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Das Franziskanerkloster als Memorialort der Geistlichkeit

Im Dokument Das Graue Kloster in Berlin (Seite 59-71)

Die Franziskanermönche waren sowohl für Markgrafen, Adelige als auch für Bürgerinnen und Bürger Ankerpunkt für die für unabdingbar erachteten Gebete für das eigene Seelenheil, die sie durch Stiftungen für die Ewigkeit zu erhalten hofften . Aber nicht nur weltliche Personen ban-den ihre Grablege und/oder Seelenheilstiftungen an das Kloster . Selbstverständlich hatten auch Geistliche und darunter die Mönche selbst das Bedürfnis, über die kollektiven Gebete ihrer Mit-brüder hinaus als Individuen für die Gebete ihrer Mitmenschen präsent zu bleiben .

Bis heute hat sich ein bischöflicher Grabstein in der Klosterkirche erhalten, der seit dem 19 . Jahr-hundert Liborius von Schlieben, Bischof von Lebus (gestorben 1486), zugesprochen wird .82 Al-lerdings verzeichnet Angelus Ende des 16 . Jahrhunderts zwar den Tod des Bischofs zu diesem Jahr in Berlin, begraben wurde er laut Chronik aber im Dom zu Fürstenberg, wo sein Grab jedoch ganz vergangen sei .83 Vielleicht täuschte sich der Autor rund hundert Jahre später ebenso wie die Chronistik, der er folgte, und Liborius’ Leichnam blieb in Berlin . Für welchen Bischof die Grab-platte tatsächlich geschaffen wurde, muss wohl offenbleiben .84

Wohl ebenfalls eher aus Zufall fand ein weiterer hochrangiger Geistlicher im Kloster seine letzte Ruhe, der am 20 . Juni 1521 verstorbene Nikolaus von Bach, Großkomtur des Deutschen Ordens in Preußen .85 Er war kurz zuvor bei den Franziskanern abgestiegen, um in Berlin mit Kurfürst Joachim I . wegen der Stellung von Truppen für den stark gefährdeten Ordensstaat zu verhan-deln .86 Bach starb jedoch vor Abschluss der Verhandlungen und wurde in der Klosterkirche bei-gesetzt . Die Ausführung seines letzten Willens hatte der ihn offenbar begleitende Ordensritter Jost Truchsess von Wetzhausen übernommen, der sein Nachfolger im Amt des Großkomturs wurde . Jost sorgte zum einen für eine Sandsteingrabplatte mit eingelassenem Bronzewappen und bronzener Inschriftentafel, die neben Namen und Sterbedaten auch die Aufforderung enthielt, Gott möge der Seele Bachs gnädig sein .87 Zum anderen gab er ein Epitaphgemälde in Auftrag, in

82 Woher diese Vermutung stammt, bleibt unklar; seit der ersten Erwähnung des Grabsteines wird dabei immer von ‚angeblich‘ gesprochen: Borrmann, Die Bau- und Kunstdenkmäler, S . 198; Schubring, Die Klosterkirche zu Berlin, S . 8, Nr . 5 .

83 Angelus, Annales Marchiae Brandenburgicae, S . 252 . Peter Hafftiz berichtet in seiner Chronik des 16 . Jahrhun-derts zum Jahr 1486 nur über die Wahl des neuen Bischofs, CDB IV 1 S . 75 .

84 Zur Lage und Beschreibung der Platte: Borrmann, Die Bau- und Kunstdenkmäler, S . 198; Schubring, Die Kloster- kirche zu Berlin, S . 8, Nr . 5 . Die Inschrift lässt sich kaum mehr entziffern . Lesbar ist lediglich das Jahrhundert:

[A]nno d[omi]ni M cccc […] . Für ihre diesbezüglichen Bemühungen danke ich Dr . Christine Magin von der Arbeitsstelle Inschriften, Greifswald .

85 Zu diesem Schmelzing, Grabdenkmäler von Landfremden, Sp . 316 f ., Nr . 5; Dieter Heckmann, Amtsträger des Deutschen Ordens in Preußen und in den hochmeisterlichen Kammerballeien des Reiches bis 1525/Dostojnicy zakonu niemieckiego w Prusach i baliwatach-kamarich wielkomistrowskie imperiumu do 1525 r, voraussichtlich Toruń 2021 [Manuskriptzählung: S . 206, 232] .

