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2 Begriffliche Abgrenzung und theoretische Grundlagen

2.2 Grundlagen der digitalen Transformation

2.2.1 Entwicklung und Begriffsabgrenzung

2.2.2.1 Charakterisierung des Visionsbildes

Die Analyse der Definitionen liefert bereits Anhaltspunkte für die Eigenschaften bzw.

Charakteristika der Industrie 4.0. Verschiedene Autoren haben versucht, die Industrie 4.0 strukturiert zu charakterisieren. In einer der ersten Publikationen im Themenfeld beschrei-ben Kagermann et al. (2013, S. 34ff.) – zwar ohne einen empirischen Beleg, jedoch als wichtige Ausgangsbasis der Forschung – drei Charakteristika als Befähiger der Indus-trie 4.0. Drei Jahre später identifizieren Hermann et al. (2016, S. 3932) mithilfe einer quan-titativen Textanalyse von 130 Publikationen sowie einer anschließenden Clusterbildung in einem zweistufigen, qualitativen Verfahren vier sog. zentrale Design-Prinzipien der Indus-trie 4.0. Einen ebenfalls literaturbasierten Ansatz mit einer deutlich geringeren Anzahl an Publikationen wählen Plewka & Wißotzki (2016, S. 7ff.), um daraus Eigenschaften der Industrie 4.0 abzuleiten. Bischoff et al. (2015, S. 36f.) basieren ihre Ableitung von Funk-tionsbereichen auf die Analyse von Forschungsförderungsprogrammen sowie identifizier-ten Forschungsfeldern. Pfohl et al. (2017, S. 382f.) schließlich leiidentifizier-ten anhand von 152 Publikationen charakteristische Eigenschaften der Industrie 4.0 ab.

Industrie 4.0

Digitale Transformation

Digitalisierung

ZUKUNFTSVISION

WANDLUNGSPROZESS

WEGBEREITER

… zielt auf Echtzeitfähigkeit, Dynamik und Selbststeuerung ab.

… stellt die Kundenbedürfnisse in den Vordergrund.

… zeichnet sich durch vernetzte Technologien aus.

… integriert alle Wertschöpfungsstufen.

… ist ein zielgerichteter Unternehmenswandel.

… fokussiert sowohl auf die strategische als auch die operative Ebene.

… passt die Wertschöpfung sowie das Geschäftsmodell an.

… nutzt die Digitalisierung als Wegbereiter zur Erreichung der Vision.

… hat einen Einfluss auf Gesellschaft und Wirtschaft.

… schafft durch Computerisierung und Konnektivität Grundvoraussetzungen für die Industrie 4.0.

… beschreibt die Anwendung digitaler Technologien.

… beinhaltet die Verarbeitung von Daten.

Grundlagen der digitalen Transformation 25

Alle oben genannten Ansätze in Form von Funktionsbereichen, Designprinzipien und cha-rakterisierenden Eigenschaften lassen sich zu Kernaspekten der Vision der Industrie 4.0 zusammenfassen, die in Tabelle 4 aufgelistet und nachfolgend beschrieben werden. Hier-bei ist zu erwähnen, dass die einzelnen Aspekte nicht vollständig überschneidungsfrei sind.

Tabelle 4: Kernaspekte der Industrie 4.0 Charak-

und Integration Vernetzung Unternehmens-übergreifend

Assistenz Automatisierung Kundenfokus Service-

orientierung

Individuelle Kundenwünsche

Digitalisierte Produkte und Prozesse werden von Pfohl et al. (2017, S. 384) als Ausgangs-punkt für die übrigen Eigenschaften der Industrie 4.0 gesehen. Komponenten wie Produkte, Maschinen, Werkzeuge oder Transportmittel sind in der Industrie 4.0 mit eingebetteter Soft-ware und Sensoren ausgestattet und in globalen Datennetzwerken vernetzt. Dieses Prinzip ist auch unter dem Begriff CPS bekannt (vgl. Geisberger & Broy 2012, S. 20). Hierbei

werden bspw. über Sensoren oder RFID-Tags Daten für die weitere Verarbeitung erfasst (vgl. Bischoff et al. 2015, S. 75) und im Netzwerk bereitgestellt. Grundlage hierfür bilden die von Plewka & Wißotzki (2016, S. 8) identifizierten Komponenten, wie Clouds, Funkverbin-dungen oder globale Datennetze, die sich unter der Überschrift „IT-Infrastrukturen“ sub-summieren lassen.

Die Industrie 4.0 zeichnet sich durch Echtzeit-Transparenz aus. Nach Hermann et al.

