Diss. ETH Nr. 14540
RESSOURCENHAUSHALT ALPINER
REGIONEN UND DEREN
PHYSIOLOGISCHE INTERAKTIONEN MIT
DEN TIEFLÄNDERN IM KONTEXT EINER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG
Abhandlung
zurErlangung
des TitelsDOKTOR DER TECHNISCHEN WISSENSCHAFTEN der
EIDGENÖSSISCHEN
TECHNISCHEN HOCHSCHULEZÜRICH
vorgelegt
vonFlorian
Hug
Dipl. Umwelting.
ETHZürichgeboren
am 21. Januar 1970vonAdliswil ZHund Ottenbach
ZH,
SchweizAngenommen
aufAntrag
vonProf. Dr. Peter
Baccini,
ReferentProf. Dr. Bruno
Messerli,
KorreferentZürich 2002, International Year of Mountains
Vertrieb EAWAG
Bibliothek
Überlandstrasse 133 CH-8600 Dübendorf
Tel. ++41-1-823 55 31/32
Fax: ++41-1-823 5028 E-mail:
bibliothek@eawag.ch http://www.eawag.ch
WeitereInformationen
Florian
Hug
E-mail:
florian.hug@alumni.ethz.ch
Susanna
und
meinen Eltern
gewidmet
Dr Herrgott und d'Wallisser
We dr lieb Gott uf schiner Wältreis d Schwiz hed wellu
verlaa,
hed er zerscht digüotu Eidginossu
nogfrägt,
obsch appa no upsundrigi
Bitt an inuhei. Natiirli heisch das! Di Gletscher sy in de letzschte Jahru so starch zrugg gegangu, dasch
jetz
eifachzwenig
Wasser mehhei; schy
chenne diGieggini
nimme
erhaltu,
d Matte und Achra sy diri. Ob är de keis Mittulpchenne.
Drufhed dr
Herrgott
schoo Bscheidgwisst
und hedgmeint: „Dascht
docheifach,
damüos mu wässern. Jetzt welltsus iehr
machu,
de ischrächt,
wenit,
müosis halt sälbschtpsorge!"
DEidginossu
sind mit discher Red wol zfridu gsy und hend öigidäichut: „Herrgott,
du hescht nisch bisjetz güot gglüoget,
dierverdäichewer alls wawer hei; farr nummu so witter!" D Wallisser
uleinzig
sindstilli
plibu
und hendlang gstudiert
undgstudiert.
DischumVorschlag
fam liebuGott hendsch in irum Misstruwwe halt nit sorächt wellu
gglöibu.
Wahrschinli hed der Petrus Uschi Wallisser schoo
pchennt. Är
ischtgeschwind
hinnunum zine,
hedne un Puffggä
undgseit: „Läät
doch duHerrgott
lamachu,
der meints nummugüot
mit ew und versteit ds Wässeru schoo; är ischtja sozsäge
sälbscht u Wallisser!" Aberjetz
hend d Wallisser erseht rächt afa zwiiflu:„Was,
u Wallisser ischt er? Wie will er de besser chennuwässeru als wier?Nenei,
we das sooischt,
wässere wier sälbscht!"Und so is
plibu.
In der ganzu Schwiz wässerut hittu dr liebGott,
nummu imWallis machuntsus d Wallissersälbscht;
und iri Matte verdorent.GunternJ. 1966. Die Sage. In Forumalpinum. Ex librisVerlag. Zürich, S. 96.
1Gutlein
Dank
Wenn das Umfeld nicht stimmt, dann
gelingt
nichts. Das Umfeld hat gut ge¬stimmt. Von verschiedenster Seite wurde ich bei meiner Arbeitunterstützt.
Susanna war mir mit ihrer Doktorarbeit immer einen Schritt voraus. Ihr Vor¬
sprung war während dieser Arbeit meine
Beratung.
Susanna ist mir aber nicht nurakademische Beraterin und
sorgfältige
Lektorin. Sie ist meinezuverlässige
Seil¬partnerin
aller unserer,Feldphasen'
imHochgebirge, ausgezeichnete Gebirgsfor-
scherin aus Intuition, moralische Stütze in allen
Lebenslagen
und vor allem meine liebeLebensgefährtin.
Ihrdanke ich vonHerzen für alles.Prof. Peter Baccini
ermöglichte
mir dieDurchführung
meiner Dissertation in einem Themenbereich welcher mir viel bedeutet. SeineAufforderungen
zur vorur¬teilslosen
Analyse
des emotionalbehafteten Themas,Alpen'
eröffneten mir ganzneue Panoramen mit An-und vielen Einsichten. Dafür danke ich ihm ganz herzlich.Prof. Bruno Messerli danke ich für die Bereitschaft zur Übernahme des Korre¬
ferates und die sehr
angenehme
Zusammenarbeit in derSchlussphase
der Arbeit.Ander Professur fürStoffhaushalt und
Entsorgungstechnik
warichin ein Teamvon wissenschaftlichen Mitarbeitern und
Doktoratskollegen integriert.
Einespezielle
Position nahmen dabei Hans-Peter Bader und Ruth
Scheidegger
ein. Ihre Unter¬stützung
ermöglichte
mir diedynamische Modellierung.
Vielen herzlichen Dank für diekompetente
undzuverlässige
Zusammenarbeit.Ganz
speziell
danke ichGregor Dürrenberger,
SusanneKytzia,
Daniel Müllerund Michael Redle für die wertvollen
Ratschläge
und Diskussionen während derStartphase.
Der Austausch mit meinen vielen Mit-Doktorandlnnen und Zimmer¬kolleginnen
war interessant, hilfsbereit und humorvoll. Vielen herzlichen Dank Euch allen für diegemeinsame
Zeit.Speziell
danke ich Franziska Pfister für dassorgfältige
Korrekturlesen undMireille Faist für die redaktionelle
Unterstützung.
Wenn das Umfeld nicht stimmt, dann
gelingt
gar nichts. Dasrichtige
Umfeldhaben mir auch meine Eltern bereitet. Mittelschule, Studium und Doktorat in einem
offenen, interessierten und fördernden Umfeld durchlaufen zu können, ist enorm
wertvoll. Meinen Elternundmeinem Bruderdanke ich dafürvon Herzen.
