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Bestimmung der Sehleistung

Im Dokument behinderte und alte Menschen (Seite 30-33)

a) Messung der Sehschärfe

Die Sehleistung des Auges wird durch den Visus angegeben, der ein Maß für die Sehschärfe bzw. genauer gesagt für das Auflösungsvermögen des Auges ist. Der Visus (V) ist der Reziprokwert des kleinsten Winkels (Wmin in Bogenminuten), unter dem zwei Punkte noch getrennt wahrgenommen werden können.

V = 1 / Wmin

Unter guten Lichtverhältnissen kann ein normalsichtiges Auge zwei Punkte gerade noch auseinanderhalten, wenn diese unter einem Winkel von 1 Bogenminute (1') erscheinen. Der Visus ist dann V = 1 / 1 = 1

Zur Bestimmung des Visus (Sehschärfeprüfung) eignen sich im Prinzip alle Objekte, bei denen ein signifikan-tes Detail aus der jeweils angegebenen Entfernung unter dem Winkel von 1' erscheint (Optotypen). Dazu kön-nen z.B. Sehprobentafeln mit Buchstaben (Snellen-Tafel, Abb. A 2.27) oder Ringen (Landolt-Ringe, Abb. A 2.28) verwendet werden. Die Öffnung der Ringe wird aus der "Soll-Entfernung" unter 1' gesehen. Die Sehleistung errechnet sich aus dem Quotienten aus Ist-Entfernung durch Soll-Entfernung. Kann z.B. die Lage des Spaltes eines Landolt-Ringes für eine Soll-Entfernung von 8,5 m erst bei einer Annäherung auf 3,3 m er-kannt werden, ist der Visus 3,3/8,5 = 0,39. Der Visus einer normal sehenden Person beträgt V=1...1,2. Zum Lesen einer Zeitung ist ein Visus von mindestens 0,4 erforderlich.

Abb. A 2.27: Snellen-Tafel. Abb. A 2.28: Landolt-Ringe.

In den englischsprechenden Ländern wird die Sehleistung durch eine Bruchzahl definiert. Im Zähler steht jene Entfernung, aus der die fehlsichtige Person ein Objekt gerade noch erkennen kann. Im Nenner steht die Ent-fernung für eine normalsichtige Person. 20/20 bezeichnet daher Normalsichtigkeit, 6/60 eine hochgradig seh-behinderte Person, die ein Objekt, das eine normalsichtige Person bereits auf 60 Fuß erkennt, erst bei Annä-herung auf 6 Fuß wahrnehmen kann.

b) Gesichtsfeldmessung – Perimetrie

Unter Perimetrie versteht man die mehr oder minder punktweise Vermessung des Gesichtsfeldes bei unter-schiedlichen Reizstärken. Die Versuchsperson fixiert dabei mit dem jeweils zu vermessenden Auge einen ge-rade vor ihr befindlichen Punkt. Auf einem Schirm, der das gesamte mögliche Gesichtsfeld ausfüllt, wird an der zu messenden Stelle ein Reiz (Lichtpunkt genau definierter Größe) angeboten. Die Reizstärke wird verändert, sodaß aufgrund der Aussagen der Versuchsperson die lokale Reizschwelle dieses Punktes auf de Netzhaut ermittelt werden kann. Alle auf diese Weise ermittelten Punkte, bei denen die gleiche Reizschwelle gemessen wurde, werden miteinander verbunden, sodaß schließlich eine "Landkarte" der Netzhaut mit Linien gleicher Empfindlichkeit (Isopter) entsteht. Gesichtsfeldausfälle scheinen in der Karte als Gebiete geringer bis ver-schwindender Empfindlichkeit auf.

Bei der "kinetischen" Perimetrie wird ein Stimulus bestimmter Stärke von der Gesichtsfeldperipherie langsam zum Zentrum hinbewegt, bis er von der Versuchsperson wahrgenommen werden kann (die Empfindlichkeit der Netzhaut nimmt üblicherweise vom Rand zum Zentrum hin zu). Es wird also entlang eines Gesichtsfeld-Radius jener Punkt ermittelt, bei dem ein Reiz bestimmter Stärke für die Versuchsperson zum erstenmal wahrnehm-bar wird. Diese Messung wird nun entlang vieler radialer Linien und mit unterschiedlicher Reizstärke wieder-holt, bis aus der Fülle der so gewonnenen Daten die Zeichnung der Isopter vorgenommen werden kann.