(2016, S. 3931) lässt sich diese Informations-Transparenz einerseits in die reine Zurverfü-gungstellung von Informationen (bspw. über Verspätungen im Prozess) und andererseits in die gezielte Nutzung dieser Daten zur Analyse der Prozesse unterscheiden. Informationen sind sowohl auf operativer als auch auf strategischer Ebene und zwar nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch entlang der Supply Chain verfügbar. Hierdurch können Ent-scheidungen stärker datenbasiert gefällt werden und somit eine effiziente Wertschöpfung gewährleistet werden (vgl. Pfohl et al. 2017, S. 384f.).

Vernetzung ist ein weiteres Schlüsselelement der Industrie 4.0. Hierbei können zwei Ebenen unterschieden werden, die jedoch naturgemäß miteinander zusammenhängen.

Zum einen betrifft dies die technologische Vernetzung. So liegen einem durchgängigen In-formationsfluss in Echtzeit horizontal und vertikal integrierte technologische Systeme zu-grunde (vgl. Bischoff et al. 2015, S. 102). Zum anderen wird darauf aufbauend eine vertikale sowie horizontale Integration möglich. Digitalisierte Prozesse unterstützen die Zusammen-arbeit über Abteilungs- und Unternehmensgrenzen hinweg, weil sie den Informationsaus-tausch vereinfachen und das Wissensmanagement verbessern (vgl. Bischoff et al. 2015, S. 102).

Die Autonomie von Prozessen und Entscheidungen ist ebenfalls Hauptbestandteil der Industrie 4.0 (vgl. Pfohl et al. 2017, S. 386). Mithilfe dezentral bereitgestellter Informationen ist eine gewisse Selbststeuerung möglich (vgl. Hermann et al. 2016, S. 3933). Dies betrifft bspw. intelligente Ladungsträger, die datenbasiert Nachfolgeprozesse auslösen (vgl. Bi-schoff et al. 2015, S. 131).

Die Industrie 4.0 ist jedoch nicht mit menschenleeren Fabriken und Büros gleichzusetzen.

Das Zukunftsszenario umfasst vielmehr digital gestützte Prozesse und Systeme, welche die Mitarbeiter durch die Bereitstellung der notwendigen Informationen bei der Verrichtung ihrer Aufgaben unterstützen (vgl. Bischoff et al. 2015, S. 90). Zentrale Technologien sind bspw. Smartphones, Wearables und Augmented Reality (vgl. Bischoff et al. 2015, S. 90;

Hermann et al. 2016, S. 3933). Die Industrie 4.0 zeichnet sich auch dadurch aus, dass die Mitarbeiter durch die zunehmende Digitalisierung der Prozesse die Verantwortung über komplexere und umfassendere Arbeitsbereiche übernehmen können und u. U. hierbei auf-tretende Probleme bewältigen müssen (vgl. Gorecky et al. 2014, S. 292). Persönliche mobile Assistenzsysteme weisen bspw. auf Störungen hin und geben Hilfestellungen durch entsprechende Anweisungen (vgl. Gorecky et al. 2014, S. 292). Neben der visuellen Unterstützung zählen Hermann et al. (2016, S. 3933) auch Robotik bzw. Automatisierung zu den physischen Assistenzsystemen.

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Obwohl in der aktuellen Forschung noch unterrepräsentiert, soll vor allem der Kunde in der Industrie 4.0 im Fokus stehen. Dies betrifft zum einen die Berücksichtigung individueller Kundenwünsche (vgl. Plewka & Wißotzki 2016, S. 8) und damit verbunden das Konzept der Produktion in Losgröße 1 (vgl. Lasi et al. 2014, S. 261), zum anderen auch die von Bischoff et al. (2015, S. 117) beschriebene Serviceorientierung bspw. in Form von Zusatzservices oder Pay-per-Use-Modellen.

Siepmann (2016, S. 31) beschreibt Industrie 4.0 zusammenfassend als eine Kombination von Technologien und Konzepten. Zur Umsetzung der Vision sind sämtliche technische Komponenten über entsprechende Standards unternehmensintern sowie über die gesamte Supply Chain hinweg zu vernetzen (vgl. Siepmann 2016, S. 32). Die zuvor genannten Kern-aspekte integrierend, soll in der vorliegenden Arbeit Industrie 4.0 als Zukunftsvision ver-standen werden, welche sich an den Kundenbedürfnissen orientiert und eine Echtzeit-Transparenz sowie Selbststeuerung durch die Integration von CPS, Assistenzsystemen und eine unternehmensübergreifende Vernetzung sowie Zusammenarbeit ermöglicht.