Inhaltsverzeichnis
ZUSAMMENFASSUNG V
ABSTRACT VII
1 EINLEITUNG 1
1.1 Ausgangslage 1
1.1.1 Die historische
alpine Anthroposphäre
und die Interaktionenmitden
umliegenden
Tiefländern 21.1.2 Neuzeitliche
Entwicklung
deralpinen Anthroposphäre
31.1.3
Alpines
Verständnis und Identifikation mitBerggebieten
amAnfang
des21. Jahrhunderts 51.1.4
Knappheit
der Ressourcen -Nachhaltigkeitskonzepte
61.2 Ziele 8
1.3 Arbeitshypothesen 8
1.4 Fragestellungen 9
2 METHODEN 11
2.1 Untersuchte Regionen 11
2.1.1
Systemgrenzen
112.1.2
Bezug
derSystemgrenzen
zurPhysiologie
132.1.3
Wirtschaftsgeografische Beschreibung
derRegionen
142.2 Indikatoren 19
2.3 Zeithorizonte 22
2.4 Bestehende Modelle 23
2.5 Zwei-Regionen System: GrundkonzeptderSystemwahl 25
2.6 Der quasi-stationäre Ansatz 26
2.6.1
Systemwahl,
Prozesse und Güter 262.6.2 Mathematisches Modell für den Quasi-stationären Ansatz 30
2.6.3 Allokationsansätze 31
2.6.4 Annahmen zum
quasi-stationären
Modell 332.6.5
Datenerhebung
undFehlerabschätzung
342.6.6
Sensitivitätsanalyse
372.7 Beurteilungskriterien hinsichtlich derZiele 37
3 BESCHREIBUNG DES STATUS-QUO 41
3.1 Energiehaushalt 41
3.2 Die
Aktivität,Ernähren'
473.2.1 Pflanzliche
Nahrungsmittel
493.2.2 Tierische
Nahrungsmittel
und Futter 503.3 Hinterlandsleistungen 53
3.4 Bezugzur Fläche 56
3.5 Sensitivitätsanalyse 57
3.6 Diskussion 62
3.6.1
Defizitabschätzung
derangewandten
Methoden undÜbertragbarkeit
auf andereRegionen
663.7 Fazitder Status-quo Betrachtung 68
4 SZENARIEN IM
QUASI-STATIONÄREN
ANSATZ 714.1 Wahlder Szenarien für denquasi-stationären Ansatz 71
4.1.1 Trendszenario 72
4.1.2 Hochland -
Stadtpark Europa
724.1.3 Hochland -
Alpenstadt
Schweiz 734.1.4 Solarcontract: 2000Watt Gesellschaft- Neue
Ernährung
734.1.5
Synoptische Darstellung
derSzenarien 744.2 Annahmen und Resultatezu den Szenarien 75
4.2.1 Annahmen zum Trendszenario 75
4.2.2 Resultate des Trendszenarios 77
4.2.3 Annahmen zum Szenario Hochland-
Stadtpark Europa
804.2.4 Resultatezum Szenario Hochland -
Stadtpark Europa
824.2.5 Annahmen zum Szenario
.Hochland
-Alpenstadt
Schweiz' 914.2.6 Resultatezum Szenario
.Hochland
-Alpenstadt
Schweiz' 934.2.7 Annahmen zum Szenario
.Solar
contract: 2000 WattGesellschaft - Neue
Ernährung'
1014.2.8 Resultatezum Szenario
.Solar
contract - 2000 WattGesellschaft - Neue
Ernährung'
1034.3 Synoptische Darstellung der Szenarioresultate 113 4.4 Diskussion derSzenarienimquasi-stationären Ansatz 122 5 DYNAMISCHE MODELLIERUNG DES ENERGIEHAUSHALTES 129
5.1 DerdynamischeAnsatz 129
5.1.1
Systemwahl,
Prozesse und Güter 1305.1.2 Mathematisches Modell für den
dynamischen
Ansatz 1335.1.3 Allokationsansatz 136
5.1.4
Kalibrierung
1365.1.5
Computerprogramm
1375.1.6
Datenerhebung
undFehlerabschätzung
1375.1.7 Szenarien 137
5.1.8
Beurteilungskriterien
1385.2 Resultate der SzenarienimdynamischenAnsatz 139 5.2.1
Abschätzung
des Zeitbedarfes fürSystemanpassungen
1435.2.2
Fehlerfortpflanzung
1465.3 Diskussion derSzenarien imdynamischen Ansatz 150
6 ZUSAMMENFASSENDE SCHLUSSFOLGERUNGEN 153
6.1 Methodische Schlussfolgerungen 153
6.2 Schlussfolgerungen mit Bezugzu den Hypothesen und
Fragestellungen 154
ABKÜRZUNGEN
155GLOSSAR 157
LITERATUR 159
ANHANG
CURRICULUM VITAE
Seite Leer,
Blank leaf
V
ZUSAMMENFASSUNG
Seit Jahrtausenden besteht ein Ressourcenaustausch zwischen
alpinen
Hochländern und den
umliegenden
Tiefländern. Ausser in den letzten Gene¬rationen war die
Organisation
des Ressourcenhaushalts immerSchlüsselgrösse
für das
Überleben
der Gemeinschaften. Die Debatte über einenachhaltige Entwicklung bringt
dieregionalen
Potentiale undMöglichkeiten
zurVerbesse¬rung des
Ressourcenmanagements
inökologischer
Hinsicht in Diskussion. In diesemZusammenhang
wird diefolgende Frage
wieder aktuell: WelcheMöglichkeiten
haben benachbarte Hoch- undTieflandregionen,
umbezüglich
ihres Ressourcenhaushaltes
beidseitig profitieren
zu können? Um diephysio¬
logischen
Prozessealpiner Regionen
und deren Interaktionen mit den umlie¬genden
Tiefländern und demglobalen
Hinterland untersuchen zukönnen,
wurde dieStoffflussanalyse angewendet. Energie
und die Aktivität»Ernähren'
wurden als Indikatorenausgewählt.
Die Schweiz dient mit den beidenRegionen ,Schweizer Alpenraum' (SAR)
und,Mittellandgebiete' (MLG)
alsUntersuchungsgebiet.
Die Resultate
zeigen,
dass deralpine
Lebensstilbezüglich
derPhysiologie
dem städtischen Lebensstil
entspricht.
Dieregionalen Selbstversorgungsgrade
für
Energie
undNahrungsmittel
sind relativniedrig.
Dasglobale
Hinterland ist für die beidenRegionen
derHauptversorger
für dieseMassengüter.
Diephysio¬
logischen
Netto-Interaktionen zwischen den beidenRegionen
fürEnergie
unddie Aktivität
,Ernähren'
sind unbedeutend. Der SAR liefert zwarHydro-
elektrizität in die MLG. Diese Interaktion ist aber nur im Kontext der erneuer¬
baren
Energien gewichtig.
