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2. Theorie

2.6. Akteurzentrierter Institutionalismus

Der abschließende theoretische Zugang zum institutionellen Rahmen der Untersuchungseinheit ist der akteurzentrierte Institutionalismus. Dieser rückt nun bei der Interaktion zwischen Institution und Individuum die Sichtweise der Kleinhändler in den Mittelpunkt der Betrachtung. Zur Beantwortung der Forschungsfrage nach der Strategieentwicklung ist die Sichtweise des Akteurs in Beziehung zu einer Institution, im vorliegenden Fall zu drei Institutionen, unabdingbar. Die Kleinhändler haben selbst diese Institutionen ins Leben gerufen, die wiederum bestimmend für andere Händler sind und den Chisokone-Markt prägen.

Dieser Theorieansatz soll nicht in allen Teilen diskutiert werden, sondern die wichtigsten Elemente, die auf das Untersuchungsfeld zutreffen, behandeln. Der von Mayntz und Scharpf geprägte Ansatz thematisiert die Wechselwirkungen zwischen Akteuren und Institutionen und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Phänomene.

Der akteurzentrierte Institutionalismus umfasst im ursprünglichen Sinne die „Steuerung und Selbstorganisation auf der Ebene ganzer gesellschaftlicher Teilbereiche“.92 Akteure verfolgen Eigeninteressen und möchten innerhalb des institutionellen Rahmens ihre

90 Vgl. North 1990, S. 3

91 Vgl. Hasse/Krücken 2005, S. 18

92 Vgl. Mayntz/Scharpf 1995, S. 39

Belange durchsetzen.93 Der institutionelle Rahmen umfasst formelle als auch informelle Regelungen sowie Konventionen, die durch ihre Regelfunktion den Handlungsspielraum der Akteure definiert.94 Es setzt sich damit ein Kreislauf in Gang:

Akteure nehmen ganz bewusst Einfluss auf Institutionen, die dann wiederum durch ihre Funktionsweise und Wirkungen Einfluss erzeugen. Mayntz legt diesen Zusammenhang detailliert unter dem Aspekt der Multikausalität dar und spricht in Bezug auf die Wechselwirkungen zwischen Institution(en) und Akteur von komplexen Interdependenzen. Solche Wirkungszusammenhänge sollten allerdings nicht in einer Art

„Black Box-Konzeption“ relativ unspezifisch erläutert werden. Vielmehr gelte es, das System von Wirkungszusammenhängen zu erfassen. Damit stellt sich die Frage, ob solche komplexen Zusammenhänge auch generalisierungsfähig sind.95 Nur bei genauer Bestimmung des Geltungsbereiches und dessen Interdependenzen, lassen sich nach Mayntz Aussagen treffen, die verallgemeinerungsfähig sind. Demgemäß wird eine Beschreibung der am Marktablauf beteiligten Institutionen, deren leitende Motive und die Interaktion mit den Kleinhändlern im Kapitel 5 genau dargelegt.

Der akteurzentrierte Institutionalismus hilft somit, die Sichtweise der Händler einzuordnen und ihre Handlungen vor dem Hintergrund der teilweise von ihnen selbst mitgestalteten Institutionen zu erläutern. Den eingangs erwähnten institutionellen Rahmen definieren Mayntz/Scharpf wie folgt:96

Der institutionelle Rahmen, der Regeln definiert, deren Einhaltung man von anderen erwarten kann und sich selbst zumuten lassen muss, konstruiert Akteure und Akteurskonstellationen, strukturiert ihre Verfügung über Handlungsressourcen, beeinflusst ihre Handlungsorientierung und prägt wichtige Aspekte der jeweiligen Handlungssituation.

