4 SZENARIEN IM QUASI-STATIONÄREN ANSATZ
Faktor 3 bildet die Grundlage einer Diskussion über die langfristigen, regionalen Ressourcenziele urbaner Systeme wie dem Schweizer Mittelland
4.4 Diskussion der Szenarien im quasi-stationären Ansatz
122 KAPITEL4
SZENARIEN IMQUASI-STATIONÄRENANSATZ 123 Szenario
,Stadtpark'
kann angenommenwerden,
dass auch dieVeränderungen
in den französischen
Südalpen
denphysiologischen
Ressourcenhaushalt derGrossregion Südost-Frankreich,
also desGesamtsystems,
fürEnergie
undErnähren nurunbedeutend beeinflusst haben.
Im
Gegensatz
dazu steht das Szenario,Hochland
-Alpenstadt
Schweiz'.Für dieses Szenario
gibt
es im grossen Massstab keinBeispiel
in denAlpen.
Inneralpin gibt
es mitDavos,
St.Moritz,
Crans-Montana usw.entsprechende kleinräumigere Entwicklungen. Lichtenberger (1991)
entwirft für dieses Phänomen das Bild des,Hochhauses Europa',
bei welchem diebevorzugte Wohnlage
einer überalterten Gesellschaft in den obersten Stockwerken des Kontinentsliegt
und mit,Pensionopolis'
bezeichnet wird. Dieses Szenario bewirktbezüglich
derregionalen Physiologie
intensiveÄnderungen (Abb.
4-25,
Abb.4-26,
Abb.4-27,
Abb.4-28,
Abb.4-29)
imVergleich
mit demStatus-quo. Aufgrund
der vermindertenBesiedelung
in den MLG werden die MLG nun zumwichtigen
Lieferanten für die betrachtetenMassengüter
imSAR. Insbesondere kehrt die
Richtung
derEnergieinteraktion
und die MLG liefernEnergie
in den SAR(Abb. 4-25).
Die Sicht auf dasGesamtsystem zeigt jedoch,
dass der. nationale Ressourcenhaushalt sich wie beim Trendszenario und dem Szenario ,Stadtpark'
kaum verändert. Die zusätzlicheNutzung
einesGrossteils
ehemaliger MLG-Siedlungsflächen
zurNährwertproduktion
würdedie
Abhängigkeitsverhältnisse
fürNahrungsmittel
nichtändern25.
Für die beidenbesprochenen Migrations-Szenarien ,Stadtpark'
und,Alpenstadt'
kanndemnach
folgendes
gesagt werden:Eine
Migration
derBevölkerung
innerhalb desGesamtsystems
beigleicher Technologie
undErnährung
ändertbezüglich
derPhysiologie
desGesamtsystems
trotz unterschiedlichemregionalem Ressourcenangebot wenig.
Zudem werden die Interaktion zwischen denRegionen
im Ver¬gleich
mit demImportbedarf
desGesamtsystems
nurteilweise relevant.Soll sich das
Ressourcenmanagement
desGesamtsystems
in eine nach¬haltige Richtung (vgl.
Ziele inKap. 1.2) bewegen,
so müssen andere Parameter als die Einwohnerzahl(und
damit dieSiedlungsstruktur)
variiert werden. Dafür steht dasquasi-stationäre
Szenario ,Solar contract' alsBeispiel.
Hier kanngezeigt werden,
dass die beidenRegionen
fürEnergie
und Ernährengenügend
Potentiale
haben,
umkomplementär
wirtschaften zu können(Abb. 4-18,
Abb.4-22,
Abb.4-23).
Der inKap.
1.1.4geforderte
SVG von 80% wird vomGesamtsystem
für alle untersuchten Güter erreicht(Abb. 4-28).
Damit wird dieregionale, nachhaltige ,Handelstauglichkeit'
mitregionalen
Ressourcen erhöht25Der AnteilSiedlungsflacheander Gesamtflacheistwenigerbedeutend,als oftgeschätztwird(Abb 2-5) Aus diesem Grund wirkt sich aucheineteilweise landwirtschaftlicheNutzungdieser Flachevergleichsweiseunbedeutendaus
124 KAPITEL4
(Kap. 2.7)
und dieAbhängigkeit
vomglobalen
Hinterland vermindert. DerAnspruch
einergegenseitigen,
dauerhaften Partnerschaft für dieMassengüter Energie
undNahrungsmittel
kanneingelöst
werden.Die beiden
Regionen
SchweizerAlpenraum
undMittellandgebiete
können sowohl für
Energie,
als auch für die Aktivität,Ernähren'
einenkomplementären
RessourcenhaushaltfürEnergie
undNahrungsmittel
mitgeringer Abhängigkeit
vomglobalen
Hinterland erreichen. Die dezentraleImplementierung
verschiedener erneuerbarerEnergiesysteme,
die Re¬duktion der Verbrauche auf das Niveau einer 2-kW Gesellschaft sowie eine
Änderung
derErnährungsgewohnheiten
sinddafürnotwendig.
