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Effektive und schülerorientierte Unterrichtsführung

2.3 Standard-basierte Unterrichtsgestaltung durch Kompetenzorientierung

2.3.2 Kompetenzorientierung im Mathematikunterricht

2.3.2.3 Effektive und schülerorientierte Unterrichtsführung

Blum (2006) vereint in diesem Qualitätsmerkmal die scheinbar gegensätzlichen Kriterien der Unterrichtsgestaltung, sich einerseits konsequent am Schüler zu orientieren und ande-rerseits eine effiziente Bearbeitung des Lernangebots herbeizuführen. Kunter (2005) über-trägt das aus dem angloamerikanischen Raum stammende Konzept des effective class-room management nach Kounin (1976) in den deutschen Sprachraum mit dem Begriff der

„Direkten Instruktion“. Im Kern geht es bei einem effektiven Unterrichtsmanagement darum, den Stundenablauf zügig, gradlinig und gut organisiert umzusetzen und Zeitver-zögerungen durch Disziplinprobleme zu vermeiden. Schülerinnen und Schülern soll es durch eine starke Lenkung der Lehrkraft ermöglicht werden, dem Unterricht aufmerksam zu folgen. Das die Unterrichtsquantität ansprechende Ziel, den Schülerinnen und Schülern ein möglichst großes Zeitangebot für die Auseinandersetzung mit mathematischen Inhal-ten anzubieInhal-ten, folgt einer fesInhal-ten Sequenz von Abläufen, womit es dem Lerner erschwert wird, eigene Lernaktivitäten auszuwählen, da die Lehrkraft den Unterricht durch das Prä-sentieren des Lerninhalts, Fragenstellen, das Nennen von Beispiele und Einfordern von Übungen dominiert (Helmke, 1999 in Kunter, 2005). Mit Verweis auf die im Abschnitt 2.3.1 dargestellten Ausführungen zum konstruktivistischen Lernverständnis scheint sich hier eine Diskrepanz abzuzeichnen, die das Qualitätskriterium nach Blum (2006b) wider-sprüchlich erscheinen lässt. Ein von der Lehrkraft instruierter Wissenserwerb steht im Gegensatz zu der eigentätigen autonomen Konstruktion von Wissen im Sinne eines kon-struktivistischen Verständnisses. Kunter (2005) führt dahingehend aus, dass sich die Um-setzung einer effektiven Klassenführung auf den organisatorischen Aspekt der Gestaltung

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des Klassenkontextes bezieht und keinesfalls die Qualität der vermittelten Inhalte an-spricht. Ein lehrergesteuertes Vorgehen im Unterricht kann ebenso konstruktives und problemorientiertes Arbeiten mit komplexen Sachverhalten ermöglichen. Die Konstruk-teure der MARKUS-Studie verstanden eine effiziente Klassenführung in dem von Kunter beschriebenen organisatorischen Sinne und erfassten das Merkmal mit fünf Items. Es zeigt sich, dass die Schülerinnen und Schüler ihren Lehrkräften insgesamt eine Effizienz in der Klassenführung bescheinigen. Lediglich im Bildungsgang des Gymnasiums liegen die Angaben knapp unter dem theoretischen Mittelwert. Helmke et al. (2002, S. 348) se-hen in einer effizienten Klassenführung die Voraussetzung für anspruchsvollen Unterricht und führen inhaltlich dazu aus: „Einerseits schafft eine effiziente Klassenführung den notwendigen Rahmen und damit fachliche Lerngelegenheiten (opportunity to learn), an-dererseits erzeugt sie auf Schülerseite den Eindruck der Wichtigkeit der für den Unter-richt vorgesehenen Zeit.“. In diesem Verständnis wird den Schülerinnen und Schülern eine Wertschätzung entgegengebracht, die sich in einem Lernklima ausdrückt, in der die Lehrkraft die gesamte Klasse im Blick hat und nicht nur als Stoffvermittler tätig wird.

Helmke et al. (2002) beschreiben die ernsthafte Wahrnehmung der Schüler als Persön-lichkeit mit dem Begriff der Schülerorientierung, in die Aspekte der Fürsorge, Verant-wortlichkeit und Geduld einfließen.

Mit der Vereinbarkeit von direkter Instruktion im Sinne einer effizienten Unterrichtsfüh-rung und Unterrichtsqualität gilt es nun, den Aspekt der SchülerorientieUnterrichtsfüh-rung einzubinden, denn Blum (2006) betont hinsichtlich seines Merkmals der effektiven und schülerorien-tierten Unterrichtsführung, dass eine störungsarme und fehleroffene Lernatmosphäre ge-schaffen werden sollte, die sich positiv auf die Einstellungen der Schülerinnen und Schü-ler auswirkt und dadurch die Leistungen verbessert.

