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5 Prävalenz und Ausprägung der Moderhinke

5.3.3 Einfluss der Behandlungsmethode

Zur Behandlung der Moderhinke stehen den Schäfern verschiedene Mittel zur Verfü-gung. In der älteren Literatur wird der Klauenpflege eine entscheidende Bedeutung beigemessen (PLANT u. CLAXTON 1986, JANETT 1993). Jedoch ist neueren Stu-dien zufolge die Klauenpflege als therapeutische Maßnahme kritisch zu sehen, wenn nicht sogar kontraproduktiv in Bezug auf den Heilungsprozess (GREEN 2010). Die Art und Weise in der eine Klauenkorrektur durchgeführt wird, ist daher entscheidend.

Die nach STROBEL (2009) aufgeführten Methoden des Klauenschnittes (Pflege-, chirurgischer und Moderhinkeschnitt) wurden in der Betriebsanalyse berücksichtigt.

Für die Beurteilung der Methode des Klauenschnitts müssen die zur Verfügung stehenden Therapeutika mit in Betracht gezogen werden. Die Frage nach den eingesetzten Mitteln zur Behandlung wurde im Biosphärengebiet unvollständig beantwortet (33 von 45 Betrieben). Es kann aber davon ausgegangen werden, dass in jedem Betrieb beim Auftreten von Lahmheiten zumindest ein lokal wirkendes Mittel, meist in Form eines antibiotikahaltigen Sprays, eingesetzt wurde. Da in der älteren Literatur ein „völliges Freilegen des Krankheitsherdes“8 gefordert wurde (BEVERIDGE 1941, STEWART 1989, ZETTL u. BRÖMEL 1994), ist dies noch heute im Denken vieler Schäfer fest verankert. Das Entfernen jeglichen losen Hornes (blutige Methode) sollte das eingesetzte Topikum an den erkrankten Bereich bringen.

Außerdem würde sich dann ein zweites Fangen und Ausschneiden der Tiere, also eine Nachbehandlung, erübrigen. Neueren Studien zufolge ist der parenterale Einsatz eines Antibiotikums äußerst effektiv, so dass die Klauenpflege reduziert (JORDAN et al. 1996, HOSIE 2004) oder gänzlich auf sie verzichtet werden kann (KALER et al. 2010), wenn die Behandlung zu einem frühen Zeitpunkt der Infektion erfolgt. Dies würde insgesamt eine deutliche Arbeitsersparnis bedeuten und vermutlich die Heilungsrate stark erhöhen sowie die Anzahl der Nachbehandlungen reduzieren. Allerdings beinhaltet dieser Ansatzpunkt auch, dass die Reaktionszeit sich im Rahmen weniger Tage bis hin zu einer Woche bewegen sollte, also die Durchführung von Einzeltierbehandlungen angezeigt ist.

Trotz der Erkenntnis, dass hohe Einzeldosen eines parenteral verabreichten Antibio-tikums (EGERTON u. PARSONSON 1966b, EGERTON et al. 1968) ohne die vorhe-rige, vollständige Klauenkorrektur (JORDAN et al. 1996, HOSIE 2004) schon nach 5 Tagen zu geheilten Tieren führen kann (GREEN 2010), überzeugt dies die meisten

’alteingesessenen’ Schäfer nicht. Die Betriebsanalyse (s. 5.2.1.2.) zeigte, dass es innerhalb eines Betriebes meist personenabhängig war, ob eine Klauen-korrektur (Moderhinkeschnitt) oder ein blutiger Klauenschnitt vorgenommen wurde.

In vielen Betrieben war die Leitung des Betriebes generationsübergreifend, so dass Erfahrungswerte und Techniken weitergegeben wurden, die meist wertvoll, aber

8 Zitat ZETTL u. BRÖMEL 1994, S. 312

weise auch altmodisch oder sogar falsch sein können. Hierzu gehört der blutige Klauenschnitt, der für das Tier sehr schmerzhaft ist. Die Klauenform wird häufig ent-stellt, so dass das Hornwachstum, das durch die Erkrankung angeregt wird, zu einer Deformation des Hornschuhs führt (NATTERMANN et al. 1991), woraus eine unphy-siologische Haltung resultieren kann, die über eine lange Zeit das Schaf beeinträch-tigen.