Ausgesamtenergetischer
Sicht ist sie nicht relevant.Der
Export
tierischerNahrungsmittel
als historische Tradition des SAR exi¬stiert immer noch. Es ist
allerdings
dieeinzige signifikante
Netto-Interaktion landwirtschaftlicher Güter zwischen den beidenRegionen. Zusammengefasst
kann
gesagt werden,
dass bis heute bedeutende Unterschiede in der Bereit¬stellung
vonEnergie
undNahrungsmitteln
zwischen dem SAR und den MLG existieren. Mit Ausnahme vonpflanzlichen Nahrungsmitteln
ist diespezifische Bereitstellung
pro Einwohner fürEnergie,
tierischeNahrungsmittel
und Futterim SAR
grosser.
Trotzdemübersteigt
derheutige
Bedarf dieregionalen Ressourcenpotentiale
in einerArt,
dass die Interaktionen zwischen denRegionen
in ihrerBedeutung untergeordnet
sind.Mit einem
quasi-stationären
Ansatz wurden ein Trendszenario und dreiweitere, zeitunabhängige
Szenarien berechnet. DieErgebnisse zeigen,
dass dieTrendentwicklung
denRegionen
wederbezüglich
derPhysiologie
der einzel¬nen
Regionen
nochbezüglich
der Interaktionen Vorteilebringt.
EineMigration
der
Bevölkerung
innerhalb desGesamtsystems
ohne weitereAnpassungen
würde
bezüglich
derPhysiologie
desGesamtsystemes wenig
ändern. WürdenVI
jedoch Energiebereitstellung
und -konsum sowieErnährungsgewohnheiten geändert,
so könnten die beidenRegionen
fürEnergie
undNahrungsmittel
einen
komplementären
Ressourcenhaushalt mitgeringer Abhängigkeit
vomglobalen
Hinterland und hoherinterregionaler
Austauschaktivität erreichen.Die
Implementierung
verschiedener erneuerbarererEnergiesysteme,
dieReduktion der Verbrauche auf das Niveau einer 2-kW Gesellschaft und eine
Veränderung
derErnährungsgewohnheiten
sind dafürnotwendig.
Im Hinblickauf eine
nachhaltige Entwicklung
ist dieSiedlungspolitik
somitweitgehend
frei. Der Konsum und die
Bereitstellung
vonEnergie
undNahrungsmitteln
hatim Rahmen einer
nachhaltigen Entwicklung hingegen wenige Freiheitsgrade.
Um den
Übergang
zu einemEnergiehaushalt
mit neuen Ressourcenzielenzu
untersuchen,
wurde eindynamisches
Modell entwickelt. Die Resultatezeigen,
dass dieImplementierung
einesvielseitigen Energiesystems
mitNutzung
derrealisierbaren,
erneuerbarenEnergiepotentiale
einen Zeitraum von etwa zweiMenschengenerationen benötigt.
Dabei wirken nicht derEnergie¬
bedarf zur
Herstellung
der neuenSysteme,
sondern derMaterialbedarf,
dieProduktionskapazität
und dieImplementierung geschwindigkeitslimitierend.
VII
ABSTRACT
There has been an
exchange
of resources betweenalpine highlands
andthe
surrounding
lowlands for thousands of years. All over this time except for the lastgenerations
theregional
resource management was akey
factor forsurvival. The debate about sustainable
development brings regional potential
and
opportunities
toimprove
in resourcemanagement
withregard
toecology
into discussion
again.
In this context thefollowing question
has becomecrucial: Which are the
opportunities
forneighbouring highland
and lowlandregions
to achieve a win-win situation withregard
to their resource manage¬ment? Material flow
analysis,
a method ofdescribing physiological
processes,was used to
study
theanthropological physiology
ofalpine regions
and theirinteractions with the
surrounding
lowlands and theglobal
hinterland.Energy
and the
activity
'to nourish' were chosen as indicators. Thestudy
area includesthe two Swiss
regions
'SchweizerAlpenraum' (SAR
= SwissAlpine Region)
and
'Mittellandgebiete' (MLG
= Lowlandareas).
The results show
that,
withregard
tophysiology, today's alpine lifestyle corresponds
to thelifestyle
of towns. Theregional degrees
ofself-sufficiency
for energy and foodstuff are
relatively
low. For bothregions
theglobal
Hinterland is the main
supplier
for these twomassgoods.
Thephysiological
netinteractions for energy and foodstuff between the
regions
are not ofgreat significance. Although
the SARsupplies
the MLG withhydropower
and thisinteraction has its
importance
in the context of renewableenergies,
it isirrelevant from a total
energetic
andinterregional point
of view. As to theactivity
'tonourish',
thisstudy
shows that the historical tradition ofalpine regions,
the export ofmeat anddairy products,
is still alive. But this interaction is theonly significant
net interaction ofagricultural products
between SAR and MLG. In summary, it can be said thattoday
there still exist considerable differences between the SAR and the MLG in thesupply
of energy and foodstuffs. With theexception
ofvegetable food,
thespecific supply
perinhabitant is
higher
in the SAR for energy, animal food and fodder. However, thepresent demand exceeds theregional potential
ofresources in away that thesignificance
of the interaction between theregions
is overshadowed.With a
steady
stateapproach
a trend scenario and three timeindependent
scenarios werecalculated. The results show that for a trend scenario there is no
advantage,
neither for thephysiology
of thesingle region
nor for theinteractions between the
regions.
Neither would alarge migration
of thepopulation
within the system effect severechanges
on itsphysiology.
But ifenergy
supply
andconsumption
and thedietary
habitschanged,
the tworegions
could achieve a
complementary
balance ofresources with ahigh interregional
exchange level,
both for energy and theactivity
'to nourish'. Forthis,
theVIII
implementation
of differentrenewable energysupply systems,
the reduction of energyconsumption
to the level of a 2-kWsociety,
and achange
indietary
habits
(minus
50 %meat)
are essential.Therefore,
inregard
to sustainabledevelopment,
the settlementpolicy
is more or less free. On the otherhand,
there are few alternatives to the drasticchange
oflifestyle concerning consumption
andsupply
ofenergy anddietary
habits.A
dynamic
model wasdeveloped
to simulate thelong-term changes
inenergy resource management for different
strategies.
The results show that theimplementation
of a new energy householddepending
on many different renewable andregional
energy systems wouldrequire
at least two humangenerations. Thereby,
thelimiting
factor is not the energy demand for theproduction
of the new systems but the material demand as well as theproduction
andimplementation capacities.
