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Einflüsse des Italienischen auf die dialektalen Sprachsysteme

2.3 Das Phänomen der Italianisierung

2.3.2 Einflüsse des Italienischen auf die dialektalen Sprachsysteme

Die Annäherung der Dialekte an das Italienische, die in der dialektologischen Forschung häufig als Prozess der Sprach- bzw. Dialektkonvergenz bezeichnet wird,22 betrifft die verschiedenen Ebenen der dialektalen Sprachsysteme nicht im gleichen Ausmaß. ɑls „lo strato più esterno e quello, quindi, a più diretto contatto con l’extraliňuistico e meno sǐnificativo per cǒliere le dinamiche interne del sistema“ (ɒerruto β00θμ 10κ) ist die lexikalische Ebene am stärksten vom Einfluss des Italienischen betroffen.23 Am weitaus häufigsten manifestiert sich dieser in Form der Übernahme italienischer Lexeme in die dialektalen Lexika.24 In semantisch-funktionaler Perspektive können lexikalische Entlehnungen (Italianismen) in zwei Gruppen eingeteilt wer-den.

22 σac̍ Saňa (1λκ4μ 14ι) ̍andelt es sic̍ bei der „conveřenza liňuistica“ um ein „avvicinamento strutturale a una lingua-̌uida e ̌ e m o n e (δE) da parte di liňue s u b a l t e r n e (δS)“, das über die „creazione di una r e t e d i p a r a l l e l i s m i m o r f o f o n o l o ̌ i c i“ zu einer „trasformazione fonolǒica, ̌rammaticale, lessicale delle δS secondo il modello della δE“ fü̍rt. Die Verwenduň des ɒěriffs „Konveřenz“ für Prozesse, in denen sprachliche Merkmale, seien es Formen, Funktionen oder Bedeutungen von einer Varietät aus einer anderen, koexistierenden Varietät übernommen werden, ist jedoch problematisch. Berücksichtigt man die etymolǒisc̍e Wortbedeutuň („Kon-veřenz“ < lat. con- (com-) ‚̌emeinsam, zusammen‘ + vergere ‚neǐen, wenden‘), so ist unter dem Terminus die gegenseitige Annäherung zweier Sprachen bzw. Varietäten aneinander zu verste̍en, durc̍ die es zur „ɑusbilduň einer neuen Variante auf̌rund einer formalen oder inhaltlichen Vermischung der Ausgangs- und der Zielvariante“ kommt (εatt̍eier 1λλθμ γ4). εit einer solc̍en Definition ist jedoch der Prozess der Italianisierung nicht adäquat charakterisiert, da keine strukturelle Annäherung des italiano standard an die Dialekte vorliegt, aus der – bei gleichzeitiger Annäherung der Dialekte an das italiano standard – eine „Vermisc̍uň“ beider Systeme (und damit eine „neue“ Grammatik und ein „neues“ δexikon) entstehen könnte (vgl. Berruto 1989: 116). Bei der Entwicklung der italiani regionali als Varietäten in der „sfera media“ (Radtke 1λλκa) zwisc̍en Dialekt und Standarditalienisc̍ ̍andelt es sic̍ um eine Zuna̍me der

Variabilität im Bereich des Italienischen und nicht um strukturelle Veränderungen des standardsprachlichen Systems in Richtung der Dialekte. Zur Bescheibung der Italianisierung der Dialekte wäre der von Mattheier (1996) vorgeschlagene Terminus Advergenz adäquater, der die „bloße formale oder semantisc̍e ɑnnä̍eruň

einer Varietät an eine andere dadurc̍, daß eǐene Formen durc̍ andere ersetzt werden“ (Mattheier 1996: 34) bezeichnet.

23 Beim Kontakt zwischen dem Standarditalienischen und den italoromanischen Dialekten handelt es sich zwar nic̍t um einen Sprac̍kontakt im ‚klassisc̍en‘ Sinne (Wec̍selwirkuňen zwisc̍en sozial ‚̌leic̍wertǐen‘

Sprac̍systemen), sondern um die „Wirkuň des übeřeordneten Sekundärsystems ̌ěenüber den untergeordne-ten Primärsystemen“ (Berruto 1984: 131), d.̍. um eine ɑrt „vertikalen Sprac̍kontakt“ (ɒerruto 1λλιμ 1ι). Die von der Sprachkontaktforschung in unterschiedlichen Formen (vgl. Wilkins 1996: 112, 114) präsentierte

