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Kapitel VI: Ergebnisse

6.1. Empirischer Vergleich

6.1.1. Aktionsprogramm „Combat Discrimination“

Der erste Konflikt, den es zu analysieren gilt, folgt auf einen Antrag Belgiens über mehr Einfluss der MS auf den Ablauf der Ausschusssitzungen. Dieses Thema berührt die Stellung und Rolle der Kommission und betrifft damit die Dimension 108 („European Community: Positive“). Auf dieser Dimension sind alle Bemerkungen kodifiziert, die sich für eine Erweiterung der Kompetenzen der Union aussprechen (Budge, Klingemann et al. 2001: 223). Je mehr sich ein MS für die Gemeinschaft ausspricht, desto mehr sollte er bereit sein, auf Kompetenzen zugunsten der gemeinschaftlichen Organe zu verzichten. In diesem Konflikt geht es direkt um den Einfluss der MS auf die Agenda aber auch um die Vorbereitungszeit vor einer Sitzung (PC1 am 11.12.2000: 4). Letzteres zeigt, dass sich einzelne MS von der Kommission überfordert fühlen, weil die MS „da schon aus Zeitgründen nicht mithalten [können], die [Mitarbeiter der Kommission] beschäftigen sich schließlich nur mit dem einen Thema.“ (Sybille Röseler, 10.01.02). Wie in der folgenden Darstellung zu erkennen ist, muss die Kommission eigentlich nur darauf achten, Griechenland als den entscheidenden Akteur zu überzeugen.

per108 (European Community: Positive)54

,42 ,48 1,25 1,85 1,86 1,87 1,97 2,15 2,50 3,37 3,70 4,64 4,69 5,92 11,89 AU DK IRE POR B I LUX FIN NL UK ES GRE SWE GER F

4 3 3 5 5 10 2 3 5 10 8 5 4 10 10 Figur 3: Thema D.1, Einfluss der MS auf Ablauf Dieses Land garantiert der Kommission eine „blocking minority“, die eine Übergabe an den Rat im Verwaltungsverfahren verhindert. Dennoch gab sie der Forderung

54 In den folgenden Darstellungen sind die fett gedruckten Staaten die entscheidenden Akteure, die eine

Mehrheit herstellen oder verhindern können; Grau unterlegte Felder entsprechen der Präferenz der Kommission;

die MS die sich in irgendeiner Weise zu diesem Thema gemeldet haben sind dunkel unterlegt.

Belgiens nach, was auf eine weitgehende Einigkeit der anderen Staaten mit Belgien schließen lässt und die Kommission deshalb zum Einlenken zwang.

Diese Interpretation erscheint aus zwei Gründen logisch und zulässig. Zum einen kann den Interviews entnommen werden, dass sich die MS in der Tat nicht ausreichend informiert fühlten. Sogar ein Vertreter der Kommission gibt zu, dass

„adequate administrative structures exist in a very few MS“ (Empl/D/4, 25.03.2002), um das Thema Anti-Diskriminierung zu bearbeiten. Zum zweiten ist aus den Protokollen zu erkennen, dass die MS sehr häufig auf Informationsdefizite aufmerksam gemacht haben55.

Der zweite Konflikt thematisiert die Möglichkeiten kleinerer NGOs, an dem Programm teilzunehmen (PC1 am 11.12.2000: 6). Neben den Zuschüssen der EU müssen die teilnehmenden Organisationen einen Eigenanteil beisteuern. Dieser Anteil kann aber bei diesem Programm nicht durch Eigenleistungen abgeglichen werden56, wie dies in anderen Programmen üblich war, sondern die Gelder müssen direkt, „all cash“

eingebracht werden. Dies hemme nach der Meinung Großbritanniens und Italiens die Chancen kleinerer Organisationen, da diese nicht über ausreichende Liquidität verfügten. Die Kommission begegnete dieser Position mit der Bemerkung, die bisherige Regelung habe bislang nur zu einer Verringerung der Transparenz geführt und es Bewerbern erleichtert, mehr Zuschüsse zu beantragen. Aus diesem Grund scheint die Dimension 303 („Governmental and Administrative Efficiency“), das Entscheidungsmotiv zu beinhalten. Auf dieser Dimension sind Bemerkungen „to make the process of government and administration cheaper and more effective.”

