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1. Einleitung

1.5 DNA-Polymerasen

Für Eukaryoten sind derzeit 15 verschiedene DNA-Polymerasen bekannt.22 Diese werden – abhängig von ihrer Sequenzhomologie und Strukturähnlichkeit – in die fünf Familien A, B, X, Y und RT eingeteilt.23, 24

Die für die DNA-Replikation zuständigen Polymerasen α (alpha), δ (delta) und ε (epsilon) gehören zur Familie B und die für die Replikation der mitochondrialen DNA verantwortliche Polymerase γ (gamma) zur Familie A. Bezüglich der unter 1.3 beschriebenen Reparaturmechanismen sind z.B. die Polymerasen ß (beta) und λ (lambda), die beide zur X-Familie gehören, an der Basenexzisionsreparatur (BER) beteiligt. Polymerase µ (mu), die ebenfalls der X-Familie angehört, wirkt im System der nicht-homologen Endverknüpfung (NHEJ) mit.13 Die Polymerasen δ (delta) und ε (epsilon) sind neben der DNA-Replikation auch an der Nukleotidexzisionsreparatur beteiligt.25 Für das Überlesen von DNA-Schäden sind zum einen die zur Familie A gehörende Polymerase ξ (zeta) und die Polymerasen τ (iota) κ (kappa) und η (eta), die der Familie Y angehören, zuständig.26 Zum anderen haben Untersuchungen gezeigt, dass

auch DNA-Polymerasen der Familien B (α und δ) und Y (Rev1) gegenüber einer abasischen Stelle einbauen können.27

Eine weitere wichtige DNA-Polymerase ist die Telomerase, die die 3´-Enden von Chromosomen (Telomere) verlängert. Die Synthese erfolgt revers, weshalb die Familie als RT („Reverse Transcriptase“) bezeichnet wird. RNA-Anteile der Zelle dienen hierbei als Templat. Durch die Funktion der Telomerasen wird die Verkürzung der Chromosomen vermieden, die anderenfalls bei jeder Replikation stattfinden und schließlich zur Apoptose führen würde. 28

In vorliegender Arbeit wurde ausschließlich mit der humanen DNA-Polymerase ß gearbeitet, weshalb diese in ihrer Funktion und Struktur nachfolgend näher beschrieben wird.

1.5.1 DNA-Polymerase ß und ihre Funktion

Die zur X-Familie gehörende DNA-Polymerase ß wurde 1971 erstmals als niedermole-kulare, DNA-abhängige Polymerase beschrieben.29,30 Die Beteiligung dieses Enzyms an der Synthese von Einzelstrangtemplaten konnte frühzeitig gezeigt werden.31,32 1993 gelang Singhal und Wilson der Nachweis, dass die DNA-Polymerase ß in in vitro Experimenten kleine Lücken in DNA-Strängen auffüllt, was als „Gap-Filling“ bezeichnet wird.33

Bis zum Jahr 1994 blieb jedoch unklar, welche Funktion das Enzym in der eukaryotischen Zelle hat. Gu et al. konnten zu diesem Zeitpunkt zeigen, dass das Ausschalten („Knock-out“) des DNA-Polymerase ß-Gens in Mäusen zur Letalität des Embryos führt. Dies deutete auf die wichtige Rolle des Enzyms in der fötalen Entwicklung hin.34 Die Beteiligung der DNA-Polymerase beta an der Basenexzisionsreparatur (BER) wurde durch eine 1996 veröffentlichte Arbeit von Sobol et al. deutlich. In diese führte das Ausschalten des DNA-Polymerase ß-Gens in Fibroblasten aus Mausembryos (MEFs) zu einer hohen Empfindlichkeit dieser gegenüber DNA-Alkylierungsstoffen.35

Studien von Wilson et al. gaben Aufschluss über die spezifische Funktion der DNA-Polymerase ß. Es konnte gezeigt werden, dass diese keine intrinsische Exonuklease-Aktivität aufweist, aber über eine 5´-Deoxyribose-Phosphatlyase und eine Lyaseaktivität

36

Die BER gilt als das Hauptreparatursystem der DNA in Säugetierzellen. Wie unter 1.3 beschrieben werden dadurch abasische Stellen repariert, die aufgrund von Hydrolyse an der glykosidischen Bindung zwischen der Nukleobase und dem Zucker entstehen.

