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F. Kriterium der „Kenntnis von der Aufhebbarkeit der Ehe“

VII. Beweislast

Zu erörtern bleibt die Frage der Beweislast. Prinzipiell hat jede Partei die für sie günsti-gen (anspruchsbegründenden) Voraussetzungünsti-gen zu beweisen. Beansprucht also ein E-hegatte nach Aufhebung der Ehe Unterhalt in Anwendung der scheidungsrechtlichen Vorschriften, so trägt er die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des

§ 1318 Abs. 2 BGB vorliegen. Dementsprechend muss, wer sich auf den Ausschluss des

§ 1931 BGB beruft, die Voraussetzungen des § 1318 Abs. 5 BGB beweisen.

Tatbestandsvoraussetzung in § 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB ist, dass der Unterhalt bean-spruchende Ehegatte die Aufhebbarkeit nicht gekannt hat. Für einen Anspruch nach

§ 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB müssen beide Ehegatten die Aufhebbarkeit gekannt ha-ben. Ebenso ist für den Ausschluss des § 1931 BGB nach § 1318 Abs. 5 BGB die Kenntnis des Ehegatten Voraussetzung. Folglich hätte der Anspruchsteller im Fall des

§ 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB zu beweisen, dass er die Aufhebbarkeit der Ehe bei der Eheschließung nicht gekannt hat, im Fall des § 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB, dass beide Ehegatten die Aufhebbarkeit gekannt haben. Bei § 1318 Abs. 5 BGB wäre zu beweisen, dass der überlebende Ehegatte Kenntnis von der Aufhebbarkeit der Ehe hatte.

Demgegenüber wird teilweise ohne jegliche Differenzierung vertreten, es sei immer derjenige beweispflichtig, der sich auf seine Unkenntnis beruft.776 Nach anderer Auffas-sung soll umgekehrt immer derjenige beweispflichtig sein, der die Gutgläubigkeit be-streitet.777 Beide Ansichten verkennen, dass die Beweislast jeweils verschieden verteilt ist. Obendrein stützt sich letztgenannte Auffassung auf eine Entscheidung des

773 Vgl. MünchKomm-Müller-Gindullis (4. Aufl.), § 1318 Rz. 3.

774 BGB-RGRK-Lohmann, § 1318 Rz. 7; so schon für die frühere Nichtigkeit Staudinger-Hübner/Funk (12. Aufl.), § 26 EheG Rz. 21.

775 Vgl. oben IV. (am Ende), S. 152.

776 Johannsen/Henrich, Eherecht-Henrich (4. Aufl.), Rz. 5; BGB-RGRK-Lohmann, Rz. 8, beide zu § 1318.

777 Palandt-Diederichsen (58. Aufl.), Rz. 10; -Brudermüller (63. Aufl.), Rz. 2, beide zu § 1318.

richts778 aus dem Jahre 1912. Ungeachtet der zwischenzeitlich eingetretenen gesetzli-chen Veränderungen werden die dortigen Aussagen zur Beweislast ohne jegliche Be-gründung auf die aktuelle Gesetzeslage übertragen. Das mag daran liegen, dass sie auch später, unter Geltung des EheG, noch ihre Berechtigung hatten. Bekanntlich sahen die Vorgängerregelungen des § 1318 BGB bei Ehenichtigkeit und Eheaufhebung generell den Eintritt der vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen vor (§ 26 Abs. 1, § 37 Abs. 1 EheG). Das Recht, diese Folgen auszuschließen, war von der Bösgläubigkeit des ande-ren Ehegatten abhängig. Deshalb hatte, wer von diesem Ausschlussrecht Gebrauch ma-chen wollte, das Vorliegen der Voraussetzungen, mithin die Bösgläubigkeit des anderen Ehegatten zu beweisen.779 Heute kann diese Beweislastregel keine Geltung mehr bean-spruchen. Die Beweislastregel der erstgenannten Ansicht hat nur in Bezug auf § 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB Gültigkeit.

