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Der Rho-Faktor beeinflusst die Transkription potentieller Fremd-DNA 98

4.2 Rho-abhängige Transkriptionstermination in Corynebacterium glutamicum

4.2.4 Der Rho-Faktor beeinflusst die Transkription potentieller Fremd-DNA 98

Tabelle 4.7:Fortgesetzt

Gen Name Genprodukt1 LFC

cg2181 ABC-type putative dipeptide/oligopeptide transporter, substrate-binding -3,03 cg2184 ABC-type putative dipeptide/oligopeptide transporter, ATPase subunit -3,09 cg2183 ABC-type putative dipeptide/oligopeptide transporter, permease subunit -3,11

cg3107 adhA Alcohol dehydrogenase -3,29

cg2182 ABC-type putative dipeptide/oligopeptide transporter, permease subunit -3,34

cg3096 ald acetaldehyde dehydrogenase (acetylating) -3,71

cg1612 Putative acetyltransferase -3,74

cg3195 Putative flavin-containing monooxygenase -3,92

1Annotation entnommen aus GenDB-Projekt „C.glut._ZFG-2.2“

Die Gene cg0362biscg0369gehören zu den am stärksten differenziell transkribierten Genen in der∆rho-Mutante (LFC von 4,14 bis 5,97; Tabelle 4.7). Sie bilden ein Gen-Cluster das für einen, innerhalb der Actinobakterien hoch konservierten, putativen Typ IVb Pilus kodiert. Die mittlere Expressionsstärke der einzelnen Gene im Wildtyp reicht von circa 10 (cg0364) bis etwa 100 (cg0365) normalisierten Reads. Im Gegensatz dazu beträgt die mittlere Expressionsstärke in der∆rho-Mutante 230 (cg0364) bis 2.700 (cg0365) normalisierte Reads.

Bisher sind in der Literatur keine Bedingungen beschrieben worden in denen dieses Gen-Cluster verstärkt transkribiert wird. Die∆rho-Mutante stellt somit die bisher einzige bekannte Bedingung dar, die zu einer verstärkten Transkription dieses Typ VI Pilus-Gen-Clusters führt.

Aus diesem Grund befasst sich das Kapitel 4.2.11 ab Seite 115 vertiefend mit den Eigenschaften dieses Gen-Clusters.

Anhand der hohen Zahl an differenziell transkribierten Genen in der∆rho-Mutante, kann davon ausgegangen werden, dass der Rho-Faktor einen großen Einfluss auf das Transkriptom der Zelle hat. Da fürC. glutamicumdie Rho-abhängig terminierten Gene unbekannt sind, ist es schwierig, allein über die differenziell transkribierten Gene zwischen direkten (primären) und indirekten (sekundären) Effekten derrhoDeletion zu unterscheiden.

4.2.4 Der Rho-Faktor beeinflusst die Transkription potentieller Fremd-DNA

im Wildtyp unterschiedlich durch den Rho-Faktor direkt oder indirekt transkriptionell negativ beeinflusst bzw. „stillgelegt“. Während ein großer Anteil an Genen von CGP2 und CGP3 betroffen war, waren von CGP1 weniger als 10 % der Gene differenziell transkribiert.

stärker transkribiert unverändert

schwächer transkribiert

Anteil an Prophagen-Genen

Abbildung 4.12:Differenziell transkribierte Gene der Prophagen-Regionen CGP1, CGP2 und CGP3 in der∆rho-Mutante. Die absoluten Genzahlen sind in den jeweiligen Balken dargestellt. Keine der Gene in den Prophagen-Regionen CGP1 und CGP2 sind in der∆rho-Mutante schwächer transkribiert als im Wildtyp. Von CGP3 ist das Gencg1905, welches ein hypothetisches Protein kodiert, schwächer transkribiert als im Wildtyp.

In der∆rho-Mutante wurden im Vergleich zum Wildtyp verlängerte Transkripte gefunden, die offensichtlich durch das Fehlen des Transkriptionsterminators Rho nicht mehr korrekt terminiert werden können. Verlängerte Transkripte sind demnach ein direkter Effekt der Deletion vonrho. Die folgenden Kapitel gehen detailliert auf diese verlängerten Transkripte ein. Trotz des hohen Anteils differenziell transkribierter Prophagen-Gene in der∆rho-Mutante konnte nur für vier Prophagen-Gene ein verlängertes Transkript festgestellt werden:cg1524 (CGP1; LFC 1,05) undcg1966(CGP3; LFC 0,08),cg2046(CGP3; LFC 0,22) undcg2057(CGP3;

LFC 1,57). Sie kodieren für hypothetische Proteine unbekannter Funktion. Nur zwei der vier Gene mit verlängertem Transkript sind differenziell transkribiert (cg1524undcg2057). Die Deletion des für den Terminationsfaktor Rho kodierenden Gens führt demnach nicht zu einer verstärkten Transkription Rho-abhängig terminierter Gene. Indirekte bzw. sekundäre Effekte, wie Transkriptionsaktivierung, sind somit für die verstärkte Transkription von Prophagen-Genen verantwortlich.