1 EINLEITUNG
1.1 Ausgangslage
Der
Alpenraum
besteht heutevorwiegend
aus Kulturlandschaften. Hätten sich diealpinen Ökosysteme
ohne menschlicheEinwirkungen entwickelt,
würden siegegenwärtig
anders aussehen. Auch diekünftige Gestaltung
oderNichtgestaltung
desAlpenraumes
durch den Menschen wird starken Einfluss auf die weitereEntwicklung
dieserRegionen
haben. DieAlpenländer
habensich
entschlossen,
der aktuellen undkünftigen Gestaltung
im Rahmen derAlpenkonvention2 Leitplanken
zu setzen, welche sich zu einem grossen Teil an Schutzkriterien für Natur- und Kulturlandschaften orientieren. Kriterien für einenachhaltige Entwicklung
schliessen dieGestaltung
deralpinen Anthropo- sphäre
mit ein. Diese wiederum steht in starkerWechselwirkung
mit denbenachbarten
Anthroposphären
der Tiefländer. Dievorliegende
Arbeit fokus- siert auf diephysiologischen3 Wechselwirkungen
zwischen Hoch- und Tief¬landregionen
im Kontext einernachhaltigen Entwicklung.
Der
Begriff Physiologie,
welcher die Lehre für die Stoffwechsel¬prozesse von Lebewesen
beizeichnet,
wird hier für ganzeRegionen
ver¬wendet
(Baccini
und Bader1996).
DerenStoffwechselprozesse
werdenmitdem Umsatz von
Gütern,
Stoffen undEnergie
beschrieben. Diephysiolo¬
gische Betrachtung'
fokussiert also auf dieregionalen
Materie- und Ener¬gieflüsse.
DasAdjektiv ,physiologisch'
ist in dieser Arbeit zu verstehen als,auf
den Stoffwechsel des betrachtetenregionalen Systems bezogen'.
Die
Kap.
1.1.1 bis 1.1.4 sollen unterBeachtung
verschiedener Gesichts¬punkte
auf die abKap.
1.2folgenden Ziele, Hypothesen
undFragestellungen
dieser Arbeit hinleiten.
2vgl dazu(Alpenkonventionsburo 1995)
3InanderenPublikationen,zB (Bacciniund Branner1991)wird dafür synonym derBegriff.Metabolismus'verwendet
2 KAPITEL1
1.1.1
Die historische alpine Anthroposphäre und
dieInteraktionen mit den
umliegenden Tiefländern
Die
alpine Anthroposphäre
existiert seit der Altsteinzeit. Gemäss Osterwalder(1977)
sind diealpinen Regionen
seit dem zweiten Jahrtausendvor Christus mit neolithischen
Siedlungen vollständig
besiedelt. Bis Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich diese Gesellschaft stets innerhalb des agra¬risch solaren
Lebensmusters4
weiter. DieSiedlungsweise
entwickelte sich ent¬sprechend
der dezentralen solarenEnergieverfügbarkeit
dezentral. Die Bevöl¬kerungsdichte
dieserAgrargesellschaft
war wegen der tieferenPrimärpro¬
duktion
alpiner Regionen
stetsgeringer
als in denumliegenden
TiefländernEuropas.
Da ein solaresSystem
in seinem Grössenwachstum beschränktist,
war die Kontrolle der
Population
von entscheidenderBedeutung
für dasÜberleben
der Gemeinschaft. Brimblecombe und Pfister(1996)
sowieNetting (1981)
beschreiben für dieAlpen
soziale Mechanismen derBevölkerungs¬
kontrolle,
damit die,carrying capacity'5
nicht überschritten wurde.Die
Bevölkerung
deralpinen Regionen
zehrte von den örtlichenRessourcen wie
Wasser, Holz, Steine, Erze, Wild,
Tierzucht und bescheidenem Ackerbau(Pauli 1980).
Entscheidend für dasÜberleben
im Winter war dieFähigkeit, Nahrungsmittel
haltbar zu machen. Die Technik der Labkäserei und des Fleischtrocknens wurden dabei zentral(Bätzing 1984).
Diealpine
Anthro¬posphäre
war aber nie für sichabgeschlossen.
Derpartielle Mangel
anGütern,
Landfläche und Arbeitskräften von Hoch- und Tiefländern führte zu Tausch und
Migration.
Diearchäologischen
Funde(Pauli 1980) belegen
Einwan¬derungen
inalpine
Gebiete aus verschiedenen Kulturen(Alemannen,
Kelten,Römer).
Inspäteren
Zeiten verdienten sichAlpenbewohner
ihr Geld als Söld¬ner oder Handwerker in den Tiefländern. Der Güteraustausch war
intensiv, je¬
doch immer nur
soweit,
wie dieTransportwege
rentabel waren(Osterwalder 1977).
Die Hoch- und die Tiefländer waren sich damitgegenseitig
immer Hin¬terländer6.
Ab dem 14./15. Jahrhundert wurden Käse und Fleisch für dieAlpen¬
regionen
zentraleExportprodukte (Bätzing 1984).
Dievöllige Einstellung
desAckerbaus und
Fokussierung
auf die Viehwirtschaft(als Folge
der Klimaver¬schlechterung)
war derUrsprung
für dieheutige Berglandwirtschaft.
Einenumfassenden Einblick in die Zeit zwischen 1500 bis 1900 liefert Mathieu
(1998).
Die
Alpen liegen geografisch
zentral inEuropa.
Sie sind von fruchtbaren Tiefländernumgeben.
Für die Interaktionen der Tiefländer untereinander stell-4Als.agrarischsolar' wird hier diegesellschaftlicheLebensweisebezeichnet,bei welcher dieNahrungsmittelversorgungeiner
GesellschaftzumgrosstenTeil durch die lokaleAgronomieund dieEnergieversorgungdurchlokale,erneuerbare Energiequellenerfolgt
5AnspatererStelle wird naher auf diesenBegriffderphysiologischenTragfähigkeiteingegangen(sieheFussnote19)
6Siehe Glossar S 157
EINLEITUNG
ten die
Alpen
schon immer einen Transitraumdar,
sowohl auf der Nord-Süd-Achse,
wie auch auf der West-Ost-Achse. Osterwalder(1977)
beschreibt denAlpenraum
deshalb als,Treffpunkt
der Kulturen'. DieEntwicklung
derSiedlungsstruktur
desAlpenraumes
ist seitjeher mitgeprägt
vom Bau vonTransitrouten.
Transitkonzepte
für denAlpenbogen
stehen nicht erstheute,
sondern schon seit Jahrhunderten auf den Traktandenlisten der Politiker(Römisches Reich,
ReichvonKarl demGrossen, Europäische Union).