Durch die Einflussnahme der Kleinhändler auf Institutionen, die dann wieder deren Handlungsrahmen mitbestimmen, entstehen eigendynamische Prozesse. Diese können aus Sicht einer sozialen Einheit eine spezielle charakteristische Dynamik entwickeln. Im konkreten Untersuchungsfall ist eine andere Betrachtung, die Mayntz vorschlägt,

93 Vgl. ebd. S. 49

94 Vgl. Mayntz 2009, S. 86

95 Vgl. Mayntz 2002, S. 21 – S. 23

96 Vgl. Mayntz/Scharpf 1995, S. 49

angemessener. Eigendynamische Prozesse sind aus sich selbst heraus erzeugt und auf sich selbst bezogen. Insgesamt gesehen, können Prozesse als eigendynamisch betrachtet werden, wenn sie – einmal angestoßen und in Gang gekommen – ohne weitere äußere Einwirkung weiterlaufen und sich selbst reproduzieren.97 Damit sind allerdings nur Teile des Prozessablaufes des Untersuchungsfeldes berücksichtigt. Zwar entwickelt der Markt mit seinen Institutionen und Akteuren einen hohen Grad an Eigendynamik, gleichwohl versuchen externe Akteure, ihren Einfluss geltend zu machen. Das gilt vor allem für politische Parteien. Dieser Aspekt deckt sich mit der von Mayntz geäußerten Bemerkung, dass sich mittlerweile bei Politikern und Wissenschaftlern die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die rationale Steuerbarkeit von gesellschaftlichen und ökonomischen Prozessen äußerst begrenzt ist.98 Die Untersuchung zeigt, dass genau dieser Punkt zutrifft. Darüber hinaus können Steuerungsversuche seitens der Politik teilweise genau gegenteilige Effekte erzielen, als eigentlich beabsichtigt. Auch solche Eingriffe in die (eigendynamischen) Prozesse des Chisokone-Marktes sind gegeben.

Zur genaueren Verortung des Begriffes „Akteur“ unterscheidet Fritz Scharpf zwischen drei Typen. Jeder Typ des Akteurs kann seine Umwelt in unterschiedlichem Maße beeinflussen. Die aggregierten Akteure sind eine Zusammensetzung von Personen, die ähnliche Präferenzen aufweisen und damit ähnlich handeln. Diese Akteure sind aufgrund ihrer eher losen Zusammensetzung kaum in der Lage strategische Entscheidungen durch Beeinflussung institutioneller Rahmenbedingungen durchzusetzen. Ein Teil der Kleinhändler auf dem Chisokone-Markt ist diesem Typus zuzuordnen. Bei komplexen Akteuren hingegen, handelt es sich um Konstellationen, die durch „interne Aktionen eine Fähigkeit zu intentionalem Handeln oberhalb der beteiligten Individuen im Horizont eines gemeinsamen Ziels erzeugen“.99 Die dritte Akteursebene sind Individuen. Diese haben aufgrund ihrer mannigfachen Präferenzen und fehlenden Organisation keine Beeinflussungsmöglichkeit der institutionellen Gegebenheiten.

Bei der Debatte um die Funktionsweise von Institutionen und dem in diesem Zusammenhang bedeutsamen Gesichtspunkt der Eigendynamik, muss mit erörtert

97 Vgl. Mayntz 1997, S. 87ff.

98 Vgl. Mayntz 1997, S. 89

99 Vgl. Scharpf 2000, S. 97

werden, in wie weit Institutionen, die behördliche Aufgaben wahrnehmen sollen, unabhängig von der politischen Ebene agieren. Dabei existieren sehr unterschiedliche Einschätzungen darüber, ob und wie eng eine solche Bindung sein sollte. Kleine/Mause argumentieren diesbezüglich, dass es durchaus üblich ist, dass Politiker das Handeln der Behörden im Sinne ihrer Wählerklientel beeinflussen wollen. Die Autoren schlagen vor, Behörden nicht eng an die Politik zu koppeln.100 So kann der Einfluss von Interessengruppen verringert werden und die Institutionen können im Wesentlichen ihren Kernaufgaben nachkommen und im Sinne des Allgemeinwohles operieren. Solche Vorgehensweisen sind allerdings nicht in jedem Umfeld realistisch. Wie die Lage auf dem Chisokone-Markt erkennen lässt, kann ein Handelsplatz zu einem hoch politisierten Gebilde anwachsen. Verschiedene Akteure werden im Hintergrund durch politische Parteien gesteuert, die in Form von Händlerorganisationen Einfluss auf die institutionelle Ausgestaltung des Marktes nehmen.

100 Vgl. Heine/Mause 2013, S. 88