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2.1 Die Bedeutung von Calcium für Spermien

2.1.3 Chemotaxis

Nicht eindeutig belegt in der Literatur ist die Bedeutung von Chemotaxis bei der Kapazitation von humanen und Säugetierspermien. EISENBACH (1999) beschrieb, dass eine Ligandenbindung chemotaktischer Eizellsignale zu veränderten Motilitätsmustern von Säugetierspermien führt, aus denen die „zielgerichtete“

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Bewegung entlang eines Botenstoffgradienten resultiert. Auch SUAREZ (2008) zog ein Zusammenwirken chemotaktisch wirksamer Moleküle aus der Umgebung der Eizelle und der hyperaktivierten Motilität bei Säugetierspermien in Betracht. Die Autorin betonte jedoch, dass bisher kein Nachweis chemotaktischer Signalmoleküle aus Follikelflüssigkeiten, Cumuluszellen oder Eizellen bei Säugetieren geführt wurde.

Aus dem Genitaltrakt der Frau konnten bisher ebenfalls keine chemotaktisch wirksamen Substanzen identifiziert werden (HARPER u. PUBLICOVER 2005).

JIMINEZ-GONZALES et al. (2006) postulierten, dass die Bindung chemotaktischer Signalmoleküle an olfaktorische Rezeptoren humaner Spermien über Modulationen des Calciumgehaltes wirksam werden.

Laut EISENBACH und GIOJALAS (2006) sind bei Säugetierspermien ausschließlich kapazitierte Samenzellen zur Beantwortung chemotaktischer Signale befähigt. Durch ein zeitlich versetztes Zusammenspiel von Kapazitation und Chemotaxis werden, insbesondere bei periodisch zyklischen Spezies, die Möglichkeiten der Befruchtung optimiert. WALENSKY et. al. (1995) identifizierten im Mittelstück von Rattenspermien einen potenziellen Rezeptor für chemotaktische Signalmoleküle. Die Autoren vermuteten eine durch Ligandenbindung an einem G-Protein gekoppelten Rezeptor ausgelöste Aktivierung der Adenylatcyclase oder der Phospholipase C (PLC) und daraus resultierend den Anstieg des intrazellulären Gehaltes an cAMP. Über eine gleichzeitige Zunahme von Inositol-1, 4, 5,-triphosphat (IP3) würde der intrazelluläre

Calciumgehalt durch Freisetzung aus Calciumspeichern im Mittelstück (s. Kapitel 2.2) steigen und in die Regulation der Motilität eingreifen.

Die Relevanz von Chemotaxis ist für marine Invertebraten mit äußerer Befruchtung in der Literatur besser belegt als für Säugetierspermien. Da die Abgabe der Spermien in potentiell gametenreiches Wasser erfolgt, werden speziesspezifische Signale vermutet. Laut DARZON et al. (2006) ist für alle bisher untersuchten chemotaktischen Kaskaden mariner Spezies extrazelluläres Calcium erforderlich.

Daher wird die Zunahme des intrazellulären Calciumgehaltes durch Einstrom aus dem extrazellulären Medium vermutet. EISENBACH und GIOJALAS (2006) vermuteten eine motilitätsregulierende Erhöhung des intrazellulären Calciumgehaltes nach Bindung chemotaktischer Liganden bei den Spermien mariner Invertebraten.

7 2.1.4 Akrosomreaktion

Die Akrosomreaktion gilt als finaler Schritt kapazitierter Säugetierspermien zur Befruchtung der Eizelle. Dabei fusioniert die äußere Akrosommembran mit der Plasmamembran. Anschließend erfolgt die akrosomale Exocytose mit der Freisetzung hydrolytischer Enzyme (BREITBART 2002, DARZON et al. 2011). Bei den Spermien von Säugetieren kann die Akrosomreaktion in vitro durch das Glycoprotein ZP3, einen gelösten Bestandteil der Zona Pellucida (ZP), sowie Progesteron induziert werden. Durch die ZP3-Bindung wird in Säugetierspermien eine calciumabhängige Kaskade ausgelöst, an deren Ende die Akrosomreaktion steht (JIMINEZ-GONZALES et al. 2006 (humane Spermien), DARZON et al. 2011 (speziesübergreifend)). Die exakten ZP3-Bindungsstellen der verschiedenen Säugetierspezies sind bisher nicht abschließend lokalisiert und charakterisiert worden.

