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3. Methodik

3.4. Auswahlverfahren und Definition

Grundlage für die Entscheidung für ein bestimmtes Auswahlverfahren ist dessen Eignung, die Forschungsfrage nach den personalen wie ökonomischen Händlerstrategien und die damit verbundenen Unterfragen beantworten zu können.

Darüber hinaus spielen pragmatische Aspekte eine Rolle. Die Grundgesamtheit von über 6.000 Händlern, die dazu noch sehr variabel ist, kann nicht in ihrer Gesamtheit erfasst werden; es gilt, eine Teilmenge dieser Grundgesamtheit zu befragen.134 Nicht nur die Anzahl der Händler ist hoch, sondern auch die unterschiedlichen Formen der Händler, die beim Auswahlverfahren Berücksichtigung finden müssen. Es soll demnach eine Auswahl typischer Händler erfolgen, die ermöglichen soll, verallgemeinernde Aussagen hinsichtlich der ökonomischen sowie personalen Strategien, Herausforderungen, Beziehungsgeflechte untereinander und den Verhältnissen zu den institutionellen Akteuren zu treffen. Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, welcher Händler typisch ist und wie die Auswahl auf dem Chisokone-Markt erfolgen kann.

Moser regt an, Schlüsselpersonen, die mit dem sozialen Umfeld vertraut sind, in diesem

131 Vgl. hierzu weiterführend Mayer 2009, S. 60

132 Vgl. Girtler 2001, S. 44

133 Vgl. Mayring 1993, S. 12

134 Vgl. Kromrey 2009, S. 251

Fall die Wirtschaftsstruktur Kitwes, zu konsultieren, um festzustellen, was einen typischen Händler ausmacht.135 Um die Untersuchungseinheit zu definieren, waren mehrere Schlüsselpersonen hilfreich. Zum einen Herr Lunda von der Handelskammer in Kitwe, dann Herr Mofja, Vorsitzender der Händlervereinigung ZATMA, sowie die Befragung der Händler selbst. Es existieren viele Arten des Handels auf dem Chisokone-Markt, die recht unterschiedlich in ihrer Form, Ablauf, Herausforderungen und ökonomischen Grundausrichtung sind. Beispielsweise zählen hierzu die „fliegenden Händler“ ohne festen Stand oder Großhändler. Diese Arbeit konzentriert sich auf Kleinhändler, die ein fest installiertes Geschäft auf dem Chisokone-Markt betreiben.

Die Untersuchung der Strategien aller Händlerformen wäre zu weit gefasst. Gleichwohl repräsentieren die Händler mit fest installiertem Geschäft oder Stand den überwiegenden Teil der Handeltreibenden und bilden vor allem das ökonomische Fundament des Marktes. So lautet die Definition der Untersuchungseinheit:

„KleinhändlerIn, welche(r) auf dem Chisokone-Markt einen permanenten, fest installierten Stand hat, den das örtliche Kitwe City Council als „Stand“ oder „Shop“

klassifiziert. Ein tägliches Auf- oder Abbauen der Verkaufsräumlichkeiten ist nicht möglich. Der Umsatz des Kleinhändlers beträgt 250.000.000 ZMK (ca. 35.700 Euro) – 750.000.000 (ca. 107.000 Euro) ZMK jährlich.136 Die Untersuchungseinheit kann sowohl im Bereich der formellen wie auch informellen wirtschaftlichen Tätigkeit aktiv sein. Es kann mit Textilien aller Art, Elektronik, Gemischtwaren, Möbeln, Musik/DVDs oder auch Schuhen gehandelt werden.“

Im Zusammenhang mit dieser Definition soll noch angemerkt werden, dass die Untersuchungseinheit nicht absolut stringent an den oben genannten Kriterien orientiert werden konnte. Es kann durchaus sein, dass einige der befragten Händler nicht alle Definitionskriterien, besonders im Bereich des Umsatzes, erfüllen. Die allermeisten Händler ziehen es vor, über ihren genauen Umsatz beziehungsweise die Profitabilität ihrer Unternehmung zu schweigen. Die Handelskammer in Kitwe schätzt, dass circa 80 Prozent der Händler mit fest installiertem Geschäft auf dem Chisokone-Markt in ihre Definition einer „Small Organisation“ passen. Somit kann im Rahmen dieser

135 Vgl. Moser 1995, S. 104

136 Vgl. hierzu Kitwe & District Chamber of Commerce and Industry, Definition Small Organisation, http://www.kitwechamber.com/membership.html am 25.10.12

Untersuchung davon ausgegangen werden, dass die überwiegende Anzahl der befragten Händler in das Definitionsschema passen. Alle Befragten erfüllen jedoch das Kriterium

„fest installiertes Geschäft“, um eine bessere Vergleichbarkeit herstellen zu können.

Das Auswahlverfahren geschah nicht zufallsgesteuert, sondern bewusst. Die Auswahl der zu befragenden Händler wurde gezielt, planvoll und mit der Absicht vorgenommen, ein Abbild verschiedener Händler mit der vorher festgelegten Definition zu untersuchen.137 Es wurde darauf geachtet, Händler in allen wichtigen Marktsektionen zu befragen, damit ein Abbild der Meinungen und Aussagen geschaffen wird. Dazu zählen die Sektionen: Chisokone A, B, C, D, Furniture und Kingston Road. Keine Befragung fand auf den Sektionen Green-Market und Cuorio statt. Diese beiden Sektionen stellen Sonderfälle dar, die für das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit keine Relevanz haben.