Außerdem behebt dieses Reparatursystem die durch Desamination, Oxidation oder Alkylierung verursachten Schäden an DNA-Basen34,35 und ist auch an der Beseitigung von Fehlpaarungen, z.B. G-T oder G-U, beteiligt.37,38 Es werden zwei Wege der BER unterschieden: Zum einen der so genannte „Short Patch“, bei dem ein einzelnes Nukleotid ersetzt wird und zum anderen den „Long Patch“, bei dem mehr als ein Nukleotid ersetzt werden.39

Der schematische Ablauf eines „Short Patch“-Reparatursystem ist in Abb. 3 dargestellt.

Beim Vorliegen einer geschädigten Base kommt es zu einer Verzerrung der Helix.

Abhängig vom vorhandenen Schaden werden unterschiedliche Glykosylasen zur Entfernung der entsprechenden Base aktiviert.9 Anschließend wird an der abasischen Stelle das Zucker-Phosphat-Rückgrat am 5´-Terminus des Zuckers von einer AP-Endonuklease (APE) geöffnet. Hierdurch entsteht am 3´Terminus eine Hydroxy- und am 5´-Ende eine Phosphatgruppe.40 Die Neusynthese des fehlenden Nukleotids sowie die Entfernung der Phosphatgruppe werden von der DNA-Polymerase ß ausgeführt. Die verbleibende Lücke im Zucker-Phosphat-Rückgrat wird durch eine DNA-Ligase geschlossen.41

Abb. 3: Schematische Darstellung der Basenexzisionsreparatur bei Vorliegen einer einzelnen geschädigten Base („Short Patch Repair“).

Auch am „Long-Patch“-BER ist die DNA-Polymerase ß beteiligt. Sie hat hier die Funktion der Neusynthese des ersten fehlenden Nukleotids der Lücke. Dadurch wird die weitere DNA-Synthese durch andere DNA-Polymerasen ermöglicht.42

Die wichtige Rolle der DNA-Polymerase ß in der DNA-Reparatur konnte bis heute durch mehrere Untersuchungen nachgewiesen werden. Sweasy zeigte, dass Varianten der DNA-Polymerase ß zu einer veränderten Genauigkeit im Reparaturprozess führten. Die dadurch bedingten Mutationen sind wahrscheinlich mitverantwortlich für die Entstehung verschiedener Krankheiten, wie z.B. Krebs.43,44,45,46,47,48,49,50

Außerdem konnten weitere Funktionen der DNA-Polymerase ß aufgezeigt werden. Sweasy et al. wiesen in neueren Studien nach, dass diese auch einen Einfluss auf den korrekten Ablauf der Meiose nimmt. In Keimzellen von Mäusen, die einen Mangel des vorgenannten Enzyms aufwiesen, kam es zu fehlerhaften Chromosomenpaarungen in der Prophase I der Meiose, die zum Zelltod durch Apoptose führten.51 In weiteren Untersuchungenkonnte gezeigt werden, dass sowohl der homozygote als auch der heterozygote „Knock-out“ des DNA-Polymerase ß-Gens in Spermazellen von Mäusen zur Instabilität des Genoms führte.52

1.5.2 Kinetik des Reaktionsmechanismus der humanen DNA-Polymerase ß

Einen Überblick über den kinetischen Reaktionsmechanismus, mit dem die DNA-Poly-merase ß ein Nukleotid einbaut, ist in Abb. 4 dargestellt.

Abb. 4: Schematische Darstellung der Kinetik des Reaktionsmechanismus der DNA-Polymerase ß (nach Abbildung aus Referenz 53). (ß=DNA-Polymerase ß; Dn=DNA;

N=dNTP; *=Konformationsänderung; P=Pyrophosphat)

Die DNA-Polymerase ß (ß) formt im ersten Schritt einen binären Komplex mit der DNA (Dn). Anschließend wird das dNTP (N) an diesen Komplex gebunden (ß-Dn-N). Die Dissoziationskonstante wird als Kd angegeben. Beim Entstehen des ternäre Komplexes findet eine Konformationsänderung (ß*-Dn-N) statt, die zur Ausbildung der Bindungstasche führt. Dadurch wird das Nukleotid korrekt positioniert, was für die darauf folgende Phosphoryldiesterbindungsreaktion (ß*-Dn+1-P) notwendig ist, die im kpol-Wert wiedergegeben wird. Nach einer erneuten Änderung zur offenen Konformation wird das Pyrophosphat (P) freigesetzt (ß-Dn+1) und die DNA-Polymerase ß dissoziiert von der DNA.