Teilweise wird in der Literatur davon ausgegangen, dass die für die Akrosomreaktion benötigten Calciumionen ausschließlich durch Einstrom aus dem extrazellulären Milieu nach Öffnung plasmamembranständiger Calciumkanäle bereitgestellt werden (YANAGIMACHI 1994 (Hamsterspermien), MEIZEL u. TURNER 1993 (humane Spermien), SPUNGIN u. BREITBART 1996 (Rinderspermien), ROSSATO et al. 2001 (humane Spermien)). Auch in Untersuchungen von VISCONTI et al. (1995) konnte bei murinen Spermien trotz Zugabe von Bicarbonat und cAMP in calciumfreier Lösung zwar eine Tyrosinphosphorylierung, aber keine Akrosomreaktion ausgelöst werden.

In weiteren Studien wird angenommen, dass die Akrosomreaktion zunächst durch Calciumfreisetzung aus im Akrosom lokalisierten Speichern und infolgedessen auch durch einen Einstrom extrazellulärer Calciumionen über plasmamembranständige

Calciumkanäle initiiert wird. Diese Kaskade wird als „kapazitativer“ oder

„store-operated“ Calciumanstieg (SOC) bezeichnet und tritt auch bei somatischen Zellen auf (PUTNEY et al. 2001). Dabei führt vermutlich die Öffnung IP3 –rezeptor-gesteuerter Calciumkanäle an den Membranen intrazellulärer Calciumspeicher zu einem zeitlich versetzten Influx von Calciumionen aus dem extrazellulären Medium (WALENSKY u. SNYDER 1995 ( Hunde-, Hamster-, Ratten- und Mäusespermien),

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PUBLICOVER u. BARRAT 1999 (humane und Säugetierspermien), O'TOOLE et al.

2000 (Mäusespermien), BREITBART 2002 (Rinder- und Schafspermien)). Genaue Nachweise über die beteiligten Rezeptoren und Kanäle bei den Spermien der verschiedenen Tierarten sind Gegenstand aktueller Forschungen. Bei Eberspermien ist bisher nur die Beteiligung von extrazellulärem Calcium bei der Initiierung der akrosomalen Exocytose belegt (BERNABO et al. 2010a).

2.1.5 Motilitätsaktivierung bei Fischspermien

Die Spermien (der Laich) von Fischspezies mit äußerer Besamung werden durch Calcium zur Motilität angeregt. Entsprechend des Lebensraumes werden die Spermien von Salzwasserfischen unter hypertonen und die von Süßwasserfischen

(und Amphibien) unter hypotonen Bedingungen zur Motilität aktiviert (HARDY et al. 1986, MORISAWA u. SUZUKI 1980). Zahlreiche Ionenkanäle in der

Plasmamembran detektieren die extrazellulären Ionenverhältnisse und reagieren auf diese. MORISAWA und SUZUKI (1980) fanden in ihren Untersuchungen heraus, dass Spermien von Salmoniden durch Kalium im Seminalplasma oder in kaliumhaltiger, seminalplasmaähnlicher Lösung immotil gehalten werden.

TANIMOTO und MORISAWA (1988) beschrieben in weiteren Studien, dass extrazelluläres Calcium die Motilität bei Spermien der Salmonidae (Lachsfische) auch in kaliumsupplementierter Umgebung auslösen kann. Hingegen verhinderte der Calciumkanalblocker Verapamil die Aktivierung der Motilität auch im kaliumfreien Milieu. KRAZNAI et al. (2000) wiesen bei Spermien von Salmonidae und Cyprinidae (Karpfenfischen) eine Hyperpolarisation der Plasmamembran infolge des kaliumarmen Milieus nach dem Laichen nach. Dadurch kann Calcium über die Plasmamembran aus dem extrazellulären Milieu einströmen und der intrazelluläre Calciumgehalt steigt an. Bei den Salmonidae wurde weiterhin die Aktivierung der Adenylatcyclase (AC) und nachfolgend der Anstieg des cAMP-Gehaltes der Spermien nachgewiesen (KRAZNAI et al. 2000).

