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Kapitel VI: Ergebnisse

6.1. Empirischer Vergleich

6.1.2. Eco-Label Verordnung

Im EUEB konnten insgesamt sechs Konflikte ermittelt werden, die im folgenden betrachtet werden sollen. Bei den Verhandlungen über die Antragsgebühren und die jährlichen Beiträge (European Commission 2000) gab es vier strittige Punkte (Themen E.1-4). In der Eco-Label Verordnung (European Union 2000a: Annex V)

wird geregelt, dass Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) generell, sowie Bewerbern aus Entwicklungsländern besondere Reduktionen zu gewähren seien. Da diese Kommissionsentscheidung wesentlich zur Effektivität und Effizienz des Eco-Label Systems beiträgt, wird in allen vier Konflikten Dimension 303 verwendet, um die inhaltlichen Positionen zu dieser Entscheidung darzustellen.

Belgien versuchte durchzusetzen, dem Dokument eine Begriffsdefinition von Entwicklungsländern beizufügen sowie die Entscheidung über diese Definition in die Kompetenz des EUEB zu legen (EUEB1 am 26.09.2000: Belgische Stellungnahme).

Da dies die eine effizientere und transparentere Kontrolle der Kommissionsarbeit ermöglichen würde, muss nur Dimension 303, „Governmental and Administrative Efficiency”, betrachtet werden.

Wie in Figur 7 zu erkennen ist, hatte Belgien eine relativ extreme Position, wohingegen die Kommission am SQ festhalten wollte. Dieser entsprach der Kommissionsentscheidung 93/326/EEC (European Commission 1993), in der ebenfalls keine Definition enthalten war. Es entspricht daher den theoretischen Annahmen dieser Arbeit, dass die Kommission diesem Antrag nicht nachgab. Keiner der MS stellte sich zwar besser als vorher, aber es verlor auch keiner in Bezug auf den SQ ex ante.

per303 (Governmental and Administrative Efficiency)

,00 ,00 ,00 2,50 3,25 3,33 3,35 4,09 4,10 6,28 6,72 8,00 8,66 10,30 15,42 SWE FIN F GER UK I DK NL GRE IRE LUX ES B POR AU

4 3 10 10 10 10 3 5 5 3 2 8 5 5 4 Figur 7: Thema E.1, Definition Entwicklungsland Beim zweiten und dritten Konflikt ging es um die eigentliche Regelung der Gebühren (Meier-Rutz, 10.01.2002; EUEB1 am 26.09.2000: 2). Im Vordergrund standen zum einen die Höhe der Gebühren, aber auch die Privilegierungstatbestände, also wann und an wen Reduktionen gewährt werden sollten.

per303 (Governmental and Administrative Efficiency)

,00 ,00 ,00 2,50 3,25 3,33 3,35 4,09 4,10 6,28 6,72 8,00 8,66 10,30 15,42 SWE FIN F GER UK I DK NL GRE IRE LUX ES B POR AU

4 3 10 10 10 10 3 5 5 3 2 8 5 5 4 Figur 8: Thema E.2, Gebührenhöhe Das Hauptmotiv, die Höhe der Gebühren betreffend, war die Effektivität des Programms. Bemerkungen über „need for efficiency and economy in government and administration“ (Budge, Klingemann et al. 2001: 224) sind, wie bereits erwähnt, in Dimension 303, „Governmental and Administrative Efficiency“, kodiert. Es wird

davon ausgegangen, dass zu niedrige Gebühren die zukünftige Arbeit des Systems gefährden.

