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Möglichkeit einer Beteiligung von Drittinvestoren

6 Auswirkungen einer stärkeren Beteiligung von Projektträgern an Erlös-Chancen von grenzüberschreitenden Stromleitungen

6.1.2 Das britische Cap-and-Floor-Regime

Das britische Cap and Floor Regime (CaFR) wurde 2014 durch Ofgem und die belgische NRB CREG ursprünglich für den britisch-belgischen Interkonnektor Nemo Link entwickelt, soll allerdings auch für weitere, geplante britische Projekte Anwendung finden (vgl. [38]).

Das CaFR ist ein reguliertes kostenbasiertes Regime mit einer Dauer von 25 Jahren. Zweck ist es durch wirtschaftliche Anreize und eine angemessene Minderung des Risikos durch das Festlegen von minimal gewährten Erlösen (Floor) mehr Investitionen in Interkonnektoren anzureizen (vgl. [39] S. 1). Gleichzeitig wird eine Erlösobergrenze (Cap) eingeführt. Diese soll sicherstellen, dass Projekte mit den Anforderungen der EU an die Verwendung der Erlöse konform sind, und erlaubt den Betreibern angemessene aber nicht exzessive Gewinne. Zwi-schen Cap und Floor ist das Modell so ausgestaltet, dass die Betreiber wie beim Merchant-Line-Modell den Vor- und Nachteilen von Interkonnektoren ausgesetzt sind (vgl. [40] S. 2).

Gewissermaßen stellt das CaFR also eine Mischform zwischen dem regulierten und dem Merchant-Line-Modell dar. Finanziert werden Investitionen ebenfalls durch Eigen- sowie Fremdkapital, welches von den Betreibern beschafft werden muss. Unter dem CaFR sind ÜNB sowie Drittunternehmen als Betreiber zugelassen (vgl. [37] S. 8).

Das CaFR deckt mit Ausnahme des Projekts Nemo Link lediglich die Kosten und Erlöse auf britischer Seite ab (50 Prozent der Gesamtkosten und -erlöse) (vgl. [40] S. 4). Die restlichen 50 Prozent müssen durch den Regulierungsrahmen des verbundenen Landes abgedeckt wer-den. Im Fall von Nemo Link werden die kompletten Kosten und Erlöse jeweils zu 50 Prozent auf den britischen und zu 50 Prozent auf den belgischen Betreiber verteilt (vgl. [41] S. 9). Da das CaFR ein reguliertes Regime darstellt, müssen die Betreiber alle relevanten europäischen

Rechtsvorschriften (z. B. eigentumsrechtliche Entflechtung, Netzzugang Dritter) erfüllen (vgl. [39], S. 2). Erlöse werden hauptsächlich durch Kapazitätsauktionen im Rahmen des Engpassmanagements, aber auch durch die Teilnahme am britischen Kapazitätsmarkt erwirt-schaftet.

Das Regime ist so ausgestaltet, dass jegliche Einnahmen, die den Cap übersteigen an NGET als ÜNB von Großbritannien gehen und zur Senkung der nationalen Netzentgelte genutzt werden. Dadurch steht die Verwendung der Engpasserlöse im Einklang mit den Bestimmun-gen der EU (vgl. [37] S. 8). Befinden sich die Einnahmen zwischen Cap und Floor, dürfen sie vollständig von den Betreibern einbehalten und zur Refinanzierung der Investition verwendet werden. Wenn die Einnahmen des Interkonnektors unter den Floor fallen, werden die Betrei-ber von NGET bis zum Floor kompensiert und die dadurch angefallenen Kosten werden durch eine Erhöhung der Netzentgelte refinanziert (vgl. [40] S. 2). Um Anreize für eine maximale Verfügbarkeit des Interkonnektors zu schaffen, kann der Cap jährlich zudem um ± 2 Prozent angepasst werden (vgl. Abbildung 18), je nachdem ob die Ziel-Verfügbarkeit (spezifisch für jeden Interkonnektor) über- oder unterschritten wurde. Auf der anderen Seite verlieren Be-treiber automatisch die Berechtigung zur Aufstockung der Erlöse zum Floor in jedem Jahr, in dem die Verfügbarkeit unter 80 Prozent liegt (vgl. [40] S. 6).