9 2.2 Calciumspeicher bei Spermien

Calciumspeicher bei Säugetierspermien sind in die Modulation von Kapazitation, Hyperaktivität und Akrosomreaktion involviert. Bei Eberspermien ist bisher nur sehr wenig über die exakten Lokalisationen, Funktionen und Mechanismen der intrazellulären Calciumspeicherung bekannt. Speziesübergreifend werden bei Säugetierspermien das akrosomale Vesikel des Spermienkopfes (WALENSKY u.

SNYDER 1995 (Hunde-, Hamster-, Ratten- und Mäusespermien), HERRICK et al. 2005 (Mäusespermien), DARZON et al. 2011 (Säugetierspermien)), die spiralig

um das Axonem angeordneten Mitochondrien des Mittelstücks (HO u. SUAREZ 2001, 2003 (Rinderspermien)) sowie das „Redundant Nuclear Envelope“ (RNE), ein aus der Kernkondensation hervorgehendes membranöses Organell in der Halsregion, als Calciumspeicher beschrieben (HO u. SUAREZ 2001 und 2003 (Rinderspermien), DARZON et al. 2011 (Säugetierspermien)).

2.2.1 Akrosom

HERRICK et al. (2005) belegten in fluorimetrischen und fluoreszenzmikroskopischen Studien an kapazitierten Nebenhodenspermien von Mäusen einen gegenüber dem Zytoplasma stark erhöhten Calciumgehalt im Akrosom.

Einen wichtigen Hinweis auf akrosomale Calciumspeicherung erbrachten bereits NAKAMURA et al. (1993) mit der Identifizierung von Calreticulin im Akrosom von Rattenspermien. Calreticulin ist in somatischen Zellen ein calciumbindendes Protein des sarcoplasmatischen Reticulums (SR). Auch WALENSKY und SNYDER (1995) vermuteten eine Beteiligung von Calreticulin bei der akrosomalen Calcium-speicherung. Die Autoren wiesen in umfangreichen Untersuchungen IP3-Rezeptoren (s. Kapitel 2.3.7) an den Akrosomen von Hunde-, Hamster-, Ratten- und Mäusespermien nach. In weiterführenden Experimenten an den Ratten- und Mäusespermien konkretisierten die Autoren die Lokalisation der IP3-Rezeptoren an der äußeren Akrosommembran. Die Stimulation dieser Rezeptoren wird mit der Freisetzung von Calcium aus intrazellulären Speichern assoziiert. Den Autoren gelang es weiterhin, mittels Thapsigargin die akrosomale Exocytose bei Ratten- und

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Mäusespermien auszulösen. Thapsigargin inhibiert die sarco-/ endoplasmatische Reticulum Calcium-ATPase (SERCA, s. Kapitel 2.3.9), welche Calciumionen aus dem Zytoplasma in intrazelluläre Speicher transportiert (LYTTON et al. 1991).

SPUNGIN und BREITBART (1996) lösten bei Rinderspermien Akrosomreaktionen mit Thapsigargin aus. Die Autoren vermuteten eine zunächst ligandenvermittelte Freisetzung akrosomalen Calciums (über IP3-Rezeptoren) mit nachfolgender Öffnung plasmamembranständiger Calciumkanäle und dem Einstrom von extrazellulär. Ein Zusammenhang zwischen der akrosomalen Calciumspeicherung und der Akrosomreaktion wurde daher von den Autoren postuliert. Die Entleerung der akrosomalen Calciumvorräte im Rahmen der Akrosomreaktion wird mittlerweile in der Literatur angenommen (PUBLICOVER u. BARRAT 1999 (humane und Säugetierspermien), O'TOOLE et al. 2000 (Mäusespermien), BREITBART 2002 (Rinder- und Schafspermien), COSTELLO et al. 2009 (Säugetierspermien)).

