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2. Theorie

2.3. Abgrenzung der Begriffe: Organisation - Institution

Aufgrund der komplexen Gemengelage von verschiedenen Akteuren im Umfeld des Chisokone-Marktes und deren Wandlungen ist eine Abgrenzung nötig, die Begriffe Organisation und Institutionen voneinander abzugrenzen, aber auch ihre Gemeinsamkeiten zu zeigen. Zunächst ist zu klären was unter Organisation verstanden wird und welche Aufgaben sie zu bewältigen hat. Der Begriff gehört verschiedenen Disziplinen (unter anderem Soziologie und Ökonomie) an. Es existieren unterschiedliche, leicht abweichende Definitionen, die allerdings alle nachfolgend in diesem Abschnitt erörterten Aspekte weitgehend umfassen. Unter Organisationen werden kollektive Akteure samt ihrer materiellen Ausstattung verstanden. Die Entstehung des Begriffes „Organisation“ und die damit einhergehende Relevanz für die Beschreibung sozialer Phänomene sieht Luhmann in der zweiten Hälfe des 19.

Jahrhunderts. Dabei fand der Begriff im Wesentlichen auf der Ebene der Gesellschaftstheorie Anwendung.34 Zwar gab es auch in der so genannten Vormoderne und in der Antike Formen von Organisationen, die sich jedoch in ihrer Ausgestaltung von heutigen Organisationen erheblich unterschieden. Dabei waren insbesondere die Formen der Einbindung in eine Organisation verschieden und beruhten häufig auf Zwang oder Erbfolge. Beispiele sind Gilden, Lehnsarbeit, Zünfte oder Sklavenarbeit.

Die Inklusion in eine Organisation war meistens komplett. Ein einfacher Austritt oder eine freie Gestaltung des Lebens außerhalb der Organisation war in den überwiegenden Fällen nicht möglich.35 Nach heutiger Auffassung ist eine Organisation ein soziales Gebilde, welches Regeln hat, an die sich ihre Mitglieder zu halten haben und aufgabenorientierte Strukturen aufweisen.36 Dabei trennt eine Organisation klar zwischen Mitgliedern und Außenstehenden, wobei der Grad der Einbringung höchst unterschiedlich sein kann. Eine Zwecksetzung und funktionale Spezifität ist ebenso Teil einer Organisation.37 Beispiele sind NGOs, Körperschaften, Unternehmen, Verbände

34 Vgl. weiterführend Luhmann 2000, S. 12 – S. 15

35 Vgl. Kühl 2011, S. 15

36 Vgl. weiterführend zur Unterscheidung traditioneller und moderner Organisationsformen Pirntke 2007, S. 16 – S. 18

37 Vgl. Schäfers/Kopp 2004, S. 218

oder Vereine. Insgesamt prägen laut Kieser/Kubicek vier Hauptmerkmale die Charakteristik von Organisationen:38

1. Ziel

Die Zielgerichtetheit oder Zweckbezogenheit ist der Hauptgrund für die Entstehung von Organisationen. Da Ziele häufig nicht alleine umgesetzt werden können, erfolgt ein Zusammenschluss bei dem dauerhafte Zielsetzungen im Mittelpunkt stehen. Dieser Aspekt wird als Organisation bezeichnet. Das Organisationsziel lässt die Organisation als soziales Gebilde erkennen, da es oft der einzige gemeinsame Bezugspunkt ist.39 In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, dass die Betroffenen bei der Zielerreichung aufeinander angewiesen sind. Das Organisationsziel ist nach Kieser/Kubicek40 eines aus mehreren, teilweise miteinander konfligierenden Zielelementen bestehende Vorstellung über den für die Zukunft anzustrebenden Zustand der Organisation, die eine Gruppe von Organisationsmitgliedern für einen bestimmten Zeitraum u. U. gegen die Vorstellung anderer Organisationsmitglieder durchgesetzt hat. Damit stellt das Organisationsziel die Verhaltensmaxime seiner Mitglieder dar und demgemäß wird die Struktur der Organisation gestaltet. Da in vielen Fällen nicht alle Mitglieder das angestrebte Organisationsziel mittragen wollen, stößt die dementsprechend ausgestaltete Organisationsstruktur nicht immer auf Verständnis. Die Konsequenz ist, dass sich ein Teil der Mitglieder unterordnen muss und somit nicht von einer harmonischen, allseits akzeptierten Zielvorstellung ausgegangen werden kann. Es existieren aber auch so genannte Vielzweck-Organisationen, die mehrere Hauptziele gleichzeitig verfolgen.