Das Szenario
,Solar
contract'(Kap. 4.2.8, 4.3) zeigt
imVergleich
mitdem
Status-quo
und den anderen Szenarien eineIntensivierung
der Interaktio¬nen und
Hinterlandsleistungen (Abb. 4-25,
Abb.4-26,
Abb.4-27).
DieFörderung
derregionseigenen Ressourcennutzung
erlaubt demnach eine hoheAustauschaktivität,
was wiederumregionale Wertschöpfung
aus erneuerbaren Ressourcen bedeutet. Nebenweitgehender physiologischer Unabhängigkeit
können somit auch die ökonomischen
Freiheitsgrade
derRegionen
verbessertwerden. Mit diesen
Erläuterungen
lässt sich auch der Name ,Solar contract' des Szenarios erklären. Die beidenRegionen pflegen
in diesem Szenario einen,Ressourcen-Handelsvertrag'
zurgegenseitigen Versorgung
mit den auseigenen
Ressourcen solarerzeugten physiologischen Massengütern
erneuerbareEnergie, Nahrungs-
undFuttermittel.Es kann
postuliert werden,
dass ein hoherGrad anNachhaltigkeit
imphysiologischen Ressourcenmanagement
durchFörderung
derregions¬
spezifischen
Potentiale dieinterregionalen
Interaktionen intensiviert.MitBlick auf die historische
Entwicklung (Kap. 1.1.1)
und die anhand derSzenarien
gezeigten regionalen Möglichkeiten
kann der Verlaufregionaler Entwicklungen typisiert
werden(Abb. 4-32).
HistorischeAgrargesellschaften (vor
derIndustrialisierung)
sindphysiologisch
insofernnachhaltig
zu beur¬teilen,
als dass sie von den erneuerbaren Ressourcen lebten und sichfehlende,
ebenfalls erneuerbare Güter im Tausch miteigenen
Produktenbesorgten.
Monokultur-Ökonomien (z.B. Kohleabbaugebiete, Schwerindustriegebiete, Tourismusregionen etc.)
haben beim Güteraustausch eine tiefe Diversität und sind beiMassengütern hauptsächlich
vonImporten abhängig.
Satelliten-Ökonomien
sindpolitisch
und/oder finanziell stark von ökonomischpotenteren
Zentrenabhängig (z.B.
SAR vomMLG,
Israel von den USA oder früherHong
SZENARIEN IM QUASI-STATIONÄRENANSATZ 125
Kong
vonGrossbritannien).
Historischgesehen
transformierten sich diealpinen Regionen
vonagrarischen Ökonomien
auf Pfad A oder B. Dievorliegende
Arbeit
zeigt,
dass derStatus-quo
des SAR alsMischung
von ökonomischer Monokultur undSatelliten-Ökonomie gesehen
werden kann. Sowohl derSAR,
als auch die MLG sind fürEnergie
undErnährung
stark von nicht erneuerbaren Ressourcen aus demglobalen
Hinterlandabhängig.
Das Szenario ,Solarcontract'
ermöglicht
beidenRegionen
eineEntwicklung
auf PfadC,
hin zueiner neuen,
unabhängigen Regionalökonomie.
Die hohe Austauschaktivitätermöglicht
einenkomplementären, weitgehend unabhängigen
Haushalt mit den erneuerbaren Ressourcen fürEnergie
undNahrungsmittel.
Physiologische Nachhaltigkeit, (SVG)
hoch
tief
"Agrarische Ökonomie"
unabhängig
Selbstversorgendmit
erneuerbaren Ressourcen
Ve
"MonokulturÖkonomie"
abhängig
Auf nicht emeuerbaren Ressourcen basierend
"Neue Regionalökonomie"
unabhängig
KomplementärerHaushalt mit erneuerbaren Ressourcen
B
"Satelliten Ökonomie"
abhängig
Auf nicht erneuerbaren Ressourcen basierend
tief hoch
Interregionale
Interaktionen
Abb. 4-32: Typen regionaler Ökonomien mit Bezug zu ihrer Charakteristik physiologischer Nachhaltigkeit(indiziertmitdem
Selbstversorgungsgrad
erneuerbarerRessourcen)und ihren interregionalen Interaktionen (indiziert mit der ausgetauschten Güter- und Energiemenge).Historisch gesehen entwickelten sich alpine Regionen auf dem Pfad A oder B. Die EntwicklunginRichtung
Nachhaltigkeit
erfolgt auf PfadC.Die
grundlegende Frage
3 dieserArbeit26 (Kap. 1.4)
fokussiert auf dasRollenspiel
einerlangfristigen Ressourcenpartnerschaft
zweierRegionen.
