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E. Erbrecht

II. Ausschluss des Erbrechts

2. Ausschluss nur bei früheren Nichtigkeitsgründen

Die Aufzählung in § 1318 Abs. 5 BGB beschränkt sich auf fünf Aufhebungsgründe. Für den Fall, dass eine Ehe aufgrund eines der übrigen, in § 1318 Abs. 5 BGB nicht genann-ten Aufhebungsgründe aufhebbar ist, führt die Kenntnis des überlebenden Ehegatgenann-ten von der Aufhebbarkeit der Ehe nicht zum Verlust des gesetzlichen Erbrechts. Genauso wenig lassen Täuschung oder Bedrohung des verstorbenen Ehegatten das Erbrecht ent-fallen. Die Auswahl der Aufhebungstatbestände, die den Verlust des gesetzlichen Erb-rechts zur Folge haben, erscheint willkürlich.674 Sachliche Unterscheidungskriterien sind nicht ersichtlich. Auffallend ist nur, dass ausschließlich frühere Nichtigkeitsgründe zur Versagung des Erbrechts führen. Offensichtlich hat sich der Gesetzgeber aus den oben genannten Erwägungen von der bisherigen Differenzierung zwischen Ehenichtig-keits- und Eheaufhebungsgründen leiten lassen.675 Dabei sollte diese Zweispurigkeit nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung auch im Erbrecht gerade überwunden werden:

„Soweit danach die Nichtigkeit zu gegenüber der Aufhebbarkeit abweichenden Rechtsfolgen führt, könnte daran auch im Rahmen der vom Entwurf vorgeschlage-nen Systematik festgehalten werden: Unbeschadet der grundsätzlichen Zusammen-fassung von Nichtigerklärung und Aufhebung könnte beispielsweise das Erbrecht eines Ehegatten in Anlehnung an § 1933 BGB ausnahmsweise dann ausgeschlos-sen werden, wenn die durch den Tod des anderen Ehegatten aufgelöste Ehe wegen Vorliegens bisheriger Nichtigkeitsgründe nach neuem Recht aufhebbar war. ... Der Entwurf trifft solche Regelungen jedoch bewusst nicht. Er geht vielmehr davon aus, dass der gelebten Ehe dort eine rechtliche Anerkennung nicht rückwirkend versagt werden sollte, wo dies nach geltendem Recht noch der Fall ist.“676

Bewusst wurde damals auf eine unterschiedliche Behandlung verzichtet. Die schließlich Gesetz gewordene, auf der Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages beru-hende Fassung schlägt genau die entgegengesetzte Richtung ein. Dem Rechtsausschuss ging die Angleichung der Rechtsfolgen von vernichtbaren und aufhebbaren Ehen in die-ser Konsequenz offenbar zu weit.677 Deshalb entschied er sich doch für die im Regie-rungsentwurf abgelehnte Variante, allerdings ohne auf diese Umkehr überhaupt hinzu-weisen oder sie plausibel zu begründen. Im Folgenden soll die Inkonsequenz dieser Re-gelung beispielhaft anhand einiger Aufhebungstatbestände aufgezeigt werden:

673 BT-Drucks. 13/9416 S. 29.

674 So auch Strätz in: Staudinger (13. Aufl.), § 1318 Rz. 42; Tschernitschek, FamRZ 1999, 829, 830:

„Diese Ungleichbehandlung wirft nicht zuletzt verfassungsrechtliche Bedenken auf.“; Bosch, NJW 1998, 2004, 2011 spricht von einer „schreckenerregenden Aufzählung“.

675 Palandt-Diederichsen (58. Aufl.), § 1318 Rz. 26; Tschernitschek, FamRZ 1999, 829, 830.

676 BT-Drucks. 13/4898 S. 18.

677 Auch Muscheler, JZ 1997, 1142, 1148 plädiert für eine Beibehaltung der bisherigen Unterschiede im Erbrecht.

a) Beschränkte Geschäftsfähigkeit und (vorübergehende) Geschäftsunfähigkeit

Nach § 1318 Abs. 5 BGB ist der überlebende Ehegatte von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wenn er die Geschäftsunfähigkeit des Erblassers bei der Eheschließung kannte oder wusste, dass sich der verstorbene Ehegatte bei der Eheschließung im Zu-stand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Geistesstörung befand. War der Erb-lasser hingegen aufgrund seiner Minderjährigkeit und fehlender Befreiung vom Volljäh-rigkeitserfordernis eheunmündig und hatte der andere Ehegatte Kenntnis davon, ist das Erbrecht nicht ausgeschlossen.

Um es deutlich zu machen: Ein Ehegatte verliert sein gesetzliches Erbrecht, wenn er von der (vorübergehenden) Geschäftsunfähigkeit des Erblassers bei der Eheschließung wusste, er behält es dagegen, wenn er dessen beschränkte Geschäftsfähigkeit kannte.