86 Das Folgende nach Schmelzing, Grabdenkmäler von Landfremden, Sp . 317 f ., Nr . 5; zur Person ebd . und Heck-mann, Amtsträger des Deutschen Ordens [u . a ., S . 197, 206] .

87 Cante, Die Klosterkirche als Berliner Gedächtnisort, S . 57 mit fotografischer Abb . 79 . Zur Grabplatte Borrmann, Die Bau- und Kunstdenkmäler, S . 199; Kurth, Die Altertümer, S . 138; Schmelzing, Grabdenkmäler von Land-fremden, Sp . 316–318, Nr . 5 (mit s/w Abb . nach Sp . 308); Cante, Die Klosterkirche als Berliner Gedächtnisort, S . 57; Deiters, Die Ausstattung der Franziskanerklosterkirche, S . 145, 147 mit s/w Abb . 2; Knüvener, Die spätmit-telalterliche Skulptur und Malerei, S . 226 f . mit Farbabb . 603 .

dem er sich als Testamentarius und als fast gleichwertiger Stifter verewigen ließ . Dieses Epitaph zeigt den Abschied Jesus’ von seiner Mutter am Gründonnerstag .88 Im Vordergrund knien links Klaus von Bach sowie rechts etwas kleiner Jost von Wetzhausen als Stifter, beide in Rüstung mit abgelegtem Helm, an ihren Wappen im Vordergrund identifizierbar (Abbildung 7) . Auf einem links in der Ecke befindlichen stilisierten Pergament wird der christliche Betrachter direkt ange-sprochen und aufgefordert, um selbst ein gutes Ende zu nehmen, jeden Donnerstag des Schmer-zes Marias – und dabei sicherlich auch der Stifter – zu gedenken .89 Dieses Bild, auf dem außer den Wappen jegliche Hinweise auf die Namen der beiden Männer fehlen, ist bis heute in der Berliner Marienkirche erhalten . Die Aufforderung zum Gebet im Bild selbst war aber nicht die einzige Bei-schrift, sondern es gehörte ein weiterer zeitgenössischer Text zum ehemaligen Gesamtkunstwerk . Auf einer offenbar gesonderten Tafel hielt Jost für die Betrachtenden die Sterbedaten des Ritters parat, bat Gott darum, dem Toten gnädig und barmherzig zu sein, forderte dazu auf, ein inichck Pater Noster und Ave Maria vor di vorstorben Seelen zu beten, und wies sich namentlich als Testa-mentsvollstrecker aus . Beschrieben und zitiert wird die gesamte Inschrift zum ersten Mal 1732, jedoch ohne weitere Erklärung zu ihrer Anbringung,90 1823 als Unterschrift des Bildes genannt,91

Abb. 7: Epitaph für Klaus von Bach und Jost von Wetzhausen, 1521, Marienkirche Berlin (Ausschnitt).

88 Zum Epitaph Cante, Die Klosterkirche als Berliner Gedächtnisort, S . 57; Deiters, Die Ausstattung der Franziska-nerklosterkirche, S . 145, 147; Deiters, Gedächtnismale, Einzelgemälde und -skulpturen, S . 402 f .

89 Kurth, Die Altertümer, S . 132 .

90 Das Epitaphium am Pfeiler lautet also […], Diterich, Berlinsche Closter- und Schul-Historie, S . 16 f . 91 Ebd .; Kugler, Die Klosterkirche zu Berlin, S . 269 (hier zitiert nach Kugler) .

während 1891 die Beischrift nicht mehr vorhanden gewesen zu sein scheint .92 Der erklärende Text war wohl nicht mehr für überlieferungswürdig gehalten worden .

Selbst nach der Reformation banden Geistliche ihre Memoria an das Kloster . So machte 1558 der achtzigjährige Priester und Dechant des Havelberger Domes, Peter Conradus, sein Testament und verfügte, dass er in der dort durch ihn errichteten und ausgestatteten Marienkapelle begra-ben werden wolle .93 Gebete für sein Seelenheil sollten jedoch von einer Institution gewährleistet werden, auf deren Dauerhaftigkeit Peter trotz Reformation setzte, auf die barfusser munnichen in Berlin, die dort zu diesem Zeitpunkt ja weiterhin lebten .94 Ihnen vermachte er fünf Gulden, das sie bald nach meinen tode meiner in ihrem gebett und kirchen empteren gedencken .95