Die
alpine Anthroposphäre
ist bis Ende des 19.Jahrhunderts
einevorwiegend solare,
dezentraleAgrargesellschaft
mitgeringerer Siedlungs¬
dichte als in den
umliegenden
Tiefländern. Zwischenalpinen Regionen
und
europäischen
Tiefländern bestehen seitjeher
intensive Interaktionen.1.1.2
Neuzeitliche Entwicklung der alpinen Anthroposphäre
Die
Auswirkungen
der industriellenRevolution,
der Einsatz fossilerEnergieträger
und dieEntdeckung
derAlpen
als Freizeit undErholungsraum
haben die weitere
Entwicklung
derAlpenregionen
entscheidendgeprägt.
Zeitlich können zwei Phasen unterschieden werden. Eine
langsame
Ent¬wicklung
im auslaufenden 19. Jahrhundert bis Mitte 20. Jahrhundert und eine rasanteEntwicklung
ab Mitte des 20. Jahrhunderts.In der ersten Phase entstanden vereinzelt erste
Wasserkraftwerke,
es entwickelte sich Kurtourismus undAlpinismus
und dieAlpen
wurden ver¬kehrstechnisch mit Eisenbahnen und Fahrstrassen erschlossen. Zwei neue Res¬
sourcen wurden damit für die
Bergregionen
interessant:Hydroelektrizität
undLandschaft als verkäufliches Gut. Schon früh wurde vor allem die Landwirt¬
schaft,
welche im Wettbewerb mit den Tiefländernweniger konkurrenzfähig
war, aber auch die Forstwirtschaft zu
Subventionsempfängern.
Die zweite Phase wird
gelegentlich
auch alsUmbruchphase
desBerggebietes7
bezeichnet. DieUmbruchphase geht tiefgreifender
und schnellervoran als alle
bisherigen Veränderungen.
Sie istgeprägt
von einem intensivenAufschwung
des Massentourismus(Baumgartner 1984,
Hänni1984).
Der Tourismus kann alsalpine
Variante derIndustrialisierung
im Mittellandbezeichnet werden.
MountainAgenda (1992) errechnete,
dass ca. 25 % des weltweit erzielten Umsatzes der Tourismusindustrie in denAlpen
erwirt¬schaftet wird. Dieser
Tourismusaufschwung
wurdebegleitet
von einem sichparallel
entwickelnden Bauboom fürParahotellerie,
Hôtellerie und touristischeTransportanlagen.
Im weiteren wurde die Wasserkraft beinahe lückenlos7Einen umfassenden Einblick in dieseEntwicklungsphasederBerggebiete gibt Bruggeretal.(1984).
4 KAPITEL1
erschlossen
(Mauch
und Schwank1984, Truffer,
et al.2001)8.
Ein weiterer Ausbau scheint heute ausökonomischen, ökologischen
undpolitischen
Grün¬den nur noch
marginal möglich.
Mit abnehmenden nationalenStützungsmass-
nahmen kam die Land- und Forstwirtschaft der
Bergregionen
zunehmend in wirtschaftlicheBedrängnis (Rieder 1984).
In der Schweizbeträgt
die Wald-flächenzunahme
infolge
landwirtschaftlicherFlächenaufgabe
ca. 48km2
proJahr. Davon entfallen
gut
zwei Drittel auf Flächen über 1400 Meter über Meer(Brassel
und Brändli1999).
Vomgesamten
kommerziell verwertbaren Holz¬zuwachs in der Schweiz werden heute nur ca. 60 %
genutzt (BfS
und BUWAL1997),
davon einüberproportionaler
Anteil im Mittelland. Mit dem Einsatz fossilerEnergiequellen
verliert deralpine
Wald seine Funktion alsEnergie¬
lieferant. Er bleibt
wichtig
in seiner Schutz- undErholungsfunktion (Meyer 1984).
Die
Bevölkerungsentwicklung
verlief in der zweitenEntwicklungsphase
nicht im gesamten
Alpenraum gleich (Bätzing,
et al.1993).
Gemeinsam haben alleAlpenregionen
eine starkePolarisierung
zwischenRegionen
mit städti¬schem Zentrumscharakter und
Entleerungsregionen9.
In der Schweiz ent¬wickelte sich die
Bevölkerung
im Zeitraum zwischen 1980 und 1990 in 313Berggemeinden rückläufig.
In 919Berggemeinden stagnierte
oder wuchsdie
Bevölkerung (Bätzing,
et al.1995).
Perlik(1999) ermittelte,
dass Ende des zweiten Jahrtausends 60 % der SchweizerBergbevölkerung
inalpinen
Städtenund
periurbanen
Gemeinden lebt. Auch imAlpengebiet
kanndeshalbvon einerUrbanisierung gesprochen
werden. Davon wird auch dieBeschäftigungssitua¬
tion
geprägt.
Die funktionaleArbeitsteilung
führte zu einerKonzentrierung dispositiver, qualifizierter
Arbeit undKapital
in den Zentren undausführender, unqualifizierter
Arbeit in derPeripherie.
DieseEntwicklung
hat lautMuggli (1984)
nichtnur die Tendenz zurVerstärkung,
sondern zurÜbersteuerung.
DieGebirgsregionen
entwickelten sich somit auch in der Neuzeit in den meisten Fällen ökonomisch schwächer als dieumliegenden Tieflandregionen.
Parallel zur beschriebenen
Bevölkerungsentwicklung erfolgten
Verän¬derungen
im soziokulturellenBereich. In(Niederer 1996)
und(Abt 1988)
wirdübereinstimmend eine Tendenz zur
Vereinheitlichung
des Brauchtums über dieAlpenregionen hinweg festgestellt. Begründet
wird dies einerseits mit der stärkerenBevölkerungsmigration
und durchBeeinflussung
des Brauchtums im Sinne der touristischenNachfrage (d.h.
vonauswärts).
Andererseits macht auch derallgemeine
Wandel dergesellschaftlichen
Werte vor den Grenzen derBergregionen
nicht Halt. Je nach wirtschaftlicherVerflechtung
kann erjedoch zeitverzögert erfolgen.
Mit diesenVeränderungen
wird eine schwindende8Inder Schweiz sindca 80 % deralpinenFliessgewasserdurch dieNutzungderWasserkraftbeeinflusst Miteinem
Wasserkraftbezugvon862 Wh proQuadratmeterLandesflache und Jahr steht die Schweiz weltweitmitgrossem Abstandan ersterStelle(Truffer,etal 2001)
9UnterEntleerungsregionoderEntleerungsraumwirdeinLebensraumverstanden,dereineanhaltendeAbwanderungoder sonstigeAbnahme derBevölkerungzuverzeichnen hat
EINLEITUNG
Identitätder Einwohner mit dem
alpinen
Lebensraumpostuliert.