Die ungleiche Behandlung dieser Sachverhalte leuchtet nicht ein. Unterschiede, die eine derartige Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Nach der gesetzlichen Wertung befand sich der Erblasser bei der Eheschließung jeweils in einem Zustand, der eine freie Willensbestimmung ausschließt oder zumindest einschränkt. A-ber nur bei der (vorüA-bergehenden) Geschäftsunfähigkeit soll das Erbrecht ausgeschlos-sen sein. Nur hier soll der überlebende Ehegatte, der die Aufhebbarkeit kannte, nicht besser gestellt werden, als er stünde, wenn die Aufhebung noch durch den Erblasser be-antragt worden wäre. Die Anordnung völlig gegensätzlicher Rechtsfolgen für gleich ge-lagerte Sachverhalte vermag nicht zu überzeugen.678

Nach dem unterbreiteten Vorschlag gäbe es nur noch Nichtigkeitsgründe und nach dem Tod eines Ehegatten wäre noch eine rückwirkende Nichtigerklärung der Ehe möglich, sofern die zuständige Behörde das Nichtigkeitsverfahren beantragt oder fortsetzt. Im Rahmen der diesbezüglichen Ermessensentscheidung kann die Behörde grobe Unbillig-keiten, die in erbrechtlicher Hinsicht aus der Wirksamkeit der Ehe resultieren, nicht gänzlich außer Acht lassen. Zwar sind dadurch vornehmlich private Interessen berührt.

Fragen, die von öffentlichem Interesse sind, wie etwa der Schutz des beschränkt Ge-schäftsfähigen oder (vorübergehend) Geschäftsunfähigen können jedoch in diesen Be-reich hineinBe-reichen und ein Tätigwerden der Behörde veranlassen.

b) Scheinehe

Auf Scheinehen findet § 1318 Abs. 5 BGB keine Anwendung. Trotz der Aufhebbarkeit verliert der überlebende Ehegatte hier sein gesetzliches Erbrecht nicht. Nur die rechts-kräftige Aufhebung der Ehe bzw. der Antrag auf Aufhebung der Ehe durch den Erblas-ser vermögen den Ausschluss des Erbrechts zu bewirken.

Ob diese Regelung einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung gegen den Fortfall des Erbrechts entspringt oder einfach darauf beruht, dass die Scheinehe nicht zu den bisherigen Nichtigkeitsgründen zählt, ist ungewiss. Jedenfalls hat die bloße Aufhebbar-keit im Fall der Scheinehe keinen Einfluss auf das gesetzliche Ehegattenerbrecht. Dabei wäre dieser Tatbestand bei Beibehaltung der bisherigen Einteilung mit Sicherheit den Nichtigkeitsgründen zugeordnet worden.679 Letztlich steht es vorwiegend im

678 Köth, S. 181 f. will deshalb den Erbrechtsausschluss in § 1318 Abs. 5 BGB auch auf die dort nicht genannten Aufhebungsgründe analog anwenden.

679 Die insoweit vergleichbaren Namens- und Staatsangehörigkeitsehen als Unterfälle der Scheinehe führten jedenfalls zur Nichtigkeit der Ehe.

chen Interesse, die „Inanspruchnahme des Instituts der Ehe für ehefremde Zwecke“680 zu verhindern. Warum, so ist zu fragen, wird dann nicht auch der überlebende Ehegatte einer Scheinehe, der notwendigerweise Kenntnis von der Aufhebbarkeit der Ehe hatte, nach § 1318 Abs. 5 BGB vom Erbrecht ausgeschlossen? Warum wird bei ihm eine mögliche Besserstellung gegenüber der Situation des noch zu Lebzeiten des anderen Ehegatten gestellten Aufhebungsantrages hingenommen?

Für ROTH liegt die Begründung im Zusammenwirken der beiden Ehegatten.681 Dieses Argument ist jedoch keineswegs überzeugend. Gleichermaßen sind Fälle der Doppel- oder Verwandtenehe vorstellbar, bei denen beide Ehegatten zusammenwirken und die nichtsdestoweniger von § 1318 Abs. 5 BGB erfasst werden. Für einen Ausschluss des Erbrechts bei Scheinehen spräche zudem die folgende Überlegung: Das gesetzliche E-hegattenerbrecht zieht seine Berechtigung aus dem Bestehen der Ehe, es entspricht dem Wesen der ehelichen Lebensgemeinschaft.682 Der Grund für die Aufhebbarkeit einer Scheinehe besteht aber gerade darin, dass die Ehegatten eine solche Gemeinschaft gar nicht eingehen wollen. Eine erbrechtliche Teilhabe am Vermögen des anderen Ehegat-ten wäre somit nicht gerechtfertigt. Der Ausschluss vom Erbrecht wäre nur die logische Konsequenz. Führt schon ein Verstoß gegen die in § 1318 Abs. 5 BGB genannten Auf-hebungsgründe, bei denen eine eheliche Lebensgemeinschaft von den Ehegatten durch-aus gewollt sein kann und nur vom Gesetz missbilligt wird, zum Verlust des Erbrechts, müsste die Aufhebbarkeit wegen Scheinehe erst recht dazu führen683 oder das Erbrecht müsste bei sämtlichen Aufhebungsgründen bis zur Aufhebung bzw. berechtigten An-tragstellung bestehen bleiben.684