Um die tatsächlich erzielten Erlöse mit den minimal bzw. maximal gewährten Erlösen abzu-gleichen, wird die 25-jährige Laufzeit des Regimes in fünf Beurteilungszeiträume von je fünf Jahren unterteilt (vgl. [40] S. 4f). Alle fünf Jahre wird überprüft, ob die über diesen Zeitraum Abbildung 18: Vereinfachte schematissche Darstellung des Cap-and-Floor-Regimes (vgl.

[39] S. 2)

(auf kumulierter Basis) erzielten Erlöse den Floor unter- oder den Cap überschritten haben und dadurch Zahlungen fällig sind. Marktbezogene Kosten13 werden im Vorfeld von den erzielten Erlösen abgezogen (vgl. [40] S. 4). Liegen die erzielten Erlöse zwischen Cap und Floor, werden keine Zahlungen angestoßen. Jeder Beurteilungszeitraum wird dabei separat betrachtet, wodurch die jeweiligen Erlöse im nächsten Zeitraum nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. [40] S. 4). Während der jeweiligen Dauer eines Beurteilungszeitraums sind die Betreiber prinzipiell sämtlichen Marktrisiken ausgesetzt und können auf keine gesicherten Erlöse zurückgreifen. In Fällen in denen es durch unzureichende Erlöse jedoch zu Problemen mit der Finanzierbarkeit des Projekts kommt oder falls sich die Erlöse weit oberhalb des Cap befinden, können Betreiber auch während des Beurteilungszeitraums eine Aufstockung der Erlöse zum Floor beantragen (vgl. [40] S. 5). Diese Möglichkeit sollte allerdings nur genutzt werden, wenn es wirklich notwendig ist, da die komplette Erlösaufstockung zurückbezahlt werden muss, sollten die Erlöse am Ende des Beurteilungszeitraums kumulativ zwischen Cap und Floor liegen (vgl. [41] S. 32).

Die Cap und Floor Level werden vor Inbetriebnahme auf Basis von effizient angefallenen Kosten bzw. effizienten Kostenprognosen festgelegt14, bleiben während der Regimedauer konstant und werden nur an die Inflation angepasst (vgl. [40] S. 2). Festgelegt werden sie unter Berücksichtigung der Investitionsausgaben (CAPEX), Betriebs- und Instandhaltungs-kosten (OPEX), StilllegungsInstandhaltungs-kosten, Steuern und der regulatorischen Rendite (vgl. [40] S. 2).

CAPEX setzen sich zusammen aus den Investitionsausgaben für Entwicklung und Konstruk-tion, Ersatzinvestitionen, Zinsen während der Konstruktion (Interest During ConstrucKonstruk-tion, IDC)15 sowie Kosten für Finanztransaktionen. Zusammen ergibt sich daraus der Regulated

13 Marktbezogene Kosten sind z. B. Kosten durch Buchführungsfehler oder Kosten, die durch die Kompensation von Markt-akteuren anfallen, wenn die erworbene Interkonnektorkapazität nicht verfügbar ist (vgl. [41] S. 26).

14 Da nur effiziente Kosten in Cap und Floor eingehen dürfen, werden die tatsächlichen Kosten der Betreiber von Ofgem auf Effizienz geprüft und die berücksichtigten Kosten wenn nötig angepasst (vgl. [40] S. 6).

15 Da Einnahmen erst nach der Inbetriebnahme des Projekts generiert werden, werden Zinsen, die während der Konstruk-tion anfallen, kapitalisiert und in die zulässige RAV mit einbezogen. Dieser Ansatz wird verwendet, um für den Zeitver-zug zwischen dem Zeitpunkt, an dem die Kosten angefallen sind und dem Zeitpunkt der Vergütung aufzukommen (vgl.

[40] S. 7).

