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Die Campania von der vorrömischen Zeit bis zum Mittelalter

3.2 Geschichtlicher Überblick

3.2.1 Die Campania von der vorrömischen Zeit bis zum Mittelalter

Die Siedlungsgeschichte der Campania ist geprägt durch das Aufeinanderfolgen und die Koexistenz vieler versc̍iedener Völker, „una sequenza c̍e è propriamente una successione di egemonie, in cui nessun popolo a rigore scaccia quello che lo ha preceduto, ma piuttosto, senza annientarlo, ̌li si sovrappone“ (Colonna 1981: 66).

Die ersten historisch zuordenbaren Siedluňen sind jene ‚protoitalisc̍er‘ Volksstämme, darunter die Siedlungen der Ausoner im Nordwesten der heutigen Campania, die sich im Süden bis zum Fluss Volturno erstreckten sowie die Siedlungen der Opiker (gr. Opikoi).55 Im 9. Jh. v.

Chr. drangen die Etrusker von Norden (heute Region Latium) in die kampanische Küstenebene ein, wo sie zahlreiche Siedlungen gründeten (neben dem wichtigen Handelszentrum Capua (ca.

800 v. Chr.) u.a. Nola und Nocera), die sich im Süden vereinzelt bis zum Fluss Sele erstreckten (Pontecagnano). Ab dem 8. Jh. v. Chr. wurde die neapolitanische Küstenregion durch die Grie-chen (Euboer) kolonialisiert.56 Als älteste griechische Gründung im westlichen Mittelmeer gilt Pithecussa57 (heute Ischia, ca. 770 v. Chr.), der auf dem Festland 750 v. Chr. Kyme (heute Cuma), ca. 700 v. Chr. Parthenope (im Gebiet des heutigen neapolitanischen Stadtteils San Ferdinando), 531 v. Chr. Dicearchia (heute Pozzuoli) und ca. 480-470 v. Chr. Neapolis (Nea-pel) folgten.58 Das griechische Volk lebte in friedlicher Koexistenz mit der autochthonen Be-völkerung und pflegte einen intensiven wirtschaftlichen und kulturellen Austausch mit den im Hinterland angesiedelten Etruskern.59

Auch im Süden der Region gründeten die griechischen Kolonisatoren strategisch wich-tige Küstenstädte, darunter Poseidonia (ca. 625 v. Chr., heute Paestum), Palinuro (heute Cen-tola, ca. 547 v. Chr.), Elea (ca. 530 v. Chr., lat. Velia, heute Ruinenstätte nahe Ascea) und Pyxous (ca. 470 v. Chr., lat. Buxentum, heute Santa Marina am Golf von Policastro).60 Hier unterhielten die griechischen Siedler ebenfalls gute wirtschaftliche Beziehungen zu den nörd-lich des Sele angesiedelten Etruskern. Als wirtschaftnörd-liche Umschlagplätze auf der Route zwi-schen Etrurien und den ionizwi-schen Städten erfuhren insbesondere Poseidonia und Elea wirtschaftlichen Wohlstand und demografisches Wachstum.

55 Die folgenden Ausführungen orientieren sich mehrheitlich an Ruocco (1976: 6ff.).

56 Zur (Kultur-)Geschichte der Magna Graecia vgl. De Palma (1980).

57 Das Toponym bezeichnete in griechischer Zeit sowohl die auf dem Monte di Vico errichtete Stadt als auch die gesamte Insel.

58 Die Prägung Neapels durch die griechische Sprache und Kultur wird unter anderem darin deutlich, dass die Stadt zur Zeit der römischen Herrschaft als « quasi Graecam urbem » (Tacitus, Annalen XV, 33) betrachtet wur-de. In byzantinischer Zeit hatte das Griechische (als Sprache der Septuaginta und der oströmischen Kirche) in Neapel insbesondere im religiösen Bereich eine zentrale ɒedeutuňμ „[σ]on mancavano in città insediamenti di monaci di rito greco, e almeno nelle funzioni relǐiose era piuttosto usuale il ricorso al ̌reco accanto al latino“

(Bianchi/De Blasi/Librandi 2002: 631).