Die meisten Niederschläge des Wunsches von Geistlichen, in Erinnerung zu bleiben, lassen sich aber naheliegenderweise für die Mönche selbst finden . Eine ausgefeilte und erfolgreiche Strate-gie, um über den Tod hinaus – jenseits von Pergament und Papier – einer gewissen Öffentlichkeit in Erinnerung zu bleiben, dachten sich dabei einige Mönche aus . Sie verewigten sich namentlich und mit ihren religiösen Bitten an dem Ort, an dem sie und eventuell weitere Personen regelmä-ßig zusammentrafen, dem Saal des um 1470 neu errichteten sogenannten Kapitelhauses .96 Auf dessen vier tragenden Säulen finden sich die Gebete und Namen von Mönchen sowie Jahreszah-len zum Bau in Tonfriese gemeißelt, die heute im Märkischen Museum aufbewahrt werden .97 Auf der südlichsten Säule bat im oberen Fries ein Bruder Adam Gott, dieses Haus und sich selbst zu segnen,98 während unten auf der nächsten Säule die Namen von sieben Brüdern verewigt sind . Auf der dritten Säule baten oben die Brüder Benedikt und Markus Gott, dieses Gebäude vor aller Unbill zu bewahren, während der untere Schaft der Säule kundtat, dass Meister Bernhard dieses Werk 1474 vollendet hatte . Auf der vierten Säule auf dem oberen Schaft verewigte sich ein Bru-der Hieronymus mit Bru-der Anrufung Marias im Rosenkranzgebet, während Bru-der untere Schaft Bru-der Vergegenwärtigung von Jesus, Maria und vier Ordensheiligen, darunter Bernhardin [von Siena], vorbehalten blieb . Mindestens elf Brüder aus dem Konvent, der möglicherweise zu diesem Zeit-punkt aber auch nicht mehr Brüder umfasste, blieben damit, letztlich bis heute, an repräsentativer Stelle in Erinnerung der Nachwelt .

92 „Auf dem schönen Bilde las man einst“, so Oskar Schwebel, Aus Alt-Berlin . Stille Ecken und Winkel der Reichs-hauptstadt in kulturhistorischen Schilderungen, Berlin 1891, S . 228 .

93 CDB I 3, S . 157–164, Nr . 75, hier S . 161 .

94 Bis zum Tod des letzten Mönchs im Jahre 1571; Riedel, Berlin Franziskaner, S . 147 . 95 CDB I 3, S . 157–164, Nr . 75, hier S . 161 .

96 Joachim Bellermann, Das graue Kloster in Berlin, mit seinen alten Denkmälern, T . 2, Berlin 1824, S . 40–47; Borr-mann, Die Bau- und Kunstdenkmäler, S . 200 f . (mit Teilabb . des Saals), MauerBorr-mann, Die Geschichte des Grauen Klosters, S . 21 (mit Abb . eines Ausschnitt des Saals); Peter Knüvener/Dirk Schumann, Berlin, Franziskaner- kloster, in: Nentwig, Mittelalterliche Kunst aus Berlin, S . 326–329, Nr . 131, hier S . 326 mit s/w Abb . S . 44, Abb . 16 .

97 Umfassend dazu Knüvener/Schumann, Berlin, Franziskanerkloster, S . 327 f . mit Abb .

98 Das Folgende nach Julius Heidemann, Geschichte des grauen Klosters zu Berlin . mit vier Tafeln, Berlin 1874, S . 326; Bellermann, Das graue Kloster in Berlin, T . 2, S . 41–45; Borrmann, Die Bau- und Kunstdenkmäler, S . 200 f .

Abb. 8: Epitaph für Hieronymus Musa, nach 1450, Marienkirche Berlin (Ausschnitt).

Neben diesen in Stein gemeißelten Bitten an Gott sind bildliche Zeugnisse erhalten, die auf einzelne Brüder oder den Konvent als Stifter deuten . So zeigt ein heute in der Marienkirche hängendes, kurz nach 1450 entstandenes Leinwandgemälde Maria im Kreis von insgesamt fünf franziskanischen Heiligen, darunter der 1450 heiliggesprochene Bernhardin von Siena (mit Buch und Strahlensonne)99 sowie Klara (mit Monstranz) .100 Maria wird durch eine goldene Inschrift über ihrem Haupt als alderschoeneste machet Maria und als pulcherrima virgo Maria verehrt,101 während gegenüber der Heiligen Klara ein eindeutig als Stifter dargestellter Fran-ziskanermönch eine Schriftrolle zwischen den betenden Händen hält . Darauf richtet der in einer weiteren Schriftrolle entlang seines Körpers ausgewiesene frater Hironimus Musa seine Bitte nach jenseitiger Seligkeit an die Vermittlerin Maria (schoneste Maria bidde ihesum vor my,

