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2 Begriffliche Abgrenzung und theoretische Grundlagen

2.1 Grundlagen des Supply Chain Managements

2.1.2 Zentrale Komponenten und Aspekte

2.1.2.1 Akteure und Flüsse

Mit dem Wandel vom klassischen Logistikmanagement zum Supply Chain Management hat sich der Blickwinkel auf die Wertschöpfung und Logistik ausgeweitet. Cousins et al. (2008, S. 23) weisen darauf hin, dass sich sowohl bei den Praktikern als auch bei den Akademikern die Fokussierung von dyadischen Beziehungen über Wertschöpfungsketten bis hin zu Wertschöpfungsnetzwerken gewandelt hat. Harland (1996, S. 64 bzw. 71f.) verweist hierzu auf vier unterschiedliche Betrachtungslevel (intern, dyadisch, Kette, Netzwerk).

Es hat demnach ein Wandel von einer organisationszentrierten zu einer wertschöpfungs-netzwerk-zentrierten Fokussierung stattgefunden. Das SCM umfasst aus einer inner-betrieblichen Perspektive zentrale Geschäftsfunktionen, wie Einkauf, Produktion und Ver-trieb, und bietet somit überbetriebliche Schnittstellen zu anderen Akteuren in Wert-schöpfungsnetzwerken (vgl. Lambert et al. 1998, S. 2). Zwar hat sich der Begriff „Supply Chain“ etabliert, es wird jedoch darauf hingewiesen, dass es sich in der Praxis nicht um Ketten mit einzelnen Gliedern handelt, sondern vielmehr um Netzwerke unterschiedlicher Akteure in Wertschöpfungsstrukturen (vgl. Chopra & Meindl 2004, S. 5; Christopher 2011, S. 3; Chopra & Meindl 2016, S. 2).5 Diese Struktur ist gemeinsam mit den assoziierten Kernrollen sowie Flüssen exemplarisch zur Charakterisierung von Wertschöpfungsnetz-werken in Abbildung 3 dargestellt.

In Aggregation der Darstellungen von Brumme et al. (2010, S. 13ff.) sowie Beckmann &

Schmitz (2008, S. 256) lassen sich die involvierten Akteure drei Kernrollen in Wertschöp-fungsnetzwerken (vgl. Abbildung 3) zuordnen:

der Produktion (welche sowohl Zulieferer als auch Endprodukthersteller6 ein-schließt), der Logistik und dem Handel.

5 Aus diesem Grund sind im Folgenden die Begriffe „Supply Chain“ und „Wertschöpfungsnetzwerk“ als synonym zu betrachten.

6 Der Begriff Endprodukthersteller wird in der Literatur und in der Praxis mit dem des Original Equipment Manufacturers (OEM) gleichgesetzt (vgl. Moder 2008, S. 111) und die beiden Begriffe daher in der vorlie-genden Arbeit ebenfalls synonym verwendet.

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Abbildung 3: Charakterisierung von Wertschöpfungsnetzwerken

(erweiterte Darstellung in Anlehnung an Kersten et al. 2018, S. 103 auf Basis von Baumgar-ten 2008, S. 14 und Lambert et al. 1998, S. 3)

Das Hauptziel des SCM besteht darin, diese Rollen und Akteure so in das Netzwerk zu integrieren, dass dieses im volatilen Marktumfeld wettbewerbsfähig bleibt (vgl. Stevens &

Johnson 2016, S. 22). Dabei wird ein notwendiger Wandel von der unternehmensfokussier-ten Wettbewerbsfähigkeit hin zur Konzentration auf die Wettbewerbsfähigkeit der gesamunternehmensfokussier-ten Supply Chain postuliert (vgl. Horvath 2001, S. 207). Die Kernziele liegen somit darin, so-wohl den Wert für den Kunden als auch die Effizienz für die Anbieter (vgl. Christopher 2011, S. 5f.), bspw. in Form von Kosten, Qualität, Zeit und Flexibilität, zu steigern (vgl. Wolf 2008, S. 62).

In der Praxis zeigt sich allerdings, dass zahlreiche Akteure traditionell auf interne Effizienz-steigerungen fokussiert sind (vgl. Christopher 2011, S. 19f.). Übergeordnete Zielsetzungen des SCM können demnach mit den jeweiligen internen Interessen der einzelnen Akteure im Zielkonflikt stehen. Tabelle 2 liefert eine Zusammenfassung der Kernziele der einzelnen Rollen in Wertschöpfungsnetzwerken.