59 „[G]li Etruschi ritrovano, come nella Padania, la vocazione di mediatori tra i Greci e i Barbari. Il conflitto sul mare, il conflitto per la talassocrazia con Cuma è tutt’altra cosa, rǐuarda le poleis costiere dell’Etruria propria, non influisce sui destini dell’Etruria campana“ (Colonna 1981: 72).

60 τb die Gründuň von ɑ̌ropoli (< ̌r. Ά όπο ) ebenfalls in der ̌riec̍isc̍en ɑntike statťefunden hat, ist unklar. Erstmals belegt ist Agropoli im Jahr 592 in einem Brief von Gregorio Magno an den Bischof von Agro-poli (vgl. Rohlfs 1988: 114). Rohlfs schließt daraus, dass die Gründung bereits weit früher stattgefunden haben mussμ „Poic̍é si tratta di una sede vescovile, non è molto probabile c̍e la città sia stata fondata nel breve periodo del dominio bizantino, che inizia solo nel 552“ (ebd.).

Im 5. Jahrhundert v. Chr. drangen die oskischsprachigen Samniten (osk. *Safinèis) von Norden und Nordosten in die Campania ein und unterwarfen die dort siedelnden Opiker.61 Das Volk der Samniten bestand aus verschiedenen Stämmen, die im militärischen Bund der Lega sannìtica miteinander verbunden waren. Ihr Siedlungsgebiet (lat. Samnium < osk. Safinim) er-streckte sich im Norden bis zum Fluss Sangro, im Süden bis zu den Flüssen Sele und Ofanto und im Osten bis zum Gebiet der Apulier und Frentaner (s. Karte 4).62 Während die Careciner im nördlichsten Teil des Samnium südlich des Sangro (heute Regionen Abruzzo und Molise) siedelten, erstreckte sich das Gebiet der Pentrer von Isernia (heute Region Molise) im Norden bis auf die Höhe des Volturno in die Campania hinein und umfasste zudem Gebiete östlich der heutigen Campania (bis Lucera).63 Südlich schloss sich etwa auf der Höhe des Flusses Calore das Siedlungsgebiet der Hirpiner an (lat. Irpini < osk. (h)irpus ‚Fuc̍s‘, v̌l. Galasso 2005: 67).64 (Süd-)westlich des Gebietes des Pentrer, an der Grenze zur kampanischen Küstenebene, siedel-ten die Caudiner.65 Südlich des Sele (heute Provinz Salerno) lebten die ebenfalls oskischspra-chigen, jedoch nicht zum Volk der Samniten gehörigen Lukaner, deren Gebiet sich im Süden bis zum ionischen Meer erstreckte (lat. Lucania, heute Region Basilicata).

Die Samniten drangen Ende des 5. Jahrhunderts bis in die Küstenregion um Neapel vor, wo sie 423 v. Chr.66 Capua und 421 v. Chr. Cuma eroberten. Kurze Zeit später – im 4. Jh. v.

Chr. – eroberten die Lukaner den Kernbereich des Cilento67 (um Vallo di Diano), mit Ausnahme

61 Die samnitische und auch im Lateinischen gebräuchliche Bezeichnung Osci (< osk. *Ops-ci aus dem Thema ops-, vgl. osk. opsaom ‚lavorare‘) stellt wo̍l eine an die Sprac̍e der Samniten (̍eute „oskisc̍“) p̍onetisc̍ an-gepasste Form des griechischen Terminus Opikoi an dar (vgl. Devoto 1951: 112). Durch die Einbürgerung der ɒezeic̍nuň „oskisc̍“ (in „oskisc̍-umbrisc̍“) für einen Zweig der italischen Sprachfamilie ist heute die Unter-scheidung zwischen den ethnischen Termini und den dazugehörigen Sprachbezeichnuňen wic̍tǐμ „[δ]’antico nome di τpici appartenesse allo strato più antico di Indoeuropei e la forma τsci rappresenti l adattamento dello stesso nome agli Italici sopraggiunti. Sicc̍é ‚opico‘ può continuare a sǐnificare un popolo affine ǎli ɑusoni,

‚osco‘ un popolo italico, con le rispettive liňue, la « opica » protolatina, la « osca » italica […]“ (Devoto 1951:

139).