Nun trägt der Anspruchsteller bei § 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB also die Beweislast für die eigene Gutgläubigkeit. Dabei handelt es sich um den Beweis einer negativen Tatsa-che, der ohnehin nicht leicht zu führen ist.780 Hinzu kommt, dass es sich um eine so ge-nannte „innere“ Tatsache handelt, die häufig nur durch eine Versicherung (unter Eid oder an Eides Statt) des betreffenden Ehegatten zu beweisen ist. Weil das Gericht in solchen Fällen darüber hinaus kaum eigene Erkenntnismöglichkeiten hat, wird es letzt-lich doch Sache des anderen Ehegatten sein, Tatsachen vorzubringen, aus denen sich ergibt, dass der Anspruchsteller die Aufhebbarkeit der Ehe kannte.781 Allerdings muss der andere Ehegatte die Kenntnis des Anspruchstellers nicht beweisen. Schon wenn es ihm gelingt, Zweifel an dessen Unkenntnis zu wecken, gehen diese zu Lasten des An-spruchstellers. Gelingt ihm das nicht und hat das Gericht auch sonst keinen Anlass am Vortrag des Anspruchstellers zu zweifeln, muss es von seiner Gutgläubigkeit ausge-hen.782

G. Zusammenfassung

Die Regelung der vermögensrechtlichen Folgen einer fehlerhaften Ehe durch das Ehe-schlRG 1998 führt zwar in vielen Fällen zu sachgemäßen Ergebnissen. Gleichzeitig bie-tet sie an zahlreichen Stellen Anlass zur Kritik. So kann der Schutz des beschränkt Ge-schäftsfähigen und des (vorübergehend) Geschäftsunfähigen mit der jetzigen Unter-haltsregelung nicht sichergestellt werden. Außerdem ist die Verneinung gegenseitiger Unterhaltsansprüche in Fällen der Drohung ohne Wissen des anderen Ehegatten und in Scheinehefällen nicht interessengerecht. Die Einfügung der Härteklausel in Bezug auf den Betreuungsunterhalt ist positiv zu bewerten, doch ist ihre Formulierung nicht ge-lungen.

In güterrechtlicher Hinsicht wird durch das Gesetz nun klargestellt, dass ein Ausgleich nach Auflösung einer fehlerhaften Ehe stattfindet. Der entsprechende Verweis in § 1318 Abs. 3 BGB ist jedoch gesetzestechnisch missglückt. Die Aufnahme einer speziellen

778 RGZ 78, 369 ff. (Urt. vom 8. 2. 1912).

779 Johannsen/Henrich, Eherecht-Henrich (2. Aufl.), § 26 EheG Rz. 16, ebenfalls unter Bezugnahme auf o.g. Reichsgerichtsentscheidung; Soergel-Heintzmann, § 26 EheG Rz. 5.

780 Baumgärtel/Laumen, Beweislast II, § 1318 Rz. 2; ausführlich zum Beweis von Negativen: Rosenberg, Beweislast, S. 330 ff.

781 So auch Baumgärtel/Laumen, Beweislast II, § 1318 Rz. 2.

782 Baumgärtel/Laumen, Beweislast II, § 1318 Rz. 2.

Billigkeitsklausel ist zu begrüßen, wenngleich deren Verhältnis zur Härteklausel in den Vorschriften über den Zugewinnausgleich nicht klargestellt wird. Durch die generelle Anordnung des Versorgungsausgleichs nach Aufhebung der Ehe und die Kombination der Billigkeitsklausel im Aufhebungsrecht mit den Härteklauseln in den Vorschriften über den Versorgungsausgleich können in diesem Bereich interessengerechte Lösungen erzielt werden.