Zur topischen Behandlung werden Klauenbäder oder lokale Sprays (tetrazyklin-haltige Blausprays9) verwendet. Im gesamten Biosphärengebiet war der Einsatz von tetrazyklinhaltigem Blauspray weit verbreitet. Einige wenige Betriebe griffen entweder auf Pflegemittel oder z.B. auf Wundstein-Essenz® zurück. Die meisten eingesetzten Mittel hatten eine desinfizierende Wirkung, lediglich das tetrazyklinhaltige Blauspray wirkte antibiotisch. Alle Mittel verfügten über eine Farbkomponente. Nach eigenen Beobachtungen hatten die blutige Methode sowie die Wahl eines Topikums häufig einen eher psychologischen Effekt, nämlich ein visueller Nachweis der Bemühungen zur Bekämpfung der Moderhinke. Dies unterstreicht der kombinierte Einsatz von parenteraler und lokaler antibiotischer Behandlung. Obwohl die parenterale Therapie allein schon eine Wirkung entfalten würde, war es vielen Schäfern wichtig, die Klauen ebenfalls mit Blausprays zu besprühen. Der lokale Einsatz eines Antibiotikums ist nur bis zu einem gewissen Grad der Erkrankung effektiv (STEWART 1989). Eine systemische Gabe erzielt bei trockener Aufstallung zumeist bessere Ergebnisse (EGERTON et al. 1968, JORDAN et al. 1996). Allerdings kann hier kein farblicher Nachweis der Arbeit erbracht werden, der für die Arbeitsmoral bedeutend scheint.

Die parenterale Gabe eines Antibiotikums wurde in allen Betrieben der Betriebsana-lyse erst bei fortgeschrittenen Stadien der Moderhinke, also mit Unterminierung des Klauenhorns bis mindestens zur Sohle, durchgeführt. Klauenabszesse wurden nahe-zu immer mit einer Injektion eines Antibiotikums versorgt. Geringgradige Fälle der Moderhinke wurden hingegen so gut wie nie mittels Allgemeinantibiose angegangen.

Eine Allgemeinantibiose ohne den sofortigen Einsatz einer Klauenkorrektur auch bei

9 Chlortetrazyklinhydrochlorid, CTC-Spray, Novartis, München

geringgradigen Fällen der Moderhinke wäre nach WASSINK et al. (2010) eine effek-tivere Lösung zur Reduzierung von Moderhinke in der Herde und zur Verbesserung der Heilungsrate.

Das Klauenbad ist ein Topikum, mit dem eine Herde prophylaktisch behandelt (WINTER 2004), therapiert oder saniert werden kann (JELINEK et al. 2001).

Oberflächlich betrachtet erscheint die Durchführung von Klauenbädern aufgrund der statistischen Auswertung einen entscheidenden Einfluss auf die Lahmheitsprävalenz zu haben (OR = 126, p = < 0,0001). Jedoch sind hier im Wesentlichen die Betriebe mit Moderhinke denen gegenüber gestellt, die keine Moderhinke haben, so dass der tatsächliche Bezug zur therapeutischen Wirksamkeit eines Klauenbades fraglich erscheint. Die Anzahl der Betriebe, die keine Moderhinke hatten, war für die Auswertung zudem zu gering.

Die Effektivität eines Klauenbades hängt weniger von der Maßnahme, als von der korrekten Durchführung eines Klauenbades ab (KAULFUß 2004, STROBEL 2009).

Eine saubere Fläche, auf der Schmutz von den Klauen abgestreift werden kann oder zumindest keine neue Kontamination der Klaue erfolgt, ist von Bedeutung.

Schotterwege dienen häufig als Behandlungsgrundlage, die für die Effektivität der Maßnahme förderlich sind (STEWART 1989, JELINEK et al. 2001, WASSINK et al.

2003). Nach einem Klauenbad sollte die Klaue Gelegenheit haben, kurzzeitig zu trocknen (STEWART 1989, JELINEK et al. 2001).

Häufig werden Zinksulfat, Kupfersulfat oder Formalin eingesetzt (KAUFUß 2004). In der vorliegenden Datenerhebung wurde im gesamten Biosphärengebiet von 55 % der Betriebe Zinksulfat und von 45 % Formalin eingesetzt. In der Literatur wird die Wirksamkeit von Zinksulfat und Formalin kontrovers diskutiert. Zinksulfat bietet bei einer täglichen Anwendung in einer Konzentration von 10 % und einer Einwirkzeit von 30 Minuten die Chance der Sanierung einer Herde (JELINEK et al. 2001), wenn keine virulenten Stämme von D. nodosus in der Herde vorliegen (JELINEK et al.

2003). Eine Einwirkzeit von 2 Minuten hat scheinbar nur einen oberflächlich desinfi-zierenden Effekt (WASSINK et al. 2003, WINTER 2004), der gleichermaßen von Formalin mit einer kürzeren Einwirkzeit erfüllt wird (WASSINK et al. 2003). Längere

Einwirkzeiten von Formalin erzielten hingegen einen negativen Effekt auf die Moder-hinke-Situation (WASSINK et al. 2003). Im gesamten Biosphärengebiet favorisierten viele Betriebe Formalin wegen der kurzen Einwirkzeit, auch wenn durch Formalin die Schwere der Erkrankung bei chronisch erkrankten Tieren verschlimmert wurde und Formalin krebserregend ist, also auch ein Risiko für das Personal bedeutet. Auch hier kann in einigen Fällen von einem psychologischen Effekt gesprochen werden.

