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Ausgrabung des Dominikanerklosterareals am Schlossplatz in Berlin-Mitte

Im Dokument Das Graue Kloster in Berlin (Seite 147-151)

Die Ausgrabungen des Landesdenkmalamtes Berlin am Schlossplatz in Berlin-Mitte in den Jah-ren 2008 bis 2015 fanden im Vorfeld der Errichtung des Humboldt Forums statt . Dabei wurden auf einer Gesamtfläche von ca . 15 .000 Quadratmetern nicht nur die Reste des Barockschlosses und des Großen Schlosshofs erfasst, sondern auch die heutige Platzfläche zwischen dem Sitz des Staatsrats der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), heute European School of Ma-nagement and Technology, sowie der rekonstruierten Barockfassade am Schlossplatz untersucht . Der letztgenannte Abschnitt ermöglichte die weitgehende archäologische Erforschung des

Do-1 Dieser Beitrag ist eine veränderte und erweiterte Fassung des am 20 . Mai 2019 beim wissenschaftlichen Kolloqui-um gehaltenen Vortrags .

minikanerklosterareals von der Zeit der Stadtgründung bis zum Abriss der ehemaligen Kloster-kirche im Jahr 1747 .2 Mit dieser vom Bund und vom Land Berlin finanzierten städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme ‚Hauptstadt Berlin – Parlaments- und Regierungsviertel‘ finanzierten Großgrabung lässt sich nunmehr in Verbindung mit den Ergebnissen vorangegangener Ausgra-bungen und schriftlicher Quellen die Baugeschichte dieses Ortes über circa 550 Jahre hinweg nachzeichnen . Während der Untersuchungen wurden insgesamt 759 Gräber geborgen . Ihre Zeit-spanne reicht von den Bestattungen des Dominikanerklosters ab dem späten 13 . Jahrhundert bis zur Schließung des Friedhofs der Oberpfarr- und Domkirche im Jahr 1716 .3 Die im Folgenden wiedergegebenen historischen Rahmendaten eignen sich für die Periodisierung der baulichen Entwicklung des Dominikanerklosterareals auf der Grundlage der archäologischen Untersu-chungen .

Vorklosterzeit (von der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts bis um circa 1300)

Die intensive neuzeitliche Bautätigkeit auf dem Areal, der Abriss sämtlicher Baulichkeiten im 18 . Jahrhundert, die Ausgrabung des Jahres 1880 und etliche moderne Störungen durch Leitungs-gräben und den Bau des Palastes der Republik rissen zwar erhebliche Lücken in das ursprüngliche Gesamtbild, doch die über die gesamte Fläche des späteren Klosters und darüber hinaus verteil-ten Siedlungsbefunde belegen ohne Zweifel eine rege und anhalverteil-tende Siedlungstätigkeit schon lange vor der Ankunft der Dominikaner . Diese drückt sich im archäologischen Befund durch Überschneidung und Überlagerung aus, die im Einzelfall zwingende Schlüsse zur Periodenzuge-hörigkeit und Datierung forderten: ein im Bereich des Vorchors freigelegter, im 13 . Jahrhundert genutzter Holzkastenbrunnen muss vor der Errichtung dieses Abschnitts der Klosterkirche zuge-schüttet worden sein . Als besonders aussagekräftige Quelle für die Interpretation des frühen städ-tischen Baugeschehens erwies sich der südwestliche Rand des Untersuchungsgebietes außerhalb der Kernbauten des Klosters und damit auch außerhalb der Ausgrabungsfläche des Jahres 1880 . An mehreren Stellen konnte zweifellos eine mehrphasige Entwicklung festgestellt werden, die auch mit Nutzungswechseln (zum Beispiel mehrphasige Siedlungsgruben, die von zwei aufei-nanderfolgenden Häusern geschnitten werden) einhergegangen war . Die dendrochronologisch ermittelten Daten der Siedlungsbefunde ergeben eine zeitliche Mindestspanne von über 100 Jah-ren Siedlungstätigkeit im späteJah-ren Klosterquartier zwischen dem mittleJah-ren 12 . Jahrhundert bis mindestens in das Jahr 1264 (Eichendaube in einer Kloakenverfüllung) . Die Tatsache, dass mehr als ein dendrochronologisches Datum in die Zeit um 1200 und davor fällt, mag als deutlicher Hinweis darauf gelten, dass die rege Nutzung dieses Areals schon in diese Zeit fallen dürfte .

2 Der Verfasser dieses Beitrags leitete die genannten Ausgrabungen im Auftrag des Landesdenkmalamtes Berlin . Der vorliegende Beitrag beruht auf den Ergebnissen der Doktorarbeit an der Freien Universität Berlin: Michael Malliaris, Die Baugeschichte des Dominikanerklosterareals in Cölln an der Spree vom 12 . Jahrhundert bis zum Jahr 1747 nach den Ausgrabungen am Schlossplatz in Berlin-Mitte . Mit Beiträgen von Ulrich Haarlammert und Daniel Krebs (Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin, Bd . 51), 2 Bde ., Petersberg 2018 .