Abt(1988)
be¬zeichnet diese
Entwicklung
alseigentlicher
,Seelenverlust' derBergregionen.
Analog
zur beschriebenenEntwicklung
derBergregionen
während der zwei Phasen haben sich auch die Interaktionen mit denumliegenden
Tiefländern verändert. Sowohl der Austausch von
Energie,
als auch dieInteraktionen von Verbrauchs- und
Gebrauchsgütern
sind intensivergeworden.
Neben Güter- und
Energieinteraktionen
besteht mit verbesserter Mobilität auch dieMöglichkeit
derkurzzeitigen Arbeitskraftinteraktion,
indem Pendler inBergregionen
wohnen und imangrenzenden
Mittelland arbeiten. Im weiteren werden für viele Touristen aus dem Tiefland mitZweitwohnungen
im Hoch¬land
(saisonale Immigration)
kommunaleDienstleistungen
erbracht.Wegen
ihres erhöhten Infrastrukturbedarfs unterscheidet sich die
Zweitwohnungs- entwicklung
in diesem Kontext vomTagestourismus
undträgt
damit zurangesprochenen Urbanisierung
des Hochlandes bei. Diese Art von Interaktion könnte alsDienstleistungsinteraktion
bezeichnet werden.Zusammenfassend kann
gesagt werden,
dass sich diealpine
Anthro-posphäre phasenverschoben
derAnthroposphäre
der urbanen Tiefland¬regionen angeglichen
hatund weiterangleicht.
SeitJahrhunderten jedoch
sind die
alpinen Regionen
der wirtschaftlich ärmere Partner dieser Nachbarschaft. Diese Situation hat sich bis heute nichtgeändert.
1.1.3 Alpines Verständnis
undIdentifikation
mitBerggebieten
am
Anfang des
21.Jahrhunderts
Bis im 18. Jahrhundert wurden die
Alpen
alseuropäisches Wüstengebiet wahrgenommen. Alpine Regionen galten
alsgefährlich
und es lebte nur dortwer musste. Ende 18. Jahrhundert leitete die Kombination von
Wissenschaft,
Kultur undAlpinismus
die»Entdeckung
derAlpen'
ein. Literaten,Künstler,
Forscher und Abenteurer bereisten die
Alpen
undlegten
im Zeitalter der Romantik den Grundstein zum bis heutegültigen Alpenverständnis (Stremlow 1998).
Stremlowspricht
in diesemZusammenhang
vom,Projektionsraum
urbaner Gebiete'. In den Ländern mit
Alpenanteil
lebt die grosse Mehrheit derBevölkerung
in den Tiefländern. Für diese Menschen sind dieAlpen haupt¬
sächlich
Freizeit-, Erholungs-
undRückzugsraum
und sie nutzen undprägen
diesen als solchen. C. Raffestin zitierte an der 5. NationalenTagung
zurAlpenforschung
1999 eine mündlicheAussage
von E.Paréjas,
in der diesermeinte,
Menschen aus den Tiefländern hätten zweiVaterländer;
das nationale Vaterland und dieAlpen.
Nur ein kleiner Teil derBevölkerung jedoch
lebt undarbeitet im
Gebirgsraum
und versteht diesen in erster Linie als Lebensraum.6 KAPITEL 1
Die
Entwicklung
vonBergregionen
wirdgeprägt
durch diese inner- undausserregionale Wahrnehmung
und Identifikation durch die Nutzer. Ein Bei¬spiel
soll dies verdeutlichen. Der Tourismus istgegenwärtig
eine zentrale Form derNutzung alpiner Regionen
undprägt
den Raum. Er beruht auf Freizeitaktivitäten(Skifahren, Alpinismus, etc.)
undalpiner
Schönheit. Frei¬zeitaktivitäten können
jedoch
altern undanAttraktivität verlieren. Dasselbegilt
für
alpine
Schönheit. Sie ist ein Kulturkonstrukt und mitknapp
250 JahrenBestand
keineswegs
eine Konstante menschlicherWahrnehmung.
Es ist davonauszugehen,
dass auch sievergänglich
ist. Diesbedeutet,
dass diezukünftige Wahrnehmung
desAlpenraumes
und die damit verbundeneNutzung
undPrägung
in ihrerEntwicklung
offen ist.Die
Entwicklung
vonBergregionen
wirdmassgeblich
davongeprägt,
wie die inner- und
ausserregionalen
Nutzer diesen Raum wahrnehmen.Die
Wahrnehmung alpiner Regionen
verändertsich im Laufe der Zeit und damit auch derenNutzung.
1.1.4
Knappheit
der Ressourcen -Nachhaltigkeitskonzepte
Zu
Beginn
dersiebziger
Jahre(Meadows,
etal.1972)
undverstärkt in denachtziger
Jahren(WCED 1987)
wurdegezeigt,
dass der Lebensstil der indu¬strialisierten Nationen nicht
globalisiert
werden kann. Schon heute sind mit sechs Milliarden Menschenglobal
nichtjederzeit
überallgenügend
Ressourcenwie z.B.
Wasser, Enegie
undNahrungsmittel verfügbar.
Diesgilt
erst recht füreine zu erwartende
Weltbevölkerung
von acht MilliardenMenschen10
im Jahre2025. JedeRegion
hat deshalbStrategien
zu entwickeln um ihrenRessourcenbedarf
langfristig
zu decken. An der Weltkonferenz für Umwelt undEntwicklung
in Rio im Jahre 1992 erklärten 179 Staaten(darunter
dieAlpen¬
staaten) Nachhaltigkeit
alsGrundprinzip
für diezukünftige, weltweite,
aberauch
regionale Entwicklung
und verabschiedeten dieAgenda 21n (Keating 1992),
welche die Grundsätze einernachhaltigen Entwicklung
enthält. Die Schweiz als Nation mit einem Anteil von 14 % an dergesamten Alpenfläche
10Vgl United NationsPopulationFund(UNFPA) http//wwwunfpa org/modules/bnefkit/05htm#
11DieAgenda21 enthaltmitKapitel13einenexplizitenAbschnitt über die.Nachhaltige EntwicklungderBerggebiete' Die Bedeutungwelche die internationaleGemeinschaft denGebirgsregionender Weltbeirmsst,wirdmitdemvonderUNO proklamiertenInternational Year of Mountains(2002)unterstrichen Die UNOstutztsich dabei auffolgendeGrundlagedaten (Keatmg1992,MountamAgenda 1997) 27 % derLandoberflacheliegenüber 1000müberMeer,10 % derErdbevolkerung lebeninGebirgsregionenund 40 %amFussvonBerggebieten Die halbe MenschheitistdamitvonderVerfügbarkeitund EntwicklungderGebirgsressourcen (va Wasser, Hydroelektnzitat,Biomasse,Weideflacheetc) abhangig (Muller-Hohenstein 1974)
EINLEITUNG
hat in ihrer
Bundesverfassung
von 1999 mit Art. 73 eineneigentlichen
Nachhaltigkeitsartikel12.