(Budge, Klingemann et al. 2001: 224) kodiert. Eine andere Dimension ergibt sich aus den Argumenten Italiens und Großbritanniens. Es werden die potentiellen Empfänger des Programms angesprochen, d.h. das Entscheidungsmotiv ist in den Zielen des Programms zu suchen. Diese werden durch Dimension 503 („Social Justice“) ausgedrückt, wo die Beendigung von Diskriminierung aus verschiedenen Gründen aufgeführt ist (Budge, Klingemann et al. 2001: 226). Dieses Entscheidungsmotiv deckt daher die Idee der Gleichberechtigung der verschiedenen Bewerber mit ab.

55 Dieser Punkt wird später noch einmal aufgenommen, wenn es in Abschnitt 6.3.um die Informationsverteilung in den Ausschüssen geht.

56 Eigenleistungen, wie z.B. Arbeitskraft, werden als „in kind“ Finanzierung bezeichnet und steht im Gegensatz zur Barfinanzierung („cash“).

Betrachtet man zunächst Dimension 303 in Figur 4 so ist leicht zu erkennen, dass diese Darstellung die Situation im Ausschuss nicht wiedergibt. Danach müsste die Kommission, da sie sich zwischen Italien und Großbritannien befindet, den Vorschlägen dieser beiden Staaten zustimmen. Die Akteurskonstellation auf Dimension 503 gibt dagegen die Entscheidungssituation wesentlich besser wieder.

per303 (Governmental and Administrative Efficiency)

,00 2,10 3,03 3,25 3,35 3,36 4,02 4,10 5,61 6,28 6,79 8,00 10,30 12,62 15,42 Figur 4: Thema D.2, NGO Co-Finanzierung Die beiden Staaten sprechen sich inhaltlich für wesentlich mehr Gleichberechtigung aus, als dies die Kommission vertreten konnte. Theoretisch müsste die Kommission also ihre Vorstellung vollständig durchsetzen können, da ihre Idealposition für den entscheidenden Akteur, Deutschland, eine Verbesserung zum Status Quo bei Null darstellen würde. Die Kommission kommt den Mitgliedstaaten jedoch teilweise entgegen, was mit Budgetzwängen in den MS begründet wird. Eine Anregung der Kommission war es, in einer Übergangszeit schwächere NGOs direkt von den MS zu fördern, allerdings lassen die bereits beschlossenen Budgets für das Jahr 2001 eine solche Förderung nicht zu (PC1 am 11.12.2000: 6).

Der dritte Konflikt dreht sich um das Thema Datenschutz. Daher wird für diesen Konflikt die Dimension 201, „Freedom and Human Rights“ herangezogen, in der die Stellungnahmen der Parteien über die verschiedenen individuellen Freiheiten zusammengefasst wurden (Budge, Klingemann et al. 2001: 223). Die Mitglieder im PC hatten sich über die Notwendigkeit, Daten über Diskriminierung und Diskriminierte zu sammeln, geeinigt, jedoch nicht darüber, mit welchen Methoden dies zu geschehen habe (PC3 am 30.05.2001: 5ff. und PC4 am 10.07.2001: 5ff.).

per108 (European Community: Positive)

,42 ,48 1,25 1,85 1,86 1,97 2,15 2,50 3,37 3,70 4,64 4,69 5,92 5,95 11,89 AU DK IRE POR B LUX FIN NL UK ES GRE SWE GER I F

4 3 3 5 5 2 3 5 10 8 5 4 10 10 10 per201 (Freedom and Human Rights)

,00 ,35 ,48 ,51 ,71 ,88 ,96 1,17 1,25 1,29 1,88 3,18 3,44 4,20 5,76 AU GER DK IRE LUX FIN UK SWE POR ES NL GRE B F I

4 10 3 3 2 3 10 4 5 8 5 5 5 10 10 Figur 5: Thema D.3, Eurobarometer

Ein wichtiger Punkt neben den Datenschutzanliegen scheint aber auch die Informationsversorgung durch die Kommission zu sein, da mehrere MS genauere Informationen über die Methodik der Eurobarometerumfrage verlangen. Aus diesem Grund wird zusätzlich Dimension 108, „European Community: Positive“, einbezogen.

