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Digital Gap I – Art des technologischen Zugangs für Menschen mit Lebens- Lebens-mittelpunkt Straße Lebens-mittelpunkt Straße

„Menschen mit Lebensmittelpunkt Straße“

III. Theorien Digitaler Ungleichheit: Stabile Phänomene und Wirkun- Wirkun-gen von Ungleichheit in Bezug auf eine sich wandelnde Technologie Wirkun-gen von Ungleichheit in Bezug auf eine sich wandelnde Technologie

1. Digital Gap I – Art des technologischen Zugangs für Menschen mit Lebens- Lebens-mittelpunkt Straße Lebens-mittelpunkt Straße

Wie eingangs beschrieben, finden Menschen mit Lebensmittelpunkt Straße ganz un-terschiedliche Wege, um technologischen Zugang zum Internet zu erhalten (vgl. McIn-nes et al. 2013; Sala und Mignone 2014). Im Vergleich zu anderen sozialen Gruppen sind sie jedoch in besonderem Maße darauf angewiesen, fremde Internetzugänge bei-spielsweise in Bibliotheken (vgl. Kelleher 2013), in Internetcafés (vgl. Pollio et al.

2013), an öffentlichen Hotspots, in sozialen Einrichtungen (vgl. Karabanow und Naylor

155 2010) oder bei Freund_innen und Bekannten zu nutzen (vgl. Bure 2005). Charakteris-tisch für die Internetnutzung auf diesem Wege ist, dass die Zugangsmöglichkeiten von fremden Personen abhängig sind und zumeist zeitlich stark limitiert sind. Ein techno-logischer Zugang kann damit zwar grundsätzlich hergestellt werden, jedoch ist er für Menschen mit Lebensmittelpunkt Straße überaus fremdbestimmt. Dies drückt sich bei-spielsweise dort aus, wo öffentliche Institutionen wie Stadtbüchereien die Nutzung der Internetzugänge für obdachlose Menschen verbieten wie es Kelleher (2013) für US-amerikanische „libraries“ beschreibt. Dieser Effekt lässt sich auch in Deutschland re-konstruieren:

„Also, in der Stadtbücherei ist das wie so ein Treffpunkt für Leute, die für den Tag, sag ich mal, jetzt kein wirkliches Dach über dem Kopf ha-ben. Bei total schlechtem Wetter ist die Bibliothek auch sehr voll. Also, wir werden da auch geduldet. Klar, wir sollten nicht so aussehen wie die letzten Menschen, das ist dann natürlich.“ (Interview Michaela, Abs.

106)

Selbst in einigen niedrigschwelligen Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe werden die an den Computern verfügbaren Internetinhalte von den dort arbeitenden Sozialar-beiter_innen durch das Sperren von Internetseiten und Browserfunktionalitäten einge-schränkt. Insbesondere obdachlose Menschen werden damit auch von Seiten des Hil-fesystems systematisch von bestimmten Internetinhalten ferngehalten wie ein Sozial-arbeiter einer Kölner Einrichtung schildert:

„Und ich erinnere mich damals an die Debatte, wo ich mich frage, wie sind die Berufskollegen unterwegs. Wo wir – oder ich zumindest – in Arbeitskreisen, Netzwerken von Sozialarbeitern hörte ‚Die könnt ihr doch nicht unbeaufsichtigt an den PC lassen, da muss eine Aufsicht hin. Das muss begrenzt sein.‘“ (Gruppendiskussion Sozialarbeiter_in-nen I, Abs. 69)

Für die Menschen mit Lebensmittelpunkt Straße, die ein eigenes Smartphone als tech-nologischen Internetzugang nutzen können, ergeben sich ebenfalls Herausforderun-gen, vor denen Mietglieder der Mehrheitsgesellschaft in aller Regel nicht stehen.