62 Zur Siedlungsgeschichte des Samnium vgl. Salmon (1985).

63 Das entsprechende Gebiet innerhalb der Campania, das einen Großteil der Provinz Benevento umfasst, wird heute auch als Sannio Beneventano bezeichnet. In der vorliegenden Arbeit wird synonym auch die Kurzform

‚Sannio‘ verwendet.

64 Die historische Region, die in etwa die heutige Provinz Avellino umfasst, wird heute als Irpinia bezeichnet.

65 Von der Besiedelung durch die oskischsprachigen Stämme zeugen in den heutigen Provinzen Benevento und Avellino zahlreiche Toponyme, die zum Teil auf das Volk der Samniten (Gioia Sannìtica, Cerreto Sannita, Colle Sannita etc.) und zum Teil auf einzelne Stämme (Ariano Irpino, Bagnoli Irpino, Valle Caudina etc.)

zurückgehen. In der Strataforschung werden einzelne strukturelle Merkmale bestimmter kampanischer Dialekte auf das oskisch-samnitische Substrat zurückgeführt, im phonologischen Bereich etwa die Präsenz von /f/ anstelle von lat. /b/ oder /v/ in aneap., irp. und cil. ottufrə(lat. τCTτɒER) ‚ottobre‘, tufə (lat. TŬɒɑ) ‚corno ricavato da una conchǐlia ed usato dai pastori‘ oder neap. rafaniéllə ‚ravanelli‘ (ɑvolio 1λλημ κ, v̌l. auc̍ Ro̍lfs 1λι1μ 41).

Im Bereich der Morphologie wird unter anderem angenommen, dass den kampanischen Perfektformen der 2.

und 3. Konjugation (facèttə ‚fece‘, rurmèttə ‚dormʣ‘ etc.) das oskisc̍-umbrische Perfekt auf -tt- zugrunde liegt:

osk. dadíkatted (lat. DĬCĀVIT), prúfatted (lat. PRŎɒĀVIT) etc. (ɑvolio 1λλημ 10). Zur sprac̍lic̍en und kultu-rellen Stellung des Samnitischen zwischen dem 6. und dem 4. Jh. v. Chr. vgl. Prosdocimi (1981).

66 Als Zeitpunkt der Eroberung von Capua wird häufig das Jahr 445 v. Chr. angegeben. Nach Salmon handelt es sic̍ dabei jedoc̍ um eine Fe̍linterpretation eines Passus bei Diodoros, der ̍ier ledǐlic̍ besc̍reibt „c̍e nel 445 i Campani si affermarono come nazione separata e distinta (a Capua, o nelle vicinanze, a giudicare dal loro nome)“ (Salmon 1985: 39).

67 Der Terminus Cilento (lat. Cis-Alentum ‚diesseits des (Flusses) ɑlento‘) bezeic̍nete ursprüňlic̍ nur das Gebiet um Agropoli und Castellabate, das im Besitz der Abtei von Cava dei Tirreni war und später aufgrund seiner strategisch vorteilhaften Position von Byzanz und den Langobarden umkämpft und mehrmals (821 und 882 n. Chr.) von den Sarazenen besetzt wurde. Heute werden mit dem historisch-geographischen Terminus meist die Gebirgsregionen zwischen der Ebene des Sele und dem Golf von Policastro bezeichnet (vgl. Ruocco 1976:

203).

von Elea. Die griechische Kultur blieb in den eroberten Gebieten jedoch bestehen und existierte fortan neben der lukanischen.68

Karte 4. Das Samnium um 350 v. Chr (Salmon 1985: 27).