Beispiele sind: Parteien (politische Willensbildung, Regierungsverantwortung), Krankenhäuser (Therapie und Lehre) oder Universitäten (Forschung und Lehre).

Daneben haben Organisationen ebenso Sekundärziele, die nicht zwangsläufig zum Erreichen der Hauptziele dienen müssen. Ein ganz wichtiges Sekundärziel ist fast immer die Sicherung des Bestehens der Organisation.41

38 Vgl. Kieser/Kubicek 1977, S. 4ff.

39 Vgl. Scott 1963, S. 2

40 Vgl. hierzu ausführlich Kieser/Kubicek 1977

41 Vgl. Müller-Jentsch 2003, S. 22

2. Dauerhaftigkeit

Wenn sich Personen kurzfristig zusammenschließen, beispielsweise bei zeitweiligen Hilfsaktionen, kann noch nicht von einer Organisation gesprochen werden. Eine Organisation, die auf Dauer angelegt ist, hat andere Strukturen und Herausforderungen.

Sie umfasst Regeln und muss ein System aufbauen, dass die Verhaltensweisen seiner Mitglieder langfristig bestimmt. Damit entstehen Verfestigungstendenzen, die für den Fortbestand der Organisation wichtig sind. Organisationen müssen sich andererseits sich ändernden Umweltbedingungen anpassen, um weiterhin ihre Berechtigung zu erhalten und die ihr entgegengebrachten Erwartungen zu erfüllen.42 In diesem Zusammenhang wird häufig von einem Identitätsparadox ausgegangen. Es sagt aus, dass Organisationen, sofern sie dasselbe bleiben wollen, sich verändern müssen. Die sich verändernde Umwelt stört und irritiert die Organisation in ihrem Wirken. Oft besteht dabei eine Diskrepanz zwischen Innen- und Außenansicht. Außenstehende haben oft den Eindruck eine Organisation hätte schon lange eine Wandlung durchlaufen sollen. Die Organisation selbst hingegen, sieht sich im Hinblick auf die an sie gerichteten Erwartungen gut gerüstet. Im schlechtesten Fall gelingt es der Organisation nicht, Änderungen durchzuführen, die auf die System-Umwelt-Beziehungen Auswirkungen haben.43 Dadurch wäre die Dauerhaftigkeit der Organisation in Gefahr.

3. Mitglieder

Hinsichtlich der Definition der Mitgliedschaft in einer Organisation herrschen unterschiedliche Auffassungen, Definitionsschwierigkeiten und je nach Theorieansatz differierende Herangehensweisen.44 Eine besonders dem Forschungsfeld des Chisokone-Marktes dienliche Erklärung ist die Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Beteiligten. Letztgenannte sind im weiteren Verständnis alle, die einen Beitrag zum Fortbestehen einer Organisation leisten. Mitglieder sind die Kerngruppe, die zur andauernden und nachhaltigen Aufrechterhaltung der Organisation beiträgt.45 Legt man strengere Kriterien an, wird die Frage nach der Art der Mitgliedschaft schnell komplex.

Dabei ist auch die personenbezogene Grenze der Organisation schwer greifbar. Man

42 Vgl. Kieser/Kubicek 1977, S. 8

43 Vgl. Simon 2007, S. 102

44 Vgl. hierzu ausführlich Luhmann 2000, S. 81ff.

45 Vgl. Müller-Jentsch 2003, S. 21

könnte beispielsweise die Arbeitsstunden als Grundlage heranziehen, die für die Organisationsmitgliedschaft verwandt werden. Allerdings existieren neben hauptamtlichen Mitgliedern (zum Beispiel die ZATMA- und ZANAMA- Vorsitzenden) auch etliche Freiwillige, Teilzeitaktivisten, Nebenberufliche oder externe Berater. In wie weit ein solcher Personenkreis zum dauerhaften Fortbestehen der Organisation beiträgt, lässt sich schwerlich messen. Die Grenzen der Zugehörigkeit sind also nicht trennscharf zu erfassen.46 Andere Ansätze unterscheiden drei Klassen von Mitgliedern:

das Personal ist für die Verwaltung zuständig und soll den Organisationszweck verwirklichen. Die Input-Mitglieder haben eine längere Verweildauer in einer Organisation, leisten aber keinen entscheidenden Beitrag zum Unterhalt der Organisation. Die eingeschriebenen Mitglieder sind vorwiegend bei Interessenverbänden zu finden. Sie sind das finanzielle Rückgrat, da sich die Organisation im Wesentlichen über ihre Beiträge finanziert.47 Zweckmäßiger ist es davon auszugehen, dass sich die Mitgliedschaft auf bestimmte Handlungen bezieht.

