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Puerperalerkrankungen wie das MMA (Mastitis-Metritis-Agalaktie) -Syndrom der Sau sind Erkrankungen, die sich unter dem Einfluss verschiedener Faktoren entwickeln können (EHRENTRAUT 1968; TABAJARA et al. 1990; MEREDITH 1991; BOSTEDT 1999). Ursächlich für diese bakteriell bedingte Erkrankung sind neben mangelnder Geburtshygiene und Stallmanagement auch im Uterus verbleibende Teile der Nachgeburt (MEREDITH 1991). Des Weiteren sind aber auch Einflüsse von Fütterung, Haltung und Umwelt zu nennen, welche die Inzidenz der Erkrankung beeinflussen. Der Erkrankungskomplex MMA tritt im Mittel bei 15-30 % aller Sauen auf, in Betrieben mit einem hohen Anteil an Jungsauen erkranken jedoch teilweise bis zu 70 % aller Tiere (EICH u. SCHMIDT 2000). Auch BOLLWAHN u.

MEERMEIER (1989) berichten, dass in Problembetrieben bis zu 40 % aller Sauen am MMA-Syndrom erkranken. Damit stellt der MMA-Komplex aufgrund der relativ

hohen Krankheitsinzidenz und der damit verbundenen erheblichen Verluste durch Unterernährung bzw. schlechte Entwicklung der Ferkel sowie tierärztliche Behandlung der Sauen ein bedeutsames Problem in der Ferkelerzeugung dar.

Bei klassischer Symptomatik ist das Syndrom (Mastitis- Metritis -Agalaktie) durch ein fieberhaft gestörtes Allgemeinbefinden, das Auftreten von Gebärmutterentzündung, Mastitis und das Versiegen des Milchflusses in den ersten Tagen post partum gekennzeichnet (SUVEGES et al. 1974; BOSTEDT et al. 1998; BERTSCHINGER 1999). Allerdings wird in den letzten Jahren zunehmend über das Auftreten von einem „Peripartalen Hypogalaktie Syndrom“ von Sauen – ohne sonstige Symptome einer Puerperalerkrankung – berichtet (CEREZA et al. 1986; MARTINEAU et al.

1992). Gerade kurz vor der Geburt steht der Stoffwechsel der Sau unter belastenden Einflüssen, wie der hormonellen Umstellung, dem starken Wachstum der Früchte, der beginnenden Milchproduktion sowie der im Allgemeinen spontanen Reduktion der Bewegungsaktivität vor der Geburt. In dieser Phase gilt es weitere Störfaktoren möglichst zu vermeiden. Zwar verhindern Prophylaxemaßnahmen gegen das MMA-Syndrom die Erkrankung nicht vollständig, können aber dazu führen, dass die Prävalenz gesenkt werden kann und die Krankheit bzw. einzelne Symptome weniger stark ausgeprägt sind. Für die Fütterung bedeutet dies, z.B. drastische Futterumstellungen kurz vor der Geburt zu vermeiden, denn diese begünstigen häufig im peripartalen Zeitraum anzutreffende, mit dem Verdauungssystem assoziierte Gesundheitsstörungen wie die Reduktion der Defäkationsfrequenz, Kotverhaltungen und Obstipationen. RINGARP (1960) konnte das Krankheitsbild des MMA-Syndroms beispielsweise durch Gabe proteinreicher Rationen ante partum, abrupte Futterwechsel und bakteriell kontaminiertes Futter hervorrufen. Ebenfalls sollte auf ein ausreichendes Angebot von einwandfreiem Tränkwasser geachtet werden, um chronischen Harnwegsinfektionen – und in diesem Zusammenhang häufig auftretenden Endometritiden – entgegenzuwirken (WENDT 1998). Infolge einer durch Überfütterung bedingten Verfettung der Sauen während der Trächtigkeit werden gehäuft Schwergeburten, erhöhte Ferkelverluste durch Erdrücken durch das Muttertier und ein vermehrtes Auftreten des MMA-Syndroms beobachtet (MARTINEAU et al. 1992; PLONAIT et al. 2004; KAMPHUES et al. 2004). Aus

diesem Grund sollte die Prophylaxe gegen den MMA-Komplex schon in der Phase der Frühträchtigkeit beginnen, indem eine optimale Körperkondition über die gesamte Trächtigkeit erhalten wird. Nach CEREZA et al. (1986) kann eine Überfütterung zusätzlich das Risiko für eine verminderte Darmperistaltik sowie eine dadurch begünstige Endotoxinresorption, im Hinblick auf eine MMA-Erkrankung, erhöhen.