Über die calciumregulierenden Strukturen am Akrosom von porcinen Spermien wurden bisher lediglich Hinweise auf funktioneller Ebene erbracht (KIM et al. 2008, s. Kapitel 2.3.9). IP3-Rezeptoren scheinen jedoch nicht am Akrosom von Eber-spermien lokalisiert zu sein (s. Kapitel 2.3.7).

2.2.2 Redundant Nuclear Envelope (RNE)

Das RNE ist ein membranöses, mehrlagiges Zellorganell in der Halsregion des Spermienkopfes. Das RNE entwickelt sich während der Spermatogenese durch die Kondensation des Nucleus aus dessen Hüllen (SUAREZ 2008 (Säugetierspermien)).

RNEs wurden in humanen und verschiedenen Säugetierspermien nachgewiesen (KERR 1991 (humane Spermien), FRANKLIN 1968 (Affenspermien), ROUSE u.

ROBSON 1986 (Fledermausspermien), YANAGIMACHI 1994 (Hamsterspermien), TASHIMORI et al. 1995 (Mäusespermien), (HO u. SUAREZ 2003 (Rinderspermien)).

In unausgereiften Säugetierspermien ist das RNE noch mit dem endoplasmatischen Reticulum (ER) verbunden, welches in somatischen Zellen als Calciumspeicher fungiert (COSTELLO et al. 2009). Während der Spermienreifung im männlichen Genitaltrakt werden überschüssige Zellorganellen entfernt. Das Verbleiben des RNE in maturen Säugetierspermien wird von HO und SUAREZ (2001, 2003) sowie

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SUAREZ (2008) als Indiz auf dessen Bedeutung für die Funktion ejakulierter Spermien betrachtet. Tatsächlich ergaben Studien von HO und SUAREZ (2001, 2003) an Rinderspermien Hinweise auf eine Funktion als Calciumspeicher. Die Autoren wiesen in fluoreszenzmikroskopischen Untersuchungen das RNE in der Halsregion der Samenzellen nach. Des Weiteren wurden, wenn auch ohne vollständige räumliche Überlagerung, IP3-Rezeptoren sowie Calreticulin im Spermienhals identifiziert. Anschließende elektronenmikroskopische Untersuchungen des Spermienhalses zeigten eine membranöse Struktur mit umfangreichen Cisternae, an die sowohl Calreticulin als auch die IP3-Rezeptoren assoziiert waren.

Die Autoren vermuteten aufgrund der möglichen Calciumspeicherung (Calreticulin) sowie der Möglichkeit zur Calciumfreisetzung (IP3-Rezeptoren) ein spezialisiertes Kompartiment des RNE, welches als intrazellulärer Calciumspeicher fungiert und die Hyperaktivität initiiert. HARPER et al. (2004, 2005) sowie JIMINEZ-GONZALES et al. (2006) postulierten ebenfalls die Steuerung der Motilitätsmuster humaner Spermien über das RNE.

2.2.3 Mitochondrien

HO und SUAREZ (2001, 2003) vermuteten eine Funktion der Mitochondrien von Rinderspermien als intrazelluläre Calciumspeicher. Die Autoren zweifelten allerdings an der Modulation der Hyperaktivität durch mitochondriale Calciumfreisetzung, da keine IP3-Rezeptoren auf diesen Organellen nachgewiesen werden konnten, Hyperaktivität aber mit Thimerosal, welches IP3-gesteuerte Calciumkanäle öffnet, ausgelöst werden konnte. Eine Blockade der mitochondrialen Calciumfreisetzung (mittels CGP-37157, welches spezifisch den mitochondrialen Na+-/Ca2+-Austauscher inhibiert) blieb ebenfalls ohne Effekt auf die Hyperaktivität. Die Autoren schlossen aber eine Beteiligung der mitochondrialen Calciumvorräte bei der Aufrechterhaltung hyperaktiver Bewegungsmuster über längere Zeiträume nicht aus. Die Fragestellung nach der Relevanz von Mitochondrien als intrazelluläre Calciumspeicher bedarf weiterer Untersuchungen. Die Funktion von Mitochondrien als Calciumspeicher von Säugetierspermien wird teilweise in der Literatur angenommen, da Mitochondrien in somatischen Zellen als wichtige Calciumspeicher fungieren (COSTELLO et al. 2009).

