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Eine Aufhebung der Ehe kommt gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Betracht, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist.

I. Fehlertatbestand und Heilung

Die arglistige Täuschung führte auch vor der Reform zur Aufhebbarkeit der Ehe. Daran haben die geringfügigen Modifizierungen des § 33 EheG nichts geändert: Bisher erfüll-te die Täuschung durch einen Driterfüll-ten ohne Wissen des anderen Ehegaterfüll-ten zunächst den Fehlertatbestand des § 33 Abs. 1 EheG. Die Aufhebung war dann aber gemäß § 33 Abs. 2 EheG ausgeschlossen.370 Heute ist durch die entsprechende Formulierung in

§ 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB in einem solchen Fall ein Aufhebungsgrund erst gar nicht ge-geben. Die bislang in einem eigenen Absatz (§ 33 Abs. 3 EheG) geregelte Täuschung über Vermögensverhältnisse, ist ebenfalls in die Beschreibung des Fehlertatbestandes aufgenommen worden.

Der Begriff der arglistigen Täuschung entspricht dem in § 123 Abs. 1 BGB. Er umfasst das Hervorrufen oder Aufrechterhalten eines Irrtums in der Absicht, den Getäuschten zur Eingehung der Ehe zu veranlassen.371 Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich die Ehe von den Rechtsgeschäften, auf die § 123 BGB Anwendung findet, insofern unter-scheidet, als es bei der Ehe um persönliche, auf Vertrauen beruhende Beziehungen geht.372 Auf geschäftliche Vorteile kommt es grundsätzlich nicht an. Die Täuschung

367 Als „fließender Fehlertatbestand“ bezeichnet in: Barth/Wagenitz, FamRZ 1996, 833, 840.

368 BT-Drucks. 13/4898 S. 19; Rütten, S. 76.

369 BT-Drucks. 13/4898 S. 19. Für eine Streichung des Eigenschaftsirrtums: Holzhauer, S. 67. Anders Bosch, FamRZ 1997, 138, 141, der für eine Beibehaltung dieses Irrtums – jedoch als Nichtigkeits-grund – plädiert.

370 Ramm, Familienrecht I, S. 481 sah darin schon unter Geltung des EheG entgegen dem Wortlaut kei-nen Ausschluss der Aufhebung, sondern eine Umschreibung des Tatbestandes.

371 BGB-RGRK-Lohmann, § 1314 Rz. 9.

372 Staudinger-Klippel (13. Aufl.), § 1314 Rz. 20.

kann durch das Vorspiegeln falscher oder die Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen (positives Tun) erfolgen.373 Eine Täuschung durch das bloße Verschweigen von Umständen (Unterlassen)374 ist nur dann tatbestandsmäßig, wenn eine Offenba-rungspflicht besteht, was von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig ist.375 Im Unterschied zu § 123 BGB berechtigt die Täuschung als solche noch nicht zur E-heaufhebung. Vielmehr muss sie sich auf Umstände beziehen, die für den Eheschlie-ßungswillen des Getäuschten maßgeblich waren und die ihn auch bei richtiger Würdi-gung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten.376 Eine Täu-schung über Vermögensverhältnisse ist nicht tatbestandsmäßig, ebenso wenig wie eine Täuschung durch Dritte ohne Wissen des anderen Ehegatten.

In subjektiver Hinsicht ist wenigstens bedingter Vorsatz erforderlich. Das heißt, der Täuschende muss wissen oder damit rechnen, dass der Getäuschte die Ehe bei Kenntnis der Sachlage nicht eingehen würde.377 Einer Schädigungsabsicht bedarf es nicht.

Nach Entdeckung der Täuschung kann der getäuschte Ehegatte die Eheschließung ge-mäß § 1315 Abs. 1 Nr. 4 BGB bestätigen, was zum Ausschluss der Aufhebung führt.

II. Berechtigung des Aufhebungsgrundes

Wenngleich das DDR-Recht dieser Form der Willensmanipulation bei der Eheschlie-ßung keine Bedeutung beimaß, ist an dem Fehlertatbestand der arglistigen Täuschung angesichts der durch Art. 6 Abs. 1 GG garantierten Eheschließungsfreiheit festzuhalten.

