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4 Die Bündnissystempolitik der USA

4.2 Die Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO)

4.2.1 Die Entstehung der NATO

Am 04. März 1947 wurde zwischen Frankreich und Großbritannien der Vertrag von Dünkirchen geschlossen. Dieser stellte sich als Keimzelle für die spätere Gründung der NATO heraus. Doch dieses Bündnis war noch als Sicherheitspakt gegen ein wiedererstarktes Deutschland gerichtet war und sollte vor allem Frankreich die Angst vor seinem Nachbarn nehmen. Kernaussage dieser neuen britisch-französischen Zusammenarbeit war eine Beistandsversicherung im Falle eines deutschen Angriffes auf eines der beiden Länder. 473 Im Jahr 1947 sorgte nun eine Reihe von internationalen Ereignissen dafür, dass die Spannungen zwischen den ehemaligen Kriegsalliierten USA, Frankreich und Großbritannien auf der einen Seite und der Sowjetunion auf der anderen Seite stiegen. So etablierte Moskau entgegen den Bestimmungen des Vertrages von Yalta, die freie Wahlen für Polen vorsahen, eine kommunistisch gesinnte Regierung in Warschau. Ferner verletzten sie weitere während des Kriegs geschlossene Abkommen, indem sie sich weigerten wie gefordert ihre im Iran stationierten Truppen freiwillig abzuziehen.

Gleichzeitig erhöhten die Machthaber im Kreml den Druck auf die Türkei mit dem Ziel, ihnen Stützpunktrechte zur Kontrolle der Meerenge des Bosporus einzuräumen. Desweiteren gab es

473 Kaplan, Lawrence S. (2007), NATO 1948. The Birth of the Transatlantic Alliance. Lanham, S. 12.

tiefsitzende Befürchtungen vor einer kommunistischen Infiltration Griechenlands und der Türkei und die Angst vor dem Verlust beider Länder an den kommunistischen Machtbereich.

Wie weiter oben bereits angedeutet, fanden diese weltpolitischen Ereignisse zeitgleich mit einem der Entstehung eines neuen Paradigma in der Weltpolitik statt, dass durch die Antizipation einiger natürlichen Feindschaft zwischen den jeweiligen Blöcken und der Nichtvereinbarkeit ihrer Ideologien charakterisiert werden kann. Dies führte schließlich zur Formulierung der Truman-Doktrin durch den US-Präsidenten, in dem er die Bereitschaft der USA erklärte, nicht nur die beiden bedrohten Regime zu unterstützen, sondern diese Bereitschaft auf alle freien Staaten auszudehnen. Die dahinterstehende Argumentation war die eindeutig nationalen Interessen dienende Gleichung: „Without restored prosperity in important but now devastated economies abroad there would be no stability in the world and ultimately no security for the United States.“474

Als 1947 die zweite Konferenz der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges scheiterte und sich eine Konfrontation zwischen den drei Westmächten und dem kommunistischen Land immer stärker abzeichnete, zeigte sich der britische Außenminister Bevin überzeugt,

[…] daß die Sojwetunion in absehbarer Zukunft nicht bereit sein wird, in vernünftiger Weise mit dem Westen zu verhandeln und daß die Rettung des Westens von der Bildung einer Art – formeller oder informeller – Union in Westeuropa abhängen wird, die von den Vereinigten Staaten und den Dominions unterstützt wird […].475

Diese Union sollte nach Bevins Ansicht stark genug sein, einer möglichen kommunistischen Bedrohung entgegenstehen zu können. Wie Kaplan nachweist, bedeutete diese Rede einen wichtigen Schritt zur Aufgabe der isolationistischen Haltung Großbritanniens gegenüber einem Engagement auf dem europäischen Festland und zeigte Bevins Bereitschaft, eine Führungsrolle bei der Bildung einer Union der westlichen Demokratien einzunehmen.476 Der britische Außenminister konzentrierte sich jedoch nicht nur auf die Abwehr eines direkten Angriffs der Sowjetunion, sondern sah auch die Gefahr, die von innerstaatlicher Subversion kommunistischer Kräfte in den wirtschaftlich und politisch darniederliegenden Staaten Westeuropas drohte. Er plädierte daher für eine enge formale Zusammenarbeit seines Landes mit Großbritannien und den Benelux-Staaten. In dieser Politik mit dem Ziel eine

474 Stephanson, Anders (2000), Liberty or Death: The Cold War as US Ideology. In: Westad Odd A. (Hg.), Reviewing the Cold War: Approaches, Interpretations, Theory. London/ Portland, S. 81.

475 Achilles, Theodore C. (1979), Die Rolle der Vereinigten Staaten bei den Verhandlungen über das Atlantische Bündnis. In: NATO-Brief 4, S. 11.