Davon ausgehend ist die Intensität der Mitgliedschaft maßgeblich. So ist laut Kieser/Kubicek die Mitgliedschaft eines Individuums in einer Organisation nicht nur auf eine Person bezogen, sondern auf bestimmte Handlungen. Und zwar auf solche Handlungen, die in einem Bezug zu den Organisationszielen stehen und für die die Organisation verpflichtende Regeln aufstellt. Wenn diese Regeln von dem Handlungsträger grundsätzlich als legitim angesehen werden, so wird er zu einem Organisationsmitglied. Je größer dabei der Umfang der von den Regeln betroffenen Aktivitäten und je länger die Dauer der Verpflichtungen sind, umso stärker ist die Mitgliedschaft.48

Im Verständnis der modernen Organisationstheorie ist ein Eintritt in eine Organisation freiwillig. Ebenso ist es möglich – mehr oder weniger – unkompliziert wieder auszutreten. Die Mitgliedschaft kann darüber hinaus an Bedingungen geknüpft sein. So müssen die Mitglieder je nach Organisation bestimmte Bedingungen akzeptieren, sofern sie innerhalb der Organisation verbleiben möchten. Damit einhergehend müssen meistens auch die Hierarchien der Organisation anerkannt werden. Somit muss man sich als Mitglied Anweisungen hierarchisch höher gestellter Personen beugen und sie

46 Vgl. Kieser/Kubicek 1977, S. 9

47 Vgl. Müller-Jentsch 2003, S. 27

48 Vgl. Kieser/Kubicek 1977, S. 11

ausführen. Auch sind andere Mitglieder der Organisation zu dulden, gleich, ob sie einem genehm sind oder nicht. Oftmals ist die Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedern eine Mitgliedschaftsbestimmung.49

Neben den bereits genannten Organisationen sind der Vollständigkeit halber noch weitere Organisationsformen wie beispielsweise Gefängnisse oder Unternehmen zu nennen. Bei erstgenannter sind vor allem Aspekte des Zwanges vorherrschend.

Unternehmen hingegen weisen utilaristischen Charakter auf und stellen das Gewinnstreben in den Mittelpunkt

4. Formale Struktur

Organisationen müssen nicht zwingend eine formale Struktur aufweisen. Um dem Forschungsfeld des Chisokone-Marktes gerecht zu werden, erfolgt an dieser Stelle eine Fokussierung auf Organisationen, die formale Strukturen aufweisen. Diese entsteht, wenn die sozialen Beziehungen der Mitglieder bewusst geschaffen werden. Nur so kann das Ziel der Organisation möglichst rational erreicht werden.50 Durch die zahlreichen Interaktionen und Kommunikationswege der Mitglieder nimmt die Komplexität zu.

Somit entstehen Abstimmungserfordernisse, die ohne festgelegte Strukturen nur schwer zu verwirklichen sind.51 Eine solche Struktur kann aus Gesetzen, Vorschriften oder Satzungen bestehen. Dabei können Vorschriften erlassen werden, die aus Traditionen entstehen oder sogar aus Gewohnheiten herrühren. In den meisten Fällen legt die Kerngruppe der Mitglieder die Regeln fest, die die Struktur mit bestimmen. Wer einer Organisation beitreten möchte, akzeptiert die Mitgliedschaftsbedingungen, die wiederum an die Formalstruktur geknüpft sind. Somit erkennt ein Mitglied die Hierarchien, Weisungsbefugnisse und Gesetzmäßigkeiten an. Die meisten Organisationen haben eine Verschriftlichung ihrer Satzungen vorgenommen, an der sich die Mitglieder orientieren können. Gleichwohl kann (oder will) eine Organisation nicht alle Abläufe bis ins kleinste Detail regeln. Alleine durch die Größe oder die Ausgestaltung mancher Organisationen ist die Kontrolle und Steuerung der Mitglieder nur eingeschränkt möglich.52 Auch gehen Organisationen ganz unterschiedlich mit

49 Vgl. Kühl 2011, S 34

50 Vgl. Kieser/Kubicek 1977, S. 12

51 Vgl. Willke 2014, S. 68

52 Vgl. Luhmann 2000, S. 306

Dokumentation, Kontrolle und Rechtfertigung der erbrachten Leistung ihrer Mitglieder um.