Die Liste der differenziell transkribierten Gene enthält viele Gene die zu Insertions-Elementen (IS-Elemente) gehören. Insgesamt besitztC. glutamicumneun IS-Elementtypen die 49 Gene umfassen, von denen in der∆rho-Mutante 31 Gene (fast 66 %) verstärkt transkribiert sind (Abbildung 4.13). Auffällig ist, das kein IS-Element schwächer transkribiert wird. Der Rho-Faktor ist demnach direkt oder indirekt an der transkriptionellen Regulation von IS-Elementen

a

a

a

a

a

Gen in IS-Element

LFC

Abbildung 4.13:LFC-Werte (log2(FoldChange)-Werte) von IS-Elementen der∆rho-Mutante im Ver-gleich zum Wildtyp. Gene mit schwarzem Balken sind differenziell transkribiert, Gene mit grauem

a

beteiligt. Wie auch bei den Prophagen-Genen beobachtet, sind auch nur wenige Transkripte von IS-Elementen verlängert. IS-Elemente enthalten Gene, die möglicherweise ursprünglich aus fremden Quellen stammen. Für den Rho-Faktor ausE. coliist bekannt, dass dieser die Transkription von Fremd-DNA, wie zum Beispiel Prophagen-Gene, inhibiert (Cardinaleet al., 2008; Menouniet al., 2013). Die in dieser Arbeit vorgestellten Daten zeigen eine vergleichbare Funktion von Rho inC. glutamicum.

Verstärkt transkribierte IS-Elemente können zu einer Transposition des jeweiligen IS-Ele-ments im Genom führen. Um auszuschließen, dassnichtdie hohe Anzahl an verstärkt tran-skribierten IS-Elementen in der∆rho-Mutante, sondern die Deletion des für den Rho-Faktor kodierenden Gens selbst, für den transkriptionellen Phänotyp (differenziell transkribierte Gene & verlängerte Transkripte) verantwortlich ist, wurde geprüft, ob diese IS-Elemente transponiert sind. Dazu wurden die Distanzen der beiden Read-Partner von allenpaired-end Reads gemessen, von denen ein Read-Partner innerhalb eines IS-Elements liegt. Insgesamt konnten für den Wildtyp 28 Reads und für die∆rho-Mutante 117 Reads gefunden werden, die auf ein möglicherweise transponiertes IS-Element hindeuten können (Abbildung A.5 im Anhang). Beide Werte sind im Vergleich zu allen paired-endReads, die innerhalb von IS-Elementen liegen, verschwindend gering (Wildtyp 6.648 Reads,∆rho-Mutante 16.697 Reads). Der Anteil an eventuell transponierten IS-Elementen ist daher vernachlässigbar klein. Möglicherweise transponierte IS-Elemente sind demnachnichtfür den Phänotyp der

rho-Mutante verantwortlich.

4.2.5 Hinweise auf verlängerte Transkripte in der

∆rho-Mutante

Die Hauptfunktion des Rho-Faktors ist die Termination von Transkripten (Hart und Roberts, 1991). Die Deletion des für Rho kodierenden Gensrhosollte sich daher phänotypisch auf die Länge von Rho-abhängig terminierten Transkripten auswirken. Bei Betrachtung der visualisierten RNA-Sequenzierungsdaten desC. glutamicumWildtyps sowie der∆rho-Mutante mit der Software ReadXplorer fielen Bereiche downstream von einigen Genen auf, deren Read-Abdeckung in der∆rho-Mutante wesentlich später auf den Wert der Hintergrund-Read-Abdeckung abnehmen, als es im Wildtyp der Fall ist. Einer dieser Bereiche befindet sich downstreamvom Gencg0700und ist in Abbildung 4.14 exemplarisch dargestellt. Wie in der Abbildung zu sehen, sind neben proteinkodierenden Genen auch andere Transkriptklassen, wieantisenseRNAs, von dieser „Verlängerung“ der Read-Abdeckung betroffen.