Daly (1991)
entwickelteRegeln
für dienachhaltige Nutzung
vonphysiologischen
Ressourcenimglobalen
Massstab:- Die
Nutzungsrate
sich erneuerbarer Ressourcen darf derenRegenerations¬
ratenicht
übersteigen.
- Die
Nutzungsrate
sicherschöpfender
Rohstoffe darf die Rate des Aufbaus sichregenerierender Rohstoffquellen
nichtübersteigen.
- Die Rate der Schadstoffemissionen darf die
Kapazität
zur Schad¬stoffadsorption
der Umwelt nichtübersteigen.
Für eine
Anwendung
aufregionalem
Massstab müssen dieseRegeln
konkretisiert werden. Imboden und Baccini
(1996)
skizzierten für das Schweizer Mittelland einenachhaltige regionale Physiologie hypothesenartig folgendennassen:
- Der Bedarf an essentiellen
Massengütern
wieWasser, Biomasse,
Steine/Erden undEnergieträgern
solllangfristig
zu mindestens 80 %autochthon
gedeckt
werden.- Der Restbedarf soll aus einem
überregionalen
Hinterland sogedeckt werden,
dass dieglobalen Kapitalien
nichtsignifikant
reduziert werden.- Die
heutigen
Emissionen sollen nicht zu Altlasten fürkünftige
Generationen werden.
In den
Alpen
entwickelte sich schon um die Jahrhundertwende eineNaturschutzbewegung
welche mit derAusscheidung
vonNationalparks Erfolge
erzielte. Es
folgten
Artenschutzlisten für Pflanzen und Tiere. DieNachhaltig- keitskonzepte
stellen eineWeiterentwicklung dar,
basieren aber nicht mehr auf solchen absoluten Schutzerlassen der Natur vor dem Menschen. Diephysio¬
logischen
Ziele einernachhaltigen Entwicklung
setzen sowohlglobale,
als auchregionale Nutzungsgrenzen
für Ressourcen wie z.B. Wasser undEnergie.
Indiesem
Zusammenhang verlangen
deshalb Baccini und Oswald(1998)
für dasSchweizer Mittelland einen Umbau der urbanen
Systeme.
Im Kontext derNachhaltigkeitsdebatte
soll aber auch beiGebirgsräumen
über einegenerelle Neugestaltung
deranthropogenen Systeme nachgedacht
werden.12SchweizerischeBundesverfassungvom18.April1999,Art.73:Nachhaltigkeit:Bundund Kantone streben ein auf Dauer ausgewogenes Verhältnis zwischen der Natur und ihrerErneuerungsfähigkeiteinerseits und ihrerBeanspruchungdurch den Menschenandrerseitsan.
8 KAPITEL1
Es
gibt globale physiologische Grenzen,
die für dieEntwicklung
undNutzung
allerRegionen Randbedingung
sind. UnterBeachtung
dieserGrenzen soll das
gesamte Ökosystem langfristig funktionstüchtig
erhaltenbleiben.
1.2 Ziele
Die vorangegangenen
Kapitel zeigen
einefortlaufende,
offeneVeränderung
deralpinen Anthroposphäre
und der Interaktionen mit derAnthroposphäre
derumliegenden
Tiefländer. DieseEntwicklung
hat sich in den letzten zwei Generationen massivbeschleunigt.
Die AutorenBrugger
et al.(1984,
S.939,
S.1076)
fordern bereits 1984,Instrumente
zurFrüherkennung
unerwünschter
Auswirkungen
auf Naturhaushalt und Landschaft' imBerg¬
gebiet.
Dievorliegende
Arbeit stellt den Ressourcenhaushaltalpiner Regionen
ins Zentrum und zwar in seiner
Wechselwirkung
mit dem benachbarten Tief¬land. Als
physiologische
Potentialstudie soll sie dieFreiheitsgrade
sowie dieChancen und Risiken bei der
Gestaltung
derphysiologischen
Ressourcen¬bewirtschaftung
der Partnerschaft vonalpinen
Hoch- undumliegenden
Tief¬ländern
aufzeigen
können.Die
Beurteilung
der verschiedenenEntwicklungsmöglichkeiten erfolgt
anhand der
vorgestellten Konzepte
derNachhaltigkeit.
Dieseverlangen konkret,
dass sich die benachbartenRegionen gegenseitig
dauerhaft Hinterlandregionsspezifischer
Ressourcen sein können.1.3 Arbeitshypothesen
Die
vorliegende
Arbeitberuht auffolgenden Basishypothesen:
1. Es
gibt globale
Grenzenphysiologischer
Ressourcen, die alleRegionen
inihren
Entwicklungsszenarien
zubeachten haben.2. Der
Alpenraum
alsSiedlungsgebiet
und Kulturlandschaft wird auch in den nächsten Generationen eineSchicksalsgemeinschaft
mit den benachbarten undmit ihmverknüpften
urbanen Netzen der Tiefländer bilden.Daraus
folgen
mit Blick auf denUntersuchungsraum (Kap. 2.1) folgende
weiteren
Hypothesen:
EINLEITUNG
3. Zwei
Regionen
mit unterschiedlicherRessourcenverfügbarkeit
können mitihren Ressourcen
komplementär
haushalten.4. Mit den
Vorgaben
einernachhaltigen Entwicklung ergeben
sich für diealpine Anthropospähre
neue kulturelle und wirtschaftlichePerspektiven,
diesowohl Chancen als auch Risiken beinhalten.
1.4 Fragestellungen
Die Arbeit orientiert sich konkretan
folgenden Fragen:
1. Wie kann der
interregionale
Ressourcenhaushalt und daslangfristige Ressourcenmanagement
von Hoch- undTiefland-Kooperationen
metho¬disch erfasst werden?