Die vergleichende Betrachtung unterschiedlicher Haltungssysteme ergab, dass die höchste MMA-Inzidenz (15,9 %) bei Sauen auftrat, die kurz vor der Geburt von der Weidehaltung in einen Abferkelstall verbracht wurden. Dieses Phänomen kann möglicherweise mit der Einschränkung der Bewegung und Futtermengenaufnahme im oben beschriebenen Fall erklärt werden. Auch RINGARP (1960) sieht Bewegungsmangel und die Benutzung von Abferkelbuchten als einen möglichen Hilfsfaktor für die Entwicklung von Puerperalstörungen bei Sauen. Die niedrigste Inzidenz (2,6 %) trat hingegen bei ausschließlicher Weidehaltung (Trächtigkeit und Geburt) auf, was mit der größeren Bewegungsaktivität der Sauen auf der Weide zu erklären sein könnte, welche sich indirekt günstig auf die Verdauung auswirkt (SANDSTEDT u. SJØGREN 1982). Zudem ist Weidegras ein vergleichsweise voluminöseres Futtermittel, welches den Magen-Darm-Trakt stärker füllt ,insbesondere bei ad libitum Angebot, und über Dehnungsreize auf die Darmwand zu einer Steigerung der Darmperistaltik führt und somit einer Resorption von Endotoxinen im Hinblick auf eine MMA-Erkrankung vorbeugt.

Neben zuvor genannten Einflüssen kann Stress jeglicher Art ein weiterer Hilfsfaktor für die Entwicklung einer Puerperalerkrankungen sein. Transport und Umstallung der Tiere sowie hohe Umgebungstemperaturen und Luftfeuchtigkeit im Abferkelstall fördern nach KRÜGER und RÖPKE (1997) die Endotoxinresorption aus dem Verdauungskanal. Weiterhin wird diskutiert, ob Stress über eine Stimulation der ß2 -Rezeptoren am Uterus zur Atonie und Geburtsverzögerung führen könnte. Zudem soll es möglicherweise über die Auslösung einer Epinephrinausschüttung zur Blockade des durch Oxytocin ausgelösten Milchflusses kommen (VERHULST u.

OTTOWICZ 1974; BOSTEDT u. RUDLOFF 1983).

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Kotqualität der Sauen im Zeitraum um die Geburt (PALISSE et al. 1979; CASTAING et al. 2001; MASSÉ et al. 2003). Laut BERTSCHINGER (1984) ist es möglich, dass pathogene Erreger aus dem Kot der Tiere über eine Verunreinigung der Liegeflächen von den Strichkanälen aszendierend in das Gesäuge eindringen und dort eine Entzündung hervorrufen.

BERNER (1988) und BOSTEDT (1999) vermuten weiterhin, dass durch ein Aufheben der Darmschranke eine Streuung von pathogenen Keimen aus dem Darm in die bei einer MMA betroffenen Organe möglich ist. Diese These wird unterstützt durch Untersuchungen von AWAD-MASALMEH et al. (1990), die aus Tupferproben aus der Milchdrüse und Zervix von Sauen Erreger isolieren konnten, die ebenfalls im Kot der Tiere zu finden waren. Weiterhin kommt nach MARTINEAU et al. (1992) der Verbreitung von Endotoxinen aus dem Zerfall gram-negativer Bakterien eine zentrale Rolle bei der Entwicklung einer Hypo- bzw. Agalaktie zu, da das freie, im Blut zirkulierende Endotoxin, eine prolaktinantagonistische Wirkung besitzt und damit sowohl die Gesäugeentwicklung als auch die Milchproduktion negativ beeinflusst.

Unmittelbar vor der Geburt setzen Sauen nicht selten sehr geringe und stark verhärtete/trockene Mengen an Kot ab. TABELING (2001) sieht diesen Effekt im Zusammenhang mit einer „natürlichen Darmträgheit“ vor dem Geburtstermin. Diese stark verhärtete Kotkonsistenz sowie damit verbundene Obstipationen, wird ebenfalls als prädisponierender Faktor für die Entstehung einer MMA - Erkrankung angesehen (Tabelle 4), eine einheitliche Meinung der Autoren über die Bedeutung der Kotverhaltung für eine Entwicklung des MMA-Syndroms geht jedoch nicht aus der Literatur hervor. Es wird angenommen, dass infolge einer Stase im Verdauungstrakt durch eine massive Bakteriolyse (mangels bakteriell fermentierbarer Substanz, z.B.

bei restriktiver Fütterung) vermehrt Endotoxine freigesetzt werden (MARTINEAU et al. 1992). Diese Endotoxine werden möglicherweise aufgrund der reduzierten Ernährung der Dickdarmschleimhaut (mangels anfallender Buttersäure infolge des verminderten mikrobiellen Abbaus der bakteriell fermentierbaren Substanz) in erhöhtem Maße absorbiert (KAMPHUES 1998) und lösen letztendlich das Krankheitsgeschehen aus.

Die folgende Abbildung 1 soll einen Überblick über den Einfluss verschiedener Faktoren auf das MMA-Geschehen geben:

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Interaktion verschiedener Einflussfaktoren auf die Entstehung von MMA-Erkrankungen (nach MARTINEAU et al. 1992)