99 Auf der Sonne und im Buch sind noch mittelalterliche Textfragmente erkennbar, die aber kaum entzifferbar sind . 100 Zum Bild Diterich, Berlinsche Closter- und Schul-Historie, S . 25; Bellermann, Das graue Kloster in Berlin, T . 1,

S . 37 f ., Nr . 6; Kugler, Die Klosterkirche zu Berlin, S . 268; Borrmann, Die Bau- und Kunstdenkmäler, S . 197;

Schubring, Die Klosterkirche zu Berlin, S . 8, Nr . 15; Riedel, Berlin Franziskaner, S . 153 f .; Knüvener, Die Skulp-tur des Retabels, S . 136 f .; Cante, Die Klosterkirche als Berliner Gedächtnisort, S . 61, Abb . 86 (Aufhängung);

Deiters, Bettelorden und Landesherr, S . 259 f ., Nr . VII .3 mit Farbabb .; dies ., Die Ausstattung der Franziskaner-klosterkirche, S . 158 f . (mit Farbtafel 7); dies ., Gedächtnismale, Einzelgemälde und -skulpturen, S . 403 f . mit s/w Abb . 509; ausführlich Knüvener, Die spätmittelalterliche Skulptur und Malerei, S . 172 f . mit Farbabb . 453 . 101 Zuerst zitiert bei Diterich, Closter S . 25 . Die Inschriften des Bildes sind aber auch heute noch gut lesbar .

sunt und salich make my) (Abbildung 8) .102 Es scheint nun zeitlich naheliegend, diesen Bruder Hieronymus als denjenigen zu identifizieren, der sich im Säulenschaft mit der Anrufung Ma-riens verewigte .103 In welchem Kontext und Ort dieses durch die Inschrift wohl als Epitaph zu bezeichnende Gemälde im Mittelalter präsentiert wurde, bleibt unklar, was auch der späteren Neurahmung geschuldet ist, die nur die rechte Seite des Originalrahmens übrig ließ .

Ebenso unklar sind Aufstellungsort und Präsentationskontext bei einer großformatigen Reliefta-fel, die heute ebenfalls in der Marienkirche hängt .104 Auf dieser Tafel, die um die gleiche Zeit wie das vorige Bild zu datieren ist, steht Bernhardin von Siena ganz im Zentrum, auch hier mit seinen Attributen, der Strahlensonne mit Christusmonogramm in der einen, ein Buch (mit einer später zugefügten Inschrift) in der anderen Hand .105 Zu Füßen des Heiligen knien betend fünf weltliche Personen: halb kniend rechts ein Paar mit eventuell einem Sohn sowie links ein älterer und ein jüngerer Mann (Abbildung 9) . Ob es sich bei diesen Figuren um die Darstellung von Stiftenden oder um Andächtige handelt, die auch die Betrachtenden zum Gebet anregen sollten,106 muss wegen des Fehlens weiterer schriftlicher Hinweise auf der Tafel offenbleiben . Aber jemand, sei es von außerhalb oder aus dem Konvent selbst, hat den Auftrag zur Fertigung des Bildes gegeben, es bezahlt und im Kloster oder der Kirche anbringen lassen .

Abb. 9: Tafel mit Bernhardin von Siena und knienden Personen, nach 1450, Marienkirche Berlin (Ausschnitt).

102 So die Lesart bei Deiters, Die Ausstattung der Franziskanerklosterkirche, S . 158; Knüvener, Die spätmittelalter- liche Skulptur und Malerei, S . 172 f .

103 So auch Knüvener/Schumann, Berlin, Franziskanerkloster, S . 329 Anm . 3 .

104 Als Altarflügel diente es nicht, es gibt auf der Rückseite keine Hinweise auf Scharniere oder Fassungen, so Deiters, Die Ausstattung der Franziskanerklosterkirche, S . 158 f . Anm . 39; Deiters, Gedächtnismale, Einzelgemälde und -skulpturen, S . 404, Anm . 123; Knüvener, Die spätmittelalterliche Skulptur und Malerei, S . 174 .