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2.3 Regulation des intrazellulären Calciumgehaltes bei Spermien

Die Translokation von Calciumionen erfolgt in Säugetierspermien über die Plasmamembran oder die Membranen intrazellulärer Calciumspeicher. Die Regulation des intrazellulären Calciumgehaltes wird dabei maßgeblich von zwei Transportmechanismen dominiert: Einerseits werden Calciumionen aus dem Zytosol entgegen dem elektrochemischen Gradienten in die intrazellulären Speicher oder aus den Samenzellen heraus transportiert. Diese Funktionen übernehmen Calcium-ATPasen unter Energieverbrauch. Andererseits müssen Calciumionen über die Plasmamembran oder aus intrazellulären Speichern entsprechend des zellphysiologischen Bedarfs in das Zytosol gelangen können. Dafür stehen diverse Ionenkanäle zur Verfügung, welche über verschiedene second messenger moduliert werden (COSTELLO et al. 2009).

Nachfolgend wird eine Übersicht über die bisher bekannten Calciumkanäle der Plasmamembran sowie die plasmamembranständige Calcium-ATPase (PMCA) und die Secretory Pathway Calcium-ATPase (SPCA) gegeben (s. Kapitel 2.3.1 bis 2.3.6).

Die im Rahmen der vorliegenden Studie untersuchten, vermutlich an intrazelluläre Calciumspeicher assoziierten Strukturen werden in den Kapiteln 2.3.7, 2.3.8 und 2.3.9 näher beschrieben.

2.3.1 Cation channel of sperm (CatSper)

Die als cation channel of sperm bezeichneten Calciumkanäle weisen strukturelle Ähnlichkeit mit spannungsgesteuerten Calciumkanälen von Säugetierspermien auf (FELIX 2005). Erste Untersuchungen erfolgten 2001 durch REN et al. (CatSper 1) und QUILL et al. (CatSper 2) an murinen Spermien. LOBELEY et al. (2003) beschrieben nachfolgend CatSper 3 und 4. CatSpers sind pH-sensitiv und reagieren unter alkalinisierten (kapazitierenden) Bedingungen, wobei die genauen Agonisten noch nicht hinreichend identifiziert werden konnten.

Mittlerweile wurden auch an den Spermien von Menschen, Schimpansen und Hunden orthologe CatSpers nachgewiesen. Aber nur bei humanen und murinen Spermien konnten bisher alle vier CatSper-Varianten nachgewiesen werden.

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Lokalisiert sind diese Calciumkanäle in der Plasmamembran auf dem Hauptstück der Flagelle. Eine Beteiligung an der Hyperaktivitätsregulation ist für CatSper 1 (REN et al. 2001) und CatSper 2 (QUILL et al. 2003) nachgewiesen worden. CatSper 1 bis 4-knock out-Mäuse sind infertil. Daher stellen CatSpers die bisher einzigen bekannten Calciumkanäle bei Säugetierspermien dar, über die unmittelbar die männliche Fertilität beeinflusst werden kann (JIMINEZ-GONZALES et al. 2006, NAVARRO et al. 2008).

2.3.2 Spannungsgesteuerte Calciumkanäle

Diese Calciumkanäle reagieren auf die Depolarisation der Plasmamembran.

