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Enzyme werden von der Industrie bereits in vielen Bereichen genutzt. Allerdings wird in der Natur eine große Zahl nicht charakterisierter Enzyme vermutet, die in technischen Applikationen verwendet werden könnten. Im Fokus der Forschung stehen insbesondere höhere Pilze wie die Basidiomyceten. Das Phylum der Basidiomyceten umfasst rund 31.500 Arten (Kirket al. 2008).

Zu ihnen gehören die Weiß- und Braunfäulepilze, die als Destruenten die polymeren Strukturen der Lignocellulosen abbauen, um Nährstoffe zu erschließen (Müller und Löf ler 1992). Hierfür besitzen sie ein breites Repertoire extrazellulärer Enzyme. Daher sind insbesondere Weiß- und Braunfäulepilze als neuartige Quelle für extrazelluläre hydrolytische und oxidative Enzyme zum Aufschluss ligni izierter Biomaterialien von besonderem Interesse (Rajarathnamet al. 1998).

Der Einsatz von Enzymen reduziert aufgrund der Substrat- und Regiospezi ität der verwende-ten Enzyme unerwünschte Nebenreaktionen (Longo und Sanromán 2006). Biotechnologischer Anwendungen können emissionsreiche, umweltschädliche chemische Verfahren ersetzen. Appli-kationsfelder für neuartige Enzyme inden sich vor allem in Naturstoff orientierten Industrien, wie bei der Lebensmittel-, Waschmittel-, Kosmetik- und Pharmaindustrie. So sollen beispiels-weise mit Hilfe von lignocellulolytischen Enzymen die chemisch inerten Lignine sowie Gemische aus Cellulose und Hemicellulose für die Gewinnung von Aromastoffen, Pigmenten, Biokraftstoffen sowie pharmazeutischen Wirkstoffen genutzt werden (Himmelet al. 2007, Mendonça Macielet al.

2010). Ein kontrollierter Aufschluss von Lignocellulosen im Rahmen von Bioraf ineriekonzepten kann dazu beitragen, den Verbrauch an fossilen Energieträgern wesentlich zu reduzieren und damit zugleich die Emission von Treibhausgasen zu vermindern (Herrera 2004). Die Verfügbar-keit geeigneter Enzymsysteme ist dabei die Voraussetzung für einen ef izienten enzymatischen Aufschluss von Lignocellulosen. Daher wurden in dieser Arbeit mehrere lignocellulolytische Enzyme ausPleurotus sapiduskloniert und heterolog exprimiert. Die Auswahl geeigneter Enzyme erfolgte auf Grundlage von Untersuchungen des Sekretoms (Schüttmann 2011).

4.1 Pleurotus sapidus

Pleurotus sapidus ist ein holzbesiedelnder Basidiomycet (Ständerpilz) aus der Familie der Pleurotaceae(Seitlinge). Er ist ein naher Verwandter des Austernseitlings Pleurotus ostreatus, der als Speisepilz geschätzt wird. Diese Pilze gehören zu den Weißfäulepilzen und sind in der Lage, mit ihrer Ausstattung sekretierter Enzyme alle Bestandteile von Zellwänden abzubauen.

Verholzte Zellwände bestehen vorwiegend aus Cellulose, Hemicellulose und Lignin. Weißfäule-pilze bauen insbesondere den bräunlichen Ligninanteil ab, wobei die weißlichen Polysaccharide Cellulose und Hemicellulose zurückbleiben, die dieser Fäulnis den Namen

”Weißfäule“ geben (Blanchette 1991). Weißfäulepilze sind die ef izientesten Lignindestruenten und sind in der Lage das komplexe Polymer vollständig abzubauen (Rajarathnamet al. 1998).

Im Sekretom von Pleurotus sapidus wurden zahlreiche am Lignocelluloseaufschluss beteiligte Enzyme identi iziert. Unter anderem wurden Cellulasen, Hemicellulasen, Peptidasen, Esterasen, Laccasen und insbesondere Peroxidasen vom Pilz in das Kulturmedium sekretiert (Zornet al.

2005a). Ein umfassendes Verständnis der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung des Pilzsekretoms sowie des synergistischen Zusammenwirkens der Enzyme ermöglicht die Entwicklung optimierter

”Enzym-Cocktails“für die Weiße Biotechnologie (Bouwset al. 2008).

Pleurotus sapiduswächst natürlicherweise auf festen, unbeweglichen Substraten, lässt sich aber auch gut submers kultivieren (Peters 2004).Pleurotus-Spezies sind in der Lage, eine Vielzahl von Kohlenstoffquellen – wie Weizenstroh (Mata und Savoie 1998), Erdnussschalen (Zornet al.