Mit Blick auf die im Hausratsverfahren ohnehin erfolgende umfassende Abwägung wird bezweifelt, dass die diesbezüglich eingefügte Billigkeitsklausel praktische Rele-vanz haben wird. Der durch § 1318 Abs. 5 BGB für einzelne Aufhebungstatbestände eingeführte Erbrechtsausschluss bei bloßer Aufhebbarkeit der Ehe ist nicht annehmbar;

ebenso wenig der unverändert beibehaltene einseitige Erbrechtsausschluss in § 1933 BGB.

Das vom Gesetz verwendete Kriterium der Kenntnis von der Aufhebbarkeit ist zwar zur Ermittlung der Schutzbedürftigkeit der Ehegatten einer fehlerhaften Ehe geeignet. In-dem das Gesetz die Unterhaltsberechtigung und den vorverlagerten Erbrechtsausschlus-ses jedoch direkt an dieErbrechtsausschlus-ses Kriterium koppelt, ist es zu starr, um den verschiedenen Inte-ressenlagen gerecht werden zu können.

Dementsprechend wird eine Lösung vorgeschlagen,

1. die hinsichtlich der vermögensrechtlichen Folgen einer fehlerhaften Ehe auf die Folgen der Scheidung verweist, aber ein auf den Scheidungsunterhalt be-schränktes Ausschlussrecht zugunsten des gutgläubigen, des getäuschten oder bedrohten Ehegatten vorsieht;

2. die ausdrücklich bestimmt, dass Kenntnis von der Vernichtbarkeit gleichbe-deutend ist mit der Kenntnis der die Nichtigkeit begründenden Tatsachen so-wie deren möglicher Folgen für den Bestand der Ehe;

3. bei der sich das Ausschlussrecht nicht auf den Betreuungsunterhalt erstreckt, es sei denn die Inanspruchnahme des Verpflichteten wäre grob unbillig;

4. die das Ausschlussrecht dem eheunmündigen Ehegatten unabhängig von sei-ner Gut- oder Bösgläubigkeit zugesteht;

5. wo bei der Unterhaltsberechtigung eines bösgläubigen Ehegatten im Fall der Nichtigerklärung wegen Doppelehe auf eine etwaige Beeinträchtigung von Ansprüchen des ersten Ehegatten Rücksicht genommen wird;

6. die die Anwendung der Vorschriften über den Zugewinnausgleich und der Vorschriften über den Versorgungsausgleich insoweit beschränkt, als sie im Hinblick auf die Umstände bei der Eheschließung und im Fall eines Verstoßes gegen § 1306 BGB im Hinblick auf die Belange der dritten Person grob unbil-lig wäre, und gleichzeitig klarstellt, dass die §§ 1381, 1587 c und § 1587 h BGB unberührt bleiben;

7. bei der § 1933 BGB dahingehend abgeändert wird, dass der begründete An-trag auf Nichtigerklärung der Ehe einen beiderseitigen Ausschluss des Ehegat-tenerbrechts zur Folge hat und sich die Unterhaltsberechtigung des überleben-den Ehegatten nach der für die Nichtigerklärung geltenüberleben-den Regelung be-stimmt.

6. Kapitel: Nichtvermögensrechtliche Folgen

Die nichtvermögensrechtlichen Folgen einer fehlerhaften Ehe tauchen weder in § 1318

BGB auf, noch finden sie in der diesbezüglichen Gesetzesbegründung Erwähnung. Da-bei wurde die Geltung des Scheidungsrechts gerade für die nichtvermögensrechtlichen Folgen vom ursprünglichen Regierungsentwurf noch ausdrücklich betont.783 Zudem er-streckte sich die Anwendung des Scheidungsrechts bei der Eheaufhebung – anders als bei der Nichtigkeit – auch nach der bisherigen Rechtslage auf die nichtvermögensrecht-lichen Folgen.784 Im DDR-Recht fanden sich ausdrückliche Regelungen zu einzelnen nichtvermögensrechtlichen Folgen, wie der Rechtsstellung des Kindes und dem Na-mensrecht.785 Vor diesem Hintergrund nimmt sich die Aussparung dieser Folgen durch das EheschlRG 1998 seltsam aus.