Entsprechend ihrer Reaktivität werden sie in high voltage-activated (HVA) oder low voltage-activated (LVA) eingeteilt. Calciumkanäle des Typs HVA reagieren bei einer Änderung des Membranpotentials auf ca. ≥ - 30 mV und kehren nach der Aktivierung nur langsam in den inaktiven Status zurück. Calciumkanäle des Typs LVA reagieren bei einer Änderung auf ca. ≥ - 60 mV und werden schneller wieder inaktiviert als der HVA-Typ (PUBLICOVER u. BARRAT 1999, FELIX 2005, DARZON et al. 2011). BABCOCK et al. (1983, 1987) nahmen bereits in früheren Studien spannungsgesteuerte Calciumkanäle in der Plasmamembran von Bullen- und Schafbockspermien an. ARNOULT et al. (1996) vermuteten nach Untersuchungen an Mäusespermien eine Beteiligung dieser Kanäle bei der ZP-induzierten Akrosom-reaktion, da diese durch die spezifische Blockade spannungsgesteuerter Kanäle gehemmt werden konnte. Verschiedene Untertypen wurden in den Spermien von Menschen, Ratten und Mäusen nachgewiesen (JIMINEZ-GONZALES et al. 2006).

KIM et al. (2008) nahmen bei Eberspermien das Vorhandensein spannungs-gesteuerter Calciumkanäle an, da durch die Depolarisation der Plasmamembran eine Erhöhung des intrazellulären Calciumgehaltes ausgelöst werden konnte. Nach Kryokonservierung reagierten die Spermien mit geringeren Calciumsignalen. Die Autoren schlossen daraus die Beschädigung der vermuteten Calciumkanäle durch Kryokonservierung. BERNABO et al. (2010a) wiesen an Eberspermien eine Aktivierung von spannungsgesteuerten Calciumkanälen als Folge der Membran-depolarisation durch den Einstrom von Natriumionen über den Transient Receptor

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Potential Vanilloid Type 1 (TRPV 1, Vanilloidrezeptor Typ 1) nach. Der Calcium-einstrom bedingte die Polymerisation von Aktinfilamenten zwischen der äußeren Akrosommembran und der Plasmamembran. Spannungsgesteuerte Calciumkanäle sind somit an der Initiierung der Akrosomreaktion bei Eberspermien beteiligt.

2.3.3 Nucleotidgesteuerte Calciumkanäle

Diese Calciumkanäle reagieren auf die Bindung von cAMP oder zyklischem Guanosin-3',5'-monophosphat (cGMP). Darüber hinaus weisen sie eine geringe Sensitivität gegenüber Depolarisation auf. Im Gegensatz zu anderen Calciumkanälen der Plasmamembran werden sie nicht deaktiviert (DARZON et al. 2011). Trotz nur geringer Ionenselektivität fungieren sie meistens als Kanäle für den Einstrom von Calcium- und Natriumionen (MEIZEL u. TURNER 1997 (humane Spermien)).

WEYAND et al. (1994) gelang der Nachweis eines nucleotidgesteuerten Calciumkanals auf dem Mittelstück von Rinderspermien. Durch weiterführende Studien von WIESNER et al. (1998) wurde festgestellt, dass dieser Calciumkanal auf cGMP sensitiver als auf cAMP reagiert. Eine durch cGMP stimulierte Beteiligung an der Spermienmotilität wurde aufgrund der Lokalisation im Bereich des Spermienschwanzes angenommen. Die genaue Bedeutung von nucleotid-gesteuerten Calciumkanälen bei Säugetierspermien ist noch weitgehend unverstanden (DARZON et al. 2011).

2.3.4 Progesterongesteuerte Calciumkanäle

Das Steroidhormon Progesteron wird im weiblichen Genitaltrakt während der Ovulation von den Zellen des Cumulus oophorus sezerniert. Die Bindung von Progesteron an einen noch nicht identifizierten Rezeptor in der Plasmamembran verursacht einen Anstieg des intrazellulären Calciumgehaltes und induziert die Akrosomreaktion (DARZON et al. 2011 (speziesübergreifend)).

Studien von BEDU-ADDO et al. (2007) und HARPER et al. (2004) an humanen Spermien ergaben unterschiedliche Anstiege des intrazellulären Calciumgehaltes durch Verwendung ähnlicher Konzentrationen Progesteron:

BEDU-ADDO et al. (2007) verwendeten 3,2 µM Progesteron. Die einmalige

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Exposition mit der gesamten Dosis verursachte einen biphasischen Anstieg des intrazellulären Calciumgehaltes mit anschließender Akrosomreaktion. Die Entfernung von extrazellulärem Calcium mit 2 mM EGTA verhinderte die Akrosomreaktion.