Tabelle 2: Übergeordnete Ziele von Akteuren der Kernrollen in Wertschöpfungsnetzwerken (erweiterte Darstellung in Anlehnung an Beckmann & Schmitz 2008, S. 256)

Produktion Logistik Handel

Min. Einkaufspreis

Viele dieser Einzelziele können besser erreicht werden, wenn über das Wertschöpfungs-netzwerk hinweg Transparenz vorliegt. Diese Echtzeit-Transparenz wird daher seit langem gefordert (vgl. Lamming et al. 2001, S. 5). Auch eine Optimierung im Sinne der gesamten Supply Chain ist nur bedingt möglich, wenn den Akteuren – über das zur

Auftragsabwick-Struktur von Wertschöpfungsnetzwerken

Zulieferer Stufe x Zulieferer Stufe 1 Endkunde

lung erforderliche Maß hinaus – keine Informationen über Nachfragen, Bestände, Kapazi-täten, Engpässe, Kosten sowie Leistungskriterien ihrer Partner vorliegen (vgl. Lödding 2016, S. 157f.). Neben dem primär unidirektional ausgerichteten Materialfluss ist somit der bidirektionale Informationsfluss (vgl. Abbildung 3) von zentraler Bedeutung.7 Jain et al.

(2010, S. 11f.) sowie Braziotis et al. (2013, S. 645f.) zeigen, dass der ursprüngliche akteurs-bezogene Fokus des SCM auf den operativen Materialfluss innerhalb der letzten 30 Jahre um den Informationsfluss und damit verbunden die Vernetzung der Akteure ausgeweitet bzw. gewandelt wurde. Dies erfolgte u. a. über die Integration von elektronischem Daten-austausch (EDI) und Enterprise Resource Planning (ERP)-Systemen sowie die service-orientierte Spezialisierung und mündete im heutigen „SCM 2.0“, welches durch die IT-geprägte Vernetzung und Zusammenarbeit der Akteure bestimmt ist (vgl. Jain et al. 2010, S. 12). Somit sind heute die Technologien verfügbar, die eine Echtzeit-Transparenz ermög-lichen. Auf der Basis der Studie von Farrall et al. (2012, S. 9f.), die bspw. Aspekte wie die Relevanz des Internets sowohl für Kunden als auch für Mitarbeiter, das Marktvolumen und das Innovationspotenzial berücksichtigt, ist die hierdurch zu erwartende Disruption in der Logistik, als groß einzuschätzen.

Der bidirektionale Informationsfluss in Supply Chains bietet an der Schnittstelle zwischen den einzelnen Akteuren Potenziale auf beiden Seiten. So unterstützen Informationen über den aktuellen Auftragsstatus oder bspw. Fertigungstoleranzen einerseits die Synchroni-sation der nachfolgenden Schritte bei Akteuren nachgelagerter Stufen (vgl. Wöhner 2018, S. 117f.). Andererseits trägt bspw. eine frühzeitige Weitergabe von prognostizierten und geplanten Bedarfen an vorgelagerte Stufen zur Effizienz einer Supply Chain (vgl. Kolmy-kova 2016, S. 53) und damit verbunden zu einer Steigerung der Kundenzufriedenheit bei.

Trotz aller genannten Vorteile ist aktuell der Durchdringungsstatus mit digitalen Technolo-gien sowohl in der Logistik als auch im Supply Chain Management vergleichsweise gering.

Schlüsselkonzepte, wie bspw. cloudbasierte Anwendungen, Plattformen und Data Analytics sowie der Austausch von Daten im Wertschöpfungsnetzwerk zur Entscheidungsfindung, sind in der Praxis noch wenig verbreitet (vgl. Dougados & Felgendreher 2016, S. 6ff.).

Die oben beschriebene, durch Internettechnologien charakterisierte „SCM 2.0“-Ära ist stark durch Globalisierung, Komplexität und Volatilität geprägt (vgl. Christopher & Holweg 2011, S. 64) und zwingt dadurch die Akteure in den Wertschöpfungsnetzwerken zu schnellem Handeln. Die in einem Wertschöpfungsnetzwerk verbundenen Akteure sowie Aufgaben und Mechanismen lassen sich in sog. Rahmenwerken zusammenfassen und bieten einen Über-blick über mögliche Handlungsfelder.

7 Von einer näheren Betrachtung der Finanzflüsse (vgl. Abbildung 3) wird an dieser Stelle abgesehen, da auf diese in der vorliegenden Arbeit nicht eingegangen wird.

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