Asset Value (RAV)16, welcher den Kosten für den Bau eines Interkonnektors entspricht und über die gesamte Regimedauer linear abgeschrieben wird (vgl. [40] S. 6). Um sicherzugehen, dass die tatsächlichen Investitionsausgaben bzw. die aktuellsten Prognosen in Cap und Floor eingehen, erfolgt nach Fertigstellung der Konstruktion und vor Inbetriebnahme eine finale CAPEX-Anpassung (vgl. [40] S. 14). Die genehmigten CAPEX werden über Abschreibungen der RAV und durch die berücksichtigte Kapitalrendite bei unzureichenden Erlösen durch den Floor vergütet. Um eine doppelte Förderung zu vermeiden, werden Fördermittel, die dem Projekt gewährt wurden, von den Kosten zur Festlegung von Cap und Floor abgezogen (vgl.

[40] S. 8).

OPEX setzen sich aus Betriebs- und Instandhaltungskosten sowie nicht-beeinflussbaren Kos-ten (z. B. Lizenzgebühren oder Liegenschaftszinsen und -steuern) zusammen. Sie werden anhand von auf Effizienz geprüften Kostenprognosen der Betreiber abgeschätzt und bis zu 12 Monate vor der geplanten Inbetriebnahme durch Ofgem erneut bewertet, um die finalen Cap und Floor Level festzulegen (vgl. [40] S. 8). Steuern werden in unterschiedlicher Höhe sepa-rat in Cap und Floor unter Verwendung der britischen Steuerregelungen berücksichtigt (vgl.

[40] S. 9).

Der wichtigste Bestandteil des CaFR ist die berücksichtigte regulatorische Rendite auf das eingesetzte Kapital. Für Cap und Floor werden dabei verschiedene Renditen berücksichtigt, um die unterschiedlichen Risiken widerzuspiegeln. Die Rendite am Floor entspricht den Fremdkapitalkosten, soll hauptsächlich der Schuldentilgung dienen und ergibt sich aus dem Fremdkapitalkosten-Benchmark17 . Durch Anwendung der minimalen Rendite auf die gesam-te RAV (EK+FK) ergibt sich die berücksichtiggesam-te „Vergütung“ für die Rendigesam-te, die im Floor Level enthalten ist (vgl. [41] S. 66ff). An dieser Stelle sei erwähnt, dass verschiedene berück-sichtigte „Vergütungen“ zwar zur Festlegung von Cap und Floor verwendet werden,

16 Die RAV entspricht nicht der deutschen RAB, auf welche sich regulierte Renditen ergeben. Die RAV stellt lediglich die gesamten Kosten dar, welche mit der Konstruktion eines Interkonnektors verbunden sind und ist Teil der Basis, auf wel-cher Cap und Floor ermittelt werden.

17 Der Benchmark berechnet sich aus einem 20-tägigen Durchschnitt des Index nicht-finanzieller GBP-Anleihen mit einer Mindestlaufzeit von 10 Jahren und einer Bonitätsbewertung A/BBB. Inflation wird unter Verwendung des Einzelhan-delspreisindex (RPI) berücksichtigt (vgl. [40] S. 9).

dings nur dann wirklich ausgeschüttet werden, wenn sich die Erlöse unterhalb des Floor befinden.

Da sich die berücksichtigte „Vergütung“ aus der gesamten RAV (EK+FK) berechnet, Schuld-zinsen allerdings nur auf Fremdkapital bezahlt werden müssen, können Investoren bei Erlösen in Höhe des Floor bereits eine geringe Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital erhalten (vgl. [37] S. 29). Zusammen mit den Abschreibungen der RAV, OPEX und Steuern ergibt sich die gewährte Untergrenze auf die Erlöse, welche es effizienten Betreibern ermöglichen soll, ihre Kosten über die Laufzeit des Regimes zu decken und ihre Schulden zu tilgen (vgl.

[37] S. 13).