Etwa zur Zeit der samnitischen und lukanischen Eroberungen begann die Expansion des römi-schen Reiches im südlichen Teil der Apenninen-Halbinsel. Als die römirömi-schen Truppen die Campania erreichten, kam es – begünstigt durch das Hilfeersuchen der gegen die samnitische Besetzung rebellierenden Städte Capua und Teano an das römische Reich – 343 v. Chr. zum ersten Samnitenkrieg (bis 341 v. Chr.), dem zwei weitere (327 bis 304 v. Chr. und 298 bis 290 v. Chr.) folgten und der mit der Vertreibung der Samniten aus dem Gebiet der römischen Cam-pania69 endete. Im Rahmen der administrativen Neuordnung des nun erweiterten Imperium Ro-manum wurde das samnitische Siedlungsgebiet zerschlagen: Die römische Region IV (Sam-nium) umfasste den Norden des ursprünglichen Samnium, d.h. die Siedlungsgebiete der Care-ciner und der Pentrer, während das Siedlungsgebiet der Hirpiner der Region II (Apulia et Calabria) zugeteilt und das Siedlungsgebiet der Caudiner Teil der Region I (Latium et Campa-nia) wurde.

Die innerhalb der Campania (insbesondere im vorrömischen Samnium) bereits vorhan-dene Infrastruktur wurde zu einem Teil des zu militärischen und wirtschaftlichen Zwecken ge-nutzten römischen Straßennetzes umgebaut und erweitert. Von der Via Appia, die Rom mit der Stadt Brindisium (heute Brindisi) verband und von Westen nach Osten durch die Campania verlief (s. Karte 5), zweigte in Capua die Via Popilia ab (auch Via Annia, s. Karte 6) ab, die von dort parallel zur tyrrhenischen Küste durch die Region Kalabrien bis nach Reggio (lat.

68 Die Besetzer profitierten dabei von der hochentwickelten griechischen Kultur: Das (Oskisch-)Lukanische wurde unter anderem mittels des griechischen Alphabets verschriftlicht (vgl. Avolio 1995: 5).

69 Der Terminus Campania bezeichnete zu römischer Zeit die Ebene zwischen dem Massiv des Roccamonfia, dem Subappennino campano und dem Vesuv. Aufgrund der hohen Fruchtbarkeit des Bodens, der Milde des Kli-mas und der üppigen Vegetation trug die Campania bei den klassischen Autoren den Beinamen felix. Über die Via Popilia und die Via Appia (s.u.) belieferte sie das römische Reich mit Produkten aus dem Fischfang, dem Obst- und Gemüseanbau sowie der Ölgewinnung (vgl. Rohlfs 1933: 257).

Reghium) führte (daher auch Via Capua-Reghium). Unter Kaiser Traian wurde mit der Via Traiana eine zweite Verbindung zwischen Rom und Brindisi eingerichtet, die in Benevento (lat. Beneventum)70 von der Via Appia abzweigte (s. Karte 5), sodass schließlich drei der wich-tigsten Viae Romanae durch die Campania verliefen und diese als infrastruktureller Knoten-punkt fungierte.

Karte 5. Verlauf der Via Appia (rot) und der Via Traiana (blau) im Gebiet der heutigen Campania (Ausschnitt aus Shepherd (1923: 30-31)μ „Reference εap of ɑncient Italy. Sout̍ern Part“).

Karte 6. Verlauf der Via Popilia im Gebiet der heutigen Campania (Ausschnitt aus Shepherd (1923: 30-31)μ „Reference Map of ɑncient Italy. Sout̍ern Part“).

70 Das ehemalige samnitische Zentrum, dessen (latinisierter) Name Mal(e)ventum lautete, war nach der Erobe-rung durch das römische Reich (275 v. Chr.) römische Kolonie geworden und trug ab 268 v. Chr. den Namen Beneventum (vgl. Galasso 2005: 73).

Nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches wurde Kampanien 493 n. Chr. von den Ost-goten erobert, die jedoch den Krieg um die Vorherrschaft im Jahr 553 gegen Byzanz verloren.

Im Jahr 570 besetzten die Langobarden, die zuvor schon weite Gebiete Nord- und Mittelitaliens unter ihre Herrschaft gebracht hatten, das Samnium und eroberten von dort aus Kampanien, Lukanien sowie große Teile Apuliens (bis auf das Salento) und Kalabriens.71 In den folgenden Jahrhunderten bestimmten die politische Zweiteilung in einen griechischen (zum Exarchat von Italien gehörigen) und einen langobardischen Herrschaftsbereich (Ducato di Benevento, s.

