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Datenzugang – ökonomische Einordnung

C. Schutzlücken im geltenden Regime der Missbrauchsaufsicht? Diskussion und

VI. Datenbezogene Missbrauchsstrategien – die kartellrechtliche Begründung von

1. Datenzugang – ökonomische Einordnung

Datenzugang kann in der digitalen Ökonomie über Innovations- und Wettbewerbschancen entschei-den. Zählt die Art und Weise, in der Daten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg nutzbar gemacht werden – von der Entwicklung innovativer Produkte und Dienste über den Bereich der Lo-gistik bis hin zu Marketing und Vertrieb – künftig zu den wesentlichen Treibern der wirtschaftlichen Entwicklung, so können die Möglichkeiten des Datenzugangs auch über die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft (mit-)entscheiden. Aus diesem Grund, und da Daten nicht rival in der Nutzung sind, wird zum Teil vertreten, dass vorhandene Daten möglichst viel genutzt werden sollten. Die

För-derung eines „data sharing“ und – wo dies scheitert – ggfs. die zwangsweise Gewährung des Zugangs zu Daten, die sich in der Kontrolle einzelner Unternehmen befinden, kann im Vergleich zu einem Umfeld, in dem Daten exklusiv gehalten werden, zu mehr Wettbewerb, höherer Effizienz und mehr Innovation führen. Dies ist auch der Ausgangspunkt der EU-Kommission in ihrer Mitteilung "Aufbau einer europäischen Datenwirtschaft".329

Versuche, die Frage des Datenzugangs losgelöst von den sehr unterschiedlichen Fallkonstellationen zu diskutieren, in denen sie praktisch werden können, erweisen sich aber schnell als fehlgeleitet.

Welchen Einfluss Datenzugangsrechte auf die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit von Unter-nehmen haben, hängt zunächst davon ab, ob diese UnterUnter-nehmen zur Realisierung der konkret ver-folgten unternehmerischen Pläne tatsächlich auf Datenzugangsrechte angewiesen sind.330 Bestimmte Datensets können parallel in vielfältiger Weise generiert werden – so etwa Standortdaten von Nut-zern. Andere Datensets sind über den Markt erhältlich. Mitunter ist mit Blick auf die konkrete unter-nehmerische Zielsetzung gar nicht der Zugang zum Ausgangs-Datenset erforderlich, sondern es kann der Zugang zu Datenanalyse-Ergebnissen genügen.331 Andere Daten können einer exklusiven Kontrol-le unterliegen.332 Schließlich können bestimmte Datensets allein wegen ihrer Größe und ihres Um-fangs nicht durch andere Datensets substituierbar sein. Ob bzw. in welchem Maße Unternehmen auf den Zugang zu bestimmten Daten angewiesen sind, lässt sich daher nur im Einzelfall beurteilen.

Rechtlich erheblich ist daneben die Unterscheidung zwischen personenbezogenen und nicht perso-nenbezogenen Daten. Was personenbezogene Daten betrifft, so weist die DSGVO „betroffenen Per-sonen“ weitreichende Kontrollrechte zu: Die Erhebung der Daten als auch jede Form der Datenverar-beitung bedarf einer Erlaubnis. Eine zentrale Rolle kommt dabei der Einwilligung der Betroffenen zu.

In Art. 20 hat die DSGVO ferner ein Recht auf Datenportabilität geschaffen, welches es den Betroffe-nen ermöglicht, Unternehmen im eigeBetroffe-nen Interesse Zugang zu „ihren“ Datensätzen zu gewähren.

329 Europäische Kommission, Mitteilung „Aufbau einer europäischen Datenwirtschaft”, COM(2017) 9 fin. Vgl.

für Beiträge zur Ökonomie von Daten OECD, Data-Driven Innovation: Big Data for Growth and Well-being, 2015; Kerber, GRURInt 2016, 989; Duch-Brown/Martens/Mueller-Langer, The Economics of Ownership, Access and Trade in Digital Data, JRC Digital Economy Working Paper 2017-01, 2017, abrufbar unter

https://ssrn.com/abstract=2914144; Schweitzer/Peitz, Datenmärkte in der digitalisierten Wirtschaft:

Funktionsdefizite und Regelungsbedarf?, ZEW Discussion Paper No. 17-043, 2017, abrufbar unter

http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp17043.pdf; Kerber, Rights on Data: The EU Communication „Building a European Data Economy” from an Economic Perspective, in: Lohsse/Schulze/Staudenmayer (Hrsg.), Trading Data in the Digital Economy, 2017, S. 109 ff.; Dewenter/Lüth, Datenhandel und Plattformen, 2018, abrufbar unter http://www.abida.de/sites/default/files/ABIDA_Gutachten_Datenplatformen_und_Datenhandel.pdf.