HARPER et al. (2004) setzten die Spermien über 15 bis 25 min einem logarithmischen Konzentrationsgradienten zwischen 0 und 3,0 µM Progesteron aus.

Die von den Autoren beabsichtigte Simulation eines physiologischen hormonellen Gradienten im Ovidukt löste oszillierende Anstiege des intrazellulären Calciumgehaltes im Halsbereich der Spermien aus. Da sich die Amplitude des Flagellenschlages synchron zu den Calciumoszillationen vergrößerte, vermuteten die Autoren eine Beteiligung progesterongesteuerter Calciumkanäle bei der Induktion der Hyperaktivität von humanen Spermien. Die Anstiege des intrazellulären Calciumgehaltes wurden auch in calciumfreien Medien detektiert. Daher vermuteten die Autoren, dass Progesteron auch intrazelluläre Calciumspeicher ansprechen kann.

Als Lokalisation wurde das RNE vermutet. Die betroffenen Spermien zeigten keine Akrosomreaktionen.

JIMINEZ-GONZALES et al. (2006) beschrieben ebenfalls an humanen Spermien einen biphasischen Anstieg des intrazellulären Calciumgehaltes nach Stimulation mit 3 µM Progesteron. Die Autoren beschrieben allerdings beide Phasen als abhängig von extrazellulärem Calcium und vermuteten eine Öffnung plasmamembranständiger Calciumkanäle durch Progesteron.

In Untersuchungen an Eberspermien stimulierten KIM et al. (2008) frische und nach Kryokonservierung aufgetaute Samenzellen mit 100 µM Progesteron nach Kapazitation in einem calcium- und bicarbonathaltigen Medium. Die Autoren detektierten jeweils eine Erhöhung des intrazellulären Calciumgehaltes.

Kryokonservierte Spermien reagierten schwächer. Die Autoren vermuteten daher einen progesterongesteuerten Calciumkanal bei Eberspermien, welcher nach der Kryokonservierung nur noch eingeschränkte Funktionalität besitzt.

LÖSEL et al. (2004) führten Untersuchungen mit Antikörpern gegen einen plasmamembranständigen Progesteronrezeptor (mPR) durch, welcher in porcinen Hepatocyten exprimiert wird. Durch Verwendung dieser Antikörper bei Eberspermien wurde die Rate der durch Progesteron induzierten Akrosomreaktionen verringert. Als

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Lokalisation wurde die innere Akrosommembran vermutet. Die Autoren fanden darüber hinaus Hinweise auf einen zweiten, digitoninlöslichen Progesteronrezeptor bei Eberspermien.

2.3.5 Plasmamembran-Calcium-ATPasen (PMCAs)

Die PMCA existiert in somatischen Zellen in vier Unterformen und wird in den meisten Geweben von Säugetieren exprimiert. Dort besitzt sie eine generalisierte Funktion in der Aufrechterhaltung der Calciumhomöostase, indem sie Calciumionen über die Plasmamembran nach extrazellulär transportiert. In Säugetierspermien ist vor allem die PMCA 4 relevant (JIMINEZ-GONZALES et al. 2006). WENNEMUTH et al. (2003) wiesen mittels Immunfluoreszenz die PMCA am Hauptstück der Flagelle von Mäusespermien nach. Spermienkopf und -mittelstück zeigten keine Fluoreszenz.

Die Autoren postulierten eine wichtige Bedeutung der PMCA für die Regulation des intrazellulären Calciumgehaltes. Diese These wird durch die Beobachtung bestärkt, dass männliche PMCA4-knock out-Mäuse infertil sind. Die Spermien dieser Individuen können nicht zur Hyperaktivität stimuliert werden (JIMINEZ-GONZALES et al. 2006). Zur Bedeutung und Lokalisation der PMCA in Eberspermien liegen bisher keine Erkenntnisse vor.