Karte 7) und die damit einhergehenden politischen Spannungen und militärischen Auseinan-dersetzungen die Geschichte Süditaliens und damit auch Kampaniens.72 Während das kampa-nische Inland mit Benevento als Zentrum des Ducato und auch die südlichen Küstengebiete bis einschließlich Salerno im Norden unter langobardischer Herrschaft waren, standen die griechi-schen Gründungen am Golf von Neapel und am Golf von Salerno – auch wenn sie sich bereits Mitte des 9. Jahrhunderts zu mehr oder weniger autonomen Ducati (Ducato di Gaeta, Ducato di Napoli73, Ducato di Amalfi, Ducato di Sorrento) entwickelt hatten – weiterhin in politischer Verbindung mit dem byzantinischen Reich und sicherten sich durch enge maritime Handelsbe-ziehungen zu Byzanz wirtschaftliches Wachstum. Das langobardische Siedlungsgebiet war da-gegen in erster Linie durch Agrarwirtschaft und kleinere Siedlungs- und Handelszentren ge-kennzeichnet.74 Die somit nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch motivierten zahlrei-chen Versuche der Eroberung Neapels (816-836) blieben vergeblich.75

71 Mit dem Ducato di Spoleto, das Teile der Abruzzen, der Marken, Latiums und Umbriens umfasste, bildete das Ducato di Benevento die sog. Langobardia Minor. Die Langobardia Maior war hingegen das Siedlungsgebiet der Langobarden in Norditalien (mit Hauptstadt Pavia). Zur Geschichte der Langobardia Minor vgl. Gay (1904), Cilento (1966) und Peduto (2004).

72 Parlangèli (1960) betont die Bedeutung der politisch-administrativen Opposition zwischen langobardischen und griechischen Gebieten für die Entstehung des sprachlichen Profils des Meridione und weiterer Teile Italiens:

„[δ]à dove si formò un confine politico, amministrativo e militare fra territori laňobardi e territori bizantini, là si formò anche un importante confine linguistico“ (Parlangèli 1960: 55). Insbesondere im Salento stellt er eine

„straordinaria corrispondenza fra evoluzione liňuistica e storia politico-amministrativa“ (ebd.μ ηβ) fest. Die ɒe-deutung der langobardischen Besetzung großer Teile Italiens und der dadurch entstandenen Zweiteilung der Apenninenhalbinsel in einen langobardischen und einen griechischen Teil für die Entwicklung des sprachlichen Profils betont bereits Schürr (1933: 227) im Hinblick auf die Dialektgrenze zwischen dem Romagnolischen und dem Toskanischen.

73 Neapel hatte bereits 661 den Status eines Ducato vom byzantinischen Kaiser Konstans II. erhalten.

74 Auch Spuren der langobardischen Besiedelung finden sich in der Campania in vielen Toponymen (Sabatini 1963: 146ff.): Casa Cafaggio (BN), Gaio (villaggio, SA) < langob. *gahagi ‚terreno (bosco, pascolo o altro) ri-servatoν bandita‘ν Fara (contrada in Ailano, BN), Grotta di Farìnnola (bei Sala Consilina, SA) < langob. fara