Die Täuschung macht einen freien Willensentschluss zur Eheschließung unmöglich.

Wie oben vorgeschlagen, sollte die arglistige Täuschung jedoch als Eheschließungshin-dernis bereits in den Titel „Eingehung der Ehe“ aufgenommen werden.378 Eine entspre-chende Vorschrift könnte etwa lauten:

„Eine Ehe darf nicht geschlossen werden, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt wird, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abhalten würden; dies gilt nicht, wenn die Täuschung Vermö-gensverhältnisse betrifft oder von einem Dritten ohne Wissen des anderen Ehegat-ten verübt wird.“

Im Gegensatz zu den unter G. behandelten Irrtümern, wo der Willensmangel auf einer persönlichen Fehleinschätzung des irrenden Ehegatten beruht, resultiert er bei der arg-listigen Täuschung auf einer bewussten Einflussnahme von außen. Insofern erscheint es nicht interessengerecht, den getäuschten Ehegatten auf das Scheidungsrecht zu verwei-sen, dass von einer nachehelichen Verantwortung ausgeht. Angesichts der emotionalen Enttäuschung, die der getäuschte Ehegatte erfahren hat, wird es für ihn einen ganz ent-scheidenden (psychologischen) Unterschied machen, ob die Ehe lediglich geschieden oder – sei es durch Aufhebungsurteil oder Nichtigerklärung – aufgelöst wird. Ferner ist

373 Etwa durch das Vortäuschen einer Schwangerschaft oder falsche Angaben über den Beruf.

374 Z. B. das Verschweigen einer Aids-Erkrankung, einer früheren Ehe oder bereits vorhandener Kinder.

375 Vgl. Johannsen/Henrich, Eherecht-Henrich (4. Aufl.), § 1314 Rz. 47 ff.

376 Ausführlich dazu: Wagenitz/Bornhofen, EheschlRG, 2. Teil 1. Abschnitt Rz. 108.

377 Palandt-Brudermüller (63. Aufl.), § 1314 Rz. 9.

378 Siehe zur Kritik an der Systematik des Gesetzes oben S. 37 f.

ihm daran gelegen, auf keinen Fall nachehelichen Verpflichtungen ausgesetzt zu sein.

III. Aufhebung oder Nichtigkeit

Der getäuschte Ehegatte sollte die Möglichkeit haben, sich gänzlich von der Ehe zu

„befreien“. Allerdings stellt sich die Frage, ob die im Gesetz vorgesehene Eheaufhe-bung dazu geeignet ist. Sie beseitigt die Ehe mit Wirkung für die Zukunft. Dadurch

„kommt“ der getäuschte Ehegatte zwar „von der Ehe los“. Gleichzeitig wird der Ehe aber für die Vergangenheit rechtliche Anerkennung verliehen. Das heißt, der Getäuschte gilt – sei es auch nur bis zur Aufhebung der Ehe – als mit dem Schwindler verheiratet.

Dies widerspricht dem Interesse des getäuschten Ehegatten, die Ehe vollständig zu an-nullieren. Eine ex tunc wirkende Nichtigkeit der Ehe entspräche dieser Interessenlage eher. Selbst wenn die Tatsache der Eheschließung und deren unerfreuliche Umstände auch auf diese Weise nicht aus der Welt geschafft werden können, kommt die rückwir-kende Vernichtung der Ehe dem Ziel des getäuschten Ehegatten am nächsten. Oben-drein deckte sich diese Lösung weitestgehend mit der Behandlung der arglistigen schung im allgemeinen Teil des BGB: Dort führt die Anfechtung wegen arglistiger Täu-schung gemäß § 142 Abs. 1 BGB zur rückwirkenden Vernichtung des Rechtsgeschäfts.

Dementsprechend sollte nicht die Aufhebbarkeit sondern die Vernichtbarkeit der Ehe Folge einer arglistigen Täuschung im Zusammenhang mit der Eheschließung sein.