Die zulässige Rendite am Cap entspricht der Eigenkapitalrendite und wird unter Verwendung des CAPM berechnet (vgl. S. 21). Sie setzt sich zusammen aus einem risikolosen Basiszins zuzüglich einer Zusatzrendite für die Investition in ein risikobehaftetes Anlagegut und be-rechnet sich folgendermaßen (vgl. [40] S. 10):

𝑟𝐸𝐾 = 𝐵𝑍 + (𝑀𝑅𝑃 ∙ 𝛽) (1) mit

• rEK = Eigenkapitalrendite

• BZ = risikoloser Basiszins

• MRP = Marktrisikoprämie und

• 𝛽 =Risikofaktor.

Durch Anwendung der Eigenkapitalrendite auf die gesamte RAV ergibt sich zusammen mit den Abschreibungen der RAV, OPEX und Steuern die maximal zulässigen Einnahmen des Interkonnektors (vgl. [40] S. 10). Erlöse, die darüber hinausgehen, müssen an NGET abgege-ben werden. Abbildung 19 stellt zusammenfassend dar, welche Kostenaspekte in Cap und Floor eingehen.

Im Mittelpunkt stehen die CAPEX, welche als RAV linear abgeschrieben werden. Diese Abschreibungen werden als „Vergütung“ in Cap und Floor berücksichtigt und stellen die Möglichkeit zur Kapitalrückzahlung dar. Durch Anwendung der Eigen- und Fremdkapitalkos-ten auf die RAV ergibt sich die am Floor gewährte und die am Cap zugelassene „Vergütung“

für die Rendite. Daneben gehen zusätzlich OPEX sowie Steuern in die Festlegung der beiden Level ein. Zusammen ergeben diese „Vergütungen“ die minimal gewährten Einnahmen am Floor sowie die maximal zulässigen Einnahmen am Cap. Dazwischen sind die Betreiber sämtlichen Marktrisiken ausgesetzt. Der Verfügbarkeitsanreiz am Cap ermöglicht zudem eine Steigerung der zulässigen Einnahmen und damit der Rendite am Cap.

Der Genehmigungsprozess und die Festlegung der relevanten Parameter erfolgt im Rahmen des CaFR in drei Stufen (vgl. Abbildung 20) (vgl. [40] S. 14). Die initiale Projektbewertung (IPA) findet während der Entwicklungsphase des Projektes statt, umfasst eine umfangreiche und detaillierte CBA und mündet in einer vorläufigen Genehmigung des Regimes im Grund-satz. Die finale Projektbewertung (FPA) findet höchstens zwei Jahre nach der IPA statt und umfasst eine umfangreiche Prüfung und Bewertung der Projektkosten sowie des technischen Designs und mündet in einer Bestätigung der vorläufigen Genehmigung und der Festlegung von initialen Cap und Floor Level. Die FPA kann vor oder nach der finalen Investitionsent-scheidung durchgeführt werden (vgl. [40] S. 12f).

Abb. 1: Zusammenfassung der relevanten Kostenteile, die in Cap und Floor Level eingehen; eigene Darstellung nach [FTI Consulting 2015, S. 6].

Verfügbarkeitsanreiz

Abbildung 19: Zusammenfassung der relevanten Kostenbestandteile, in die Cap and Floor Level eingehen

Nach Fertigstellung der Konstruktion werden OPEX geprüft und bewertet und es erfolgt (wenn nötig) eine Anpassung von CAPEX. Zu diesem Zeitpunkt werden finale Cap und Floor Level bestimmt, die bis zum Ende des Regimes bestehen bleiben (vgl. [40] S. 14).

Da Ofgem ein Regime anbieten will, dass gegenüber der Finanzierungslösung invariant ist (vgl. [41] S. 31), wird prinzipiell keine bestimmte Kapitalstruktur bevorzugt oder ausge-schlossen. Damit sichergestellt werden kann, dass Betreiber auch während der Beurteilungs-zeiträume über ausreichend Finanzmittel verfügen, wird allerdings ein maximaler Verschul-dungsgrad von 50 Prozent empfohlen (vgl. [37] S. 33). Da ÜNB sowie private Unternehmen gleichermaßen zum Betrieb der Interkonnektoren unter diesem Regime zugelassen sind, erfolgt die Finanzierung entweder als Unternehmens- oder als Projektfinanzierung.

6.2 Bewertung von Instrumenten zur Beteiligung Dritter an