‚piccolo nucleo demǒrafico e fondiario‘, Gaudi (villaggio, CE), Gaudello (frazione von Acerra, NA), Monte Gaudello (BN), Gaudo (villaggio, SA), Galdo (fraz. von Pòllica, SA) u.a. < langob. *wald ‚bosco‘, Sala Consi-lina (SA), Sala (fraz. von Caserta, CE), Sala (villaggio, BN), La Sala (fraz. von Montoro, AV), Sala (fraz. von Serino, AV), Sala (fraz. von Corbara, SA) etc. < langob. sala ‚casa per la residenza padronale‘, dann ‚casa di campǎna‘, Atripalda (AV) < langob. Tripald (männl. Eigenname), Pontelandolfo (BN) < langob. Landulf (männl. Eigenname, De Blasi 2006: 16). Avolio (1995: 24) führt das Element guardia in Guardia Sanframondi (BN) und Guardia dei Lombardi (AV) auf langob. ward, got. wardja (< germ. wardon, waron ‚prestare atten-zione‘) zurück. Sein Verweis auf die „Wic̍tǐkeit“ der Spezifikation dei Lombardi lässt vermuten, dass er den Terminus Lombardi auf Longobardi zurückführt. Beide Toponyme finden sich bei Sabatini (1963: 165) nicht unter denjenigen, die langob. ward weiterführen. Seiner Position zufolge verweist die Form Lombardi nicht auf die Longobardi, sondern auf die lombardischen Siedler, die aus dem Norden Italiens mit den Normannen nach Süden kamen (s.u.). Damit ist für ihn wohl auch die Rückführung von guardia auf langob. ward ausgeschlossen.

Allerdiňs räumt er ein, dass nic̍t auszusc̍ließen ist, dass „i n q u a l c h e c a s o la forma allogena lombardo si sia sovrapposta nel Sud alla forma originaria longobardo“ (ebd.μ 1θ0).

75 Zur Verteidigung gegen die langobardischen Eroberungszüge nahm Neapel (wie auch Gaeta) die militärische Hilfe der Sarazenen in Anspruch, die insbesondere im 9. Jahrhundert immer wieder Teile Süditaliens besetzten und erst 915 (unter Mithilfe Neapels) endgültig aus der Campania (Gebiete um den Garigliano und Agropoli) vertrieben werden konnten (Gay 1904: 239).

Nach einem Bürgerkrieg kam es im Jahr 849 zur Teilung des Ducato di Benevento in das Principato di Benevento (mit Haupstadt Benevento), das das Gebiet im Nordosten und das Principato di Salerno (mit Hauptstadt Salerno), das die Gebiete im Süden und Westen umfasste (s. Karte 8). Im Jahr 860 kam es zur Abspaltung des Contea di Capua (ab 900 als Principato di Capua mit dem Principato di Benevento in Personalunion regiert), dessen Zentrum das nach seiner Zerstörung durch die Sarazenen (841) am Ufer des Volturno auf den Ruinen Casilinums im Jahr 856 neu erbaute Capua wurde.

Zu einer weiteren militärischen und politischen Schwächung der zeitweilig wiederver-einten langobardischen Territorien kam es im 9. und 10. Jahrhundert durch den fortdauernden Krieg mit Byzanz, dem es gelang, große Teile Apuliens76, Lukaniens (bis zum südlichen Cilento) und Kalabriens zurückzuerobern und – neben anderen Städten in der Campania – im Jahr 891 sogar Benevento zu besetzen, das 892 bis 894 Hauptstadt des griechischen Themas Langobardia war.77

Karte 7. Das Ducato di Benevento in seiner maximalen Ausdehnung um 750 n. Chr (Cilento 2005: 49).

76 Besonders umstritten waren einerseits immer wieder die strategisch und wirtschaftlich bedeutenden adriati-schen Hafenstädte (insbesondere Siponto) und andererseits – vor allem im 10. Jahrhundert – die byzantinisch-langobardische Grenzlinie, die von Bovino über Ascoli Satriano, Acerenza und Tricarico bis zur Nordgrenze des Themas Calabria (s.u.) führte. Bovino wurde unter anderem 908 und 969/970 umkämpft und wechselte

mehrmals die politische Zugehörigkeit (vgl. Falkenhausen 1967: 31).

77 Die Themata (Thema Langobardia, Thema Calabria, Thema Sikelia (Sizilien)) waren die Verwaltungseinhei-ten, in die der byzantinische Herrschaftsbereich in Süditalien Ende des 9. Jahrhunderts eingeteilt worden war.

Zur Geschichte der byzantinischen Herrschaft in Süditalien im Früh- und Hochmittelalter vgl. Falkenhausen (1967) und Gay (1904).

Karte 8. Politische Gliederung der Campania im 10. Jahrhundert (Ruocco 1976: 10).