I. Widerrechtliche Drohung

Eine Ehe ist nach § 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB aufhebbar, wenn ein Ehegatte widerrecht-lich durch Drohung zur Eingehung der Ehe bestimmt worden ist.

I. Fehlertatbestand und Heilung

Die widerrechtliche Drohung stellte bereits nach alter Rechtslage einen Aufhebungs-grund dar. Im DDR-Eherecht spielte sie hingegen keine Rolle. Für den Begriff der wi-derrechtlichen Drohung gilt das Gleiche wie bei § 123 Abs. 1 BGB. Danach liegt eine Drohung bei der Ankündigung eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende einwirken zu können vorgibt, ebenso vor wie bei der Ankündigung der Aufrechterhal-tung eines bestehenden Übels, sofern der Drohende in der Lage und rechtlich oder sitt-lich verpfsitt-lichtet ist, das Übel zu beseitigen.379

Generell ist eine Drohung widerrechtlich, wenn der verfolgte Zweck, das angewendete Mittel oder die Zweck-Mittel-Relation widerrechtlich sind.380 Da eine Eheschließung (=

Zweck) grundsätzlich nicht verboten ist, kann sich die Widerrechtlichkeit der Drohung nur daraus ergeben, dass das angedrohte Verhalten (= Mittel)381 unerlaubt ist oder dass das an sich erlaubte Verhalten382 zur Erzwingung der Eheschließung unangemessen er-scheint.383 Subjektiv muss die Drohung in der Absicht erfolgen, den Bedrohten zur

379 BGB-RGRK-Lohmann, Rz. 15; Johannsen/Henrich, Eherecht-Henrich (4. Aufl.), Rz. 64, jeweils zu § 1314.

380 Palandt-Heinrichs (63. Aufl.), § 123 Rz. 19.

381 Etwa Prügel oder die Einstellung von Unterhaltszahlungen.

382 Z. B. die Drohung mit Selbstmord.

383 Wagenitz/Bornhofen, EheschlRG, 2. Teil 1. Abschnitt Rz. 109.

gehung der Ehe zu veranlassen.384

Die Drohung durch einen Dritten stellt – im Unterschied zur arglistigen Täuschung – selbst dann einen Aufhebungsgrund dar, wenn der andere Ehegatte keine Kenntnis da-von hatte.

Hat der bedrohte Ehegatte nach Aufhören der Zwangslage zu erkennen gegeben, dass er die Ehe fortsetzten will, so ist eine Aufhebung ausgeschlossen, § 1315 Abs. 1 Nr. 4 BGB.

II. Berechtigung des Aufhebungsgrundes

Die widerrechtliche Drohung schließt eine freie Willensbildung aus und sollte deshalb weiterhin zur Fehlerhaftigkeit der Ehe führen. Diesbezüglich wird auf die obigen Aus-führungen zur arglistigen Täuschung verwiesen.385 Entsprechend sollte die Drohung als Eheschließungshindernis formuliert werden:

„Eine Ehe darf nicht geschlossen werden, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt wird.“

Die Ehescheidung stellt auch für den durch eine widerrechtliche Drohung zur Ehe-schließung veranlassten Ehegatten kein zumutbares Mittel zur Auflösung der Ehe dar.

Ebenso wenig vermag die Eheaufhebung seinen Interessen gerecht zu werden. Seine In-teressenlage ist vergleichbar mit der des getäuschten Ehegatten, so dass wiederum auf die entsprechenden Erörterungen unter H. Bezug genommen werden kann.386 Bei einem bedrohten Ehegatten dürfte der Wunsch nach einer völligen Beseitigung der Ehe sogar noch stärker sein. Im Unterschied zum getäuschten Ehegatten ist ihm die Eheschließung aufgezwungen worden, hat er die Ehe bewusst gegen seinen Willen geschlossen. Daran möchte er unter keinen Umständen festgehalten werden. Demzufolge sollte er die Ehe nicht aufheben, sondern für nichtig erklären lassen können.