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3 Informationsverarbeitung bei Doppelaufgaben

3.3 Auswahl von Antworten: Serielle Abfolge oder Kapazitätsteilung?

3.3.1 Das Central Bottleneck (CB) Modell

Das CB Modell (Pashler, 1984; Pashler & Johnston, 1989) hat sich, historisch betrach-tet, aus dem Globalen Ein-Kanal Modell entwickelt (siehe Kapitel 3.2.1 der Einführung). Im Ein-Kanal Modell wurde hinsichtlich Engpass noch nicht zwischen verschiedenen Stufen der Informationsverarbeitung differenziert. Es wurde stattdessen angenommen, dass sämtliche Verarbeitungsprozesse zwischen Reizeingang und Antwortproduktion einen Engpass bilden, der jeweils nur mit einer Aufgabe belegt sein kann. Eine Reihe von Daten belegen jedoch, dass bestimmte Verarbeitungsprozesse bei Doppelaufgaben effektiv überlappen können (siehe z.B. Allport et al., 1972; Gottsdanker, 1980; Kerr, 1973; Moray, 1967).

Diesen Befunden versucht das CB Modell Rechnung zu tragen, indem der Engpass nicht für alle Verarbeitungsstufen angenommen wird: Während der Wahrnehmung, d.h. auf präzentraler Stufe, können Reize ohne größere Kosten parallel verarbeitet werden. Nach ihrer Identifikation werden die Reize dann durch den so genannten zentralen Flaschenhals weiter-geleitet, wo Entscheidungs- und Antwortauswahlprozesse ablaufen. Der zentrale Flaschenhals lässt eine Antwortauswahl nur für jeweils eine Aufgabe je Zeiteinheit zu (siehe Abbildung I-2). Im Anschluss an den zentralen Flaschenhals ist auf der postzentralen Stufe, d.h. bei der

5 Neben der Antwortauswahl können auch andere Vorgänge übergeordneter kognitiver Kontrolle, wie z.B.

Konfliktlösung, als „zentral“ bezeichnet werden, da sie vermutlich auch auf die begrenzte Kapazität zurückgreifen (siehe hierzu Kapitel 4 der Einführung).

Planung und Einleitung von Bewegungen, wieder Parallelverarbeitung möglich. Für die Ver-arbeitung in Doppelaufgaben bedeutet dies also, dass nach einer anfänglichen Stufe paralleler Verarbeitung jeweils nur für eine der beiden Aufgaben eine Antwortauswahl getroffen werden kann, während die Antwortauswahl für die andere Aufgabe in dieser Zeit warten muss. In die-ser Hinsicht ähneln die Annahmen des CB Modells der Filtertheorie von Broadbent (1958).

Der wesentliche Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass der Engpass entsprechend des CB Modells nicht bereits auf der Stufe der Wahrnehmung, sondern erst für die zentralen Prozesse angenommen wird.

Abbildung I-2: Diese Abbildung zeigt schematisiert die Stufen der kognitiven Verarbeitung zwischen Reiz-wahrnehmung und Antwortproduktion entsprechend dem CB Modell. In Abhängigkeit vom SOA und der Dauer der einzelnen Stufen ergibt sich aufgrund des zentralen Flaschenhalses eine mehr oder weniger lange Wartezeit bei RT2. Wird die Dauer der präzentralen Stufe der zweiten Aufgabe verlängert, führt dies – in Interaktion mit dem SOA – zu unter-additiven Effekten auf RT2.

SOA Verlängerung der prä-zentralen Stufe der zweiten Aufgabe:

RT2 Reaktion 2

Parallelverarbeitung auf zentraler Stufe ist nach dem CB Modell in keinem Fall mög-lich. Im PRP-Paradigma hängt demnach die entstehende Wartezeit für die Antwortauswahl der zweiten Aufgabe sowohl von der Dauer der Antwortauswahl der ersten Aufgabe als auch vom SOA ab. Gemäß CB Modell erklärt sich der PRP-Effekt folgendermaßen: Je kürzer das SOA, desto länger muss die Bearbeitung der zweiten Aufgabe warten, bis die erste Aufgabe den Flaschenhals wieder verlassen hat. Bei ausreichend langem SOA kann die Antwortaus-wahl für die erste Aufgabe aber bereits stattgefunden haben, bevor die zweite Aufgabe für die Antwortauswahl bereit ist. In diesem Falle würde sich keine Wartezeit in RT2 niederschlagen.