„Hierarc̍ie“ der Sprac̍kontaktp̍änomene, die die ‚ɑnfällǐkeit‘ und vice versa die Resistenz der sprachlichen Subsysteme gegenüber kontaktinduzierten Veränderungen widerspiegelt, kann jedoch auch hier als grundlegend betrachtet werden. Nach Thomason/Kaufman (1991: 50, 74ff.) ist die Ebene des Lexikons (genauer: der Bereich der „In̍altswörter“) bereits bei ̌elěentlic̍em Sprac̍kontakt von Veränderuňen betroffen. εit der

Intensivierung des Sprachkontakts kommt es neben weiteren lexikalischen Entlehnungen (nun auch aus dem Bereich der „Funktionswörter“) auc̍ zu strukturellen Übertragungen, die sich zunächst auf der Ebene der P̍onetik/P̍onolǒie sowie der Syntax und sc̍ließlic̍ (unter „starkem kulturellem Druck“) auc̍ im ɒereic̍ der Morphologie manifestieren. Berruto (1997: 26) zufolge lässt sich die Situation der italienischen

Sprachgemeinschaft in der Typologie von Thomason/Kaufman auf der Stufe des „intensiven Kontaktes“

verorten, die durch eine hohe Anzahl lexikalischer Entle̍nuňen sowie „mäßǐe bis starke“ strukturelle Entlehnungsvorgänge vor allem in den Bereichen der Phonologie und der Syntax gekennzeichnet ist. Auf der letzten Stufe, auf der es nac̍ T̍omason/Kaufman durc̍ „overw̍elmiň loň-term cultural pressure from source-laňuǎe speaker ̌roup“ zu „massiven ̌rammatisc̍en Ersetzuňen“ in der Empfäňersprache kommt, sieht er die Entwicklung in der italienischen Sprachgemeinschaft noch nicht angekommen. Es sei allerdings noch zu diskutieren, ob es sic̍ im Falle der italienisc̍en Situation über̍aupt um ein „mantenimento di liňua“

(Berruto 1997: 27) oder nicht vielmehr um einen (zumindest beginnenden) Sprachenwechsel handele (vgl. ebd.).

24 Andere lexikalische Kontaktphänomene wie semantische Kalkierungen (gen. ghidun, ven. liganbi ‚link‘, ̌en.

picché, piem. sgnaché ‚cliccare‘, lomb. ciciàra ‚c̍at‘, vgl. Patrucco 2001, zit. in Berruto 2006: 114) und Hybrid-bilduňen bzw. „Kreuzuňen“ (kal. botteria ‚batteria di fuoc̍i d’artificio‘ aus ital. batteria und dial. botta

‚̌rande esplosione‘, rotamobuli ‚automobile‘ aus ital. automobile und dial. rota ‚ruota‘, vgl. Sobrero 1997: 414) finden sich weitaus seltener.

Bei den Elementen der ersten Gruppe handelt es sich um sog. prestiti di necessità (vgl.

Grassi/Sobrero/Telmon 1998: 173), d.h. um Lexeme, die aufgrund von Neuerungen in der au-ßersprachlichen Realität zur lexikalischen Bedarfsdeckung in die Dialekte entlehnt werden. So finden sich etwa in den meisten italienischen Dialekten bereits seit längerer Zeit und meist in phonetisch adaptierter Form die italienischen Lexeme radio, cinema, televisione, antenna, mi-nistro, ferroviere, dentifricio, liceo, università (Grassi 2011: 300). Italianismen jüngeren Da-tums stammen unter anderem aus dem Bereich der elektronischen Kommunikation:25 lomb.

messagg, piem. messagi ‚messǎ̌io‘, lomb./piem. interativ ‚interattivo‘, lomb. informatiga ‚in-formatica‘, piem. telefonin ‚telefonino‘, infraross ‚infrarosso‘, telematich ‚telematico‘ etc.