Würde der Aufhebungsgrund der Scheinehe – wie empfohlen – gestrichen, gäbe es über

§ 1933 S. 1 BGB eine ausreichende Vorwirkung des Erbrechtsausschlusses.

c) Täuschung/Drohung

Weil die Aufhebungsgründe der arglistigen Täuschung und Drohung in § 1318 Abs. 5 BGB nicht genannt sind, erbt der überlebende Ehegatte selbst dann, wenn der Erblasser von ihm oder mit seinem Wissen durch Täuschung oder Drohung zur Eingehung der Ehe bestimmt worden ist. Zugegebenermaßen galt das Gleiche schon nach der bisheri-gen Rechtslage: der Ausschluss des Erbrechts konnte im Falle der Täuschung oder Dro-hung – abgesehen von der Möglichkeit der letztwilligen Verfügung – nur durch eine rechtskräftige Aufhebung der Ehe bzw. einen Aufhebungsantrag des Erblassers herbei-geführt werden. Da weder die arglistige Täuschung noch die Drohung zu den früheren Nichtigkeitsgründen zählten, verwundert die Auslassung dieser Aufhebungstatbestände in § 1318 Abs. 5 BGB an sich nicht. Allerdings ist nicht nachvollziehbar, warum das Erbrecht hier erhalten bleiben soll, nicht aber, wenn der überlebende Ehegatte etwa Kenntnis von der vorübergehenden Geistesstörung des anderen hatte.685

Die Bereitschaft zur Eingehung der Ehe und damit zur Begründung einer ehelichen

680 BT-Drucks. 13/9416 S. 28.

681 Erman-Roth (10. Aufl.), § 1318 Rz. 10.

682 So Palandt-Edenhofer (63. Aufl.), § 1931 Rz. 1.

683 Ebenso Palandt-Diederichsen (58. Aufl.), § 1318 Rz. 26, wenn auch ohne Begründung.

684 Vgl. auch die Erörterungen zur Aufhebung wegen Doppel- bzw. Verwandtenehe, unten S. 137 ff.

685 Tschernitschek, FamRZ 1999, 829, 830.

bensgemeinschaft wird entweder durch eine bewusste Irreführung des anderen Ehegat-ten erschlichen oder ihm durch eine Bedrohung abgenötigt. Ob eine auf diese Art her-beigeführte Gemeinschaft überhaupt als Rechtfertigung für ein gesetzliches Ehegatten-erbrecht taugt, ist äußerst fraglich. Jedenfalls taugt sie dazu nicht mehr oder besser als jene Gemeinschaften, die aus den in § 1318 Abs. 5 BGB aufgezählten fehlerhaften Ehe-schließungen hervorgegangen sind. Ein Erst-Recht-Schluss würde wiederum zu der Er-kenntnis führen, dass auch die Aufhebungsgründe der arglistigen Täuschung und Dro-hung in die Aufzählung des § 1318 Abs. 5 BGB gehörten686 oder die Vorschrift gänz-lich zu streichen wäre.

Nach dem hier unterbreiteten Vorschlag könnte die Ehe im Fall der Täuschung oder Drohung auf Antrag der Behörde noch nach dem Tod eines Ehegatten für nichtig erklärt werden. Sollten die erbrechtlichen Folgen einer wegen Täuschung oder Drohung feh-lerhaften Ehe mit dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden gänzlich unvereinbar sein, wird sich die Behörde nach Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens veranlasst se-hen, in das Verfahren einzusteigen.

d) Zusammenfassung

Es zeigt sich, dass es für die Wahl der Aufhebungsgründe, die gemäß § 1318 Abs. 5 BGB einen Ausschluss des Erbrechts zur Folge haben, keine sachgemäße Begründung gibt. Die Orientierung an der überkommenen Einteilung in Ehenichtigkeits- und E-heaufhebungsgründe vermag nicht zu überzeugen. Von einer Vereinheitlichung der Folgen rechtsfehlerhafter Ehen, die mit dem EheschlRG 1998 angestrebt wurde, kann in dieser Hinsicht jedenfalls keine Rede sein.