Aus dem CB Modell lassen sich jedoch noch weitere Vorhersagen ableiten. Wird die Dauer der (prä-)zentralen Stufe der ersten Aufgabe erhöht, wird die Antwortauswahl dieser entsprechend später abgeschlossen. Bei kurzem SOA sollte dies nicht nur zu einer Verlän-gerung von RT1, sondern auch von RT2 führen, da sich analog die Wartezeit der zweiten Auf-gabeverlängert. Diese Effekte sollten sich sowohl für RT1 als auch für RT2 additiv zum SOA verhalten. Bei langem SOA sollte sich eine (prä-)zentrale Verlängerung der ersten Aufgabe weniger oder gar nicht mehr auf RT2 auswirken. Aus der Manipulation der Dauer der post-zentralen Verarbeitung der ersten Aufgabe, also z.B. der Antwortinitiierung, ergeben sich andere Vorhersagen, da hier der zentrale Flaschenhals bereits durchschritten ist. Eine Verlän-gerung der Antwortinitiierung der ersten Aufgabe führt demnach zwar zu einem entsprechen-den Anstieg von RT1, nicht jedoch zu einer Beeinflussung von RT2.

Eine Verlängerung des präzentralen Stadiums der zweiten Aufgabe sollte ferner unter-additive Effekte mit dem SOA auf die Dauer von RT2 haben, hingegen gar keinen Einfluss auf die Dauer von RT1 (siehe Abbildung I-2). Die Unter-Additivität ergibt sich aus der mög-lichen Wartezeit von R2 auf die Antwortauswahl: Verlängert sich die perzeptuelle Stufe der zweiten Aufgabe, die ja parallel zur ersten Aufgabe ablaufen kann, so kann der zusätzliche Verarbeitungsbedarf bei kurzem SOA während bzw. anstelle der entstehenden Wartezeit geleistet werden. Ist das SOA jedoch ausreichend lang, so dass keine bzw. kaum Überlappung der beiden Aufgaben besteht, so kann das Wartezeitintervall die zusätzliche Verarbeitungs-dauer nicht mehr kompensieren. In diesem Fall sollte sich die Dauer der verlängerten perzep-tuellen Stufe der zweiten Aufgabe vollständig auf RT2 niederschlagen. Schließlich wird ange-nommen, dass eine Manipulation der Dauer der (post-)zentralen Stufe der zweiten Aufgabe immer zu additiven Effekten auf RT2 führt, während nach dem CB Modell auf die erste Auf-gabe keinerlei Effekte zu erwarten sind.

Die verschiedenen Vorhersagen des CB Modells werden in der Literatur häufig zu-sammengefasst als locus-of-slack Logik bezeichnet. Unter slack ist hier die Wartezeit der zweiten Aufgabe zu verstehen, die entsteht, wenn beide Aufgaben deutlich überlappen und die erste Aufgabe zuerst Zugang zur Stufe der Antwortauswahl erhält. Vorhersagen der locus-of-slack Logik ließen sich empirisch wiederholt bestätigen (Fagot & Pashler, 1992; McCann

& Johnston, 1992; Pashler, 1984, 1994b, 1994c; Pashler & Johnston, 1989).