2. Wie sieht der Ressourcenhaushalt essentieller
Massengüter
einereuropäischen Hochland/Tiefland-Nachbarschaftsbeziehung
in den neun¬ziger
Jahren aus?3. Welche
Aufgaben
können die betrachteten Hoch- undTieflandregionen
beider
physiologischen Ressourcenbewirtschaftung langfristig übernehmen,
um
diesbezüglich
einenachhaltige Entwicklung
für Hoch- und Tiefland zuermöglichen?
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2 METHODEN
2.1 Untersuchte Regionen
Für die
vorliegende
Arbeit wurde die Schweiz alsUntersuchungsraum gewählt. Folgende
Gründesprechen
für diese Wahl. Das aufzubauendeSystem
soll eine Hoch- und eine
Tieflandregion
enthalten(Abb. 2-9,
S.26).
BeideRegionstypen
sind innerhalb der Schweizausgeprägt
vorhanden. Für beideRegionen
stehenanaloge
statistische Daten zurVerfügung,
so dass direkteVergleiche möglich
sind. Es kommthinzu,
dass dieDatenlage
in der Schweizvergleichsweise gut
ist. Weil die Flächensumme der beidenRegionen
zusammen die Gesamtfläche der Schweiz
ergibt, ermöglicht
derVergleich
deraddierten Daten von
Berggebiet (Alpen
undJura)
und Mittelland mit nationalen Dateneine Plausibilitätskontrolle.2.1.1
Systemgrenzen
Die
Landesgrenzen
der Schweiz bilden die räumlicheSystemgrenze
desGesamtsystems (Abb. 2-1),
bestehend aus einer Hoch- und einer Tiefland¬region.
DieAbgrenzung
diesesGesamtsystems
inBerggebiet
und Tiefland(d.h.
restliche Fläche derSchweiz)
ist nicht offensichtlich. Verschiedene Autoren versuchten das Hochland zu definieren und fokussierten auf dasHochgebirge (Franz 1976, Rathjens 1981, Rathjens 1982,
Troll1961).
DieEingriffe
des Menschen in die natürlichenSysteme
manifestieren sich aber meistens in den unteren und mittleren Höhenstufen. Messerli(1983)
entwickelte deshalb eineneue Definition welche diese
Aspekte berücksichtigt:
,
Gebirge
werdendefiniert
alsErhebungen,
welche durch ihrRelief
einesignifikante ökologische Differenzierung
in Höhen¬stufen zeigen,
dadurch eine Interaktion zwischen denStufen auslösen,
sowohl im Naturhaushalt wie in der menschlichenTätigkeit
undLandnutzung
'.Dieser Ansatz
spricht
erstmals direkt die menschlicheTätigkeit
und sogar die Interaktionen zwischen den Stufen an. Damit wäre er für dieFragestellung
12 KAPITEL 2
dieser Arbeit sehr
geeignet.
Einen weiteren Ansatzzeigen Meybeck
et al.(2001).
Hier wird aus der Höhendifferenz und der halbenQuadratbreite
vonFlächenquadraten
ein Rauhheitsindikator der Oberfläche berechnet. Die berechneten Indikatoren werden anschliessendtypologischen
Klassenzugeteilt.
Die Literatur
zeigt
bei den konkretangewandten Abgrenzungen
derAlpen
von den
umliegenden
Tiefländernverschiedene,
eherpragmatische
Ansätze.Bätzing
und Messerli(1991), Bätzing
et al.(1993)
sowieBätzing (1997)
sammelte und strukturierte die verschiedenen Ansichten. Er
gliedert
dreiAlpen-
und damitBerggebietsdefinitionen:
Einerestriktive,
eine mittlere und eine weiteAlpendefinition.
Die restriktiveAlpendefinition
zählt Städte wieGrenoble,
Sion und Bozen inTallagen
nicht zumAlpenraum.
DasBergebiet beginnt
bei dieser Definition erst beimEingang
der Seitentäler. Die mittlereDefinition13 grenzt
denAlpenraum
durch eine Kombination vongeologischen, geomorphologischen
und sozio-ökonomischen Kriterien ab. Einengrösseren
Raum scheidet die weiteAlpendefinition
aus. Hier werden die auf vielfache Weise mit denBerggebieten
vernetzten Vorländer zumAlpenraum gezählt.
Schliesslich existiert in der Schweiz noch die
juristische
Definition. Sie ist bei¬nahe
kongruent
mit der mittleren Definition und scheidet die schweizerischenBerggebiete
in Hinblick auf dieBerggebietsförderung gemeindeweise
aus. DerVergleich
der verschiedenen Ansätzezeigt bezüglich
der Fläche nur kleinereDifferenzen. Da
jedoch
verschiedene Städte(München, Zürich, Salzburg, Wien, etc.)
direkt am Fussalpiner
Gebieteliegen, ergeben
sich durchEinbezug
dieser
Gebirgsrandzonen
im sozio-ökonomischen Bereich Unterschiede zwi¬schen den Ansätzen.
Die
vorliegende
Arbeit übernimmt diejuristische Abgrenzung
desAlpenraumes.
Dafürspricht folgender
Grund: Diequantitative Bearbeitung
eines
regionalen Stoffhaushaltsystems benötigt
statistische Daten. Diese werden in den meisten Fällen dortzuverlässig erhoben,
wo auch Geldflüsse relevant sind. Diejuristische Abgrenzung
des schweizerischenBerggebietes erfolgte
alsKonsequenz
derpolitisch motivierten,
finanziellenBerggebiets¬
förderung.
Damit ist der finanzielle Anreizgegeben,
Daten zu erheben. DieDatenlage
für die Arbeit mit anderenBerggebietsdefinitionen
wäre unver¬gleichlich
schlechter.Die
juristische
Definition desBerggebietes14
ist in der Schweiz imBundesgesetz
über Investitionshilfe fürBerggebiete (IHG,
SR901.1)
und inder
dazugehörigen Verordnung (SR 901.11) geregelt.
Abb. 2-1zeigt
dieAbgrenzung
der SchweizerBerggebiete
vom Mittelland. Die Gemeinden des13Dieser mittleren DefinitionfolgtzB dieEuropaische Alpenkonvention
14DerortlicheGeltungsbereichdes schweizerischenBerggebieteswirdinderVerordnungüberInvestitionshilfeinBerggebieten (SR901 11),Art 1folgendermassenfestgelegt DasSchwergewichteinerRegion [IHG-Region] [ ] hegtinnerhalb desvom Viehwirtschaftskatasterumgrenzten Raumes,wenndiesermehr als 50 % der Gesamtflache derRegionundmindestens 20 % ihrerGesamtbevolkerungumfasst