105 Riedel, Berlin Franziskaner, S . 154; Deiters, Bettelorden und Landesherr, S . 260 f ., Nr . VII .5 mit Farbabb .; dies ., Die Ausstattung, S . 158 f . mit s/w Abb . 16; dies ., Gedächtnismale, Einzelgemälde und -skulpturen, S . 404 mit s/w Abb . 510; ausführlich zum Inhalt Knüvener, Die spätmittelalterliche Skulptur und Malerei, S . 173 f . mit Farbabb . 454 . 106 So Deiters, Die Ausstattung der Franziskanerklosterkirche, S . 158 f . Anm . 39; Knüvener, Die spätmittelalterliche

Skulptur und Malerei, S . 174 .

Ebenfalls zum franziskanischen Kontext ist die in das Ende des 15 . Jahrhunderts zu datierende Bildtafel des Baumes der Franziskaner zu rechnen .107 Wahrscheinlich lag dem Bild, das sich heute in der Marienkirche befindet, ein Einblattholzschnitt von 1484 aus Nürnberg zugrunde,108 der bei dem Berliner Baum jedoch eine starke Reduktion erfuhr . In den Wurzeln des Berliner Baumes sitzen zwei (statt drei) Nonnen, die von einem Schriftband umschlungen werden, auf denen auch hier die drei franziskanischen Tugenden festgehalten sind .109 Den Tugenden folgt eine Schriftta-fel mit dem lateinischen Text der Johannesoffenbarung 7,2,110 die die Franziskaner auf sich bezo-gen .111 Darüber steht im Stamm Franziskus, über ihm hängt Christus am Kreuz . Den fünf Ästen des Berliner Baumes folgen zu beiden Seiten des Stammes jeweils zwölf (im Nürnberger Baum 17) mit ihren Attributen und zusätzlich mit Namen gekennzeichnete Heilige des Ordens, wobei die meisten der hier genannten Heiligen auch in der Nürnberger Version erscheinen .112 Links der Schrifttafel knien zwei (in der Nürnberger Version vier) als Heilige gekennzeichnete Frauen, die erste mit einem Kelch in den Händen,113 rechts davon sind ebenfalls von vier nur zwei Personen übriggeblieben: eine Heilige mit Krone, gefolgt von einem männlichen Heiligen mit fürstlicher Kopfbedeckung und Kleidung,114 deren Namen wohl ehemals in den unter ihnen angebrachten Schrifttafeln zu lesen waren (Abbildung 10) . Hinweise auf Stiftende finden sich in diesem Bild also keine, es scheint wohl vom Konvent selbst in Auftrag gegeben worden zu sein .

107 Diterich, Berlinsche Closter- und Schul-Historie, S . 25; Bellermann, Das graue Kloster in Berlin, T . 1, S . 30 f ., Nr . 5;

Borrmann, Die Bau- und Kunstdenkmäler, S . 196 f .; Deiters, Bettelorden und Landesherr, S . 259 f ., Nr . VII .4 mit Farbabb .; dies ., Die Ausstattung der Franziskanerklosterkirche, S . 160 f . mit s/w Abb . 17; dies ., Gedächtnismale, Einzelgemälde und -skulpturen, S . 404 f . mit s/w Abb . 511; Knüvener, Die spätmittelalterliche Skulptur und Ma-lerei, S . 171, ferner S . 344, Anm . 1008 .