DerAspekt
derregionalen
Potentiale undFreiheitsgrade
sowie dieDauerhaftigkeit
stehen im Zentrum des Interessens. Die Potentiale können anhand
quasi¬
stationärer
Betrachtungen
vonStatus-quo
und Szenarien ermittelt werden. Zum26WelcheAufgabenkönnen die betrachteten Hoch- undTieflandregionenbeiderphysiologischenRessourcenbewirtschaftung langfristig übernehmen,umdiesbezüglicheinenachhaltige Entwicklungfür Hoch und Tieflandzuermöglichen''
126 KAPITEL 4
Aspekt
derFreiheitsgrade
lässt sich anhand desquasi-stationären
Ansatzes und mitBezug
zu denwichtigsten
Merkmalen der Szenarien(Tab. 4-1) folgendes
zusammenfassen:
Die
Siedlungspolitik
von Hoch- und Tieflandnachbarschaften ist im Kontext einernachhaltigen Entwicklung
und mitBezug
zurPhysiologie
von
Energie
und der Aktivität,Ernähren' weitgehend frei27.
Auf demWeg
zu einem
nachhaltigeren
Zustand bei der Produktion und dem Konsumder
Massengüter Energie
undNahrungsmittel gibt
eshingegen wenige Freiheitsgrade.
Eine
physiologische
Potentialstudie unter der Leitidee derNachhaltigkeit
darf sich nicht mit der Dokumentation eines
nachhaltigen
Zustandbegnügen.
Auch die Zeit hin zu einem
nachhaltigen
Zustand musssystemverträglich28,
d.h.
nachhaltig gestaltbar
sein. DieFrage
3 inKap.
1.4verlangt
damitimplizit
auch Antworten mit welchem Verlauf der im Szenario
,Solar
contract' be¬schriebene Zustand erreicht werden kann und wie gross der Zeitbedarf für einen
systemverträglichen Übergang
ist. Nicht zuletzt werden dieregionalen Freiheitsgrade
auch durch den Zeitbedarf fürSystemanpassungen
überlängere
Zeiträume mitbestimmt. Diese
Fragen
können nicht mit einemquasi-statio¬
nären Ansatz beantwortet werden. Dazu braucht es eine
dynamische System¬
betrachtung.
In der Arbeit von Faist(2000)
wird derHandlungs Spielraum
derverschiedenen Akteure in der Aktivität
,Ernähren'
im Rahmen einer nachhal¬tigen Entwicklung eingehend
untersucht. Die Resultate dervorliegenden
Arbeitbestätigen
das in(Faist 2000) gezeigte
Bild. Aus diesem Grund wird für dieBetrachtung
desÜberganges
der Aktivität,Ernähren'
zu einemnachhaltigen
Zielzustand auf die Arbeit von
(Faist 2000)
verwiesen. Für den IndikatorEnergie
untersuchte Real(1998)
mit einemdynamischen
Ansatz den Aufbau eines Elektrizitätshaushaltes auf erneuerbarer Basis für die Schweiz. Dabei wurdeerkannt,
dass bei kurzenÜbergangszeiten
vomStatus-quo
auf einenZielzustand stoffliche bzw.
energetische Limitierungen
auftreten. DerÜber¬
gang des gesamten
Energiehaushalts
auf einen Zielzustand und das Zusammenwirken von zweiRegionen
und demglobalen
Hinterland mit ihrengegenseitigen
Interaktionen wurdehingegen
noch nichtdynamisch
modelliert.27Es sollindiesemZusammenhang daraufhingewiesenwerden,dass sichVeränderungenderFlachennutzungauf das
Landschaftsbild auswirken können Die Diskussion dazuistimKontexteinernachhaltigenEntwicklungebenfallszufuhren Mitden hierangewendetenMethoden lassen sich dazu keineAussagendazumachen
28DieSystemfunktionen(siehe Glossar)müssenauch wahrend der Zeit derSystemanpassunggrundsätzlich gewährleistetsein
SZENARIEN IM QUASI-STATIONÄRENANSATZ 127 Das
folgende Kap.
5präsentiert
deshalb diedynamische Modellierung
desEnergiehaushaltes
vomStatus-quo
bis zurErreichung
des im Szenario ,Solar contract' illustrierten Zielzustandes mitNutzung
derrealisierbaren,
erneuer¬baren