Organisation - Institution

Nach der Klärung, welche Gesichtspunkte eine Organisation umfassen, soll nun eine Abgrenzung zum Begriff der Institution erfolgen. Im Allgemeinen werden die Begriffe Institution und Organisation oft synonym verwendet. Institutionen beziehen sich dagegen stärker auf mehr oder weniger formalisierte Handlungsregeln, die möglicherweise zu Bestandteilen einer organisierten Handlungsstruktur werden können, aber nicht unbedingt müssen. So kann unter dem Begriff Institution folgendes verstanden werden: Regeln im sozialen Verhalten, die bestimmte Verhaltensweisen in wiederkehrenden Situationen verbieten, gebieten oder erlauben, welche durch Prozesse der unsichtbaren Hand oder durch private oder öffentliche Verträge entstehen, die entweder anreizkompatibel sind oder deren Einhaltung durch externe Autorität erzwungen ist.53 Klassische Beispiele für Institutionen sind Verträge, Märkte, Rechtsnormen oder auch Firmen.

Insgesamt können drei unterschiedliche Hauptunterscheidungsaspekte zwischen Organisation und Institution angeführt werden: Im soziologischen Verständnis bedeuten Institutionen normative Regeln, die Gebote, Erlaubnisse und Verbote um ihrer selbst willen schaffen. Die zweite Unterscheidungsdimension ist der konstitutive Charakter von Institutionen. Dieser Aspekt der Institutionenlehre findet sich besonders beim Neoinstitutionalismus wieder, der gesondert beim theoretischen Überbau des Untersuchungsfeldes besprochen wird (siehe Punkt 2.5). Konstitutive Regeln definieren und ermöglichen gegebenes Handeln. Es stehen keine Normregeln im Vordergrund, sondern es gelten kognitive Schemata oder „scripts“. Der letzte Aspekt der unterschiedlichen Deutung von Organisation und Institution ist der instrumentelle Kontext von Institutionen. Er dient der Interessenbefriedung, ohne aber moralische Autorität aufzuweisen. Die Notwendigkeit an institutioneller Regelung ergibt sich aus der Paradoxie der Irrationalität des rationalen Nutzenstrebens, der innerhalb des ökonomischen Ansatzes verortet ist. Institutionen können das Dilemma kollektiven Handelns erleichtern, indem sie einen Rahmen bereitstellen, der Sanktionen und

53 Vgl. Martiensen 2000, S. 16

Anreizmuster zur Disziplinierung offeriert.54 Damit soll Akteuren beispielsweise der Warenaustausch erleichtert werden. Hält sich ein Handelspartner nicht an die Regel, muss er mit Sanktionen rechnen, die entweder vom Staat erlassen werden, oder von seinem sozialen Umfeld ausgehen. Letztendlich erzielt ein Händler bei Einhaltung der Regeln bessere Ergebnisse.

Unter Berücksichtigung der dargestellten Definitionen einer Organisation und den Abgrenzungen zum Institutionenbegriff, kann für die Untersuchung auf dem Chisokone-Markt festgestellt werden, dass eine eindeutige Zuordnung der Akteure auf der Vertretungs- und Verwaltungsebene schwer möglich ist. Vielmehr vereinen ZATMA, ZANAMA und mitunter auch das KCC etliche Aspekte sowohl von Organisationen, als auch teilweise von Institutionen. So war ZANAMA anfangs eine klassische Organisation. Im Laufe der letzten Jahre und dem Versuch der Verwaltungsübernahme des Chisokone-Marktes mutierte die Händlerorganisation zunehmend zu einer Institution, die allerdings zahlreiche Defizite aufweist. Beleg hierfür ist unter anderem die Mitgliedschaft. Anfangs war diese noch freiwillig, später wurden Zwangsmitgliedschaftsbeiträge in einigen Marktsektionen erhoben. Wenn also die Begriffe Organisation und Institutionen beide nebeneinander Anwendung finden, drückt dies die unterschiedlichen Rollen der Akteure aus, die sich häufig verschieben.

Dadurch wird die teils unklare und schwer greifbare Ausgestaltung der Händlerorganisationen und des KCC zum Ausdruck gebracht. Somit kann auf dem Chisokone-Markt auch kein Rahmen bereitgestellt werden, der die oben angesprochenen, für alle gleichermaßen geltenden Sanktionen und Anreizmuster, aufweist. Für die Kleinhändler entstehen hierdurch unklare und schwer vorhersehbare Handelsbedingungen. Gleichwohl dominieren institutionelle Faktoren den wirtschaftlichen Spielraum der Kleinhändler, der in theoretischer Hinsicht nachfolgend beschrieben wird.