108 Deiters, Die Ausstattung der Franziskanerklosterkirche, S . 160 . Zum Baum im Einblattholzschnitt von 1484: Han-na Egger, Rosarium beati Francisci, in: Johannes Gründler (Hrsg .), 800 Jahre Franz von Assisi . Franziskanische Kunst und Kultur des Mittelalters (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, N . F ., Bd . 122), Wien 1982, S . 658–660, Nr . 13 .21 mit s/w Abb . 107 (Original: Graphische Sammlung Albertina [Wien], Inventarnr . DG1930/190, Digitalisat: https://sammlungenonline .albertina .at [abgerufen am: 24 . April 2020]) und dem fast identischen Baum (mit leeren Schriftbändern) in einem Graduale von 1494/97: Elisabeth Vavra, Rosarium beati Francisci, in: Gründler, 800 Jahre Franz von Assisi, S . 596–598, Nr . 10 .72 mit Farbtafel Nr . 45 (Original: Bayerische Staatsbibliothek, Clm 23042, Digitalisat: http://www .manuscripta-mediaevalia .de [abgerufen am: 24 . April 2020]) . 109 Dazu auch Deiters, Die Ausstattung der Franziskanerklosterkirche, S . 160 . Auf dem Band des Nürnberger Baumes steht: Castitas pudorosa, Paupertas zelosa und Obediencia studiosa . Auf dem Berliner Baum ist rechts eindeutig obo-edientia studio[sa] zu lesen, in der Mitte scheint die Schrift durch einen Restaurator sehr verfälscht, aber Castitas [pudoro]sa lässt sich dort lesen, auf der linken Seite sind keine verwertbaren Buchstaben mehr erkennbar . Für die Transkriptionsunterstützung danke ich meiner Kollegin Dr . Magdalena Weileder, München . Die von Bellermann, Das graue Kloster in Berlin, T . 1, S . 31 genau an dieser Stelle zitierten und von Borrmann, Die Bau- und Kunst-denkmäler, S . 197 übernommenen Worte virgo formosa mater dei sind dort nicht erkennbar .

110 Zitiert bei Bellermann, Das graue Kloster in Berlin, T . 1, S . 31 .

111 Ausführlich dazu Deiters, Die Ausstattung der Franziskanerklosterkirche, S . 162 f .

112 Vgl . die Aufzählung der Heiligen in der Nürnberger Version: Egger, Rosarium beati Francisci, S . 658; Vavra, Rosa-rium beati Francisci, S . 596 . Zu den unterschiedlichen Personifizierungsversuchen der Heiligen im Berliner Baum Bellermann, Das graue Kloster in Berlin, T . 1, S . 32–37; Kurth, Die Altertümer, S . 132 f .

113 Deiters, Die Ausstattung der Franziskanerklosterkirche, S . 160 identifiziert sie mit Klara und Elisabeth (mit Kelch) . Geht man von der Vorlage aus, könnten Klara (hier mit Kelch statt Monstranz) und ihre Schwester Agnes übriggeblieben sein .

114 Bellermann, Das graue Kloster in Berlin, T . 1, S . 31 sieht in dem Mann den Klosterstifter Otto; geht man von der Vorlage aus, könnten von den vier Personen hier die Heilige Elisabeth (dort wie hier mit Krone) und der selige Elzearius, Graf von Ariano (dort mit ähnlicher Kleidung wie hier), übriggeblieben sein .

Abb. 10: Baum der Franziskaner, Ende 15. Jahrhundert, Marienkirche Berlin (Ausschnitt).

Ein viertes, um 1480 entstandenes Tafelbild, in dem der Tod Jesu’ im Beisein des ‚guten Haupt-manns‘ im Zentrum steht,115 lässt sich eindeutig als eine Stiftung aus dem Konvent interpretieren . Während der Hauptmann im Kreise seiner Untergebenen auf der rechten Seite steht, trauert links Maria, gestützt und begleitet von weiteren Heiligen .116 Zu Füßen des Kreuzes knien in Stifterposition zwei betende Mönche (Abbildung 11) . Ob es sich dabei wirklich um zwei Stifterpersönlichkeiten aus dem Konvent handelte oder um Stellvertreter für eine Stiftung des ganzen Konventes, muss wohl offenbleiben, da auch hier jegliche erklärenden Inschriften fehlen . Während alle bisherigen Bilder als Einzelbilder angesehen werden dürfen, scheint es sich bei diesem, das heute auf dem Altar der Dahlemer Sankt Annen-Kirche steht, um den Mittelteil eines Triptychons gehandelt zu haben, wie Aussparungen für eine baldachinartige Maßwerkarchitektur am oberen Bildrand vermuten lassen .117 Dieses Bild leitet über zu einer großen Gruppe an weiteren überlieferten Stiftungen von geist- lichen Bildern, den Altarbildern selbst . Sie, die als die teuersten und repräsentativsten Bilder des Kirchenraumes gelten können, waren aber nur die sichtbare Spitze eines ‚Eisberges‘ . Denn hinter jedem Bild standen in der Regel hohe Kapitalsummen mit Einkünften beispielsweise für Priester, Altargerät und regelmäßige Messen .118 Trotz aller Umbauarbeiten haben sich bis heute Reste von mindestens sieben zur Klosterkirche gehörenden Retabeln erhalten, die alle Ende des 15 ./Anfang des 16 . Jahrhunderts entstanden .119 Alle wurden in Auftrag gegeben und finanziert von jeman-dem, seien es einzelne Personen, Gruppen oder der Konvent selbst gewesen . Ähnliches gilt für