Frankreich war das einzige Land, dass diese Umfrage ablehnte, während viele andere Staaten (NL, UK und SWE) zumindest Einwände gegen die Art und Weise der Umfragedurchführung hatten. Obwohl man nach der Präferenzkonstellation der Dimension 201 auch von Italien eine Ablehnung der Eurobarometerumfrage hätte erwarten sollen, da seine Position rechts von Frankreich liegt, spiegelt diese Darstellung doch die generelle Situation wider57. Es ist außerdem anzunehmen, dass die Kommission ebenfalls sehr um den Schutz individueller Rechte bemüht ist und ihre Position auf dieser Dimension eindeutig mehrheitsfähig war. Um zu erklären, warum es trotzdem zu einem Konflikt kommt, muss Dimension 108 herangezogen werden. Aus den Protokollen ist zu erkennen, dass neben den inhaltlichen Argumenten auch Kompetenzstreitigkeiten eine Rolle spielten. So mussten die MS häufiger nachhaken, um die gewünschten Informationen zur Methodik und der Verwendung der Daten zu bekommen (PC3 am 30.05.2001: 5ff. und PC4 am 10.07.2001: 5ff.), was auf eine restriktive Informationsherausgabe der Kommission schließen lässt. Da die Kommission auf Dimension 108 eine extremere Meinung hat als die MS, kam es trotz inhaltlicher Übereinstimmung zu einem Konflikt. Auch wenn Frankreich seinen Widerstand schließlich aufgab, wird die Eurobarometerumfrage, nach Auskunft eines Kommissionsbeamten, unter der Einschränkung durchgeführt, dass die gewonnen Daten nur nach Zustimmung des Ausschusses freigegeben werden dürfen (Empl/D/4, 26.03.2002). Es kann leider nur spekuliert werden, ob es Frankreich gelungen ist, Zugeständnisse zu erwirken, die es bei einer offeneren Haltung der Kommission nicht bekommen hätte. Allerdings bliebt festzustellen, dass es möglich ist, Konflikte so zu verlagern, dass Akteure den Verlust ihrer Positionen in Kauf nehmen, um sich in einem anderen Punkt durchzusetzen. Der Kommission war es also in diesem Fall wichtiger, ihre Stellung zu sichern, als sich inhaltlich gegenüber Frankreich durchzusetzen.

Der letzte Fall beschäftigt sich mit der Entscheidung, welche europäischen NGO-Netzwerke für die direkte Förderung ihrer laufenden Kosten ausgewählt werden

57 Diese Abweichung des Vertreters Italiens von der Position seines Ministers, könnte als ein weiteres Agenturproblem erklärt werden.

sollten. Diese Entscheidung sollte inhaltlich wie schon Thema D.2 die Frage nach der Effektivität und Effizienz des Programms beantworten, was zu Dimension 303 („Governmental and Administrative Efficiency“) führt. Aus dem Protokoll wird aber deutlich, dass sich die MS, insbesondere Österreich, nicht ausreichend informiert fühlen und ihnen die Entscheidung von der Kommission sozusagen aufgezwungen wird: „Austria could only approve the subsidies after having received all relevant documents.“ (PC 5 am 17.10.2001: 4). Bei diesem Konflikt handelt es sich also wieder um einen Zuständigkeitskonflikt und betrifft somit Dimension 108.

per108 (European Community: Positive)

,42 ,48 1,25 1,85 1,86 1,97 2,15 2,50 3,37 3,70 4,64 4,69 5,92 5,95 11,89 AU DK IRE POR B LUX FIN NL UK ES GRE SWE GER I F

4 3 3 5 5 2 3 5 10 8 5 4 10 10 10 per303 (Governmental and Administrative Efficiency)

,00 2,10 3,03 3,25 3,35 3,36 4,02 4,10 6,28 6,79 7,25 8,00 10,30 12,62 15,42 SWE F FIN UK DK NL LUX GRE IRE GER I ES POR B AU

4 10 3 10 3 5 2 5 3 10 10 8 5 5 4 Figur 6: Thema D.4, NGO laufende Kosten Die extreme Position Österreichs, das sich gegen die von der Kommission vorgeschlagenen NGO Netzwerke ausspricht, ist auf beiden Dimensionen erkennbar.

Dimension 108 bildet die Situation jedoch besser ab, da es Österreich nach Aussagen eines Ausschussmitglieds (Sybille Röseler, 10.01.2002) nicht um die Sache geht. Vielmehr ist auch aus den Protokollen zu entnehmen, dass Österreich überdurchschnittlich oft (9 von insgesamt 21 Fragen) Informationen fordert. Wie aus dem betreffenden Protokoll zu entnehmen ist, wendete sich Großbritannien gegen die Position Österreichs. Betrachtet man nun die Position Großbritanniens, das sich für die von der Kommission vorgeschlagenen Netzwerke ausspricht, ist offensichtlich, warum der Forderung Österreichs nicht nachgegeben wird. Trotz eventuell fehlender Informationen, stimmen alle Staaten rechts von Großbritannien dem Kommissionsvorschlag zu.