2005a), Kaffeepulpe (Rolzet al. 1988) oder Bananen-Pseudostämme (Ghoshet al. 1998) – zu verwerten. Sie sekretieren je nach Substrat unterschiedliche Enzymaktivitäten (Bouws et al.

2008, Linkeet al. 2005b, Peters 2004, Zornet al. 2005a) und besitzen daher ein großes Potential, Enzyme mit neuartigen biosynthetischen bzw. biodegradativen Funktionen zu bilden.

Da verschiedene Oxidoreduktasen die Grundlage für einen effektiven Aufschluss von Lignocellu-losen bilden, wurde die cDNA einer Arylalkoholoxidase kloniert, die im Sekretom nachgewiesen wurde.

4.2 Arylalkoholoxidase

Die klonierte cDNA der Arylalkoholoxidase hat eine Größe von 1782 Basenpaaren, die ein Protein aus 593 Aminosäuren codiert. Das berechnete Molekulargewicht des Proteins beträgt 63,6 kDa und entspricht damit dem über SDS-PAGE bestimmten apparenten Molekulargewicht von 63 kDa (Abb. 3.22). Auf Ebene der Aminosäuresequenz zeigt das Enzym eine Identität von 95% zu dem homologen Protein aus Pleurotus eryngii. Nicht alle massenspektrometrisch generierten Peptidsequenzen (Tab. 3.1), die Arylalkoholoxidasen zugeordnet wurden, sind in der Aminosäuresequenz der Arylalkoholoxidase enthalten (Abb. 3.9). Daher könnten noch weitere Enzyme dieser Klasse zum Sekretom des Pilzes gehören.

Arylalkoholoxidasen (AAO, EC 1.1.3.7) sind sekretierte monomere Enzyme und gehören zur Familie der GMC-Oxidasen (Glucose/Methanol/Cholin-Oxidasen) mit nicht kovalent gebunde-nem FAD als Cofaktor (Heftiet al. 2003, Sanniaet al. 1991). Die Enzyme besitzten zwei Domä-nen: die N-terminale FAD-Bindungsdomäne und die C-terminale Substrat-Bindungsdomäne (Varelaet al. 1999). Arylalkoholoxidasen aus Weißfäulepilzen sind am Abbau von Lignin beteiligt.

Sie katalysieren die Zwei-Elektronen-Oxidation von aromatischen und aliphatischen, mehrfach ungesättigten primären Alkoholen, wie z.B. 2,4-Hexadien-1-ol zu ihren korrespondierenden Aldehyden und reduzieren gleichzeitig O2zu H2O2(Ferreiraet al. 2005, Guillénet al. 1992). Das extrazellulär produzierte H2O2ist als oxidierendes Cosubstrat für den Peroxidase-katalysierten Abbau von Lignocellulosen zwingend erforderlich (Ruiz-Dueñas und Martı́nez 2009). Daneben ist H2O2 ein Vorläufer des hochreaktiven Hydroxylradikals, das in der Lage ist, Lignin und Polysaccharide direkt oxidativ zu spalten (Guillénet al. 2000). In der Natur wird die kontinu-ierliche Bereitstellung von H2O2durch einen Redoxzyklus unter Beteiligung von intrazellulären Dehydrogenasen gewährleistet, die die entstandenen Aldehyde zu Alkoholen reduzieren (Guillén und Evans 1994).

Die ersten Sequenzen von Arylalkoholoxidasen, die publiziert wurden, stammten aus den Pleu-rotenPleurotus eryngiiundPleurotus pulmonarius(Varelaet al. 1999, 2000a). Die Gene sind in beiden Organismen sehr ähnlich und zeigen auf der Aminosäureebene eine Identität von 95%.

Ein Vergleich mit anderen Oxidoreduktasen zeigte gemeinsame Motive sowohl im Bereich des N-Terminus als auch im C-Terminus, die mit der FAD-Bindungsregion bzw. mit dem aktiven Zentrum korrespondieren. Inzwischen wurden Arylalkoholoxidasen in verschiedenen anderen Weißfäulepilzen – darunter weitere Pleurotusarten, Bjerkandera adusta und Phanerochaete chrysosporium– sowie in einigen Braunfäulepilzen und Ascomyceten gefunden (Ferreira et al.

2005, Hernández-Ortega et al. 2012a, Varela et al. 2001). Die Zahl steigt stetig an, seit mit zunehmendem Interesse an der Bioraf inerietechnologie verschiedene Basidiomycetengenome im DOE (Joint Genome Institute) (http://www.jgi.doe.gov) sequenziert wurden.