115 Nach Markus 15,39; nach Lukas 23,47 .

116 Riedel, Berlin Franziskaner, S . 154; Deiters, Die Ausstattung der Franziskanerklosterkirche, S . 157 mit s/w Abb . 15 (die das Bild als „eine Art Anleitung zur Bildbetrachtung“ deutet); Knüvener, Die Skulptur des Retabels, S . 118, Abb . 17; ausführlich zur Bildgestaltung Knüvener, Die spätmittelalterliche Skulptur und Malerei, S . 180 mit Farbabb . 475 .

117 Dazu Deiters, Die Ausstattung der Franziskanerklosterkirche, S . 157; Knüvener, Die spätmittelalterliche Skulptur und Malerei, S . 180 .

118 U . a . Jezler, Jenseitsmodelle und Jenseitsvorsorge, S . 13 .

119 Zu diesen Retabeln u . a . Bellermann, Das graue Kloster in Berlin, T . 1, S . 29; Borrmann, Die Bau- und Kunstdenk-mäler, S . 196 f .; Kurth, Die Altertümer, S . 123–125, ferner S . 140, Anm . 1; Riedel, Berlin Franziskaner, S . 153;

die materielle Ausstattung der Altäre mit Kirchengerät . Einiges wurde bald nach der Reformation inventarisiert,120 einiges hat bis heute überdauert .121 Da aber die Stifterpersönlichkeiten dieser Bil-der und Gegenstände ebenso wenig wie Bil-der Kontext ihrer Entstehung rekonstruierbar sind, sollen hier nur zwei Bilder mit direkten Bezügen zum Orden und ein weiteres, das den Memorialwunsch sehr deutlich zum Ausdruck bringt, kurz vorgestellt werden . So hat sich bis heute das Relief mit der Darstellung der Anbetung durch die Heiligen Drei Könige erhalten, das um 1470 entstanden ist und sich heute im Chor der Marienkirche befindet .122 Der Bezug zu den Franziskanern darauf ist eindeutig: So wird der bei Ochs und Esel im Hintergrund sitzende Josef als Mönch dargestellt, ein weiterer Mönch ist im Hintergrund des Bildes in einer Gruppe von fünf Reitern zu erkennen .123

Abb. 11: Tafelbild Kreuzigung mit ‚gutem Hauptmann‘ sowie zwei Franziskanermönchen, um 1480, Dorfkirche Berlin-Dahlem (Ausschnitt).

Deiters, Die Ausstattung der Franziskanerklosterkirche, S . 149, 154 f .; Knüvener, Die spätmittelalterliche Skulp-tur und Malerei, S . 180 f ., 195 .

120 Vgl . dazu CDB III 3, S . 501, Nr . 351 (Uebersicht des abgelieferten Kirchengeräthes aus dem grauen Kloster zu Berlin) und Historisch-diplomatische Beiträge zur Geschichte der Stadt Berlin, T . 2: Berlinische Urkunden von 1261 bis 1550, hrsg . von Ernst Fidicin, Berlin 1837, S . 350−353, Nr . 211, hier S . 353 .

121 Zu Beschreibungen des Kirchengeräts Borrmann, Die Bau- und Kunstdenkmäler, S . 193; Riedel, Berlin Franzis-kaner, S . 153; Knüvener/Schumann, Berlin, Franziskanerkloster, S . 326; Peter Knüvener, Ziborium, in: Nentwig, Mittelalterliche Kunst aus Berlin, S . 356–358 .

122 Zum Bild und den wohl zugehörigen Flügeln, die heute in der Dorfkirche von Zehlendorf hängen: Bellermann, Das graue Kloster in Berlin, T . 1, S . 29 f ., 44 f .; Borrmann, Die Bau- und Kunstdenkmäler, S . 196; Riedel, Berlin

122 Zum Bild und den wohl zugehörigen Flügeln, die heute in der Dorfkirche von Zehlendorf hängen: Bellermann, Das graue Kloster in Berlin, T . 1, S . 29 f ., 44 f .; Borrmann, Die Bau- und Kunstdenkmäler, S . 196; Riedel, Berlin

Im Dokument Das Graue Kloster in Berlin (Seite 59-71)

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