330 Dazu Schweitzer/Peitz, NJW 2018, 275.

331 Schweitzer/Peitz, NJW 2018, 275.

332 Ein Beispiel können Maschinendaten sein – aus Sicht derjenigen, die im Bereich der Maschinenwartung tätig sind.

Mithilfe dieses Zugangsverschaffungsrechts können bestimmte „Daten-Bottlenecks“ unter Umstän-den vermieUmstän-den werUmstän-den.333

Hinsichtlich nicht-personenbezogener Daten weist das deutsche Zivilrecht bislang weder Verfügungs-rechte noch schuldrechtliche Zugangsansprüche zu. Ob es eine solche Zuweisung geben sollte, ist Gegenstand einer auf deutscher und europäischer Ebene intensiv geführten Debatte über Rechte an Daten geworden, die sich mittlerweile auf eine Debatte über Zugangsrechten zu Daten verlagert hat (dazu unten, VI.2.-4.).

In der Debatte um Zugangsrechte sind (jedenfalls) drei Fallkonstellationen zu unterscheiden: Die Frage nach Zugangsrechten stellt sich erstens in Konstellationen, in denen innerhalb eines potenziell komplexen „Ökosystems“ von vernetzten Produkten, Daten und Dienstleistungen (z.B. „smart ho-me“, „smart agriculture“, „smart manifacturing“) mehrere Stakeholder in der ein oder anderen Wei-se an der Generierung der Daten beteiligt sind. In dieWei-ser Fallgruppe können starke Argumente für zivilrechtliche Nutzungsrechte bestehen, die im Lichte des Wettbewerbsschutzes ggfs. auch kartell-rechtlich abzusichern sind. Ansprüche auf Zugang zu Daten, die von einem anderen Unternehmen exklusiv kontrolliert werden, können zweitens aber auch von Unternehmen geltend gemacht wer-den, die selbst nicht an der Datengenerierung beteiligt waren, jedoch den Zugang zu exakt diesen Daten – etwa Nutzungsdaten einer bestimmten Maschine – benötigen, um ihrerseits Leistungen mit erheblichem Wertschöpfungspotenzial anzubieten. Schließlich kann es drittens Fälle geben, in denen Unternehmen Zugang zu besonders großen Datenmengen benötigen, um über ihre Auswertung mehr über die Präferenzen einer bestimmten Nutzergruppe zu erfahren bzw. um Algorithmen an diesen Datensets zu trainieren, damit diese auf einem bestimmten Dienstleistungs- oder Produkt-markt wettbewerbsfähig sind.

In all diesen Fallgruppen sind die Auswirkungen etwaiger Datenzugangsrechte auf die Anreize zur Datenproduktion zu berücksichtigen (siehe dazu bereits B.I.). Der empirische Befund eines exponen-tiellen Wachstums in der Produktion von Daten, indiziert noch nicht, dass genügend Anreize zur Pro-duktion von Daten auch dann vorhanden wären, wenn Zugangsrechte bestünden. Die Anreize für die Produktion von Daten können für unterschiedliche Arten von Daten sehr unterschiedlich sein. Sie hängen unter anderem davon ab, wie hoch die Kosten für die Produktion der Daten im Einzelfall sind.

Entgegen einer verbreiteten Darstellung, dass Daten in Zeiten von „Big Data“ regelmäßig als (schein-bar kostenloses) Nebenprodukt anderer Aktivitäten anfallen, können für die Generierung bestimmter

333 Die Reichweite des Rechts auf Datenportabilität muss sich in der Praxis allerdings erst erweisen.

Datensets durchaus erhebliche Kosten anfallen. Die Produktion solcher Datensets lohnt sich nur dann, wenn aus ihrer direkten oder indirekten Verwertung (evtl. hohe) Einnahmen erzielt werden können. Zugangsrechte, die dies nicht berücksichtigen, können damit sehr wohl zu Anreizproblemen führen.334

Ökonomisch erscheint es daher sinnvoll, bei der rechtlichen Konstruktion bzw. Auslegung von Zu-gangsrechten die mit der Datenproduktion verbundenen Kosten und Risiken zu berücksichtigen. Wo die Einräumung von Zugangsrechten die Anreize zur Produktion von Daten nicht berührt, können die ökonomischen Vorteile einer mehrfachen Nutzung dieser Daten die Nachteile eines Verlustes der exklusiven Verfügung über diesen Daten überwiegen.

2. Datenzugangsansprüche auf der Grundlage der „essential facilities“-Doktrin