Abhängig von der Anzahl an Rho-abhängig terminierten Genen im Genom müsste die Gesamt-Read-Abdeckung des Genoms in der∆rho-Mutante größer sein als im Wildtyp, da die RNA-Polymerase kein Terminationssignal erhält und daher die Transkription erst verspätet

618500 618750 619000 619250 619500 619750 620000 620250 620500 620750 621000 621250 cg0701

cg0700 cg0702

100 100

200 200

Abdeckung

Δrho-Mutante 100 100

200 200

Abdeckung

Wildtyp

Abbildung 4.14: Beispiel verlängerter Transkripte in der∆rho-Mutante. Gezeigt ist der genomi-sche Bereich der Genecg0700biscg0702(oberes Drittel), sowie die jeweilige Read-Abdeckung des C. glutamicumWildtyps (Mitte) und der∆rho-Mutante (unteres Drittel), jeweils von einem Repli-kat. Die grünen Kästen markieren die ungefähren Bereiche der in der∆rho-Mutante verlängerten Transkripte des Genscg0700sowie einerantisenseRNA komplementär zucg0700.

stoppt. Um dies zu überprüfen, wurde die Read-Abdeckung beider Stränge der drei sequen-zierten Replikate des Wildtyps und der∆rho-Mutante des gesamten Genoms bestimmt und verglichen. Die Gesamt-Read-Abdeckung der∆rho-Mutante beträgt 93,39 % (±0,24 %), die des Wildtyps 78,15 % (±4,61 %) (Abbildung 4.15A). Der Unterschied in der Gesamt-Read-Abdeckung zwischen Wildtyp und∆rho-Mutante ist signifikant (p<0,05) und beträgt etwa 15 %. Dies entspricht einer Read-Abdeckung von ca. 250 kbp pro Strang für das 3,28 Mbp

großeC. glutamicum-Genom.

AntisenseRNAs, die komplementär zu proteinkodierenden Genen liegen, werden durch den Rho-Faktor terminiert (Peterset al., 2012). WürdenantisenseRNAs durch einen Rho-unabhängigen intrinsischen Haarnadel-Terminator terminiert werden, würde dieser auch zu einer (vorzeitigen) Transkriptionstermination in der proteinkodierenden Region auf dem gegenüberliegenden Strang führen, was eine verkürzte mRNA zur Folge hätte. Aus diesem Grund wurde geprüft, ob die∆rho-Mutante verlängerteantisenseRNAs besitzt. Dazu wurde die Read-Abdeckung auf dem gegenüberliegenden Strang von proteinkodierenden Regionen (CDS) zwischen∆rho-Mutante und Wildtyp verglichen. Die Read-Abdeckung vonantisense RNAs beträgt im Wildtyp 1,87 % (±0,19 %). Im Gegensatz dazu beträgt die Read-Abdeckung auf dem Gegenstrang zu CDS in der∆rho-Mutante 6,45 % (±0,55 %) (Abbildung 4.15B). Der Unterschied der Read-Abdeckung vonantisenseRNAs zwischen Wildtyp und∆rho-Mutante ist signifikant (p<0,01). Dies ist ein deutliches Indiz, dassantisenseRNAs auch inC. glutamicum Rho-abhängig terminiert werden.

Δrho Wildtyp

A B

Δrho Wildtyp

* **

Abbildung 4.15:Vergleich der (A) genomweiten und (B)antisenseRead-Abdeckung desC. glutamicum Wildtyps mit der∆rho-Mutante. Es wurde die normalisierte Read-Abdeckung von jeweils drei Repli-katen verglichen. Die Unterschiede der genomweiten und derantisenseRead-Abdeckung zwischen Wildtyp und Mutante sind signifikant (* p-Wert<0,05; ** p-Wert<0,01). Als Signifikanztest wurde der Students t-Test (beidseitig) durchgeführt.

Da in der∆rho-Mutante 489 Gene im Vergleich zum Wildtyp verstärkt transkribiert sind und die mittlere Genlänge inC. glutamicumetwa 800 bp beträgt, könnte die in der∆ rho-Mutante beobachtete Gesamt-Read-Abdeckung allein von der Zahl an differenziell transkri-bierten Genen hervorgerufen sein (489·800 bp≈391 kbp). Um zu zeigen, dass die erhöhte Gesamt-Read-Abdeckung tatsächlich von verlängerten Transkripten und nicht von verstärkt transkribierten Transkripten hervorgerufen wird, wurde eine bioinformatische Methode zur genomweiten Identifizierung von verlängerten Transkripten aus RNA-Sequenzierungsdaten entwickelt.