Dieser Reaktionsschritt wird als der langsamste angesehen.53 1.5.3 Aufbau und Struktur der Polymerase ß

Mit 39 kDa handelt es sich um die kleinste bisher entdeckte eukaryotische DNA-Polymerase, die aus 335 Aminosäureresten besteht.41 Sie gehört zur Familie X der DNA-Polymerasen, ebenso wie die Polymerase λ, zu der sie eine hohe Sequenzhomologie aufweist, die Polymerase µ und die Terminal-Desoxynukleotidyl-Transferase (TdT).54 DNA-Polymerase ß besteht aus einer 8 kDA großen, N-terminalen Lyasedomäne und einer 31 kDa großen, C-terminalen Polymerasedomäne. Diese sind durch eine Protease-sensible Region miteinander verbunden.54,55

Abb. 5: Schematische Struktur der DNA-Polymerase ß. In der Sekundärstruktur sind die α-Helices in gestreiften und die ß-Faltblätter in vollen Balken dargestellt. HhH bezeichnet eine Haarnadelstruktur zwischen zwei Helices („Helix-hairpin-helix“-Motif, HhH). Die mit * gekennzeichneten Positionen markieren wichtige Aminosäuren in der Sequenz: L72, D190, D192 und D256. (Entnommen und abgeändert aus Referenz 63).

Vielfältige Kristallstrukturen mit differenzierenden Liganden geben einen detaillierten Einblick in die Proteinstruktur der DNA-Polymerase ß.56,57,58 Wie bei anderen bekannten DNA-Polymerasen weist auch sie die typische Struktur einer Hand auf.56,59 Während die Lage der Subdomänen – Daumen, Handfläche und Finger – bei den meisten DNA-Polymerasen an eine rechte Hand erinnern, weisen die zur X-Familie gehörenden Polymerasen die Analogie zu einer linken Hand auf.55 Beard et al. führten für die Subdomänen der DNA-Polymerase ß eine an der Funktionalität ausgerichteten Nomenklatur ein und benannte diese mit C („catalytic“), D („duplex DNA binding“) und N („nascent base pair binding“).60 Dies korrespondiert mit der gängigen Bezeichnung (CHandfläche; DDaumen und NFinger), die auf DNA-Polymerasen mit einer Strukturanalogie zur rechten Hand angewendet wird.61 Die schematische Darstellung der Struktur der DNA-Polymerase ß in Abb. 5 gibt auch einen Überblick über die zuvor beschriebene Nomenklatur.

Die Lyasedomäne setzt sich aus 5 α-Helices (A-E) zusammen, von denen zwei Paar antiparallel angeordnet sind und sich in einem Winkel von 80° überschneiden.55 Die Domäne verfügt über eine 5´-Phosphat Bindungsstelle. Diese befindet sich stets an einem Lysin, variiert in der Position aber je nachdem, ob es sich um eine „Short-Patch“- oder „Long-Patch“-BER handelt. In ersterem Fall erfolgt die Bindung an Position K68,57 in letzterem konnte sowohl eine Bindung an Position K35 als auch an K68, K72 und K84 beobachtet werden.62

Die C-Subdomäne enthält 3 α-Helices (J, K und L) und die ß-Faltblattstrukturen 1-3. Das aktive Zentrum mit den Seitenketten D190, D192 und D256, die die für die Aktivität des Enzyms notwendige Mg2+-Ionen binden,63 befindet sich auf zwei ß-Faltblättern. Diese sind parallel angeordnet, während sie in den meisten DNA-Polymerasen antiparallel vorliegen.57