Allerdings gibt es auch eine Reihe von Ergebnissen, die die Vorhersagen der locus-of-slack Logik verletzen und somit für das CB Modell kritisch sind. Dies trifft zum einen für die Dauer der zentralen Stufe von RT2 zu (z.B. Karlin & Kestenbaum, 1968; Schvaneveldt, 1969). Zum anderen wird die Annahme des CB Modells, wonach RT1 in Doppelaufgaben nicht durch R2 beeinflusst wird, durch zahlreiche Befunde in Frage gestellt. So zeigte sich nicht selten eine deutliche Verlangsamung von RT1 bei Doppelaufgaben (Logan & Schulkind, 2000; Pashler, 1984; Smith, 1969), die sich nicht allein auf Antwortgruppierung, Unter-schiede in der Vorbereitungsstruktur oder auf weitere unspezifische Faktoren zurückführen ließ. Auch wurden Effekte des SOA auf RT1 berichtet. So stieg in einigen Studien RT1 mit abnehmendem SOA an (Pashler, 1990, 1991; Tombu & Jolicoeur, 2002, 2005). Ferner wurde mehrfach die Annahme des CB Modells verletzt, wonach sich Veränderungen in der Schwie-rigkeit der zweiten Aufgabe nicht auf die Leistung in der ersten auswirken sollten (Logan &

Gordon, 2001; Logan & Schulkind, 2000; Miller, 2006; Smith, 1969).

Häufig wird auf bestimmte Zusatzannahmen verwiesen, um diese widersprüchlichen Ergebnisse dennoch mit dem CB Modell vereinbaren zu können. So wird z.B. angenommen, dass Effekte der zweiten auf die erste Aufgabe im Rahmen der Antwortgruppierung entste-hen. Werden R1 und R2 aneinander gekoppelt, so können sich, da R1 auf R2 warten muss, Effekte auf RT2 über Art und Zeitpunkt der Antwortproduktion auch auf RT1 niederschlagen.

Auch der SOA-Effekt auf RT1 kann mittels Gruppierung erklärt werden, jedoch nur dann, wenn bei kurzem SOA deutlich häufiger gruppiert wird als bei langem.

Besonders problematisch für die Theorie des zentralen Flaschenhalses sind allerdings die Crosstalk-Effekte von R2 auf die erste Aufgabe bei Aufgabenwiederholung (z.B. Hommel, 1998; Logan & Delheimer, 2001; Logan & Gordon, 2001; Logan & Schulkind, 2000), sowie bei Aufgabenwechsel (Miller, 2006; Miller & Alderton, 2006; Watter & Logan, 2006). Bei Crosstalk-Effekten im Falle von Aufgabenwiederholung wird von den Anhängern des CB Modells häufig argumentiert, dass diese Effekte nicht notwendigerweise auf der Ebene der

Antwortauswahl, sondern bereits während der Wahrnehmung entstehen könnten: Falls für R1

und R2 die gleichen Aufgaben gefordert sind, so bedeutet dies, dass auch die relevanten Reiz-kategorien von S1 und S2 identisch sind. Insofern könne S2 bereits einen Effekt auf die Ant-wortauswahl von R1 erzielen, ohne dass die Antwortauswahlstufe von R2 bereits zeitgleich er-reicht sein müsse.

Anders verhält sich die Situation jedoch bei Crosstalk-Effekten unter Auf-gabenwechselbedingungen. Bei unterschiedlichen Aufgaben unterscheiden sich auch die rele-vanten Reizkategorien zwischen erster und zweiter Aufgabe, so dass eine Einflussnahme von S2 auf die Antwortauswahl von R1 als praktisch ausgeschlossen gelten kann. Das bedeutet, Kongruenzeffekte auf Basis der Antwortauswahl bei Aufgabenwechsel können vom CB Modell auch unter Zuhilfenahme von Zusatzannahmen nicht erklärt werden.

Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass die Höhe der Crosstalk-Effekte in Dop-pelaufgaben strategisch beeinflussbar ist. Hommel (1998) konnte z.B. zeigen, dass die Höhe der Effekte in Abhängigkeit vom Zeitdruck variiert. Bestand in einem Experiment kein Zeit-druck in Bezug auf R2 – R2 sollte sogar erst 1500 ms nach dem Erscheinen von S2 abgegeben werden – so war der Crosstalk-Effekt um etwa ein Drittel geringer als in einem vergleichba-ren Experiment mit Zeitdruck. Allem Anschein nach hatte der gelockerte Zeitdruck die strate-gische Parallelverarbeitung beider Aufgaben verringert.