2.3.6 Secretory Pathway Calcium-ATPasen (SPCAs)

HARPER et al. (2005) wiesen in humanen Spermien SPCA1 mittels Western Blot nach. Nachfolgend lokalisierten COSTELLO et al. (2009) die SPCA humaner Spermien hinter dem Nucleus, im Bereich des Spermienhalses, und dem Mittelstück.

In fluorimetrischen Experimenten von HARPER et al. (2005) reagierten humane Spermien deutlicher auf Bis-Phenol als auf Thapsigargin. Während Thapsigargin ausschließlich die SERCA blockiert, wird durch Bis-Phenol zusätzlich auch die SPCA inhibiert. Die Autoren schlussfolgerten daher, dass die Calciumregulation humaner Spermien vorrangig über die SPCA erfolgt. Da vorhergehende Experimente der Autoren (HARPER et al. 2004) Hinweise auf das Vorhandensein von Ryanodinrezeptoren bei humanen Spermien erbracht hatten, vermuteten die Autoren einen von der SPCA befüll- und von Ryanodinrezeptoren entleerbaren

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Calciumspeicher. Aufgrund der Lokalisation der SPCA hinter dem Nucleus, wurde das RNE vermutet. Da Calciumoszillationen in diesem Bereich der Spermien nicht zu Akrosomreaktionen führten, postulierten die Autoren eine Regulation der Flagellenaktivität

2.3.7 IP3- rezeptorgesteuerte Calciumkanäle

IP3-rezeptorgesteuerte Calciumkanäle öffnen nach Bindung mit IP3. Experimentell stimuliert Thimerosal (s. Kapitel 3.4) die Öffnung dieser Calciumkanäle (HO u.

SUAREZ 2001).PUTNEY et al. (2001) vermuteten bei somatischen Zellen, dass die IP3-vermittelte Freisetzung von Calcium aus intrazellulären Speichern die Öffnung plasmamembranständiger Calciumkanäle initiiert. Aufgrund der postulierten Funktionsweise wurden IP3-aktivierte Calciumkanäle den so genannten kapazitativen oder speichergesteuerten („store-operated“) Calciumkanälen zugeordnet.

WALENSKY und SNYDER (1995) führten erste umfangreiche Untersuchungen zum Vorhandensein und der Lokalisation von IP3-Rezeptoren an den Spermien von Mäusen, Ratten, Hamstern und Hunden durch. Den Autoren gelang zunächst der Nachweis des G-Proteins Gαq/11 und der β1 Isoform der Phospholipase C, beides Komponenten des Phosphoinositidsystems, über das IP3 generiert wird. Dieser Hinweis wurde am Akrosom und dem Mittelstück des Spermienschwanzes erbracht.

Durch weitere Experimente der Autoren konnten IP3-Rezeptoren bei den Spermien aller untersuchten Spezies mit hohem Expressionsgrad nachgewiesen und über indirekte Immunfluoreszenz lokalisiert werden. IP3-Rezeptoren wurden im Bereich der Akrosome und bei Rattenspermien zusätzlich im vorderen Mittelstück nachgewiesen. Für letztere Lokalisation nahmen die Autoren eine Beteiligung an der Motilitätsregulation an. In anschließenden Untersuchungen bestätigten die Autoren die Lokalisation von IP3-Rezeptoren an der äußeren Membran intakter Akrosome.

HO und SUAREZ (2001) wiesen den Typ 1 IP3-Rezeptor in der Region des Spermienhalses von Bullen- und Hamsterspermien nach. GUGSSA et al. (2010) gelang mittels Immunfluoreszenz der Nachweis von IP3-Rezeptoren in der Halsregion von Eberspermien und, mit geringerem Expressionsgrad, auch im Bereich des Mittelstücks. Da im Bereich des Spermienhalses auch Calmodulin, ein

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calciumbindendes Protein, nachgewiesen werden konnte, vermuteten die Autoren

calciumbindendes Protein, nachgewiesen werden konnte, vermuteten die Autoren