3 Vgl . dazu besonders den Beitrag von Daniel Krebs, Archivalische und prosopografische Untersuchungen zu den Bestattungen der Dominikanerklosterkirche und des Alten Domes zu Berlin, in: Malliaris, Die Baugeschichte des Dominikanerklosterareals, Bd . 1, S . 316–392 sowie Bd . 2, S . 382–418 .

Verknüpft man die Mächtigkeit der vorklösterlichen Straten im Untersuchungsgebiet mit den – wenn auch vereinzelten – frühen Dendrodaten aus der Mitte des 12 . Jahrhunderts, kommt man nicht umhin, eine langsam, aber stetig aufbauende Siedlungstätigkeit im ausgehenden 12 . Jahr-hundert für plausibel zu halten . Vier im Bereich des Klosterareals nachgewiesene mittelalterliche Holzkastenbrunnen entsprechen, soweit ihre Herstellungstechnik geklärt wurde, vollständig den in der Region üblichen Brunnentypen des späteren 12 . und 13 . Jahrhunderts . Die Überlagerung verschiedener Häuser – greifbar an einem Doppelpfostenhaus, das von einem Steinhaus über-lagert wurde – ist Ausdruck einer Platzkontinuität, die eher bei einer dichten Besiedlung und intensiven Nutzung des Areals zu erwarten ist .4 Die unterschiedliche Bauweise der Häuser auf einem Grundstück spiegelt eine Entwicklung vom schnell verfügbaren Holzbau zum dauerhaften Steinbau wider, die etwa in der Cöllner Breiten Straße, wo nur Holzbauten nachgewiesen werden konnten, nicht beobachtet wurde .5 Die Orientierung des Doppelpfostenhauses bezieht sich auf die Verlängerung der Achse der Brüderstraße . Innerhalb des Untersuchungsgebietes stießen die zwei von der späteren Brüderstraße und Breiten Straße auf die Parzellengrenzen übertragenen Achsensysteme aufeinander .

Im Bereich des Quartiers ist zunächst eine Landbewirtschaftung beziehungsweise eine Bear-beitung der Böden (Hack- und Spatenspuren) anzunehmen, der wohl eine Rodung vorausging . In den ältesten anthropogenen Schichten konnten an mehreren Stellen teilweise mehrreihige Spateneinstiche in analoger Ausrichtung dokumentiert werden . Sie lassen sich am besten mit der systematisch fortschreitenden Arbeitsweise eines Gärtners oder Erdarbeiters erklären . Sied-lungstätigkeit ist nur an Holzkohlespuren geringer Konzentration im sandig-humosen Substrat ablesbar . In dieser Zeit wurden Zäune und Entwässerungsgräben angelegt, deren Orientierung nicht unbedingt den für die spätere Parzellierung gültigen Fluchten entsprach . Der Beginn der Pionierphase war vielleicht an der Topografie orientiert, führte aber noch nicht zu einer in grö-ßeren Zusammenhängen geplanten systematischen Parzellierung . Sie fällt mit Sicherheit noch in das 12 . Jahrhundert und setzte möglicherweise schon in dessen Mitte ein . Sie muss jedoch schon vor 1200 abgeschlossen gewesen sein, da zu diesem Zeitpunkt so viele Bauwerke archäologisch gefasst werden können, dass sie ohne eine regulierende Struktur kaum angelegt werden konnten . Die sukzessive und intensive Nutzung der Grundstücke ist an mehreren Parzellen nachzuweisen . Die archäologisch erschlossenen, materiellen Zeugnisse des Dominikanerklosterareals vor 1300 ergeben das Bild eines Stadtrandviertels mit Mischnutzung .6 Dementsprechend beinhaltet das Fundspektrum des Stadtviertels außer den üblichen Tierknochen- und Keramikabfällen hand-werkliche Produkte, vor allem Knochenobjekte und eiserne Schmiedeerzeugnisse .

4 Zahlreiche Beispiele mehrfacher baulicher Überlagerungen lassen sich etwa in Lübeck nachweisen: Gabriele Le-gant, Zur Siedlungsgeschichte des ehemaligen Lübecker Kaufleuteviertels im 12 . und frühen 13 . Jahrhundert . Nach den ältesten Befunden der Grabung Alfstraße –Fischstraße –Schüsselbuden, 1985–1990 (Lübecker Schrif-ten zu Archäologie und Kulturgeschichte, Bd . 27), Rahden 2010 .