(Patrucco 2001, zit. in Berruto 2006: 114). Die Elemente der zweiten Gruppe stellen sog. pre-stiti di lusso (Como 2007: 250) dar, d.h. Entlehnungen, die nicht aus Gründen der lexikalischen Bedarfsdeckung, sondern vor dem Hintergrund des Prestiges der Quellsprache (hier: Standard-italienisch) stattgefunden haben. Hierbei ̍andelt es sic̍ um ‚ɑlltǎswörter‘ mit hoher Fre-quenz, die Konzepte bezeichnen, für die bereits ein dialektales Lexem vorhanden ist, sodass es zur Bildung von Synonymenpaaren26 kommt: lomb. grembial neben bigaröl ‚̌rembiule‘, piem.

sista neben kavanja ‚cesta‘ (Sobrero 1λλιμ 41η), bol. truvè neben katè ‚trovare‘ (Foresti 1λιιμ 242), kal. vestitu neben kustumi ‚vestito‘ und fazzulettu neben mukkaturi ‚fazzoletto‘ (Falcone 1977: 292, 293), siz. cicatrici neben settu ‚cicatrice‘ und macchia neben tacca ‚macc̍ia di sporco su un indumento‘ (Tropea 1λλ1μ 1ιθ) etc. In einǐen Fällen kommt es zu etymolǒisc̍

identischen Wortpaaren (Dubletten), die jedoch von den Dialektsprechern nicht als solche wahrgenommen werden (vgl. Sobrero 1997: 415): piem. aqua neben lautgeschichtlichem eva

‚aqua‘, sorèla neben seurî ‚sorella‘, fratèl/fradèl neben frèl ‚fratello‘ (De Mauro 1986: 376), kal. vespa neben véjsa ‚vespa‘ und cugnatu/cognatu neben kanatu ‚cǒnato‘ (Falcone 1977:

296), kamp. gomətə/vomətə neben (v)utə/(g)oveto ‚̌omito‘ (< CUɒITU(ε)) und sangue neben sank/sangə‚saňue‘ (ɑδCam) etc.

Die aus dem Italienischen übernommenen Lehnwörter, die ein dialektales semantisches Äquivalent haben, werden zunächst – häufig in phonetisch bereits angepasster Form – parallel zu den entsprec̍enden dialektalen δexemen ̌ebrauc̍t. In dieser P̍ase „ist der italienisc̍e Terminus als neu und Standard markiert, während der mundartliche Terminus als eher archaisch und lokal markiert ist“ (ɒerruto 1λκ4μ 1γη). Die Verwenduň beider δexeme unterliět teil-weise Beschränkungen durch den situativen Kontext.27 Im weiteren Verlauf bleibt die syno-nyme Verwendung von Dialektismus und Italianismus häufig nicht bestehen.28 Es kommt in

25 Die lokalen Dialekte, aus denen die jeweiligen Beispiele stammen, werden hier der Übersichtlichkeit halber nicht angegeben. Siehe dazu die Ortsangaben in den entsprechenden Quellen.

26 In einǐen Fällen ̍andelt es sic̍ nac̍ Tropea (1λλ1μ 1λθ) um „falsc̍e Synonyme“, „in quanto l’italianismo esprime una realtà parzialmente diversa rispetto al vocabolo tradizionale. Mentre parrucca e pilucca sono, infat-ti, perfettamente sinonimi, parruchera e pilucchera sono due figure piuttosto diverse designando pilucchera, a differenza della moderna parruc̍iera, la ‚parucc̍iera delle case sǐnorili di un tempo‘.“ Ä̍nlic̍ ver̍ält es sic̍

mit siz. culla ‚culla moderna (lettino-culla)‘ und naca (< gr. ) ‚antica culla con altre caratteristic̍e‘, sàbbia

‚sabbia di colore biancastro ottenuta dalla frantumazione di materiale calcareo e adoperata nell’impasto per la realizzazione dell’intonaco liscio‘ und rrina ‚sabbia tradizionale‘ oder prosciùttu ‚il prosciutto che si compra ǒ̌i nelle salumerie‘ und prisuttu ‚prosciutto fino a un cinquantennio addietro realizzato artǐianalmente dal macellaio del posto‘“ (ebd.).

27 Teilweise bestehen auch Beschränkungen hinsichtlich des sprachlichen (syntagmatischen) Kontexts. So ist die Verwendung von Italianismen in idiomatischen (häufig metaphorischen) Ausdrücken oder Redewendungen aus-geschlossen: siz. jittari a pruulìgghia nta-ll’òcchji ‚̌ettare la polvere něli occ̍i‘, aber*jittar’a cìpria nta -ll’occhji (siz. pruulìgghia ‚cipria‘, Tropea 1991: 197).