Die N-Subdomäne (AS 260-335) besteht aus den ß-Faltblattstrukturen 4-7 und den α-Helices M, N und O. Beim Eintreten eines korrekten Nukleotids umschließt sie das dNTP und die gegenüberliegende Templatbase.56,57,64,65 Dies bedingt eine Rotation von ca. 30°

um die M α-Helix.57,64

Die D-Subdomäne (Daumen,) besteht aus den 4 α-Helices F, G, H und I und weist eine Haarnadelstruktur („Helix-Hairpin-Helix“) zwischen F und G auf.63 Diese von den

Seiten-ketten 55-79 und 92-118 reichende Struktur bindet monovalente Metalle und interagiert mit dem Zucker-Phosphat-Rückgrat der DNA.62,66,67

Das Zusammenwirken der Domänen und Subdomänen der DNA-Polymerase ß führt zu deren individuellen biochemischen Funktionalität63 in den unter 1.5.1 beschriebenen Mechanismen.

1.5.4 Selektivität und Genauigkeit der DNA-Polymerase ß

Die DNA-Polymerase ß verfügt über keine Korrekturlesefunktion. Ihre Genauigkeit in in vitro Experimenten ist folglich nur auf die Selektivität des Enzyms zurückzuführen. Kunkel konnte 1985/86 für DNA-Polymerase ß eine in vitro Fehlerrate von 1,5 x 10-3 bis 5 x 10-3, d.h. ein Fehler pro 1.500 bis 5.000 Basen, nachweisen.68,69 Dabei konnte er auch den Zusammenhang zwischen der vorliegenden Fehlpaarung und dieser Rate zeigen.69 Die Größe der aufzufüllenden Lücke scheint nur einen Einfluss auf die Effizienz der DNA-Polymerase ß zu nehmen, nicht jedoch auf ihre Genauigkeit oder Selektivität.70,71

Weitere strukturanalytische und kinetische Experimente weisen darauf hin, dass die DNA-Polymerase ß zur Selektion des korrekten dNTPs die Templatbase durch eine Konformationsänderung stabilisiert. Dies führt zur Ausbildung eines aktiven Zentrums, in dem die geometrischen Eigenschaften des neuen Basenpaares überprüft werden können.72 Untersuchungen in dem Bereich des aktiven Zentrums lassen den Schluss zu, dass bestimmten Positionen, z.B. R28373, D25657, F27274 und N279 und Y27175, selektive und katalytische Funktionen zukommen.

Der Einfluss von Aminosäureresten, die sowohl innerhalb als auch außerhalb des aktiven Zentrums liegen, lassen den Schluss zu, dass die Bewegung und Positionierung der Sub-domänen einen wesentlichen Einfluss auf die Genauigkeit der DNA-Polymerase ß haben.76 1.6 Gerichtete Evolution an DNA-Polymerasen

In der modernen Molekularbiologie stehen zahlreiche Methoden zur Verfügung, mit denen Vorgänge der natürlichen Evolution im Labor simuliert werden können. Zufällige Mutationen können hierbei zur Erzeugung von Diversität dienen und auch der Einsatz rekombinanter Methoden kann zu Proteinen mit veränderten Eigenschaften führen. Diese

werden durch Screening oder Selektion identifiziert und anschließend charakterisiert.77 Beide Methoden bedingen die Verknüpfung von Phänotyp und Genotyp.78

Durch diese Methodik konnten bereits DNA-Polymerasen gefunden werden, die verbesserte Eigenschaften aufweisen. Hierbei handelt es sich z.B. um ein erhöhtes Substratspektrum oder höhere Proteinstabilität.79,80,81,82,83,84,85,86 Diese Proteine finden teilweise Einsatz in der Labortechnik, z.B. der Polymerasekettenreaktion. Des Weiteren wird die gerichtete Evolution angewendet, um Aufschluss über den Zusammenhang zwischen der Struktur und der Funktion von Proteinen zu gewinnen.78

Die gerichtete Evolution beruht auf verschiedenen Schritten, die in Abhängigkeit ihres Ergebnisses wiederholt werden. Zuerst wird die Variabilität in das Genom eingebracht und anschließend die Mutanten mit den angestrebten Eigenschaften identifiziert, isoliert und charakterisiert.