Bei der statischen Perimetrie, die leichter automatisiert durchgeführt werden kann, wird ein Reiz unterschiedli-cher Stärke an einem feststehenden Ort angeboten und die Reizschwelle ermittelt. Dieser Vorgang wird für viele Punkte im Gesichtsfeld wiederholt.

c) Kontrastmessung

Die übliche Prüfung der Sehschärfe erfolgt mit Optotypen (z.B. Snellen-Buchstaben, Landolt-Ringe), die einen hohen Kontrast14 zum Hintergrund aufweisen (üblicherweise 90%). Wesentlich genauere Aussagen über die Sehleistung lassen sich jedoch machen, wenn festgestellt werden kann, wie sich der Visus einer Person bei unterschiedlichen Kontrastverhältnissen ändert.

Wir haben bisher den Visus als den Reziprokwert des kleinsten Winkels (in Bogenminuten), unter dem zwei Punkte noch getrennt wahrgenommen werden können, kennengelernt. Bei der Betrachtung von Streifenmus-tern (GitStreifenmus-tern), die vielen Kontrastmessungen als elementare Muster zugrunde gelegt werden, verwendet man als Maß für den Abstand, unter dem zwei Linien von Betrachter / von der Betrachterin gesehen werden, die Ortsfrequenz. Sie gibt an, wie viele Perioden des vorgelegten Musters in einen Blickwinkel von 1 Grad fallen.

Bei der in Abb. A 2.27 gezeigten Snellen-Tafel würde eine Periode (ein dunkles und das benachbarte helle Element) bei Visus 1 unter einem Winkel von 2' gesehen. Somit ist für Visus 1 die äquivalente Ortsfrequenz 30 Perioden / Grad (oder 30 Grad-1). Der Zusammenhang zwischen Ortsfrequenz (bzw. Visus) und Kontrast für das normalsichtige Auge ist in Abb. A 2.29 dargestellt [MET 96]

Die Ermittlung der Sehleistung bei unterschiedlichem Kontrast erfolgt mit Sehprobentafeln, auf denen die Optotypen mit sinkendem Kontrast (z.B. von 96% bis 4%) dargestellt sind. Für eine rasche Ermittlung (Rei-henuntersuchungen) werden Tafeln verwendet, auf denen Streifenmuster unterschiedlicher Ortsfrequenz und mit unterschiedlichem Kontrast dargestellt sind. Ein Muster gilt als richtig erkannt, wenn die Versuchsperson die Richtung des Streifenmusters (senkrecht, schräg nach rechts, schräg nach links) angeben kann.

Abb. A 2.30 zeigt einen Ausschnitt aus der Vistech-Sehprobentafel und Abb. A 2.31 eine Auswertung (Kind mit Amblyopie).

14 Der Kontrast (Weber-Kontrast) ist das Verhältnis aus der Differenz der Leuchtdichte des Umfeldes (Lu) und des Objek-tes (Lo) bezogen auf die Leuchtdichte des Umfeldes: K = (Lu – Lo) / Lu.

Abb. A 2.29: Zusammenhang zwischen Ortsfrequenz und Kontrast [MET 96] – a markiert den Punkt, an dem

eine normale Sehschärfenprüfung erfolgt

Abb. A 2.30: Messung der Kontrastempfindlichkeit mit Steifenmustern – Ausschnitt aus der

Vistech-Sehprobentafel [Vistech]

Liegen die Linien für beide Augen im grau hinterlegten Bereich, liegt keine Störung der Kontrastwahrnehmung vor. Für das im Beispiel von Abb. A 2.31 untersuchte Kind, wäre die vorliegende Amblyopie (Minderung der Sehleistung durch Entwicklungsstörungen im Corpus geniculatum laterale oder des visuellen Cortex) mit einer herkömmlichen Sehprobentafel möglicherweise nicht auffällig geworden, da die Meßpunkte für hohen Kontrast (rechts unten) noch innerhalb des Normalbereichs liegen.

Abb. A 2.31: Auswertung einer Messung mit der Vistech-Sehprobentafel bei einem Kind mit Amblyopie [Vistech]

d) Farbmessung

Zur Überprüfung der Farbwahrnehmung werden in der Praxis drei Verfahren eingesetzt, die alle auf den sub-jektiven Aussagen der Testperson beruhen.