Hierzu zählt beispielsweise der fehlende Zugang zu Elektrizität, um die Geräte betrei-ben zu können (vgl. Woelfer und Hendry 2011a). Wie aus dem Interviewmaterial er-sichtlich wird, entwickeln wohnungslose Menschen einfallsreiche Strategien, um ihre mobilen Endgeräte mit Energie zu versorgen (u.a. Powerbanks, Autobatterien,

öffent-156 liche Steckdose). Einige niedrigschwellige Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe ge-ben mittlerweile wohnungslosen Menschen über eigene Handyladestationen oder auch frei zugängliche Steckdosen die Möglichkeit elektronische Geräte aufzuladen:

„Ja, für die, die auf der Platte leben, die haben ja nicht so die Möglichkeit ihr Handy zu laden, das es auch funktionsfähig bleibt. Und da sind dann eben die Einrichtungen hier wie *Einrichtung-X oder *Einrichtung-Y, wo man Handys nachladen kann an.“ (Interview Jens, Abs. 82)

Drei weitere Faktoren führen regelmäßig dazu, dass die internetfähigen Geräte nur episodenhaft genutzt werden können. Hierzu zählen Diebstahl und Verlust, technische Defekte oder unzureichendes Datenvolumen (Prepaid). Die überproportional häufige Nutzung von Prepaid Verträgen findet sich als übergeordnetes Muster in zahlreichen Untersuchungen zur Mobiltelefonnutzung wohnungsloser Menschen (vgl. McInnes et al. 2013) ebenso wie im hier erhobenen Datenmaterial. Fehlendes Datenvolumen zur mobilen Internetnutzung oder auch die Notwendigkeit ein funktionierendes Gerät in die Pfandleihe zu bringen, um kurzfristig an Geld zu gelangen sind weitere Faktoren, die den technologischen Zugang zum Internet insbesondere für wohnungslose Menschen limitieren. Aufgrund der Faktoren Diebstahl, defektes Geräte oder akute Geldnot ergibt sich insbesondere für Menschen mit Lebensmittelpunk Straße eine Internetnutzung, die als „episodischer Gebrauch“ zu bezeichnen ist. Episoden von Smartphonebesitz und Internetnutzung wechseln sich in der Wohnungslosigkeit mit Phasen ab, in denen kein funktionierendes Gerät zur Verfügung steht, wie eine der befragten wohnungslo-sen Personen idealtypisch schildert:

„Da sind mehrere so türkische An- und Verkauf. Wo natürlich auch viele, die sich ein Handy hier gekauft haben und haben dann gemerkt, das Geld reicht nicht mehr bis Ende des Monats, dann auch ihr Handy wieder da verkaufen. Für den Bruchteil des Preises, den sie gerade da-für bezahlt haben.“ (Interview Steven, Abs. 45)

Hinzu tritt, dass die von den befragten Personen genutzten Mobiltelefone häufig nicht mehr zeitgemäß sind, vor allem auch deshalb, weil es sich um einfache und insbeson-dere nicht-internetfähige GSM Mobiltelefone handelt. Damit stehen die Ergebnisse aus der Auswertung der hier erhobenen Daten grundsätzlich im Einklang mit den Erkennt-nissen anderer Untersuchungen:

“Barriers to mobile phone use in the past 30 days included running out of minutes (16%) and uncharged batteries (35%). Additional barriers, identified over a 12-month period, included phone number changes (45%) and broken phones (28%).” (McInnes et al. 2014a: 4)

157 In der Zusammenschau zeigt sich, dass der technologische Zugang zum Internet für Menschen mit Lebensmittelpunkt Straße häufig inhaltlich und zeitlich begrenzt oder auch auf eine andere Weise fremdbestimmt ist. Damit sind bereits die basalen Zu-gänge zu modernen Informations- und Kommunikationstechnologien für diese Men-schen stark eingeschränkt und insbesondere obdachlose MenMen-schen sind von funda-mentaler Digitaler Ungleichheit betroffen.

2. Digital Gap II – Digitale Kompetenzen der Menschen mit Lebensmittelpunkt

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