Methoden zur Einbringung der Variabilität sind z.B. die ungerichtete Mutagenese durch fehlerhafte PCR („error-prone PCR“), die Sättigungsmutagenese eines einzelnen Kodons und die ortsgerichtete Mutagenese („Side-directed Mutagenesis“).77 Für die Identifizierung der Eigenschaften und die Charakterisierung werden Protein-spezifische Screeningverfahren und Versuchsanordnungen entwickelt.

1.7 Ziele dieser Arbeit

Mit dieser Dissertation sollte in einem ersten Projekt neue Erkenntnisse über eine erhöhte Akzeptanz von DNA-Schäden durch DNA-Polymerasen gewonnen werden, da der Prozess der Replikation von DNA-Schäden noch nicht vollkommen geklärt ist.

Die humane DNA-Polymerase beta (Polß) diente in diesem Ansatz als Model. Mit der Methode der gerichteten Evolution sollte eine Variante des Wildtypen gefunden werden, die eine erhöhte Akzeptanz von Schäden aufweist. Folglich wird eine DNA-Polymerase, die keine Überlesefunktion besitzt, in eine Polymerase umgewandelt, die Bypass-Syntheseaktivität aufweist. Dies sollte zum Aufschluss über den Zusammenhang zwischen Struktur und Funktion des Enzyms beim Überlesen eines DNA-Schadens dienen.

In den Untersuchungen sollten zumeist abasische Stellen verwendet werden, da es sich hierbei um eine der am häufigsten in der lebenden Zelle vorkommenden DNA-Läsionen handelt. Nach Erstellen einer Mutantenbibliothek sollte diese mit einem bereits etablierten Screeningsystem durchmustert werden. Eine spezifische Charakterisierung der identifizierten Mutanten war angestrebt.

In einem zweiten Projekt sollte die Abhängigkeit der Funktionalität und Selektivität der Polß von sterischen Zwängen in der Bindungstasche untersucht werden.

Zur Umsetzung dieser Untersuchung sollte in Polß die in der Bindungstasche befindliche Position F272, von der ein Einfluss auf die vorgenannten Eigenschaften in Studien anderer Arbeitsgruppen bereits gezeigt werden konnte, in alle 19 möglichen Amino-säuren mutiert werden. Die anschließenden Untersuchungen hatten zum Ziel, die Mutan-ten zu ermitteln, die in der Lage sind, sterisch veränderte Nukleotide gegenüber Desoxyadenosin effizienter einzubauen als Polßwt. Hierfür sollten am 4´C des Zuckers alkylierte TTPs in die Primer-Verlängerungsreaktionen eingesetzt werden. Die ausgewählten Mutanten sollten des Weiteren hinsichtlich ihrer Selektivität untersucht werden. Dies war anhand kinetischer Untersuchungen von nicht-kanonischem Nukleotideinbau angedacht. Des Weiteren war in diesem Ansatz ein Vergleich bezüglich Selektivität, Genauigkeit und Effizienz von Polßwt und der selektierten Mutanten bei Replikation von Templat bzw. dem Auffüllen der Lücke von einer Base angestrebt. Hierfür sollten identische Versuche mit unterschiedlichen Primer-Templat-Komplexen durchgeführt werden.

2. Ergebnisse und Diskussion des Screenings einer Polß-Mutanten Bibliothek

Die DNA wird dauerhaft durch exogene und endogene Einflüsse geschädigt. Unter physiologischen Bedingungen kommt es am häufigsten zur Ausbildung einer abasischen Stelle (Abb. 6). Diese resultiert aus der spontanen Hydrolyse der Verbindung zwischen dem Zucker und der Nukleobase in der DNA.8 Es wird geschätzt, dass ca. 10.000 abasischen Stellen in einer menschlichen Zelle pro Tag entstehen.8,87,88 Da es durch das Abspalten der Base zum Verlust der gespeicherten genetischen Information kommt, stellen alle durch abasische Stellen im Genom entstehenden Lücken potentielle Erbgutschäden dar.88

Abb. 6: Hydrolyse der Verbindung zwischen Zucker und Nukleobase. Dargestellt ist der Verlust der Nukleobase, der zur Ausbildung einer abasischen Stelle führt.