Einige Schäfer äußerten, dass ein Klauenbad erst dann gut sei, wenn ein stechender Geruch davon ausginge.

In Deutschland ist „Golden Hoof Plus®“ als Klauenbadlösung für das Schaf nicht zu-gelassen, kann jedoch legal aus Großbritannien importiert und legal angewendet werden. Dagegen ist Formalin nicht zur Anwendung bei Tieren zugelassen. Seit De-zember 2010 ist das amerikanische Biozid DragonhydeTM (T-HEXX Animal Health) mit dem Wirkstoff Phenoxyethanol zum Einsatz als Klauenbad in Deutschland gelis-tet (Anonym 2010). Biozide können als Klauenbad zu hygienischen Zwecken (Pro-phylaxe) eingesetzt, jedoch nicht zur Therapie von Moderhinke verwendet werden (KLEIMINGER 2009).

Für die Kontrolle des Behandlungserfolges ist eine Kennzeichnung der erkrankten und behandelten Tiere notwendig. Die Betriebsanalyse ergab, dass behandelte Tiere in allen Betrieben, mit einer Ausnahme, lediglich kurzfristig oder gar nicht gekenn-zeichnet wurden. Die unzureichende Dokumentation und Kennzeichnung der einzel-nen Tiere ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass ein Tier, das nicht mehr lahmte, als gesund und geheilt angesehen wurde. Daran änderte auch nicht, dass die Schä-fer die einzelnen Tiere gut kannten. Eine häufige Beobachtung während der Be-triebsanalyse war jedoch, dass Schäfer sich über die Neuerkrankung eines Tieres kurz nach der Genesung beschwerten. Hier liegt die Vermutung nahe, dass die Tiere nicht vollständig ausgeheilt, sondern der akute Schub der Erkrankung lediglich un-terbrochen worden war. Der Erreger kann sich mehrere Jahre in der Klaue halten, ohne klinisch in Erscheinung zu treten (WHITTINGTON 1995). Mehrfach an Moder-hinke erkrankte bzw. häufig erkrankte Tiere sollten daher langfristig gekennzeichnet und nach Möglichkeit aus der Zucht bzw. der Herde entfernt werden (ABBOTT et al.

2003a, WASSINK et al. 2003). Diese Maßnahme ist allerdings nur bei Herden rat-sam, wenn die erste Hürde einer Sanierung, nämlich eine stabile Moderhinke-Prävalenz unter 5 %, erreicht wurde (MULVANEY et al. 1986). Da in den untersuch-ten Herden aufgrund verschiedener Faktoren mindesuntersuch-tens einmal im Jahr ein Aus-bruch der Moderhinke mit hoher Krankheitsinzidenz zu verzeichnen war, wurde die Merzung von Tieren mit chronischer oder wiederholter Moderhinke von keinem Schä-fer in Betracht gezogen.

Für eine erfolgreiche Behandlung scheint es dennoch unerlässlich zu sein, die Tiere zu kennzeichnen und systematisch den Behandlungserfolg durch Nachbehand-lungen zu verfolgen. Durch eine inkonsequente Durchführung der Therapiemaßnah-men kann es in Einzelfällen zu keiner vollständigen Heilung komTherapiemaßnah-men. Nicht vollstän-dig ausgeheilte Tiere scheinen hier häufig der Grund für die Persistenz der Moder-hinke in einer Herde zu sein und reduzieren die Chancen auf eine erfolgreiche Be-kämpfung der Erkrankung.

Der Behandlungserfolg wurde zwar von den meisten Schäfern als zufriedenstellend bewertet, jedoch muss hier ein Zusammenhang mit dem Grad der Erkrankung her-gestellt werden. Bei Klauenspaltentzündungen und beginnender Unterminierung war in der Regel das Ergebnis zufriedenstellend, während Moderhinke mit Unterminie-rung der Sohle bis hin zur abaxialen Wand keine vollständige Ausheilung erreichte.

Einige Schäfer äußerten mit den Behandlungsmethoden erfolgreich und zufrieden zu sein, während andere Schäfer neue und sichere Produkte in der Bekämpfung der Moderhinke begrüßen und annehmen würden, wenn sie sich in einem akzeptablen preislichen Rahmen bewegten. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangten WASSNIK und Mitarbeiter (2003 u. 2010). Allerdings wurden die bestehenden Behandlungsmöglich-keiten in den vorliegenden Betrieben nicht konsequent durchgeführt bzw. nicht ein-gesetzt. So wurde bspw. die parenterale Antibiose ausschließlich bei hochgradig er-krankten Tieren eingesetzt und auf die Impfung (mit vollständiger Grundimmunisie-rung) der gesamten Herde verzichtet.