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3 Informationsverarbeitung bei Doppelaufgaben

3.3 Auswahl von Antworten: Serielle Abfolge oder Kapazitätsteilung?

3.3.2 Das Central Capacity Sharing (CCS) Modell

Die oben genannten Schwierigkeiten des CB Modells – insbesondere in Bezug auf die Erklärung von Effekten der zweiten Aufgabe auf RT1 – gelten nicht für das CCS Modell.

Beim CCS Modell handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Globalen Ressourcentheo-rien (siehe Kapitel 3.2.1 der Einführung), deren Grundgedanke von McLeod (1977) einge-führt und später von Tombu und Jolicoeur näher spezifiziert wurde (siehe auch Navon &

Miller, 2002; Tombu & Jolicoeur, 2003). In den älteren Ressourcentheorien wurde davon ausgegangen, dass alle Prozesse während der kognitiven Verarbeitung auf eine gemeinsame, begrenzte Kapazität zurückgreifen. Ihre Schwäche bestand darin, dass empirische Ergebnisse der Vorstellung einer solchen globalen Kapazität widersprachen; zum anderen waren die Theorien vergleichsweise vage und unpräzise formuliert.

Bereits McLeod (1977) stellte fest, dass die Annahme einer Kapazitätsteilung zwischen Aufgaben durch vorhandene Daten besser unterstützt wird, wenn man von einem Engpass im

Wesentlichen auf einer zentralen Verarbeitungsstufe ausgeht. Denn trotz hoher Anreize zur Parallelverarbeitung zweier Aufgaben konnten weiterhin der PRP-Effekt und andere Hin-weise auf eine zeitliche Verschiebung der zweiten Aufgabe beobachtet werden (Levy &

Pashler, 2001; Pashler, 1994b; Pashler & Johnston, 1989; Ruthruff et al., 2001a). Im CCS Modell wird angenommen, dass lediglich die Kapazität zentraler Verarbeitungsprozesse be-grenzt ist (siehe Abbildung I-3). Periphere Prozesse, wie Wahrnehmung und Antwortproduk-tion, greifen demnach nicht auf die begrenzten Ressourcen zu (Navon & Miller, 2002; Tombu

& Jolicoeur, 2003). Darüber werden im CCS Modell detaillierte und präzise Annahmen ge-macht, die dazu verwendet werden können, empirische Ergebnisse in einer formalisierten Art und Weise zu evaluieren und an das Modell anzupassen.

Ein wichtiges Konzept im CCS Modell ist das der Arbeit. Es wird angenommen, dass jede der drei Verarbeitungsstufen bei der Durchführung einer bestimmten Aufgabe ein be-stimmtes Maß an Arbeit benötigt. Solange die Aufgabe als solche nicht verändert wird, bleibt die Arbeit für eine gegebene Aufgabe konstant. Davon zu unterscheiden ist das Konzept der Verarbeitungskapazität, welches für die Aufgabenbearbeitung zur Verfügung steht. Von der verfügbaren Kapazität hängt ab, wie viel Arbeit pro Zeiteinheit für eine bzw. für mehrere Aufgaben geleistet werden kann. Da die Kapazität lediglich auf zentraler Stufe als begrenzt gilt, kann man nur hier tatsächlich von Kapazitätsteilung sprechen. Wird die zentrale Kapazi-tät nun zwischen zwei Aufgaben geteilt, so steht den einzelnen Aufgaben weniger KapaziKapazi-tät zur Verfügung als in der Einfachaufgabensituation. Die Verarbeitungsrate verringert sich also und es wird pro Zeiteinheit weniger Arbeit für die jeweiligen Aufgaben geleistet.

Im CCS Modell wird weiterhin davon ausgegangen, dass die zentrale Kapazität in belie-bigem Verhältnis aufgeteilt werden kann. Dabei seien die Verarbeitungsraten von R1 und R2

aufeinander bezogen: Je größer die Rate von R1, desto kleiner ist gleichzeitig die Verar-beitungsrate von R2 und umgekehrt. Das Verhältnis der Kapazitätsteilung zwischen den Auf-gaben ist, dem CCS Modell zufolge, im Wesentlichen an strategische Erwägungen gebunden.

Die Person besitzt demnach Kontrolle darüber, ob die Aufgaben eher seriell oder eher parallel verarbeitet werden sollen. Diese Annahme teilt das CCS Modell mit dem SRD Modell (Meyer

& Kieras, 1997a). Im CCS Modell wird dabei jedoch nicht davon ausgegangen, dass sich die Doppelaufgabenkosten durch vollständige Parallelverarbeitung eliminieren lassen.

Aufgrund dieser Annahmen können konkrete empirische Vorhersagen für RT1 und RT2

in Abhängigkeit vom Grad der Kapazitätsteilung abgeleitet werden. Wie in Abbildung I-3 ersichtlich, wird RT2 vom Grad der Kapazitätsteilung nicht beeinflusst. Aus diesem Grund sind die Vorhersagen für RT2 weitgehend identisch mit den entsprechenden Annahmen des CB Modells. Das heißt, RT2 hängt in erster Linie vom SOA ab; je länger das SOA, desto kürzer RT2. Zeigt sich also im PRP-Paradigma ein PRP-Effekt auf RT2, so sagt dies gemäß CCS Modell noch nichts über den Grad der Parallelverarbeitung zwischen den Aufgaben aus.