Ein Großteil dieser Schäden wird durch das DNA-Reparatursystem behoben. Hierbei wird der DNA-Schwesterstrang als Vorlage für die Inkorporation des korrekten Nukleotids anstelle des Schadens genutzt. Nicht detektierte Läsionen oder solche, die während der S-Phase des Zellzyklusses entstehen, behindern DNA-Polymerasen. Hierbei handelt es sich neben Polymerasen der Replikation20,22 auch um die an der Basen-Exzisions-Reparatur beteiligte DNA-Polymerase ß.35

Prakash et al. konnten 2005 erstmals spezielle DNA-Polymerasen identifizieren, die zum Überlesen von DNA-Schäden geeignet sind.26 Diese Enzyme wurden in unterschiedlichen Organismen nachgewiesen und sind in menschlichen Zellen beispielsweise an der Unterdrückung von Hautkrebs beteiligt. Es wird vermutet, dass die Transläsions-Synthese nach der chromosomalen Replikation, folglich außerhalb der S-Phase, abläuft.89,90 Die mechanistischen Grundlagen, die dazu führen, dass einige Polymerasen DNA-Schäden überlesen können, während andere dazu nicht in der Lage sind, sind noch immer nicht gänzlich verstanden.

In der vorliegenden Arbeit wurde mit der humanen DNA-Polymerase ß (Polß) gearbeitet, die häufig als Modell für die Untersuchung von grundlegenden Mechanismen der DNA-Polymerasen, wie z.B. Aktivität und Genauigkeit, eingesetzt wird. Das Enzym wurde in der Vergangenheit bereits umfassend bezüglich seiner Funktion und Struktur studiert.63 Wie unter 1.5.3 beschrieben, handelt es sich bei der zur X-Familie gehörenden Polß um die kleinste bisher entdeckte eukaryotische DNA-Polymerase.41,54 Sie ist nicht an TLS beteiligt.

Es war das Ziel, durch gerichtete Evolution eine Mutante ausfindig zu machen, die eine erhöhte Überlesefunktion von DNA-Schäden aufweist. Dies sollte Aufschlüsse über die Unterschiede in den strukturellen und biochemischen Eigenschaften von Bypass- und Nicht-Bypass-Polymerasen geben.

Für die Herstellung der Mutantenbibliothek wurde auf die Versuchsergebnisse von Di Pasquale zurückgegriffen.91 In deren Untersuchungen hatte sich gezeigt, dass die Expression von Polß in E. coli-Zellen durch die Verwendung einer E. coli kodon-optimierten Version des Polß-Gens deutlich verbessert werden kann. Es wurde daher ausschließlich mit dem bereits im Labor vorhandenen, bei der Firma Geneart bestellten

„codon-optimized Polymerase beta“ (Polß) Gen gearbeitet.

Für die Ermittlung der Mutantenaktivität wurde ein von Summerer82 etabliertes und von Di Pasquale91 optimiertes Screeningsystem verwendet. Dieses basiert auf der Detektion des Endpunktes einer Primer-Verlängerungsreaktion durch den Fluoreszenzfarbstoff Sybr-Green I und ermöglicht das Arbeiten im „High-Throughput-Screening“. Hierbei wird die Eigenschaft von SybrGreen I genutzt, dass sich dessen Fluoreszenz bei Bindung an die kleine Furche von doppelsträngiger DNA verstärkt. Der Farbstoff wird bei einer Wellenlänge von 485 nm angeregt und die Fluoreszenzmission erfolgt bei 520 nm.

Für das im Anschluss vorgenommene Screening auf die Bypass-Eigenschaften der aktiven Mutanten wurde das von Di Pasquale optimierte System verwendet. In die Primer-Verlängerungsreaktion wurden Template mit DNA-Schaden eingesetzt. Durch Messung der Fluoreszenz konnte ein direkter Rückschluss auf den Bypass des Schadens gezogen werden.