476 Vgl. Kaplan, Lawrence S., NATO 1948, S. 29.

Westeuropäischen Union zu gründen wird allgemein der Ursprung des späteren Nordatlantikvertrages gesehen.477

Ebenfalls 1947, unabhängig von den britisch-französischen Konsultationen, kamen von kanadischer Seite bereits Vorschläge für ein kollektives Sicherheitsbündnis. So schlug u.a. ein hochrangiger Beamter im kanadischen Außenministerium eine Art Verteidigungsbündnis innerhalb der UN-Charta vor: „This may be the first public statement advocating a collective defense organization of the Western world.“478

Die amerikanischen Reaktionen auf diese Entwicklung sind nicht einheitlich. Während z.B. der einflussreiche Senator Robert Taft zwar durchaus auch der Meinung war, dass die USA sich weiterhin um die Sicherheit in Europa sorgen sollten, plädierte er doch über das ganze Jahr 1947 hinweg nur für Sicherheitsgarantien für ausgewählte europäische Staaten auf strikt bilateraler Basis.479 Demgegenüber zeigte sich das US-Außenministerium aufgeschlossener gegenüber den vorgetragenen Ideen. Es wurde aber kritisiert, dass die Übernahme des Vertrages von Dünkirchen als Modell für die neu zu gründende Union einen falschen Fokus hätte: Der Vertrag von Dünkirchen sieht in einem wiedererstarkten Deutschland die Hauptgefahr für den Kontinent, während die USA nicht Deutschland, sondern die Sowjetunion als Quelle der Bedrohung ansah. Im US-Außenministerium wurde daher verstärkt über eine Adaption der Bestimmungen des Rio-Vertrages als Vorbild nachgedacht. Der Vorteil läge nach Ansicht der US-Diplomaten darin, dass der Rio-Vertrag sich nicht gegen einen spezifizierten Gegner richtet, sondern allgemein die Intention ausdrückte, gegen eine Gefahr von außen, aber auch von innen zusammenzustehen.480 Das vorsichtige Agieren der US-Regierung muss auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass etwaige Überlegungen zu einer westlichen Union noch rudimentär waren. Es darf nicht vergessen werden, daß die USA durch den im selben Jahr vorgeschlagenen Marshall-Plan bereits den Willen signalisiert hatten, den wirtschaftlichen Aufbau Europas zu unterstützen und sich weiterhin auf diesem Kontinent zu engagieren. So kann folgende Aussage von Dulles vor dem Senat, „[we, Einf. d. Autors] should not forget that today the United States, in Germany, is a western European government. Our exhortations to other western European nations will sound hollow if we ourselves fail to do what we expect of others”481 nicht nur auf die Frage des wirtschaftlichen Wiederaufbaus Westdeutschlands

477Vgl. Milloy, John C. (2006), The North Atlantic Treaty Organization, 1948-1957. Community or Alliance.

London, S. 9.

478 Reid, Escott, Time for fear and hope, S. 37.

479Vgl. Weber, Steve, Multilateralism, S. 6.

480 Vgl. Memorandum of Conversation, by the Director of the Office of European Affairs, Washington, 21. Jan-uar 1948. In: FRUS. 1948. III, S. 10-11.

481Zit.nach: Kaplan, Lawrence S., NATO 1948, S. 18.

reduziert warden, sondern auch dahingehend verstanden werden, daß die USA als “western European government” durchaus bereit sein sollten, sich auch darüber hinaus auf diesem Kontinent zu engagieren.

Für die Truman-Administration war von Bedeutung, von den europäischen Staaten selber ein

„evidence of unity with a firm determination“ zu erhalten mit dem Ziel, dass „the various European countries are prepared to act in concert to defend themselves.“482