Eine Orientierung am Schüler bedeutet im übertragenden Sinne, ihn dort abzuholen, wo er steht. Das heißt, die Interessen, Neigungen, Werthaltungen, das Vorwissen und die Leistungsfähigkeit des Lerners in einem ersten Schritt zu diagnostizieren und in einem weiteren Schritt im Prozess des Kompetenzaufbaus zu verwerten. Für die Lehrkraft be-deutet das eine individuelle Anpassung des Lerntempos, der Lerntiefe, des Unterstüt-zungsangebots und Motivationsgrades an die individuellen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler. Der Umgang mit Heterogenität erhebt den Anspruch, den Lernerfolg jedes Schülers zu optimieren, indem individuelle Unterstützungsleistungen durch differenzierte Aufgabenstellungen angeboten werden.

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Die vorangegangenen Vertiefungen zeichnen für den Begriff der Kompetenzorientierung ein vielfältiges Bild, das aufgrund der Vielschichtigkeit von Unterricht nur schwerlich verdichtet werden kann. In der konkreten Unterrichtssituation kann es zu unterschiedli-chen Bedeutungen kommen, wie Bruder et al. (2008) aufzeigen. So beschreiben die Auto-ren Kompetenzorientierung in der Phase der Erarbeitung neuer Inhalte, des Entdeckens und Systematisierens mit folgenden didaktischen Anwendungen:

• genetisches, problemorientiertes Vorgehen;

• Anknüpfung an vorhandene Vorstellungen und Aufbau von Grundvorstellungen;

• Zusammenfassungen und Erarbeitung von Wissensspeichern;

• Reflexionen zum Zugewinn an mathematischen Einsichten, heuristischen Strate-gien und mathematischen Werkzeugen (Bruder et al., 2008, S. 16).

In der Phase des Übens und Wiederholens, der Vertiefung und Anwendung drückt sich ein kompetenzorientiertes Vorgehen in der Sicherung von Basiswissen und intelligenten Kopfübungen aus. Weiterhin sollen verstehensorientierte Aufgaben, die zum produktiven Üben einladen binnendifferenziert eingesetzt werden und heuristische Hilfsmittel, Strate-gien und Prinzipien explizit gemacht werden. Auch eine sinnvolle Nutzung der Hausauf-gaben drückt für Bruder et al. (2008) ein kompetenzorientiertes Vorgehen aus. Unter Be-zug auf die bisherigen Ausführungen kann Kompetenzorientierung im Mathematikunter-richt als didaktisches Konzept beschrieben werden, das über die Komponenten eines qua-litativ hochwertigen Unterrichts die Schülerinnen und Schüler zu einer breiten allgemei-nen Bildung führt, mit der sie in der Lage sind, Problemsituatioallgemei-nen selbstständig zu lösen.

Bruder, Leuders und Büchter (2008, S. 15) konstatieren: „Insbesondere hat der Begriff der „Kompetenzorientierung“ eine viel größere Tragweite als nur die Orientierung an Texten wie Bildungsstandards oder Kerncurricula, er weist deutlich darauf hin, dass schu-lische Inhalte und fachliches Arbeiten nicht für die nächste Klassenarbeit, sondern für die Bewältigung von Problemsituationen wichtig sind.“. Durch eine fachlich gehaltvolle Un-terrichtsgestaltung stehen vielfältige Lerngelegenheiten zum Kompetenzerwerb im Vor-dergrund, in denen durch eine kognitive Aktivierung der Lernenden die Aneignung von Wissen und Können in konkreten Anwendungs- und Anforderungssituationen unterstützt wird und durch eine fehleroffene, störungsarme Lernatmosphäre stets eigene Denkkon-struktionen ermöglicht. In einer selbstständigkeitsorientierten Behandlung mathemati-scher Problemsituationen gilt es für die Lehrpersonen, ein angemessenes Verhältnis zwi-schen instruktionalen, lehrerzentrierten Methoden und konstruktionalen,

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ten Angeboten zu finden. Die zur Lösung einer mathematischen Problemsituation vom Schüler entwickelten Strategien finden in einem kompetenzorientierten Unterricht inso-fern Berücksichtigung, dass die Denkprozesse ausgetauscht und reflektiert werden. Die Vielfalt eigener Lernwege und die Vernetzung von Wissenselementen wird durch den geeigneten Einsatz von Aufgaben gefördert, die fachliche Kompetenzen in ihrer Breite ansprechen. Eine Konkretisierung dieser neuen Aufgabenkultur und deren Abgrenzung zu traditionellen Mathematikaufgaben erfolgt im folgenden Abschnitt.