28 Die von Berruto (1984: 135f.) in der Klasse der „σeolǒismen, die bereits beste̍ende entsprec̍ende Termini von ̌anz versc̍iedener Form und Etymolǒie in der εundart ersetzen“ in sync̍roner Perspektive untersc̍iede-nen „Fälle“ stellen in diac̍ronisc̍er Perspektive ̍äufǐ versc̍iedene P̍asen eines Prozesses dar. So sind die

der Folge entweder zu einer Ersetzung des dialektalen Terminus durch das italienische Lehn-wort29 oder zur Spezialisierung eines Lexems oder beider Lexeme. Spezialisiert sich ein Lexem, handelt es sich meist um den Dialektismus: piem. radìz ‚radice‘ vs. rèiz ‚torso, ̌rande radice‘, ven. fornèr ‚fornaio‘ vs. pèk ‚colui c̍e cuoce il pane, aiutante del fornaio‘, kadéna ‚catena (dell’ancora)‘ vs. kaìna ‚catena del camino‘ (ɒerruto 1984: 136). In selteneren Fällen speziali-sieren sich sowohl das dialektale als auch das dem Italienischen stammende Lexem: milan. söl

‚pavimento sporco o dell osteria‘ vs. paviment ‚pavimento pulito o di casa‘ (εassariello Merzagora 1985: 432), kal. gjombaru ‚̌omitolo di confezione artǐianale‘ vs. gomitulu ‚̌omi-tolo di confezione industriale‘ (Falcone 1λιιμ βλθ).

Die phonetische Integration von Lehnwörtern kann Veränderungen im phonologischen System der Dialekte auslösen (vgl. Sobrero 1997: 417 sowie Weinreich 1977: 47f.). Dies ge-schieht besonders leicht in den Fällen, in denen der Italianismus und der Dialektismus etymo-logisch identisch sind (Dubletten, s.o.) und damit einen Teil des phonetischen Materials ge-meinsam haben. Die Restrukturierung des phonologischen Systems kann auf verschiedenen Wegen verlaufen (vgl. Berruto 1984: 129f.). In den weitaus meisten Fällen handelt es sich um Veränderungen der Distribution dialektaler Phoneme nach italienischem Muster, die aufgrund des konservativen Charakters des Standarditalienischen teilweise zu einer ‚Umke̍ruň‘ sprach-historischer Entwicklungen in den innovativeren Dialekten führen (nach De Mauro (1986: 154)

„rěressione verso fasi arcaic̍e“). So lässt sich etwa in den lombardischen und piemontesi-schen Dialekten die (Wieder-)Einführung von intervokalischem [t] (z.B. [fraˈtɛl] ‚fratello‘) be-obachten, das im Laufe der Lautentwicklung zunächst sonorisiert und im Anschluss durch Syn-kopierung getilgt worden war ([frɛl]). In das Romanesco finden der intervokalische Konsonan-tennexus [mb] ([koˈlomba] ‚colomba‘) anstelle von dial. [mm] und [l] vor Konsonant ([ˈkaltsa]

‚calza‘) anstelle von dial. [r] wieder Eiňaň (Sobrero 1λλιμ 41ι). Im εailändisc̍en ̍at – durc̍ die Intěration italienisc̍er δexeme, die [u] < ̣ < Ŭ (z.ɒ. lungo, fungo, pungere) haben – zunächst in den mailändischen Pendants und dann allgemein eine Ersetzuň von [o] < Ŭ durc̍

[u] statťefundenμ [lo k], [fon ], [spon ] ρ [lu k], [fun ], [spun ] (Molinari 1976: 416). Auch auf silbenstruktureller Ebene können sich durch die Übernahme italienischer Lexeme, die im Dialekt ein lautgeschichtlich entwickeltes Äquivalent haben, Veränderungen in den Dialekten ergeben, wie die Wiederherstellung des unbetonten Vokals in lautgeschichtlich synkopierten Lexemen im Bolognesischen zeigt: [ʃgumˈtɛ] ‚̌omitata‘ ρ [ʃgumiˈtɛ], [priguˈlauʃ] ‚pericoloso‘

> [perikuˈlauʃ] etc. (Foresti 1977: 243).