Selbst bei gleichmäßiger Aufteilung zentraler Kapazität zwischen beiden Aufgaben ist ein PRP-Effekt auf RT2 zu erwarten.

Abbildung I-3: Die Abbildung illustriert schematisch die Annahmen des CCS Modells. Es sind zwei Situa-tionen zentraler Kapazitätsteilung bei Doppelaufgaben dargestellt. Der obere Teil der Abbildung zeigt eine gleichmäßige Aufteilung der Kapazität während der Überlappung bei zentraler Verarbeitung; im unteren Teil wird zunächst der ersten Aufgabe mehr zentrale Kapazität zugeteilt als der zweiten.

Reaktion 1

Reiz 1 RT1

Reaktion 2 RT2

Reiz 2

Reaktion 1

Reaktion 2

Reiz 2 RT2

RT1 Reiz 1

SOA

SOA

Ungleichmäßige Kapazitätsteilung:

Gleichmäßige Kapazitätsteilung:

Anders verhält sich die Situation bei RT1. Das CCS Modell nimmt an, dass RT1 umso höher ausfällt, je mehr zentrale Kapazität aufgeteilt wird, d.h. je geringer die Verarbeitungs-rate für R1 ist. Außerdem sollte RT1 im Fall von Kapazitätsteilung mit ansteigendem SOA abnehmen, ähnlich wie RT2. Dabei sollte die Stärke des SOA-Effekts auf RT1 mit dem Grad der Teilung interagieren: Je mehr Kapazität geteilt wird, desto mehr wird RT1 durch das SOA beeinflusst. Doch RT1 erweist sich nicht in jeder Situation als diagnostisch für das CCS Modell. Tritt der Spezialfall ein, dass 100% der Kapazität auf die erste Aufgabe verwendet wird, dann ist folglich mit keinerlei Beeinflussung von RT1 durch R2 zu rechnen. In diesem Fall kann also auch anhand von RT1 nicht zwischen CCS und CB Modell differenziert werden.

Wenngleich beide Modelle vielfach ähnliche Annahmen und Vorhersagen machen, so besitzt das CCS Modell gegenüber dem CB Modell doch einige entscheidende Vorteile. Ers-tens können empirische Daten, die einer strikt seriellen Aufgabenverarbeitung widersprechen – wie z.B. hohe Doppelaufgabenkosten und SOA-Effekte auf RT1 (Logan & Schulkind, 2000; Pashler, 1984, 1990, 1991; Tombu & Jolicoeur, 2002) – ohne Zusatzannahmen erklärt werden, indem eine Verringerung der Verarbeitungsrate von R1 angenommen wird. Zweitens macht das CCS Modell zwar keine spezifischen Annahmen zu Crosstalk-Effekten in Doppel-aufgaben, doch lassen sich diese leichter in das CCS als in das CB Modell integrieren – dies gilt insbesondere für die Ergebnisse von Kongruenzeffekten bei Aufgabenwechsel (z.B.

Miller, 2006; Miller & Alderton, 2006; Watter & Logan, 2006). Laufen Prozesse der Antwortauswahl für beide Aufgaben gleichzeitig ab, so erscheint eine Beeinflussung von RT1

durch die Antwortaktivierung bei R2 wesentlich plausibler als unter der Maßgabe strikt serieller Verarbeitung.

Darüber hinaus räumt das CCS Modell strategischen Einflüssen generell eine weit grö-ßere Bedeutung ein als das CB Modell. Dies macht es kompatibel mit den Ergebnissen aus Studien, die eine Veränderung in der Aufgabenbearbeitung aufgrund bestimmter Instruktio-nen nachweisen konnten (Hommel, 1998; Levy & Pashler, 2001; Pashler, 1994b; Ruthruff et al., 2001a). Gemäß CCS Modell beruhen jedoch nicht alle Doppelaufgabenkosten auf strategischer Aufschiebung der zweiten Aufgabe, sondern auf der Notwendigkeit der Auf-teilung begrenzter Ressourcen. Das heißt, es wird keine Eliminierung der Kosten auf RT2

durch eine Erhöhung der Parallelverarbeitung vorhergesagt – ganz im Gegensatz zur SRD Annahme. Alle Belege, die gegen die älteren Ressourcentheorien ins Feld geführt wurden,

allen voran der PRP-Effekt, widerlegen das CCS Modell also in keiner Weise. Das Auftreten von Kosten bei Doppelaufgaben zeigt lediglich an, dass die gleichzeitige Bearbeitung zweier Aufgaben, im Vergleich zur Einfachaufgabensituation, nicht ohne Leistungseinbußen ablau-fen kann.