Daher sind hohen Werten in der obigen Darstellung, Forderungen nach höheren Gebühren zugeordnet. Es ist zu erkennen, dass die Kommission eine Position vertrat, die dem SQ entsprach. Wie im vorigen Konflikt ist hier wieder die bisherige Regelung (European Commission 1993) heranzuziehen. Wie zu erwarten, entsprach der Vorschlag der Kommission fast genau der Entscheidung von 1993, allerdings sollten die Gebühren nicht mehr wie bisher innerhalb eines Rahmens von MS zu MS variieren können, sondern dieser ehemalige Rahmen wurde als allgemein gültige Regelung vorgeschlagen. In dieser Konstellation sollte man davon ausgehen, die Kommission habe ihre Idealvorstellung durchsetzen können, da sich de facto nichts ändern würde. Trotzdem kam es zu einem Konflikt, in dem einige Staaten die Höhe der Gebühren als zu niedrig und andere sie als zu hoch bezeichnen. Leider konnte nicht kontrolliert werden, ob diese Stellungnahmen von MS kamen, die diesen Rahmen bisher in ihrem Sinn genutzt hatten. Der Kommission gelang es letztlich den bereits skizzierten Rahmen als „Mittelweg“ und somit ihre Position durchzusetzen.

Anders bei den Privilegierungstatbeständen. Bei den Reduktionen geht es nicht nur um die Effizienz des Programms sondern in erster Linie um die gleichen Chancen für alle potentiellen Bewerbern um ein Umweltzeichen. Die Entscheidung wird daher nach der Einstellung der Akteure zu „Social Justice“ getroffen, welche als Dimension 503 das Konzept der Gleichheit wiedergibt.

per303 (Governmental and Administrative Efficiency)

,00 ,00 ,00 2,50 3,25 3,33 3,35 4,09 4,10 6,28 6,72 8,00 8,66 10,30 15,42 SWE FIN F GER UK I DK NL GRE IRE LUX ES B POR AU

4 3 10 10 10 10 3 5 5 3 2 8 5 5 4 per503 (Social Justice)

,48 ,58 ,79 ,83 ,91 3,91 5,00 5,15 5,36 5,42 5,67 6,85 10,94 12,50 22,39 DK LUX B AU ES GRE GER POR IRE UK I NL SWE F FIN

3 2 5 4 8 5 10 5 3 10 10 5 4 10 3 Figur 9: Thema E. 3, Gebührenreduktionen Dimension 303 zeichnet die tatsächliche Situation schon deshalb nicht nach, weil die Kommission eine Änderung des SQ vorschlägt, welche nach dieser Konstellation nicht zu erwarten gewesen wäre. Nach der bisherigen Regelung (European Commission 1993) gab es keine Reduktionen. Entsprechend der Präferenzkonstellation der Dimension 503, auf der die Kommission eine Position rechts des Umkehrpunktes (7,82) einnimmt, schlug sie einige Privilegierungstatbestände, d.h. Reduktionen, vor, um die Chancengleichheit

zwischen finanzschwachen und -starken Bewerbern zu garantieren. Die maximale Höhe aller möglichen Reduktionen betrug nach diesem Vorschlag 65% des jährlichen Beitrags. Ergebnis der Beratungen war schließlich die Anerkennung aller vorgeschlagenen Privilegierungstatbestände, einschließlich der umstrittenen, aber gleichzeitig die Einführung einer Höchstgrenze aller kumulierten Reduktionen von 50%. Die Kommission gab entsprechend der theoretischen Erwartungen nach, da sich der Umkehrpunkt links von ihrer eigenen Position befand. Dies lässt den Schluss zu, dass die Kommission die mehrheitsfähige Position des Umkehrpunktes nicht korrekt antizipiert hatte.

