des Marktgeschehens trat zutage, dass beide Akteure nach dem Wegfall des Hauptkonkurrenten ZANAMA nur noch wenig gemeinsam haben.

Wie genau die Beziehung von ZATMA und dem KCC die nächsten Jahre ausgestaltet sein werden, ist nur schwer abzuschätzen. Viel hängt davon ab, ob der Chisokone-Markt tatsächlich legalisiert wird, eine Neu- oder Umstrukturierung erfährt oder im gegenwärtig rechtlich uneindeutigen Status verbleibt. Möchte das KCC tatsächlich die Verwaltung komplett übernehmen und den Einfluss der Händlerorganisationen langfristig zurückdrängen, so müsste die Personen- wie Kapitalausstattung weiter drastisch erhöht werden. So lange dass KCC nicht in der Lage ist, die Verwaltung mit all ihren Anforderungen zu gewährleisten, besteht die Möglichkeit, dass eine oder auch mehrere Händlerorganisation(en) versuchen, in diese Lücke zu springen.