Auf dem Green-Market wird ausschließlich mit Lebensmitteln gehandelt. Diese Form des Wirtschaftens stellt in vielerlei Hinsicht andere Herausforderungen und Grundvoraussetzungen an betreffende Händler, als die der Untersuchungseinheit.

Außerdem sind die meisten Geschäfte im Bereich des Lebensmittelhandels mobil und erreichen nicht ansatzweise die Umsatzspanne der Untersuchungseinheiten. Die Sektion Cuorio mit lediglich 35 Händlern stellt ebenfalls einen Sonderfall dar, der nicht zwingend berücksichtig werden muss. Deren Händler sprechen ausschließlich die wenigen nach Kitwe kommenden Touristen an, und müssen somit komplett andere Kundenwünsche als ihre Kollegen auf den anderen Sektionen berücksichtigen. Diese sich neben dem Busbahnhof befindliche Sektion ist in einer Halle untergebracht, in der vor allem Holzschnitzarbeiten und lokale Souvenirs sambischen Zuschnitts verkauft werden.

Die Ansprache der Händler, ob sie bereit wären, ein Interview zu geben, das sich mit ihren Strategien und Beziehungen zu anderen Händlern und weiteren Marktakteuren befasst, geschah ganz direkt. In den meisten Fällen wurde zugesagt, nachdem eine Vorstellung der eigenen Person und des Forschungsprojektes vollzogen war. In einigen Fällen konnte das Interview unmittelbar und spontan an Ort und Stelle durchgeführt werden. Meistens allerdings erfolgte eine Verabredung für den nächsten Tag oder innerhalb der folgenden Tage. Bis auf wenige Ausnahmen waren die meisten bereit,

137 Vgl. Kromrey 2009, S. 265f.

nicht anonym zu bleiben. Vielmehr war es zahlreichen Händlern ein Anliegen, ihre Meinung, besonders in Bezug auf die Verwaltung des Marktes und deren Unzulänglichkeiten, kund zu tun. Sehr praktisch war die Tatsache, dass häufig direkt an einen weiteren Händler verwiesen wurde, der ebenfalls ein Interview geben wollte.

Dabei entstand in methodischer Hinsicht ein Kettensampling, welches unter die Kategorie willkürliche Auswahl fällt.138 Wie also beispielsweise Przyborski/Wohlrab-Sahr erläutern, können Sampling-Verfahren kombiniert werden und in unterschiedlichen Phasen des Forschungsprozesses Anwendung finden.139 Die Gefahr des willkürlichen Auswahlverfahrens besteht allerdings darin, eben keine Tendenzen oder auch verallgemeinernde Aussagen zu treffen, da man häufig innerhalb einer sozialen Gruppe an den nächsten Interviewpartner verwiesen wird. Es wurde daher darauf geachtet, das angewandte Verfahren des Kettensamplings aus Gründen des effektiven Zugangs zu Informationen und im Hinblick auf Vertrauensbildung mit Bedacht anzuwenden, jedoch angesichts der damit verbundenen Einschränkungen (insbesondere Selektionseffekte) nur im Rahmen der vorher festgelegten kriteriengesteuerten Fallauswahl.140 Damit wurde eine angemessene Kombination aus effektivem Feldzugang und methodisch korrektem Vorgehen gewährleistet. Zur Vervollständigung des Untersuchungsplans mit einer möglichst hohen Variation schon bekannter Merkmale und ihrer Ausprägungen wurden ebenso bewusst Gegenbeispiele im Sinne einer Fallkontrastierung berücksichtigt. Diese erlauben es, einen ausgeglichenen Blick auf das zu untersuchende Feld zu werfen. Beispielhaft sei an dieser Stelle die Reputation der Händlerorganisation ZANAMA genannt. Deren Ruf gilt allgemein als beschädigt, und viele Händler forderten deren Abberufung oder waren erfreut, dass deren Aktivitäten vorerst zu einem Stillstand gekommen waren. Allerdings spiegelt dieses Meinungsbild keinesfalls die tatsächlichen Gegebenheiten auf dem Markt wider. Es gibt gute Gründe für etliche Händler, eine positive Einstellung gegenüber ZANAMA zu hegen – besonders dann wenn man von der Händlerorganisation profitiert hat. Es wurden daher innerhalb des Untersuchungsablaufes auch ganz bewusste Gegenbeispiele ermittelt. So kann ein differenziertes Bild der Händlerstrategien, die ebenfalls eng mit der Positionierung oder

138 Vgl. ebd. S. 264

139 Vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2010, S. 181

140 Vgl. Kelle/Kluge 1999, S. 39

gar Partizipation an einer Händlerorganisation zusammenhängen, herausgearbeitet werden.141 Nach Abschluss der Feldforschung und unter Berücksichtigung der beschriebenen methodischen Grundsätze hat sich folgendes Befragungsmuster auf dem Chisokone-Markt ergeben:

Abb. 1 Anzahl der Befragungen, aufgeschlüsselt nach Marktsektionen

Quelle: Marketeers Account, Version 2222, NAV, Erstellung durch das KCC. Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Navinda/KCC Accounting Department

Die Anzahl der befragten Händler wurde auf 58 begrenzt, da nach der Hälfte der Interviews eindeutige Sättigungstendenzen auszumachen waren. Besonders galt dies für den Bereich des Allgemeinzustandes des Chisokone-Marktes, das KCC, die Kooperation und Konkurrenz der Händler untereinander, die etwaigen Auswirkungen der Kupferpreisauswirkungen auf den Geschäftsablauf, die Mitarbeitereinstellungspraxis sowie das allgemeine Kundenverhalten. Die Ausgestaltung des leitfadengestützten Interviewbogens wird im Punkt 3.6 dargestellt.