Im Januar 1948 hielt der britische Außenminister Bevin vor dem Unterhaus eine bemerkenswerte Rede, in der er die Absicht seines Landes erörterte zusammen mit Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg ein Bündnis zu schließen, das zu späterer Zeit auch offen für weitere europäische Staaten sein sollte. Hintergrund dieses Ansatzes war die Annahme einer sich immer stärker realisierenden kommunistischen Bedrohung, nachdem die Sowjetunion ihren Konfrontationskurs gegenüber dem Westen weiterführte, ihre Macht in Osteuropa rücksichtslos ausweitete und festigte, und auch in Westeuropa die kommunistischen Parteien ihren Einfluss erheblich ausbauen konnten. Der Staatsstreich von Prag im Februar 1948 führte den westlichen Nationen noch einmal die Dringlichkeit einer verstärkten Zusammenarbeit vor Augen. Aufgrund der Ereignisse von Prag setzte sich schließlich auch in Frankreich die Überzeugung durch, dass die Bedrohung durch die UdSSR virulenter sei als die durch Deutschland. Dies führte dazu, dass Paris nun nicht mehr die Übernahme von Bestimmungen des Vertrags von Dünkirchen als Grundlage für ein zukünftiges Bündnis einforderte. Dieses Umschwenken Frankreichs ermöglichte schließlich am 17. März die Verabschiedung des Brüsseler Pakts zwischen den europäischen Ländern Frankreich, Großbritannien und den Benelux-Staaten, in dem diese sich gegenseitige Unterstützung im Falle eines bewaffneten Angriffs auf ein Mitglied des Pakts zusicherten. Der betreffende Artikel IV wurde dabei neutral formuliert, so dass vermieden wurde, Deutschland als potentiellen Gegner direkt zu definieren. In der Präambel des Abkommens hielten die unterzeichnenden Nationen fest, dass sie zudem eine enge Kooperation mit anderen Staaten mit ähnlichen Idealen - insbesondere ist hier an die USA zu denken - anstrebten. Gleichzeitig betonte der Vertrag jedoch auch die Bedeutung einer wirtschaftlichen Gesundung und so wurde zudem eine weitgehende Kooperation zwischen den unterzeichnenden Staaten auf diesem Gebiet verabredet.

482 Memorandum of Conversation by the Director of the Office of European Affairs, Washington, 7. Februar 1948. In: FRUS. 1948. III, S. 22.

Auch wenn eine Teilnahme der USA an diesem Pakt offiziell nicht zur Debatte stand, war doch allen europäischen Beteiligten angesichts ihrer militärischen Schwächung durch den erst wenige Jahre zurückliegenden Weltkrieg klar, dass sie, ob einzeln oder im Kollektiv, einem Angriff der Roten Armee nicht viel hätten entgegensetzen können. Daher wurde inoffiziell gehofft, dass die USA „shed its fine scruples of nonintervention in the internal affairs of Europe, and participate actively in the elaboration of the union while there may be still time.“ Ohne US-Unterstützung sei dieses geschlossene Bündnis “a mere outline with no substance […]”.483 Großbritannien und Frankreich hätten amerikanisches Engagement bei der Verteidigung Europas begrüßt und hofften daher, durch den Brüsseler Pakt Washington zeigen zu können, dass die westeuropäischen Staaten durchaus bereit waren, das ihnen mögliche zu ihrem Schutz beizutragen. So hofften sie, den Bedenken in den USA entgegentreten zu können.

Die Reaktion in den USA zum Abschluss dieses Bündnisses war verhalten positiv. In einer Rede vor dem Kongress informierte US-Präsident Truman dessen Mitglieder über den Brüsseler Pakt und führte weiterhin aus:

[…] its significance goes far beyond the actual terms of the agreement itself. It is a notable step in the direction of unity in Europe for the protections and preservations of its civilization. This development deserves our full support. I am confident that the United States will, by appropriate means, extend to the free nations the support which the situation requires. I am sure that the determination of the free countries of Europe to protect themselves will be matched by an equal determination on our part to help them protect themselves.484

In diesselbe Richtung gingen Äußerungen hochrangiger Mitarbeiter des US-Außenministerium: „I don’t care whether entangling alliances have been considered worse than original sin since George Washington’s time. We’ve got to negotiate a military alliance with Western Europe in peacetime and we’ve got to do it quickly.”485

Trotz dieser eindeutigen Willensbekundungen seitens der USA zu einem längerfristigen Engagement in Europa stockte deren konkrete Realisierung, auch weil es noch immer Einwände gab. Im Außenministerium war man überzeugt, dass der US-Kongress einem stärkeren Engagement der USA in Europa wenig offen gegenüberstünde. Es sollte daher abgewartet werden und die Initiative für weitere Schritte den Europäern überlassen werden. Erst wenn man

483 Zit. nach Kaplan, Lawrence S., NATO 1948, S. 61.

484 Rede von US-Präsident Truman am 17. März 1948. in: Public Papers of the Presidents, 1948, S. 184.

485Zit.nach: Kaplan, Lawrence S. (1994), NATO and the United States. Updated Edition, New York, S. 19.

in Washington die „clear and unmistakeable determination“486 seitens der europäischen Staaten feststellen würde, wollte man eine stärkere Kooperation eingehen.

Dort wie auch im nationalen Sicherheitsrat gab es jedoch starke Tendenzen, die eine Zusammenarbeit der USA mit dem Brüsseler Pakt wollten, diese jedoch nur informell durch eine unilaterale Unterstützungserklärung seitens des Präsidenten ausgestalten wollten.

486 The Ambassador in the United Kingdom to the Secretary of State, London, 16. April 1948. In: FRUS. 1948, III, S.89; NSC 9, The Position of the United States With Respect to Support for Western Union and Other Re-lated Free Countries. In: ibid., S. 86.