Neben Belgien sind die nordischen Staaten die einzigen, die in den Protokollen des EUEB offen eine Stellungnahme abgeben (EUEB1 26.09.2000: nordische Stellungnahme). Beiden Positionspapieren ist zu entnehmen, dass die betroffenen MS die Reichweite der Kommissionskompetenzen in Frage stellen. Die nordische Stellungnahme bezieht sich auf die zukünftige Evaluierung der Finanzierung des Systems, wobei versucht wird, die Kontrolle darüber in die Kompetenz der MS zu verlagern. Ein weiteres Motiv neben der Effizienz ist hier der Rollenkonflikt zwischen einigen MS und der Kommission, der die Kompetenz abgesprochen wird, die Entscheidung eigenverantwortlich zu überprüfen. Analog zu den bereits beschriebenen Fällen wird deshalb Dimension 108 („European Community: Positive“) hinzugezogen.

per108 (European Community: Positive)

,00 ,33 ,42 ,48 1,25 1,85 2,62 2,66 3,37 3,70 4,64 4,69 4,80 8,50 14,58 FIN I AU DK IRE POR B NL UK ES GRE SWE LUX GER F

3 10 4 3 3 5 5 5 10 8 5 4 2 10 10 per303 (Governmental and Administrative Efficiency)

,00 ,00 ,00 2,50 3,25 3,33 3,35 4,09 4,10 6,28 6,72 8,00 8,66 10,30 15,42 SWE FIN F GER UK I DK NL GRE IRE LUX ES B POR AU

4 3 10 10 10 10 3 5 5 3 2 8 5 5 4 Figur 10: Thema E.4, Zukünftige Finanzierung Aufgrund der Präferenzkonstellationen ist offensichtlich, dass sich mit Dimension 303 die Entscheidung nicht nachvollziehen lässt. Danach müsste die Kommission, da sie die Präferenzen Schwedens und Finnlands teilt, die Forderung vollständig unterstützen. Dies ist jedoch nicht der Fall, wie im Folgenden zu sehen sein wird, wenngleich diese Konstellation die inhaltliche Einstellung der nordischen Staaten wesentlich besser zeigt als Dimension 108.

Doch auch wenn man die Akteurskonstellation dieser Programmdimension zugrunde legt, muss die Kommission im Wesentlichen nachgeben, da die Position Schwedens

sich rechts des Umkehrpunktes (3,7) befindet. Der Forderung, die Entscheidung einem Veto der MS zu unterwerfen, widersetzt sich die Kommission allerdings erfolgreich, die Revision muss vielmehr „nur“ nach dem geltenden Verfahren, dem Regelungsverfahren, genehmigt werden.

Im EUEB, respektive im RC, drehen sich die meisten Entscheidungen aber um den Grad an Umweltregulierung. Die expliziten Ziele sind die positiven ökologischen Auswirkungen einer Produktgruppe, wobei besonders deren Reichweite (Zahl der Produzenten und Verbraucher) ausschlaggebend ist. In den Konflikten, die bei den Verhandlungen über Produktgruppen entstanden, wurde zwischen der Durchführbarkeit des Systems für eine Produktgruppe und den Umweltauswirkungen abgewogen. Aus diesen Gründen kommt als Entscheidungsdimension nur die Dimension 501, „Environmental Protection“, in Frage. Auf dieser Dimension haben Budge, Klingemann et al. (2001) die Aussagen kodiert, die sich für eine Umweltverbesserung aussprechen, was das erklärte Ziel der Eco-Label Verordnung ist. Aus den Protokollen des EUEB wird deutlich, dass es außer den Themen E.5 und E.6 noch weitere Konflikte diese Dimension betreffend gab, allerdings fehlen hier notwendige Angaben, um diese Konflikte analysieren zu können58.

Innerhalb der Produktgruppe Bodenverbesserungsmittel, war besonders die Rolle von Torf sowie von Klärschlamm entscheidend. Es wurde debattiert, ob diese Inhaltsstoffe bei der Herstellung genutzt werden dürfen oder nicht (EUEB3 am 6./7.02.2001: 3; EUEB4 am 05.04.2001: 4f.; EUEB5 am 12.06.2001: 5). Der Ausschluss von Torf59 und Klärschlamm aus der Herstellung ist dabei eindeutig eine Umweltverbesserung, entspricht also hohen Werten auf der Programmdimension.