Bei den Farbtafeln nach Ishihara (pseudoisochromatischer Test) werden der Versuchsperson Karten vorge-legt, auf denen Buchstaben, Ziffern oder andere geometrische Figuren bestehend aus farbigen Punkten dar-gestellt sind. Diese Punktmuster sind von komplementärfarbigen oder grauen Punkten umgeben. Somit unter-scheiden sich das Bild vom Hintergrund nur im Farbton (Abb. A 2.32).

Farbtüchtige Personen können Punkte des gleichen Farbtones erkennen und klassifizieren, sodaß die darge-stellte Figur sich für sie deutlich vom Hintergrund abhebt und lesbar wird. Für Personen mit Farbschwäche tritt das Merkmal Farbton gegenüber Helligkeit oder Punktgröße in den Hintergrund und sie erkennen nur ein (iso-chromatisches) regelloses Punktmuster oder sogar eine andere Figur [Cov 81].

Der Farbgruppierungstest nach Farnsworth-Munsell besteht aus einer Anzahl von zylindrischen Knöpfen (z.B. 15 Fingerhut-große Zylinder), die an der Oberseite ein farbiges Plättchen tragen. Die Versuchsperson wird aufgefordert, diese Zylinder in einer kontinuierlichen Abfolge von Farbtönen anzuordnen. Das Finden einer solchen Reihung bereitet farbtüchtigen Personen keine besondere Schwierigkeit, während es für Perso-nen mit Farbschwächen nicht einsichtig ist, welche Reihenfolge eine sinnvolle Anordnung darstellt. Je nach-dem in welchem Bereich der Farbskala Verwechslungen gemacht werden, läßt auf Art und Schwere der Stö-rung in der Farbwahrnehmung schließen.

Bei den bisher beschriebenen Farbtests ist es wichtig, daß die Versuche bei Tageslicht oder tageslichtartiger Beleuchtung durchgeführt werden.

Das Anomaloskop ist ein optisches Untersuchungsinstrument, bei dem eine bestimmte Farbe entweder als Mischfarbe oder als reine Spektralfarbe angeboten werden kann. Die Versuchsperson sieht beim Blick in das Anomaloskop einen in zwei Hälften geteilten farbigen Kreis (Abb. A 2.33). Die eine Hälfte wird mit einer schmalbandigen Lichtquelle konstanter Helligkeit und Farbe beleuchtet. Die andere Hälfte erhält ihr Licht von zwei regelbaren Lichtquellen, deren Wellenlängen sowohl über als auch unter jener der Vergleichslichtquelle liegen. Die Versuchsperson hat die Aufgabe, mittels zweier Regler die veränderbaren Lichtquellen so einzu-stellen, daß ihre Addition genau den gleichen Farbton und die gleiche Helligkeit wie die Vergleichslichtquelle bewirkt.

Abb. A 2.32: Farbtestkarte nach Ishihara – Im farbigen Original besteht die abgebildete Ziffer "5" aus Punkten mit grünen Farbtönen während der

Hinter-grund in rötlichen Farbtönen ausgeführt ist (Quelle: HealthGate Data Corp.).

Abb. A 2.33: Anoma-loskop – Wellenlängen für

Rot-Grün Test.

Für die Durchführung des Rot-Grün Tests wird 589 nm als Farbe der Vergleichslichtquelle und 545 nm (grün) sowie 670 nm (rot) für die Abstimmung verwendet (sog. Rayleigh Gleichung). Für die Diagnose von Blau-Gelb Defekten eignet sich Weiß als Vergleichslichtfarbe und 470 nm (blau) und 585 nm (gelb) zum Mischen (sog.

Pickford-Lakowski Gleichung). Stellen Personen mit Farbschwächen die Regler so ein, daß ihnen der gesamte Kreis als einheitliche Farbe erscheint, sind die Einstellungen nicht reproduzierbar. Unterschiedliche Einstellun-gen führen für sie zu den gleichen Ergebnissen. Für farbtüchtige Personen erscheinen die von farbschwachen Personen eingestellten Teilflächen unterschiedlich gefärbt. Art und Schwere einer Störung der Farbwahrneh-mung lassen sich aus der Art, wie die Einstellungen durch die Versuchsperson vorgenommen werden und aus der Streubreite der Einstellungen ableiten [Cov 81].

Im Dokument behinderte und alte Menschen (Seite 30-33)