Die Kristallstruktur der inE. coliexprimierten Arylalkoholoxidase ausPleurotus eryngii (Fernán-dezet al. 2009) zeigt 33% Identität zu der Glucoseoxidase aus Aspergillus niger (Varela et al.

4.2.1 Sequenz- und modellorien erte Analyse der AAO-Sequenz

Für die heterologe Expression der Arylalkoholoxidase wurde die aus der cDNA-Sequenz abge-leitete Aminosäuresequenz zunächst bioinformatisch analysiert. Dabei wurde mittels SignalP 4.1 für die Arylalkoholoxidase ausP. sapidusein Singalpeptid mit einer Länge von 21 Aminosäuren vorhergesagt. Für die reifen Arylalkoholoxidasen der eng verwandten Pilze Pleurotus eryngii und Pleurotus pulmonarius wiesen Varelaet al. (1999, 2000a) durch N-terminale Sequenzie-rung der reifen Enzyme ein Signalpeptid mit einer Länge von 27 Aminosäuren nach. Sannia et al. (1991) identi izierten mittels Edman-Abbau für eine Veratrylalkoholoxidase ausPleurotus ostreatus zwei überlappende Sequenzen als N-Termini (LPTADFDYIVV… bzw. ADFDYIVV…) und somit ein Signalpeptid mit einer Länge von 24 bzw. 27 Aminosäuren. Mit der Version 4.1 von SignalP wird gegenüber den Vorgängerversionen eine höhere Sensitivität bei der Vorhersage von Signalsequenzen erreicht (Bendtsenet al. 2004, Nielsenet al. 1997), dennoch scheint sie für die Vorhersage der Spaltstellen bei Basidiomyceten nur bedingt geeignet. So wurde für eine polyva-lente Peroxidase ausPleurotus eryngii(Scheibner 2006) und auch bei einer Xanthophyllesterase ausPleurotus sapidus(Bouws 2007) mittels Edman-Abbau ein anderer N-Terminus der reifen Enzyme ermittelt als mit SignalP berechnet. Bei Sekretomanalysen vonPleurotus sapiduswurde u.a. ein Peptid mit der SequenzLPTADFDYLVVGAGNAGNVVAARermittelt, das der Arylalkoholoxidase zugeordnet wurde (Abb. 3.9). Aufgrund dieser Daten und der Literatur wurde postuliert, dass die Arylalkoholoxidase ausPleurotus sapidusvor dem Leucin prozessiert wird und das Enzym ein Signalpeptid mit einer Länge von 24 Aminosäuren besitzt.

Ruiz-Dueñaset al. (2006) und Varelaet al. (2001) zeigten, dass die heterologe Expression der AAO-Sequenz aus P. eryngii mit und ohne Signalsequenz im AscomycetenAspergillus nidulans zu einem extrazellulären, aktiven Enzym führte. Die Bedeutung einer Signalsequenz für die Expressionsrate und die Enzymaktivität kann noch nicht vorhergesagt werden. Daher wurde sowohl die vollständige Sequenz als auch die Sequenz des gereiften Enzyms ohne die potentielle Signalsequenz (AS 1-24) inE. coliexprimiert.

Zur Berechnung des Strukturmodells (Abb. 3.11) diente die von Fernándezet al. (2009) bestimmte Röntgenkristallstruktur der rekombinanten Arylalkoholoxidase ausPleurotus eryngii (PDB-ID 3FIM). Die katalytischen Reste wurden auch in der Sequenz der Arylalkoholoxidase ausPleurotus sapidusidenti iziert (Abb. 3.10).

Die N-terminalen Strukturen beider Enzyme entsprechen auf Ebene der Primärsequenz einem konservierten GMC-Motiv, dem β-α-β-ADP-Bindemotiv, das an der FAD-Bindung beteiligt ist (Varela et al. 1999, Wierenga et al. 1986). Das FAD interagiert nicht-kovalent über Wasser-stof brückenbindungen vorwiegend zu den NH- und CO-Gruppen der Hauptkette des Enzyms (Fernándezet al. 2009). Die Kristallstruktur der Arylalkoholoxidase zeigt einen trichterförmigen Kanal, über den das Lösungsmittel mit dem Flavin Cofaktor in Verbindung steht (Abb. 3.11).

Im Gegensatz dazu liegt das aktive Zentrum bei der Glucoseoxidase lösungsmittelexponiert vor.

Die Substratbindungsdomäne und das aktive Zentrum liegen im Bereich des C-Terminus. Die