Allerdings sprachen sich jeweils „blocking minorities“ für bzw. gegen den Ausschluss dieser Bestandteile aus.

per501 (Environmental Protection)

,00 ,00 ,52 ,83 1,95 3,22 3,37 4,02 4,63 7,29 7,43 9,36 14,00 22,39 25,00 DK I B AU SWE ES UK GRE POR LUX IRE NL GER FIN F

3 10 5 4 4 8 10 5 5 2 3 5 10 3 10 Figur 11: Thema E.5, Dünger – Torf, Klärschlamm Klärschlamm war durch die alte Entscheidung über diese Produktgruppe (European Commission 1998) schon aus der Herstellung von Bodenverbesserern

58 So z.B. die Produktgruppe „Allzweck- und Sanitärreiniger”, bei der unterschiedliche Möglichkeiten der Bewertung der Inhaltsstoffe diskutiert wurden (EUEB2 am 21.09.2000)

59 Die Verwendung von Torf hat zwar keine schlechten Auswirkungen auf die direkte Umgebung, führt aber zu einem Rückgang der Moorlandschaften, die als schützenswert gelten.

ausgeschlossen, während die Diskussion um Torf neu war, weil der aktuelle Entwurf für diese Produktgruppe um die industriellen Anwendungen erweitert worden war.

Der Vorschlag der Kommission sah eine Einschränkung der Nutzung von Torf und ein Ausschluss von Klärschlamm vor. Theoretisch hätte sie nur ihre eigene Position vorschlagen müssen, da sich neben Schweden, dem entscheidenden Akteur, eine Mehrheit von MS gegenüber dem SQ verbessert hätten. Schon der Vorschlag verschiedener Optionen (EUEB4 am 05.04.2001: 4) zeigt aber, dass die Kommission mehr Entscheidungsspielraum preisgab, als nötig gewesen wäre. Am Ende wurde der Kompromiss durchgesetzt, diese Inhaltsstoffe auszuschließen, die Nutzung von Klärschlamm bei der nächsten Revision, aber erneut zu diskutieren.

Der letzte Konflikt entbrannte über die Verwendung von PVC bei der Herstellung von Schuhen. Die bisherige Regelung schloss PVC nicht aus der Herstellung von Schuhen aus (European Commission 1999). Der ursprüngliche Entwurf zur Revision dieser Produktgruppe beinhaltete PVC ebenfalls noch als Teil der verwendbaren Inhaltstoffe (EUEB6 am 24.09.2001: 4). Dies rief jedoch starke Opposition bei einigen MS hervor, die PVC komplett ausschließen wollten (EUEB7 am 04.12.2001:

1, 3).

per501 (Environmental Protection)

,00 ,00 ,52 ,83 1,95 3,22 3,37 4,02 4,63 7,29 7,43 9,36 14,00 22,39 25,00 DK I B AU SWE ES UK GRE POR LUX IRE NL GER FIN F

3 10 5 4 4 8 10 5 5 2 3 5 10 3 10 Figur 12: Thema E.6, PVC in Schuhen Auch hier, wie im letzten Konfliktfall müsste der Kommissionsvorschlag eine Mehrheit finden, da die selbe Akteurskonstellation vorliegt. Die endgültige Entscheidung fiel zugunsten eines Kompromissvorschlags, der die Nutzung von PVC nur bedingt einschränkt, da nur drei bestimmte Inhaltsstoffe ausgeschlossen wurden. Wieder muss davon ausgegangen werden, dass die Kommission der Mehrheit des Ausschusses auch entgegenkam, weil sie nach den ersten Diskussionen, wie im Fall Bodenverbesserer, Optionen zur Wahl stellt und nicht den Versuch unternimmt ihre Position durchzusetzen. Allerdings fehlt der ursprüngliche Entwurf zur Revision60, der helfen würde, die wahre Position der Kommission aufzuklären. Es ist aber davon auszugehen, dass das Ergebnis die PVC Nutzung stärker einschränkt als dies im ersten Entwurf vorgesehen worden war.