2.1 Identifizierung von Polß-Mutanten mit erhöhter Bypass-Aktivität einer abasischen Stelle durch Screening einer Bibliothek

2.1.1 Konstruktion der Polß-Mutanten-Bibliothek

Zum Anlegen einer Mutanten-Bibliothek wurde die Methode der fehleranfälligen PCR („error-prone“ PCR) angewendet. Diese basiert auf der erhöhten Fehlerrate der Taq DNA-Polymerase in Gegenwart von Mn2+. Hierbei finden mehr Transitionen als Transversionen statt.92 Zum Ausgleich dieser Fehlertendenz wurden im PCR-Ansatz unbalancierte dNTP-Mengen verwendet (5.2.1). Als Templat diente die bereits im Labor vorhandene E. coli kodon-optimierte DNA des Wildtyps der humanen DNA Polymerase ß (Polßwt). Die eingesetzten Primer enthielten in ihrer Verlängerungen Schnittstellenmuster für die Restriktionsenzyme BamHI und SalI. Des Weiteren war der Primer in Leserichtung um die Sequenz eines His-tags verlängert.

Im Anschluss an die PCR erfolgte ein Restriktionsverdau, der ebenfalls auf dem ausgewählten Zielvektor (pGDR11) angewandt wurde (5.2.5). Nach Dephosphorylierung des Restriktionsverdaus des Vektors wurden beide Produkte über ein 1 %iges Agarosegel aufgereinigt und anschließend ligiert. Nach Transformation in E. coli XL10gold Zellen mittels Hitzeschock erfolgten das Ausplattieren sowie der Anwuchs der Kolonien über Nacht. Zur Kontrolle der Fehlerrate und der Transformation wurden 20 Klone angezogen, die Plasmide isoliert und sequenziert. Das Ergebnis zeigte eine ausreichende Fehlerrate, so dass der Ansatz zum Anlegen einer Mutantenbibliothek von insgesamt 20 384-Wellplatten verwendet wurde.

2.1.2 Übersicht über das Screeningsystem

Die aus der fehleranfälligen PCR hergestellte Mutantenbibliothek wurden mittels des in Abb. 7 gezeigten Screeningssystems selektiert. Dieses wurde in der AG Marx von Summerer82 entwickelt und für Polß von Di Pasquale91 optimiert.

Die Einzelkolonien wurden in 384-Deepwellplatten kultiviert (5.4.1.1). Diese Flüssigkulturen wurden zwecks Lagerung bei -80 °C mit Glycerol versetzt. Aus diesen Lagerplatten erfolgte ein Überimpfen mittels Pipettierroboter in 96-Deepwelplatten, in denen die Überexpression der Proteine durchgeführt wurde. Die pelletierten Bakterien wurden bei -80 °C gelagert. Zur Durchführung eines Aktivitätstests wurden diese

Bakterien lysiert. Die Extrakte konnten nach Zugabe eines Lagerpuffers direkt in die Primer-Verlängerungsreaktion in 384-Well-Mikrotiterplatten eingesetzt werden. Für alle mit Lysaten durchgeführten Primer-Verlängerungsreaktionen wurden modifizierte Primer verwendet, die eine Phosphorothioat-Bindung am Primerterminus enthielten. Diese Modifikation ist bekannterweise widerstandsfähiger gegen Exonukleasen als unmodifizierte DNA. 93

Jede 384-Well-Mikrotiterplatte enthielt 16 Wildtypen der kodon-optimierten humanen DNA-Polymerase (Polßwt) sowie 16 katalytisch-inaktive Mutanten, die als Negativkontrolle (NK) dienten. Die Reaktionen wurden bei 37 °C für 30 min durchgeführt und anschließend mit einer EDTA und SybrGreenI enthaltenden Lösung gestoppt. Die Fluoreszenz wurde in einem Plattenlesegerät (Infinite M200, Tecan) gemessen.

Jede 384-Well-Mikrotiterplatte enthielt 16 Wildtypen der kodon-optimierten humanen DNA-Polymerase (Polßwt) sowie 16 katalytisch-inaktive Mutanten, die als Negativkontrolle (NK) dienten. Die Reaktionen wurden bei 37 °C für 30 min durchgeführt und anschließend mit einer EDTA und SybrGreenI enthaltenden Lösung gestoppt. Die Fluoreszenz wurde in einem Plattenlesegerät (Infinite M200, Tecan) gemessen.