5 Michael Hofmann/Frank Römer, Vom Stabbohlenhaus zum Haus der Wirtschaft . Ausgrabungen in Alt-Cölln, Breite Straße 21 bis 29 (Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin, Bd . 14), Berlin 1999, S . 15–37, 88 .

6 Als Vergleich dazu kann etwa ein Quartier der Cottbusser Altstadt herangezogen werden: Sebastian Heber, Zwi-schen Spremberger-, Burg- und Schlosskirchstraße – Archäologie eines Wohnquartiers im Südosten der Cottbus-ser Altstadt . DisCottbus-sertation an der Philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, 2014, S . 35–92, online unter https://edoc .hu-berlin .de/handle/18452/21254 [abgerufen am: 15 . September 2020] .

Abb. 1: Ofen mit Backsteintenne des 13. Jahrhunderts unter den Mauern eines frühneuzeitlichen Kaufladenkellers.

Auf den städtischen Parzellen betrieben die Quartiersbewohner ausweislich der Bodenbearbei-tungsspuren Gartenbau, außerhalb der Stadt existierten sehr wahrscheinlich Felder . Botanische Reste aus einer Latrine des 13 . Jahrhunderts belegen neben zahlreichen kultivierten und wilden Obstsorten die Getreidearten Roggen, Gerste, Rispenhirse, Hafer und Weizen . Darüber hinaus konnten darin Hanf, Leinsamen, Raps, Erbsen, Schlafmohn sowie auch Wildkräuter (‚Acker-unkräuter‘) nachgewiesen werden .7 Die Baustrukturen des Stadtviertels orientierten sich an zwei Straßenachsen, die nicht im rechten Winkel aufeinanderstießen . Vorherrschend war die Ost-West-Achse in der Verlängerung der Langen Brücke (der heutigen Rathausbrücke) über die Spree . Auf diese Achse bezog sich das spätere Dominikanerkloster einschließlich der Klosterkir-che . Die Bauten am westliKlosterkir-chen Rand des Stadtviertels schmiegten sich an den östliKlosterkir-chen Rand der erst später nach den Mönchen benannten Brüderstraße . Ein im rechten Winkel zur Brüderstraße angelegter unterirdischer Ofen mit Backsteintenne stach wegen seiner Größe und mutmaßli-chen Funktion als Heizung eines Hauses aus der Vielzahl bescheidener Befunde heraus (Abbil-dung 1) . Er deutet auf Nutzer oder Bewohner mit hervorgehobenem Status . In der Regel trifft man solche Heizanlagen nur in Burgen oder Klöstern an . Der Befund könnte vielleicht sogar als Indiz für ein temporäres Haus der Cöllner Dominikaner bis zur Bezugsfertigkeit des Neubaus angesehen werden . Südlich des Ofens befand sich das einzige nachgewiesene Steinhaus des

7 Für die Untersuchung der botanischen Proben danke ich Herrn Dr . Reinder Neef, DAI Berlin, ganz herzlich .

Stadtviertels . Die Relikte des über älteren Arbeitsgruben sowie einem hölzernen Pfostenbau platzierten Steinhauses zeugen in jedem Falle davon, dass man im fortschreitenden 13 . Jahr-hundert zunehmend steinerne Profangebäude in Cölln und Berlin errichtete . Im Westen und Norden endete das Viertel an der zunächst wohl provisorischen Befestigung der Stadtgrenze . Zwischen Letzterer und der Randbebauung verliefen Entwässerungs- oder Straßengräben . Die endgültige Fortifikation der Stadtgrenze durch einen mit Grassoden vermischten Sandwall und einen feldseitigen Graben erfolgte erst nach 1232 . Die Böschungssohle des Stadtgrabens hatte man mit Horizontalhölzern und senkrechten Doppelpfosten fixiert . Der den landestypischen Ressourcen angemessene, kostengünstige Bau einer Sandwallgrabenanlage war in der Mark Brandenburg zu dieser Zeit üblich .

Im letzten Viertel des 13 . Jahrhunderts kamen wahrscheinlich die Dominikaner in das ihnen wohl von den Askaniern zugewiesene Quartier . Bis zur endgültigen Planierung des Stadtviertels für den Neubau des Klosters könnten die dominikanischen Mönche schon in provisorischen und vorhandenen Baulichkeiten vor Ort gewohnt haben .8 Spätestens kurz vor Baubeginn der Kloster-gebäude erfolgte der endgültige Abriss des über mehr als 100 Jahre gewachsenen Stadtviertels . Dieses radikale Ende der Baulichkeiten am nördlichen Rand von Cölln war zu dieser Zeit kein Einzelfall . Der gleiche Vorgang ereignete sich zum Beispiel auch beim Bau des Dominikaner- klosters von Brandenburg an der Havel auf zuvor genutzten Stadtflächen .9

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