Neben der Ersetzung von dialektalen Phonemen bzw. Phonemkombinationen durch ita-lienische Varianten kommt es auch zur Einführung von Phonemen des Itaita-lienischen, die die Dialekte nicht kennen (und nie gekannt haben), so etwa des Phonems [ʎ] in die norditalieni-schen Dialekte, die an seiner Statt lauthistorisch [j] haben: tess. [ abaˈʎon] ‚zabǎlione‘ statt [ abaˈjon], lomb. [maˈʎon] ‚mǎlione‘ statt [maˈjon] (Berruto 1984: 130).

Eine dritte Art der phonologischen Restrukturierung ist die Ersetzung dialektaler Pho-neme oder phonetischer Varianten, die im Italienischen nicht vorhanden sind, durch solche, die

von Berruto als Teile scheinbar stabiler Synonymenpaare klassifizierten lombardischen Dialektismen erbiũũ ‚pi-selli‘ und cifũũ ‚comodino‘ laut Saňa (1λκ4μ β1) bereits „in via di completa sostituzione con piséi e cumudĩ, mentre resistono ancora bene erburĩĩ ‚prezzemolo‘, tumàtes ‚pomodori‘, caròtul ‚carote‘ e naturalmente cúu

‚testa‘.“ ɑuc̍ Weinreic̍ (1λιιμ ιι) ̌e̍t davon aus, dass die „V e r m i s c ̍ u n ̌ d e r G e b r a u c ̍ s w e i- s e n oder auc̍ vollständǐe Übereinstimmuň des In̍alts zwisc̍en altem und neuem Wort […] wa̍rsc̍einlic̍

auf die frü̍en P̍asen des jeweilǐen Sprac̍kontaktes besc̍ränkt“ ist.

29 Im Falle lexikalischer Serien wie etwa der Wochentage betrifft die Übernahme aus dem Italienischen alle Le-xeme der Serie: siz. luneddì, marteddì, mercoleddì/mercoldì, ggiovedì, vennerdì/vernerdì statt luni, marti, mèr-curi, jovi, venniri, die zunächst durch lunidìa, martidìa, mercuridìa etc. ersetzt wurden (Tropea 1991: 194f., ven-niri taucht in seiner Liste nicht auf, lässt sich aber anhand der dort genannten Form venven-niridìa ergänzen).

dem korrespondierenden italienischen Laut näher stehen oder entsprechen. Dies ist etwa bei der Ersetzuň der dentalen Frikative [ ] und [ð] durc̍ [s] bzw. [z] in den Dialekten des Veneto der Fall: [ˈ ento] ρ [ˈsento] ‚cento‘, [ˈmɛðo] > [ˈmɛzo] ‚mezzo‘ (ɒerruto 1λκ4μ 1γ0f.). Im Turine-rischen und Mailändischen lässt sich eine Ersetzung von betontem [ ] durch [a] ([ˈk lt] > [ˈkalt]

‚caldo‘, [ˈk sa] (sic) > [ˈkalsa] ‚calza‘, Sobrero 1997: 417) beobachten. Das dem Italienischen unbekannte Phonem /ʒ/ ist im Mailändischen weitestgehend durch den stimmlosen Sibilanten /ʃ/ ersetzt worden und findet sich nur noch in einzelnen Termini und insbesondere in Franzö-sismen wie [ʒamˈbᴐn] ‚prosciutto‘ (εassariello εerzǎora 1λκημ 4γ1). ɑls natives P̍onem wird /ʃ/ wiederum dort, wo das Italienische im entsprechenden Lexem / / aufweist, durch dieses ersetzt: lomb. [ˈʃɛnder] > [ˈ ɛner] ‚cenere‘ (ebd.: 435).

Die (Morpho-)Syntax der italoromanischen Dialekte ist deutlich weniger ‚anfällǐ‘ für Annäherungen an das System des Standarditalienischen als das Lexikon und der Bereich der Phonetik/Phonologie. Zudem sind die hier beobachtbaren Veränderungen nicht immer (aus-schließlich) struktureller Natur: „[…] [S]pesso la modificazione della sintassi dialettale è più propriamente, o almeno è contemporaneamente, una innovazione lessicale-semantica“ (Grassi 2011: 291). So ̌e̍t die native Perip̍rase aus der lat. Konstruktion ‚HɑɒEτ + Infinitiv‘ (agu d’andà dal dutùr‚devo andare dal dottore‘) im εailändisc̍en (und anderen ̌alloitalienisc̍en Dialekten) zugunsten der standarditalienischen Konstruktion aus lat. DEBEO + Infinitiv (deu nò mangià ‚non devo maňiare‘) zurück (εassariello Merzagora 1985: 431). Im Lombardi-schen findet sich eine Negationsstruktur, die sowohl dialektale als auch italienische Elemente beinhaltet: non so mia tant bon ‚non sono tanto capace‘ (ital. präverbale Partikel non + lomb.

postverbale Partikel mia, vgl. Patrucco 2001, zit. in Berruto 2006: 115f.). In den norditalieni-schen Dialekten führt der Einfluss des Italieninorditalieni-schen zur Tilgung des Elementes ke aus den Dop-pelkonjunktionen mentre ke, kume ke, kwan ke etc. (Berruto 1984: 134).

Die stärkste Resistenz gegen den Einfluss des Standarditalienischen findet sich im Be-reich der Morphologie, die durch ihre paradigmatische Organisation grundsätzlich die höchste Stabilität aller sprachlichen Subsysteme gegenüber äußeren Einflüssen aufweist. Gerade diese feste Struktur führt jedoch dazu, dass im Falle von Veränderungen meist nicht einzelne Ele-mente, sondern ganze Serien (Artikel, Pronomen etc.) betroffen sindμ „Proprio la compattezza della microstruttura può dunque favorire, contraddittoriamente, l’iňresso dell’innovazione, che coinvolge tutta la serie nel suo insieme e non soltanto un suo elemento isolato“ (Grassi 2011: 298). Ein typisches Beispiel ist die Ersetzung des Paradigmas der Possessivpronomen, die in vielen norditalienischen Dialekten zu beobachten ist: mè, tò, sò > mio, tuo, suo. Hier handelt es sich nicht nur um einen morphologischen, sondern auch um einen lexikalischen Wechsel (Berruto 1984: 134). Ein häufig anzutreffendes Kontaktphänomen an der Schnittstelle zwischen Phonologie und Morphologie ist die Aufgabe der metaphonischen Pluralbildung – die das Italienische nicht kennt – in verschiedenen italoromanischen Dialekten. In den piemontesi-schen Dialekten verliert sich diese etwa bei Paaren wie [buˈtu ]/[buˈtɛ ̌] ‚bottone/-i‘ (Sobrero 1997: 418), [gat]/[gɛt] ‚̌atto/-i‘, [tə ]/[ti ] ‚tetto/-i‘, im Venetisc̍en beispielsweise im Falle von [ˈtozo]/[ˈtuzi] ‚rǎazzo/-i‘, [moˈrozo]/[muˈruzi] ‚fidanzato/-i‘. Der Verlust der internen Flexion durch Aufgabe der Metaphonie findet sich auch in verbalen Paradigmen: ven. [ˈkuri] >

[ˈkori] ‚corri‘, [ˈsinti] > [ˈsenti] ‚senti‘ (ɒerruto 1λκ4μ 1γβ). Im δombardischen, in den Dialek-ten des Salento (Bruni 1984: 84) und auch in den kampanischen DialekDialek-ten (vgl. Kap. 3.3.4.3) lässt sich ein starker Rückgang der Pluralbildung mit dem lateinischen Suffix -ORA (lomb.

campo - càmpora ‚campo - campi‘, prato - pràtora ‚prato - prati‘, fico - fìcora ‚fico - fic̍i‘, Grassi 2011: 297), zugunsten der italienischen Pluralbildung auf -i beobachten.

Im Bereich der Wortbildung kommt es in den Dialekten teilweise zur Übernahme ita-lienischer Affixe: So wird der Superlativ im Mailändischen heute nicht mehr allein mit der Konstruktion multu + Adjektiv (die ihrerseits die Konstruktion tant + Adjektiv ersetzt hat), sondern auch durch Affigierung der Adjektive mit dem Suffix -ísim (< ital. -issimo) ausge-drückt: ütilísim ‚utilissimo‘, pùtentísim ‚potentissimo‘ (εassariello Merzagora 1985: 431, 433).

In Lexemen, die italienische Entsprechungen aufweisen, kommt es zur Ersetzung von dialekta-len Präfixen oder Suffixen durch die entsprechenden italienischen Morpheme: bol. arnaser ‚ri -nascere‘ > rinaser, lavuradaura ‚lavoratrice‘ > lavuratríz (Foresti 1977: 243).

2.4 Diachronische Entwicklungen der diatopischen Variation: Koineisierung